2

 

Die Schläfen schmerzten, die Welt drehte sich, der Magen… rebellierte. Leia kehrte zurück. Jemand schrie. Han natürlich.

Ihr Kopf dröhnte.

Ruhe!

Han schrie ununterbrochen weiter, und jemand fauchte zurück. Leia schlug die Augen auf und starrte in eine Sonne. Welche, wusste sie nicht, aber das bläuliche Licht blendete und bewegte sich von einem Auge zum anderen.

Eine sanfte Stimme − die eines Mannes − sagte, sie komme zu sich. Zu wem?

Um sie herum standen Silhouetten. Ein Mann, neben ihr, der die blaue Scheibe an seiner Stirn befestigt hatte. Eine Frau hinter einem Tablett mit medizinischen Instrumenten. Han und jemand in einem unförmigen Overall unterhielten sich laut drüben am Sichtfenster. Ein anderer Mann stand in der Ecke des Raums am Wandschrank, halb abgewandt, und wühlte etwas durch, was Leia als ihre Reisetasche erkannte.

»Oo hörr…« Selbst in Leias Ohren klangen die Worte schwach und unzusammenhängend. »Ftopp.«

»Ist schon in Ordnung, Leia«, sagte der Mann mit der Kopflampe. »Ich bin Dr. Nimbi. Sie werden sich bald besser fühlen.«

»I fül mi hut.« Leia versuchte es zu zeigen, doch ihr Arm fühlte sich so schwer an wie ein Durastahlträger. »Daf Licht aus.«

Die Lampe am Kopf erlosch und enthüllte ein vertraut lächelndes Gesicht mit grauen Augen und Lachfalten. »Besser?«

Jetzt konnte Leia erkennen, dass der Mann einen Arztkittel trug, an dessen Brust JASPER NIMBI aufgestickt war. Seine Assistentin, eine mollige Frau, alt genug, um die Mutter des Doktors zu sein, war in eine abgetragene Schwesterntracht gekleidet. Der Mann, der ihre Tasche durchsuchte, trug Abzeichen des corellianischen Sicherheitsdienstes auf seinem Overall, und ebenso der Offizier, mit dem sich Han stritt.

»… ihn entlassen?«, fuhr Han auf. »Er ist ein Mörder!«

»Für die einzigen Toten hier sind Sie verantwortlich, Solo«, entgegnete der Offizier. »Und seine Identität wurde als authentisch bestätigt. Falls wir Gad Sluggins noch einmal vernehmen müssen, wissen wir, wo wir ihn finden.«

»Wüsste ich auch«, gab Han zurück. »In der nächsten Unterkunft der Friedensbrigade.«

»Die Mitgliedschaft in einer politischen Vereinigung ist auf Corellia kein Verbrechen mehr, Solo.«

In der Ecke zog der Agent am Schrank einen Datenblock aus Leias Reisetasche, blickte sich verstohlen um und schob ihn dann in seinen Overall. Erneut versuchte Leia, sich zu bewegen und auf den Kerl zu zeigen. Diesmal endeten ihre Bemühungen mit einem metallischen Scheppern an ihrem Arm, der mit einem Wirrwarr von Schläuchen an einem intravenösen Tropf verbunden war. Das Geländer des Betts klapperte. Sie richtete sich auf und wollte in Richtung des Diebs schauen.

»Schtopp.« Das Wort war schon fast verständlich. »Dieb.«

Sofort unterbrach Han den Streit mit dem CorSec-Offizier und kam zu ihr. Er sah erschöpft aus, hatte Ringe unter den Augen, und seinen Wangen waren eingefallen.

»Du bist wach«, sagte er und übertrieb dabei möglicherweise ein wenig. »Wie geht es dir?«

»Schrecklich«, antwortete Leia. Alles schmerzte, und es fühlte sich an, als hätte man ihr einen heißen Trafo an die Beine gebunden. »Dieser Agent bestiehlt mich.«

Sie richtete den Finger auf den Täter, aber der Offizier, der Vorgesetzte des Agenten, war inzwischen zum Fußende des Bettes getreten, und nun wirkte es so, als zeige sie auf ihn. Han und die anderen wechselten Blicke und wirkten besorgt.

»Halluzinationen, die von den Medikamenten herrühren«, erklärte Dr. Nimbi. »Ihre Wahrnehmung wird sich innerhalb einer Stunde wieder normalisiert haben.«

»Ich habe keine Wahnvorstellungen«, fuhr Leia fort und zeigte mit dem Finger auf den von ihr aus unsichtbaren Wandschrank. »Der andere. Der meine Tasche durchwühlt.«

Der Offizier drehte sich um, gab ihr den Blick auf den nun geschlossenen Schrank und den unschuldig dreinschauenden Agenten frei.

Han drückte ihre Schulter. »Vergiss es, Leia. Wir haben wichtigere Probleme als jemanden, der deine Unterwäsche durcheinander bringt.«

»Damit sollten Sie Leia vorerst verschonen, Han«, sagte der Arzt. Er wandte sich wieder an Leia und lächelte tröstend. »Wie fühlen sich die Beine an? Besser?«

Leia ignorierte die Frage und wollte wissen: »Was für Probleme?«

Han war verunsichert, was er antworten sollte. Er sah Dr. Nimbi an, dann beschwichtigte er sie: »Nichts, was ich nicht allein regeln könnte. Keine Sorge.«

»Wenn du sagst, ich soll mir keine Sorgen machen, fange ich an, mir richtig Sorgen zu machen«, antwortete Leia. Han gehörte zu den Männern, die sich beim Navigieren durchs Leben eher auf ihre Instinkte als auf eine Sternkarte verließen. Das war eine der Eigenschaften, die sie am meisten an ihm schätzte, nur leider hatten ihn seine Instinkte seit Chewbaccas Tod in äußerst gefährliche Sphären getrieben. Oder vielleicht hielt Leia das Terrain nur für gefährlich, weil es außerhalb ihres Einflussbereichs lag. »Was ist los?«

Han wirkte weiterhin besorgt, doch zumindest hatte er genug Verstand, Dr. Nimbis mahnendes Kopfschütteln zu ignorieren. »Also«, begann er, »kannst du dich erinnern, wo wir sind?«

Leia betrachtete die Abzeichen auf dem Overall des CorSec-Offiziers. »Wie könnte ich das vergessen?«

Und dann traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag. Die Corellianer sprachen sie mit ihrem richtigen Namen an. Zwei CorSec-Agenten standen in ihrem Krankenzimmer, und Dr. Nimbi, ein Sympathisant der Jedi, der genug Erfahrung in solchen Dingen hatte, um sich keinen Ausrutscher zu leisten, nannte Leia ebenfalls bei ihrem richtigen Namen. Ihre Tarnung war aufgeflogen.

Hinter dem Bett piepste eines der Geräte.

Dr. Nimbi hielt einen Scanner über ihr Herz. »Leia, Sie müssen sich beruhigen. Stress reduziert die Chance, dass Ihr Körper die Infektion bewältigt.«

Das Piepsen dauerte an, und die Schwester nahm eine Subkutanspritze von ihrem Tablett. »Soll ich eine…«

»Das wird nicht notwendig sein.« Leia stupste die Spritze mithilfe der Macht an − unbeholfen, aber ausreichend, um ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen. »Ja?«

Die erstaunte Krankenschwester ließ die Spritze auf das Tablett fallen und murmelte etwas über aufdringliche Jedi-Hexen, dann reckte sie die Nase in die Luft und rauschte zur Tür hinaus − wo ihr der Lärm aufgeregter Stimmen entgegenschlug. Der MD-Droide drohte damit, den Sicherheitsdienst zu rufen, und protestierte, den Medien sei der Zutritt zur Isolierstation nicht gestattet, aber die Eindringlinge beachteten ihn nicht. Plötzlich flammte grelles Licht in der Tür auf, als die Lampen der Holocrew den Gang draußen beleuchteten, und die errötete Krankenschwester taumelte in das Krankenzimmer zurück.

»Großartig«, murmelte Han. »Thrackan.«

Ein bärtiger Mann, der − abgesehen von dem grauen Haar − mehr wie Han aussah als dieser selbst, platzte ins Zimmer herein und ließ einen kleinen Schwarm Assistenten und Holojournalisten hinter sich im Gang draußen zurück. Der Mann, Hans Cousin Thrackan Sal-Solo, blickte sich rasch um, sah, dass er zwischen Leia und der Tür stand, und trat ein Stück vor, damit die Holokameras freien Blick auf ihr Gesicht bekamen. Leia rutschte nach unten und versuchte, sich hinter Dr. Nimbi zu verstecken, der verstand, was sie beabsichtigte, und sich vor sie stellte.

Sal-Solo starrte den Doktor finster an, dann betrachtete er Han und Leia und nickte schließlich dem CorSec-Offizier zu. »Das sind sie. Gut gemacht, Captain.«

»Danke, Generalgouverneur.«

»Generalgouverneur?«, wiederholte Han und versuchte, nicht höhnisch zu klingen, was ihm − in Leias Ohren jedenfalls − nicht gelang. »Du hast es weit gebracht in der Galaxis, Vetterchen.«

»Die Fünf Brüder belohnen diejenigen, die ihrem Schutz dienen«, erwiderte Sal-Solo.

»Ja, es scheint, Stinkkatzen landen immer auf den Füßen«, sagte Leia.

Vor weniger als einem Jahrzehnt hatte Sal-Solo ihre Familie als Geiseln genommen, als er die Unabhängigkeit des corellianischen Sektors hatte durchsetzen wollen. Erst vor kurzem hatte er versehentlich eine ganze hapanische Schlachtflotte zerstört, indem er ein antikes Artefakt namens Centerpoint-Station eingesetzt hatte, um eine feindliche Streitmacht der Yuuzhan Vong anzugreifen. Angesichts der Tatsache, dass Leia die Hapaner als Verbündete gewonnen hatte, war sie vermutlich die einzige Person in der Galaxis, die für diesen Mann mehr Abscheu hegte als Han selbst. Und es änderte nicht sehr viel daran, dass Sal-Solo für seine dumme Handlungsweise zum Helden erklärt und dann auch zum Generalgouverneur des gesamten corellianischen Sektors gewählt worden war.

»Was wohl als Nächstes kommt?« Leia starrte Sal-Solo weiterhin böse an. Han zuckte zusammen und fuhr sich mit dem Finger über die Kehle, aber sie ignorierte ihn einfach. »Er verliert den Krieg und wird zum Staatschef der Neuen Republik ernannt?«

Sal-Solo wandte sich halb den Holokameras vor der Tür zu. »Meine Loyalität gilt allein dem corellianischen System.« Seine Stimme klang steif und selbstbewusst. »Und Sie sollten so klug sein, Ihre Lichtschwertzunge im Zaum zu halten, Prinzessin Leia. Wenn man mich beleidigt, beleidigt man auch mein Amt.«

»Tatsächlich?« Leia schob sich mithilfe ihres freien Ellbogens hoch, bis die Lichter der Holokameras ihr Gesicht wärmten. »In diesem Fall, möchte ich meinen, sind Sie die Beleidigung für das Amt.«

Sal-Solo starrte sie ungläubig an, dann stürmte er zur Tür und steckte den Kopf in den Gang hinaus. »Räumen Sie den Korridor! Sehen Sie nicht, das ist eine Isolierstation!«

Die Holokamera beleuchtete kurz sein Gesicht, ehe er mit der flachen Hand auf den Knopf schlug und die Tür zuglitt, dann drehte er sich um. Seine Augen waren so dunkel wie Schwarze Löcher.

»Sag mal, willst du unbedingt sterben?«, fragte er und schaltete, nachdem die Kameras verschwunden waren, auf das verwandtschaftliche Du um.

»Du bist es doch, der die Sache unbedingt in die Medien bringen wollte«, gab Leia zurück. »Schieb mir nicht die Schuld zu, wenn du nicht damit umgehen kannst. Wäre es nicht leichter gewesen, Gras über die Sache wachsen zu lassen und uns zu ignorieren?«

»Nichts hätte mir mehr gefallen − außer, dich und Han mit einem Trupp Yuuzhan-Vong-Infiltranten fortzuschicken«, sagte Sal-Solo. »Unglücklicherweise hatte ich keine Wahl. Ich wusste weder von deiner noch von Hans Anwesenheit, bis ich in einem Newsvid sah, dass Han Solo gerade drei corellianische Bürger umgebracht hat.«

»Tut mir wirklich Leid«, sagte Han und wirkte keinesfalls reuevoll.

San-Solo warf ihm einen finsteren Blick zu, dann wandte er sich wieder an Leia. »Man wird keine Anklage erheben, wenn −«

»Anklage?«, begehrte Han auf. Sogar Leia konnte nicht unterscheiden, ob er empört oder nur überrascht war; sie waren so lange getrennt gewesen − und hatten jeder so vieles allein durchgemacht −, dass sie inzwischen das Gefühl hatte, ihn nicht mehr richtig zu kennen. »Weil ich ein paar Leute von der Friedensbrigade erledigt habe?«

»Sie gehörten überhaupt nicht zur Friedensbrigade«, sagte Sal-Solo. »Der Geheimdienst von CorSec meint, es wären Einheimische gewesen.«

»Deshalb können sie trotzdem zur Friedensbrigade gehört haben«, entgegnete Han,

»Was aber nicht der Fall ist«, sagte Sal-Solo. »Roxi Bari arbeitete auf eigene Rechnung. Sie nahm nie gern Befehle entgegen, und damit kam sie für die Friedensbrigade und auch sonst niemanden in Frage, der mit den Yuuzhan Vong zusammenarbeitet. Jedenfalls hat mir der Geheimdienst das so geschildert.«

»Und für wen hat sie dann gearbeitet?«, wollte Han wissen.

Thrackan zuckte mit den Schultern. »Gute Frage. Glücklicherweise eine, die mich nach Ablauf der nächsten Stunde nicht mehr interessieren wird.«

»Nein?« Han zog eine finstere Miene.

»Weil ihr dann verschwunden sein werdet«, sagte Thrackan.

»Verschwunden?« Han schüttelte den Kopf. »Wir verschwinden nirgendwohin, bis Leia wieder gehen kann.«

Leia runzelte die Stirn. Ihre Gesichter wurden im gesamten System in den Nachrichten gezeigt, und er redete davon, hier zu bleiben, bis sie gehen könnte. Was hatte er bloß zu sich genommen, während sie getrennt gewesen waren?

»Han«, sagte Leia sanft. »Darüber haben wir doch gesprochen. Du weißt, ich werde vielleicht nie wieder…«

Han fuhr zu ihr herum. »Bist du gehen kannst, Leia.«

Leia wich zurück, und Han hing über dem Bett, starrte ihr in die Augen, zuckte nicht mit der Wimper, atmete nicht, schwankte nicht, als ob er durch reine Willenskraft verändern könnte, was auf Duro geschehen war − oder auch schon davor.

»Han, wir können das nicht machen«, sagte sie endlich. »Inzwischen sind vermutlich schon Kopfgeldjäger und Angehörige der Friedensbrigade aus dem ganzen System zu diesem Medicenter unterwegs. Und selbst wenn Thrackan uns beschützen wollte, wäre er dazu nicht in der Lage. Das würde den Yuuzhan Vong zu viel Grund liefern, einmal zu überprüfen, ob Centerpoint noch funktionsfähig ist.«

»Und er schickt uns einfach weg?«, höhnte Han. »Mitten in die nächste Patrouille der Yuuzhan Vong, dorthin schickt er uns.«

»Nein, Han«, sagte Leia. »Er kann nicht riskieren, dass wir unter Folter gestehen, dass Centerpoint außer Betrieb ist.«

Darüber dachte Han nach und sah dann seinen Cousin an.

»Nur, damit du dich ein wenig besser fühlst: Ich hätte dich längst umbringen lassen können«, meinte Sal-Solo freundschaftlich. »Mir hätte das wahrscheinlich gar nicht so viel ausgemacht.«

»Und wie, glaubst du, würde das Anakin gefallen?«, gab Leia zurück. Ihr Sohn Anakin war vermutlich der Einzige, der je in der Lage gewesen war, die Centerpoint-Station vollständig zu aktivieren, und seine Abwesenheit war einer der Gründe, weshalb die antike Superwaffe im Augenblick nicht funktionierte. »Für dich hat er nicht sehr viel übrig, Thrackan. Ich bezweifle, ob er gern Hilfe leisten würde, wenn du den Tod seiner Eltern arrangierst.«

Sal-Solo kniff die Augen zusammen, nickte jedoch. »So weit sind wir uns also einig. Ihr brecht innerhalb einer Stunde auf.«

»Han«, sagte Dr. Nimbi hilfsbereit, »die Reise wird sie schon überstehen, wenn Sie unterwegs in einigen Bacta-Praxen Zwischenstopp machen.« Er dachte kurz nach und fügte hinzu: »Leia schafft das schon. Ich mache mir viel mehr Sorgen um, äh, Ihre Freundin.«

Han war verwirrt. »Freundin?«

»In Tank Drei«, sagte Dr. Nimbi. »Ich denke, Sie sollten sie nicht zurücklassen, angesichts der Kopfgeldjäger und der Leute von der Friedensbrigade, die hierher unterwegs sind.«

»Ach − richtig. Unsere Freundin.« Han blickte Leia an, und sie sah etwas Schurkisches in seinen Augen funkeln, verschlagen und fröhlich und verschwörerisch wie seit Chewbaccas Tod nicht mehr. Er wandte sich wieder Sal-Solo zu und seufzte. »Also, ich will mich ja nicht quer stellen, aber ohne Jaina können wir nicht gehen.«

»Jaina? Jaina ist hier?«

Leia glaubte, sie sei diejenige gewesen, die mit der Frage herausgeplatzt wäre, aber alle Blicke waren auf Sal-Solo gerichtet. Zumindest verstand sie jetzt, weshalb sich Han so seltsam benahm. Sie konnte sich vage an ein Treffen mit der Jadeschatten erinnern, daran, ihren Bruder und jedes ihrer Kinder zum Abschied geküsst und ihnen gesagt zu haben, sie würden sich auf Coruscant wiedersehen. Irgendetwas musste passiert sein. Vielleicht hatte Han Jaina gebraucht, damit sie den Falken flog, oder vielleicht waren Mara und Luke in Schwierigkeiten geraten, und sie hatten sich trennen müssen. Vielleicht befanden sich sogar alle ihre Kinder auf Corellia. Hoffentlich nicht. Hoffentlich waren Jacen und Anakin in Sicherheit auf Coruscant… trotzdem wäre es schön, sie zu sehen. So schön.

»… Anakin?«, fragte Sal-Solo. »Ist der auch hier?«

»Nur Jaina«, sagte Han entschlossen. »Anakin und Jacen sind auf Coruscant.«

»Natürlich musst du das sagen.« Sal-Solo dachte laut. Wenn er Anakin zwingen konnte, die Centerpoint-Station zu reaktivieren, brauchte er sich keine Sorgen mehr wegen der Yuuzhan Vong oder der Neuen Republik zu machen. Er konnte sie dazu benutzen, das gesamte corellianische System zu isolieren, und es als sein persönliches Reich beherrschen. »Aber ich werde es herausfinden. Ich verfüge über einige Möglichkeiten.«

»Ja − du könntest dich mit dem Komlink bei ihnen auf Coruscant melden«, sagte Han. »Du kannst es auch gern als R-Gespräch führen − ich weiß, wie pleite Corellia ist.«

»Warte mal − was war das mit Tank Drei?«, wollte Leia wissen, die dem Wortwechsel zwischen Han und Sal-Solo nicht viel Aufmerksamkeit schenkte. »Jaina ist in einem Bacta-Tank? Was ist passiert?«

»Erinnerst du dich nicht?« Erneut sah Han sie so seltsam an. »Dieser Schlag auf Duro war doch schlimmer, als wir gedacht haben.«

Der Stressalarm hinter dem Bett begann wieder zu piepsen.

»Könnten Sie das Ding bitte ausschalten?«, verlangte Leia. Was immer passiert war − was immer Han ihr mitzuteilen versuchte −, sie wollte nicht, dass die Maschine ihre Gefühle verriet. »Und geben Sie mir einen Repulsorstuhl. Ich möchte meine Tochter sehen.«

»Ja.« Sal-Solo blickte Han finster an und stellte sich offensichtlich die Frage, warum Leia so überrascht wirkte. »Warum gehen wir nicht alle?«

Dr. Nimbi kümmerte sich um einen Repulsorstuhl, dann schnallte er Leias Arm vom Bettgestänge los, hängte den Tropf an einen Haken am Stuhl und half ihr aus dem Bett.

Sobald Leias Beine nach unten hingen, begannen sie höllisch zu schmerzen. So etwas hatte sie nie zuvor erlebt, ein Brennen, Pochen und Ziehen, das sie wünschen ließ, dieser Yuuzhan Vong hätte seine Arbeit ganz getan und die Beine abgetrennt. Sie erwischte Sal-Solo dabei, wie er sie anstarrte, und senkte den Blick auf die beiden hutt-ähnlichen Dinger an der Stelle, wo ihre Beine hätten sein sollen.

»Wenn du schon gaffen musst«, sagte Leia, »dann grins wenigstens nicht.«

Sal-Solo bedeckte den Mund, obwohl er gar nicht gegrinst hatte, und wandte sich ab. Begleitet von den CorSec-Agenten, Sal-Solo und sogar der Krankenschwester, führte Dr. Nimbi sie an den Droiden am Monitor-Terminal vorbei zum gegenüberliegenden Gang. Sofort begann Leias Herz zu klopfen. Die Tür zum Bacta-Raum war von schwarzen Einschusslöchern umgeben. Gegenüber sah sie die Ruine eines Warteraums und die zerfetzten Überreste einer halbhohen Trennwand. Diese Kopfgeldjäger waren zu allem entschlossen gewesen, und bei dem Gedanken daran, dass sie ihre einzige Tochter beinahe in die Hände bekommen hätten, schauderte sie.

Als sie den Bacta-Raum erreichten, bemerkte Leia einen ambossköpfigen Arcona auf einem der wenigen unbeschädigten Stühle. Er begegnete kurz ihrem Blick und nickte, dann starrte er wieder auf seine Füße. Sie steuerte hinter Han, der Schwester und den anderen ihren Repulsorstuhl in den Bacta-Raum.

Vor Tank drei blieben sie stehen. Darin schwebte eine schwer verwundete Frau, die mindestens fünfunddreißig Jahre alt war. Sie war einige Zentimeter größer als Leia und sehr muskulös, und obwohl Leia ihr Gesicht irgendwie bekannt vorkam, wies sie keinerlei Ähnlichkeit mit Han oder Leia auf. Am verräterischsten war jedoch die Wolke seidigen Haars um ihren Kopf; wie Leia hatte Jaina ihres bei der Dekontaminierung auf Duro verloren.

Leia reckte den Kopf und schaute nach, ob es in den anderen Tanks jemanden gab, der ihre Tochter sein könnte. Außer einem Selonianer mit amputiertem Schwanz sah sie niemanden.

»Das ist Jaina?«, fragte Sal-Solo mit ebensolchen Zweifeln wie Leia. »Sie ist ein bisschen alt, um deine Tochter zu sein, Han.«

»Sie war beim Renegaten-Geschwader«, sagte Han. »Du wärst überrascht, wie schnell der Raumkampf ein Mädchen altern lässt.«

Und jetzt begriff Leia endlich. Aus irgendeinem Grund, den sie noch nicht kannte, wollten Han und Dr. Nimbi diese Frau beim Abflug von Corellia mitnehmen. Jaina war überhaupt nicht hier − keines ihrer Kinder. Leia hätte erleichtert sein sollen, doch stattdessen fühlte sie sich enttäuscht und sehr allein.

»… nicht wahr, Leia?«, fragte Han.

»Ja, natürlich«, antwortete Leia ohne die geringste Ahnung, wozu sie ihre Zustimmung gab. »Das stimmt.«

Han nickte energisch. »Verstehst du?«

»Verändert der Raumkampf auch die Augenfarbe?«, fragte die Krankenschwester, die den Datenbildschirm am Tank der geheimnisvollen Frau überflog. »Ich meine mich zu erinnern, dass Jaina braune Augen hat, wie ihre Mutter. Die Augen der Patientin sind als grün aufgeführt.«

»Kosmetische Färbung«, erklärte Leia. Wenn sie auch nicht mit dem Herzen dabei war, so wusste sie, dass Han ihre Unterstützung brauchte. »Damit sie nicht so leicht zu identifizieren ist.«

Sal-Solo wirkte misstrauisch. »Was versuchst du hier abzuziehen, mein lieber Cousin? Diese Frau kann überhaupt nicht deine Tochter sein.«

»Ich könnte ihre Identität mit einem einfachen Gentest bestätigen«, schlug Dr. Nimbi vor. »Die Ergebnisse hätten wir in, nun, zwei Tagen.«

Sal-Solo starrte den Arzt finster an, dann wandte er sich an die Krankenschwester. »Lesen Sie die Aufnahmedaten. Wer ist verantwortlich?«

Han hatte sich in der Zeit ihrer Trennung doch nicht so weit verändert, dass Leia sein Sabacc-Gesicht nicht durchschaut hätte. Er wartete die Antwort der Krankenschwester mit vorgetäuschtem Desinteresse ab, aber die Augen hielt er starr auf ein Spiegelbild des Datenblocks auf der Oberfläche von Tank Zwei gerichtet. Als der Bildlauf endete, zeigte das Spiegelbild mehrere leere Eingabefelder. Han schaute rasch zurück zu der Krankenschwester.

»Sie wurde anonym eingeliefert.« Er sagte es, als wüsste er das genau. »Ohne Name und ohne Kontaktadresse.«

Der Krankenschwester stand der Mund offen, aber sie nickte. »Es wurden nicht einmal Angaben über die Art und Weise der Aufnahme gemacht.«

Han wandte sich grinsend Sal-Solo zu. »Mehr Beweis brauchst du wohl nicht, Herr Generalgouverneur.« Er drückte einen Finger an den Bacta-Tank, und die Frau schlug ihre grünen Augen auf. »Sie kommt mit uns − oder ich informiere jede Medienstation im System, dass du unsere Tochter gegen unseren Willen hier festhältst.«

Sal-Solo warf ihm einen finsteren Blick zu. »Wenn ich wollte, könnte ich dir deine Lüge nachweisen.«

»Gewiss«, sagte Han. »Aber könntest du es auch den Yuuzhan Vong glaubhaft machen?«

Sal-Solos Miene wurde noch giftiger, und er fragte den Doktor: »Ist sie transportfähig − sofort?«

»Wir könnten ihnen einen transportablen Bacta-Tank leihen«, meinte Dr. Nimbi. »Solange sie die Flüssigkeit wechseln, wenn sie wegen Leia anhalten, sollte es dieser Patientin ebenfalls gut gehen.«

Sal-Solo betrachtete den Tank und versuchte ohne Frage genau so fieberhaft herauszufinden, was die Frau im Tank mit den Solos zu tun hatte − und welches Interesse derjenige an ihr hegen mochte, der Roxi Bari geschickt hatte. Schließlich zog er ein säuerliches Gesicht und wandte sich an Dr. Nimbi.

»Ich glaube, ich sehe tatsächlich eine gewisse Familienähnlichkeit«, meinte Sal-Solo. »Aber Sie verkaufen ihnen den Tank, der wird nicht verliehen. Sonst müsste ihn ja einer von ihnen zurückbringen.«