4
Die von Parks durchzogene Hauptstadt Coronet war kaum unter dem Schwanz des Falken verschwunden, als Han nach Süden über das Meer schwenkte, vollen Schub gab und mit dem Aufstieg begann, der sie über den Pol hinweg zur anderen Seite des Planeten führen würde. Der Kom-Lautsprecher spuckte einen Schwall Flüche aus, als die corellianische Kontrolle sich zum einen wegen der verbotenen Flugbahn und zum anderen wegen des Überschallknalls über der Stadt beschwerte, doch Han ignorierte die Drohungen und schaltete die Hitzeschilde ab. Nach dem Abschiedsgruß von CorSec wäre die Standardflugroute so sicher wie der Sprung in die Grube eines Sarlaccs gewesen.
Der Arcona hielt die goldenen Augen starr auf die Temperaturwerte gerichtet. »Ich dachte, Sie hätten Erfahrung mit so etwas.« Da er mit seinen Facettenaugen Schwierigkeiten hatte, Gegenstände scharf zu sehen, trug er einen kleinen optischen Scanner, der die Datenanzeigen ablas und ihm die Werte in Audioform über einen Ohrhörer mitteilte. »Jeder Anfänger in der Galaxis weiß, dass man einem Verfolger im Orbit nicht davonfliegen kann. Er kann Ihnen jederzeit den Weg abschneiden.«
»Was Sie nicht sagen.« Han tat überrascht. »Wegen der Anziehungskraft?«
»Und wegen des Luftwiderstandes und der Beschleunigung und solcher Sachen.« Der Arcona blickte über die Schulter zu Leia. »Das ist doch Han Solo, oder? Der Han Solo?«
Han blickte ebenfalls nach hinten und sah, wie Leia mit den Achseln zuckte.
»Wissen Sie, ich habe mich auch schon gewundert.« Sie senkte den Blick, und Han dachte, sie würde einschlafen, dann fügte sie hinzu: »Aber als ich ihn gecheckt habe, war das jedenfalls der Name auf seinem Identichip.«
»Einer von ihnen immerhin«, sagte Han und war froh, dass sich ihr Sinn für Humor zeigte − wenn auch nur schwach.
Sie erreichten die andere Seite des Planeten. Han zog den Steuerknüppel zurück und damit den Falken nach oben. Die Rumpftemperatur schoss über die Gradeinteilung der Anzeigen hinaus, als die Ionentriebwerke sich quälten, um die Geschwindigkeit zu halten, und dem Arcona stand der schiefe Mund offen.
»S-sie sind auf hundertzwanzig Prozent«, stammelte er.
»Was Sie nicht sagen«, erwiderte Han. »Schalten Sie den taktischen Monitor zu, damit wir sehen können, wie die Dinge stehen.«
Der Arcona fixierte weiterhin die Temperaturanzeigen. »Einhundertsiebenundzwanzig.«
»Das ist eine Legierung, die auch vom Militär benutzt wird«, erklärte Leia. »Wir können problemlos bis hundertvierzig gehen, jedenfalls behauptet Han das.«
»Vielleicht noch mehr, wenn ich es drauf anlegen würde«, prahlte Han.
»Bitte nicht«, gab der Arcona zurück. »Ich bin schon beeindruckt.«
Der Arcona schaltete das taktische Display zu, auf dem sie ein Schwarm blinkender Echoimpulse um den Planeten herum verfolgte. Er berechnete die Abfangvektoren. Auf dem Bildschirm erschien ein Netz aus hellen Linien, die sich alle an einem Punkt weit hinter der angezeigten Position des Falken schnitten.
»Anscheinend kennt ein Anfänger nicht alle Tricks«, meinte Han grinsend. »Berechnen Sie einen Kurs nach Commenor.«
Er wartete noch ein paar Sekunden, bis er sicher war, dass keiner der Verfolger ähnliche Tricks auf Lager hatte, dann lenkte er Energie auf die hinteren Schilde um und hielt nach Überraschungen Ausschau. Obwohl er seinem neuen Kopiloten gern eine Reihe Fragen gestellt hätte, blieb er ruhig und beobachtete ihn bei der Arbeit. Han hatte schon begabtere Navigatoren gesehen, doch der Arcona erledigte die Aufgabe zufrieden stellend und berechnete die Route mehrfach, um Fehler zu vermeiden.
Einige Augenblicke später übermittelte er die Daten auf Hans Anzeige. »Wollen Sie es überprüfen?«
»Nicht nötig«, sagte Han. »Ich vertraue Ihnen.«
»Ja?« Der schiefe Mundwinkel zuckte ein wenig nach oben.
Der Arcona bestätigte die Koordinaten, und Han zündete den Hyperantrieb. Es folgte die gewohnte, unerklärliche Verzögerung − schon seit dem letzten Jahr versuchte Han, den Fehler zu finden −, und sein alarmierter Kopilot schaute ihn an. Han hob den Finger und bat um Geduld, und dann verzerrten sich die Sterne zu Streifen.
Sie überprüften erneut die Systeme, ehe sie sich für den Flug nach Commenor bereitmachten, und im Anschluss daran fand Han Zeit, über seinen Kopiloten nachzudenken. Das Lichtschwert am Gürtel des Arcona war ihm nicht entgangen, und auch nicht die Tatsache, dass er die Gedanken der CorSec-Agenten beeinflusst hatte. Obwohl Han nicht alle Jedi in der Galaxis kennen konnte, müsste er doch von einem Arcona gehört haben − und schon lange von einem salzsüchtigen Arcona.
»Also«, fragte Han. »Wer sind Sie?«
»Izal Waz.« Der Arcona drehte sich um, lächelte schief und streckte ihm die dreifingrige Hand entgegen. »Danke, dass Sie mich an Bord genommen haben.«
»Waz? Izal Waz?« Han schüttelte die Hand. »Der Name kommt mir bekannt vor.«
Izal senkte den Blick, und er ließ Hans Hand los. »Durchaus möglich, aber kennen gelernt haben wir uns bisher nicht.«
»Trotzdem kenne ich den Namen«, sagte Han. »Was ist mit dir, Leia.«
Er wandte sich zu ihr um. Ihr Kinn war auf die Brust gesunken. Obwohl sie die Augen geschlossen hatte, war ihre Stirn in Falten gelegt, und ihre Hände zuckten. Es tat Han in der Seele weh, sie selbst im Schlaf so leiden sehen zu müssen.
»Ich sollte unsere Patientin wohl erst einmal zu Bett bringen.« Han schnallte seinen Sicherheitsgurt los. »Wir unterhalten uns in fünf Minuten weiter.«
»Gut«, sagte Izal Waz. »Ich wollte immer schon mal etwas über Ihre Jahre im Korporationssektor erfahren.«
Das war allerdings kaum das Thema, das Han im Sinn hatte, aber er verließ den Pilotensitz und brachte Leia ins Erste-Hilfe-Abteil. Sie rührte sich nicht, auch dann nicht, als er sie auf die Koje hievte und sie an die medizinische Datenbank anschloss. Er wusste, sie brauchte Ruhe, trotzdem wünschte er sich, sie würde für eine Minute erwachen und ihn anlächeln und irgendwie zeigen, dass sie auf dem Wege der Genesung war − was gewissermaßen auch für ihn galt. Er hatte viel Zeit gebraucht, um Chewbaccas Tod zu betrauern, das wusste er, und vielleicht hatte er es sogar gebraucht, mit Droma auf der Suche nach seinem Clan kreuz und quer durch die Galaxis zu fliegen. Aber inzwischen begriff Han langsam, wie er sich seinem Gram unterworfen hatte, und er begriff ebenfalls, dass er dafür einen hohen Preis gezahlt hatte.
»Erhol dich gut, Prinzessin.« Er küsste Leia auf die Stirn. »Gib mich noch nicht auf.«
Die Monitore zeigten keinerlei Hinweis, ob sie ihn gehört hatte.
Han schnallte ihr einen Sicherheitsgurt um die Brust und fixierte den Repulsorstuhl mit einer Magno-Klammer neben der Koje, dann ging er nach hinten, um nach der anderen Patientin an Bord des Falken zu schauen. Ihre Trage war am Boden gesichert, und zwei Datenkabel verbanden den transportablen Bacta-Tank mit dem medizinischen Zusatzsystem. C-3PO stand in einer Ecke, seine Photorezeptoren waren dunkel, sein metallischer Kopf war leicht nach vorn geneigt in der typischen Stellung, die er einnahm, wenn sein System heruntergefahren war. Die Decken der drei Kojen waren zerknüllt.
Han überprüfte rasch die Funktionsfähigkeit des Bacta-Tanks, dann langte er hinter C-3POs Kopf und schaltete die primäre Sicherung wieder ein.
Der Droide hob den Kopf. »… kann sie nicht hier lassen inmitten von…« Der Rest des Satzes blieb unausgesprochen, als die Photorezeptoren aufblinkten. »Kapitän Solo! Was ist geschehen?«
»Gute Frage.« Han blickte sich um. »Ich dachte, Izal hätte dich wieder angeschaltet.«
»Wenn Sie auf diesen salzhungrigen Arcona anspielen, den Sie auf Bitte von Mistress Leia an Bord gebracht haben, so trifft das keineswegs zu!« Er deutete auf den transportablen Bacta-Tank. »Ich habe ihn angewiesen, die Trage zu fixieren… Also, jemand musst meine Sicherung ausgeschaltet haben.«
»Du hast nicht die Kabel der medizinischen Datenbank falsch angeschlossen?«
»Kapitän Solo, Sie wissen, ich mag keine Speicherlöschungen«, sagte C-3PO. »Und ich versichere Ihnen, ich weiß ganz genau, wie man ein Datenkabel anschließt. Ich war nicht einmal in der Nähe.«
»Das hatte ich schon befürchtet.«
Han ging hinüber zur Koje und entdeckte etwas auf der Decke, das wie ein großer, schwarzer Zehennagel aussah. Ähnliche Schuppen sah er auf den anderen Kojen, und auf der dritten zusätzlich zwei zerlegte Sender − sehr, sehr kleine, wie sie ein CorSec-Agent vielleicht an einem transportablen Bacta-Tank verstecken würde. Han schob die Hand unter eine der zerknüllten Decken. Das Bett war noch warm.
»Geh ins Erste-Hilfe-Abteil und bleib bei Leia.« Han nahm die Schuppen und die Sender in die Hand, dann trat er zur Tür. »Und lass niemanden in ihre Nähe.«
»Natürlich nicht, Kapitän Solo.« C-3PO trat scheppernd in den Ringflur. »Aber wie soll ich jemanden aufhalten?«
»Sag mir einfach über Kom Bescheid.«
Han durchquerte bereits den Hauptfrachtraum. Die Abhörgeräte von CorSec oder anderer Spione am Bacta-Tank überraschten ihn nicht − er hatte selbst beabsichtigt, gründlich nach solchen Wanzen zu suchen −, aber irgendjemand hatte die Sender zerlegt. Das bedeutete nicht, dass Izal Waz blinde Passagiere an Bord gelotst hatte, oder selbst wenn, dass diese zur Friedensbrigade, zu den Kopfgeldjägern oder zu den Agenten gehörten, die auch Roxi Bari geschickt hatten. Aber natürlich blieben einige Fragen offen.
Han gab sein Bestes, unbekümmert zu wirken, und auf dem Weg zum Cockpit blieb er kurz am Navcomputer stehen und warf einen Blick darauf. Der Anzeige zufolge waren sie auf Kurs nach Commenor; alle Umwege, die der Arcona also möglicherweise an Han vorbei eingegeben hatte, waren bislang nicht wirksam geworden.
Han ließ sich in den Pilotensitz fallen. »Alles in Ordnung hier oben?«
»Was kann schon in zehn Minuten passieren?« Izal starrte weiter aus dem Sichtfenster, seine farbhungrigen Arcona-Augen wirkten angesichts der grauen Leere des Hyperraums wie hypnotisiert. »Sie sind beunruhigt.«
»Beunruhigt?« Han überprüfte ihre Position, griff nach oben und fuhr den Hyperantrieb herunter. Als das plötzliche Funkeln der Sterne Izal die Orientierung nahm, zog Han den Blaster und drehte sich auf dem Stuhl zu dem Arcona herum. »Ich bin nicht beunruhigt. Ich bin sauer. Ja, richtig wütend.«
Izal schien das nicht so sehr zu überraschen. Er blinzelte nur wegen seiner geblendeten Augen und deutete auf den Blaster. »Das ist nicht nötig. Ich kann alles erklären.«
»Das hoffe ich für Sie.« Han öffnete die andere Hand und legte die schwarzen Schuppen und die zerlegten Sender auf eine Konsole zwischen ihren Sitzen. »Wenn ich meine Frau beschützen muss, geht schnell mein Temperament mit mir durch.«
Izal grinste und beachtete Hans Fundstücke nicht. »Das ist mir schon in der Isolierstation aufgefallen.«
»Waren Sie derjenige im Bacta-Raum?«
Izal nickte heftig. »Ich habe Ihnen geholfen.«
Als Han daraufhin den Blaster nicht senkte, erschien eine Falte auf Izals Stirn, und er schüttelte fast beiläufig die Hand. Wäre Han ein einfacher Frachterkapitän gewesen, der sich Sorgen darum machte, von einem schurkischen Jedi und seinen versteckten Spießgesellen gekapert zu werden, hätte der Trick vielleicht funktioniert. Han hingegen hatte oft genug an Luke Skywalkers Seite gekämpft, um mit solchen Aktionen zu rechnen, und daher packte er mit der freien Hand bereits den Lauf und hielt die Waffe fest.
»Wenn es darauf hinausläuft, entweder die Waffe zu benutzen oder sie zu verlieren«, warnte er, »werde ich sie zuerst benutzen.«
Der Blaster lag wieder locker in Hans Hand.
»Sie sind mit Dankbarkeit genauso knapp gesegnet wie mit Geduld«, beschwerte sich der Arcona. »Oder vielleicht wissen Sie einfach nicht, wie man jemandem vertraut.«
»Ich vertraue Ihnen, wenn ich weiß, wer Sie sind.« Han stellte den Blaster auf Betäubung, weniger, um Izal zu schonen, sondern um zu vermeiden, ein Loch in eine wichtige Schalttafel zu brennen. »Sie haben ein Lichtschwert, und Sie kennen ein paar Macht-Tricks, aber das Gleiche galt auch für Darth Vader. Und so weit ich das einschätzen kann, sehen Sie eher aus wie ein Kopfgeldjäger, nicht wie ein Jedi-Ritter.«
Izal ließ sich in den Sitz des Kopiloten sinken, als hätte man ihm einen Hieb versetzt.
»Das ist die Salzsucht, nicht wahr?«, fragte er. »So etwas würden Sie bei einem richtigen Jedi nicht erwarten.«
»Wenn Sie auf mein Mitleid aus sind, befinden Sie sich auf dem falschen Schiff«, sagte Han. In Wahrheit tat ihm der Arcona durchaus Leid, aber dies war nicht der rechte Augenblick, derartige Schwächen preiszugeben. »Sie müssten doch wissen, dass ich mich mit Jedi ein wenig auskenne. Wenn Sie ein Jedi wären, hätte ich Sie gekannt.«
»Sie kennen mich auch.« Izal wandte den Blick ab, und sein Gesicht wurde schwarz wie Kohle. »Es gibt durchaus einen Grund, weshalb Ihnen mein Name nicht unbekannt war. Ich hatte einigen Ärger an der Akademie. Ein Biss von Kenths Nerfleib…«
»Natürlich.« Han erinnerte sich an den Vorfall. Ein Dreimonatsvorrat Salz war in wenigen Tagen verschwunden, und mit ihm der Student, der es geschluckt hatte. »Aber Sie waren nur ein paar Monate da.« Han warf einen viel sagenden Blick auf Izals Gürtel.
Izal nickte. »Kaum lange genug, um ein eigenes Lichtschwert zu bauen«, sagte er. »Schließlich fand ich eine Meisterin, die mir beibrachte, meine Schwäche zu akzeptieren − und die mir half, meine Kraft zu finden.«
Han zog die Augenbrauen hoch.
»Und ich bin sicher, die kennen Sie auch nicht«, meinte Izal.
»Ihre Geschichte riecht von Minute zu Minute mehr wie eine gamorreanische Küche«, warnte Han. Er deutete auf die Schuppen und die Sender. »Das da haben Sie immer noch nicht erklärt.«
»Ach… die.« Izals schmales Lächeln mochte von Erleichterung oder Angst herrühren. »Das ist leicht.«
»Also, ich höre.«
»Zuerst wollte ich daraus kein Geheimnis machen«, sagte Izal. »Ich wollte es Ihnen erzählen, wenn die Dinge ein bisschen ruhiger sind.«
»Keine Ausflüchte«, befahl Han.
Izal schluckte heftig, was wegen des langen Halses des Arcona ein beeindruckender Anblick war. »Schön.« Er nahm eine der schwarzen Schuppen. »Diese Schuppe…«
Der Annäherungsalarm schrillte. Han sah auf das taktische Display und entdeckte eine Wand von Echozeichen hinter dem Falken.
»Hübscher Trick«, sagte Han. Er stellte den Alarm ab, aber eine Sekunde später ging er wieder los. Auf dem taktischen Display zeigten sich nun weitere Echozeichen. »Jetzt hören Sie schon auf. Sie stellen meine Geduld auf die Probe.«
»Halten Sie das für einen Macht-Trick?« Izal fixierte das taktische Display, und in seiner Stimme schwang genug Panik mit, damit Han ihm fast glaubte. »So gut bin ich nun auch wieder nicht.«
»Die sind also echt?« Langsam machte sich Han Sorgen. Unter den Impulsen standen keine Transponderkodes, und Schiffe ohne Transponderkodes gehörten in der Regel Piraten − oder schlimmeren Typen. »Was treiben die da?«
»Ich habe keine Ahnung.« Izal begann mit der Aufwärmprozedur des Ionenantriebs. »Ich muss irgendeinen Peilsender übersehen haben.«
»Oder Sie haben einen angebracht«, sagte Han. Peilsender konnten im Hyperraum nicht verfolgt werden, doch war es möglich, ein Schiff zu lokalisieren, sobald es wieder in den Realraum zurückkehrte. Damit sich eine Flotte so rasch näherte, musste sie außerhalb des corellianischen Systems auf der Lauer gelegen haben, bereit, sofort aufzubrechen, sobald die Position des Falken bekannt wurde. »Das sieht mir allzu praktisch aus.«
»Oder verzweifelt.« Izal erweckte den Ionenantrieb zum Leben. »Ich bin nicht derjenige, der Ihnen Ihre Frau wegnehmen will.«
»Ich würde Ihnen gern glauben.« Han feuerte dem Arcona einen Betäubungsblitz gegen die Brust. »Nur leider kann ich gerade kein Risiko eingehen.«
Izal sank über die Seite seines Sitzes, und Han steckte den Blaster ins Holster und beschleunigte. Jetzt näherten sich die Angreifer deutlich langsamer. Einige der vorderen begannen zu feuern, aber Han baute nicht einmal die Energie fressenden Schilde auf. Der Sensor-Computer hatte die Neuankömmlinge als kunterbunte Mischung aus Y-Flüglern und T-65-X-Flüglern erkannt, und auf eine solche Entfernung konnten beide mit ihrem Feuer keine Schäden anrichten.
C-3PO meldete sich über das Interkom. »Kapitän Solo?«
»Haben die blinden Passagiere Leia?«, fragte Han. Es hatte eine Zeit gegeben, in der er nicht gleich das schlimmstmögliche Szenario angenommen hätte, aber seitdem hatte sich in der Galaxis vieles verändert − und bei ihm ebenfalls. »Wenn sie Leia haben, sagst du ihnen…«
»Mistress Leia geht es gut, und sie ist ziemlich allein«, erklärte C-3PO. »Abgesehen von mir.«
»Sorg dafür, dass sich das nicht ändert.« Han aktivierte den Navcomputer und gab Koordinaten ein; obwohl der Kurs nach Commenor gleich blieb, mussten die Transitzeiten von dem veränderten Eintrittspunkt neu berechnet werden. »Und belästige mich nicht wieder, bevor sich etwas Neues ergibt.«
»Natürlich, Kapitän Solo.« Ein roter Blitz strich über das Cockpit, als ein Kanonenschuss seine maximale Reichweite erreichte und verlosch. »Aber…«
»C-3PO, jetzt nicht!«
Die Sternjäger, vor allem die X-Flügler, holten immer weiter auf. Han ermittelte eine Kursprojektion und erkannte, was er instinktiv gewusst hatte: Der Gegner würde wenige Sekunden vor seinem Eintritt in den Hyperraum in Schussweite kommen.
Han schlug mit der Hand gegen die Steuerung. »Sith-Spucke.«
Er vergrößerte die Darstellung auf dem taktischen Display. Direkt vor ihm und gerade außerhalb der Reichweite von allem außer dem Aufklärungssensorsystem befand sich ein schneller Frachter, der etwa zweihundertfünfzig Meter maß. Nicht riesig, aber groß genug, um einen Traktorstrahl zu erzeugen, der den Falken vom Sprung in den Hyperraum zurückhalten würde.
Erneut fluchte Han und löschte die Berechnungen. Er zog den Falken hart herum, und die Sternjäger schwenkten ein, um ihm den Weg abzuschneiden. Dolche aus Licht schossen rechts neben ihm durch die Dunkelheit. Han fuhr die Energieschilde hoch, und dann spürte er ein Beben, als beide Quadlaser-Kanonen des Falken zu feuern begannen.
»Leia?«, schrie er. »C-3PO?«
»Wir sind hier, Kapitän Solo«, antwortete der Droide. »Im Erste-Hilfe-Abteil, wie Sie angeordnet haben.«
Han betrachtete den Feuerkontrollcomputer, um zu prüfen, ob Izal die Quadlaser auf Automatik gestellt hatte. Hatte er nicht. »Wer sitzt dann an den Kanonen?«
»Kapitän Solo, das ist es, was ich…«
Ein rhythmisches Zischen wurde hinter dem Pilotensitz laut, und dann hörte Han nur noch seinen eigenen Schrei. Er schenkte den ersten Schüssen der Piraten, die gegen die Energieschilde krachten, keine Aufmerksamkeit, sondern sprang auf und griff nach seinem Blaster.
Eine krallenartige Hand drückte ihn wieder nach unten. »Setzen Sie sich«, krächzte eine tiefe Stimme. »Dieser hier wird den Jedi Waz ersetzen.«
Die Klaue zog sich zurück. Han blickte hinüber und sah eine riesige, geschuppte Gestalt in einer braunen Jedi-Robe. Der Neuankömmling hob Izal Waz mit einer Hand aus dem Kopilotensitz und ließ sich auf seinem Platz nieder. Ein dicker Schwanz schob sich über die Lehne des Stuhls, und unter der Kapuze der Robe erhaschte Han einen Blick auf ein Reptiliengesicht mit aufwärts gerichteten Hauern und Augen, die schlitzförmige Pupillen hatten. Ein ausgewachsener Barabel.
An der Steuerbordseite des Falken leuchtete es rot auf. Hans Aufmerksamkeit blieb auf den Barabel gerichtet. Mit seinen Schuppen, die so schwarz wie der tiefste Raum waren, und einem Schwanz, der ihn zwang, vorn auf der Stuhlkante zu sitzen, sah der Barabel ebenso gefährlich wie − dank der Jedi-Robe − geheimnisvoll aus. Han hoffte nur, das Jedi-Gewand garantiere eine geduldigere Natur, als die meisten Barabels sie besaßen.
Der Neuankömmling deutete mit der Klaue auf Hans Hand, die immer noch auf dem Blaster im Holster lag. »Dieser hier wird Sie später auf ihn schießen lassen. Jetzt sollten Sie erst einmal das Schiff steuern.«
»Was immer Sie wünschen.« Da sich Han bewusst war, dass der Barabel ihm den Blaster längst hätte abnehmen können − und zwar inklusive des Arms, der ihn hielt −, packte Han das Steuer mit beiden Händen. »Wohin geht es?«
»Sie sind der Pilot, Han Solo.« Er deutete mit der Klaue auf das taktische Display, das eine Kette X-Flügler zeigte, die versuchten, ihnen den Weg abzuschneiden. »Obwohl dieser hier denkt, wir sollten die Brenner hochdrehen und abhauen.«
»Geht nicht.« Han zeigte auf das Symbol des schnellen Frachters, der sich nun in der oberen linken Ecke des taktischen Displays befand. »Die werden uns mit ihrem Traktorstrahl abfangen. Alte Piratenfalle.«
Die Kanonen des Falken feuerten in rascher Folge. Die vordersten Sternjäger lösten sich in statischem Rauschen auf. Han pfiff, gleichermaßen erstaunt über das Timing des Angriffs und seine genaue Ausführung. Die anderen drei X-Flügler gingen zu einem Angriff aus schrägem Winkel über. Erneut blitzten die Laserkanonen des Falken auf. Wieder verschwand ein X-Flügler in einer Wolke aus überhitztem Gas.
Als der Feuerball diesmal verschwand, tauchten an seiner Stelle zwei weiße Punkte auf. Sie waren größer als Sterne und deutlich heller.
Die weißen Punkte schwollen zu weißen Scheiben an.
»Raketen mit Aufschlagzünder?«, fragte der Barabel.
»Nein, so viel Glück haben wir nicht.« Han brauchte nicht einmal das taktische Display nach einem Treibstoffschweif abzusuchen. Solche weißen Punkte hatte er schon in Hülle und Fülle gesehen − und für gewöhnlich von der Brücke eines Supersternzerstörers aus. »Protonentorpedos.«
Die weißen Scheiben schwollen zu weißen Kreisen an.
Han zog den Falken nach unten zu einem Ausweichmanöver. Irgendwie blieben die mysteriösen Leute an den Geschützen treffsicher und schossen zwei Sternjäger aus dem Hauptfeld der Piratenflotte ab, die nun in Waffenreichweite kam. Der erste Protonentorpedo flog so dicht vorbei, dass das Kuppeldach weiß wurde.
Der Barabel zischte. »Da möchte Sie aber jemand gern tot sehen. Sehr gern tot sehen.«
Han blinzelte und sah einen Y-Flügler, der am Cockpit vorbeirauschte und eine wilde Linie Laserfeuer vor sich hertrieb. Ein weiterer X-Flügler näherte sich ebenfalls feuernd, und Han musste frontal auf ihn zuhalten, um ihn zum Hochziehen zu zwingen. Als er schließlich das taktische Display betrachten konnte, sah er ein Dutzend Sternjäger, das den Falken einkreiste, und ein weiteres Dutzend, das ihm jede Fluchtmöglichkeit abschnitt. Die gute Nachricht bestand darin, dass der zweite Protonentorpedo bereits vorbeigeflogen war.
»Die wollen uns nicht abschießen«, meinte Han. Die Torpedos waren mit abgeschaltetem Zielfluggerät abgefeuert worden. »Sie wollen uns einen Kurs aufzwingen.«
Zwei verbeulte X-Flügler kamen in Sicht, und die Kanonenblitze des Falken heizten ihre Schilde auf. Die beiden kollidierten vor dem Cockpit, und aus den Lautsprechern des Interkom ertönte zweifaches rhythmisches Zischen, die ersten Laute, die von den Geschützkanzeln kamen. Dann waren die Piraten überall um den Falken herum, kamen näher und prügelten aus jedem Winkel auf die Schilde ein. Alarmsignale und hektisches Piepsen warnten vor Überlastung und Energieausfällen.
Der Barabel betrachtete die Instrumente in hilfloser Verwirrung. »Wo ist der Ladungsausgleicher?«
»Ich komme mit den Schilden zurecht.« Han deutete auf den Navcomputer. »Können Sie damit umgehen?«
Der Barabel stellte die Schuppen auf. »Wir sind gute Piloten.«
»Okay, so habe ich es nicht gemeint«, sagte Han. »Berechnen Sie einen Kurs nach Commenor.«
Er brach das Ausweichmanöver ab und steuerte den Falken direkt auf den schnellen Frachter zu. Das Cockpit bebte, und die Lichter gingen aus, als die Sternjäger verheerende Treffer landeten, und ein Schadensmelder verkündete einen Rumpfriss in Frachtraum zwei. Zwei weitere X-Flügler verschwanden vom taktischen Display. Han versiegelte den beschädigten Frachtraum. Dann endlich zogen sich die Piraten ein wenig zurück, hielten den Druck zwar aufrecht, aber konzentrierten sich nun darauf, den tödlichen Lichtstrahlen aus den Kanonen des Falken auszuweichen.
Han lenkte mehr Energie auf die hinteren Schilde und schaute über die Schulter, wie weit der Barabel war. Die Berechnungen waren so gut wie fertig, doch die Koordinaten befanden sich näher an Corellia als an Commenor. Han tat so, als würde er es nicht bemerken, fluchte jedoch innerlich und kramte in seinem Gedächtnis nach einem Hinweis darauf, für wen Izal Waz und seine Barabelfreunde arbeiten mochten. Nicht für die Yuuzhan Vong, jedenfalls nicht direkt. Und bestimmt nicht für den Auftraggeber dieser Piraten; dazu hatten seine blinden Passagiere zu viele abgeschossen. Vielleicht handelte es sich um eine Verschwörung dunkler Jedi, die hofften, Leia benutzen zu können, um dem Krieg eine Wendung zu ihren Gunsten zu geben.
Jetzt stellte Han die taktische Skala so ein, dass nur zu sehen war, was die Standardsensoren enthüllten, und der schnelle Frachter verschwand vom Bildschirm. Er tat so, als würde er die Feinabstimmung der Datenfilter vornehmen, öffnete dabei im Stillen seinen eigenen Zugang zum Navcomputer und berechnete einen Kurs nach Commenor.
Der Barabel blickte zu ihm hinüber. »Sie wissen von unserem früheren Kurz, dasz wir nach Commenor wollen.« Er beendete seine Berechnung und schickte sie Han auf den Monitor. »Diesez Rendezvous ist sicherer.«
»Sicherer für Sie.«
»Für Sie«, beharrte der Barabel. »Hinter unz sind die nicht her.«
Der schnelle Frachter erschien auf dem taktischen Display. Han zog den Falken hoch und hoffte, es würde wie ein Ausweichmanöver aussehen. Die Sternjäger schlossen auf, hämmerten auf die Schilde ein und versuchten, ihn wieder auf den Frachter zuzutreiben. Han blieb in der Aufwärtsbewegung und gab sich alle Mühe, die feindlichen Piloten zu überzeugen, dass er überrascht worden sei. Die Schützen in den Kanzeln unterstützten ihn, da sie jetzt Streufeuer einsetzten, um die Verfolger zu verlangsamen.
In der Kontrollkonsole für die lebenserhaltenden Systeme ging etwas in Flammen auf, und ein beißender Gestank füllte die Luft. Der Barabel riss den Deckel ab und erstickte eine brennende Schalttafel mit bloßer Hand, dann sah er Han mit aufgerissenen Augen an.
»Wollen Sie unz umbringen?«
»Es muss echt aussehen«, sagte Han.
Der Falke bockte, als der schnelle Frachter, den man noch immer nicht mit bloßem Auge erkennen konnte, ihn mit seinem Traktorstrahl erfasste. Han stellte die Triebwerke so ein, dass sie Gegenschub gaben − dann nahm er Energie zurück, um ein Ausbrechen zu vermeiden. Das hätte er sich eigentlich sparen können; der Traktorstrahl war stark.
Die Geschützkanzeln richteten sich nun auf denjenigen aus, der sie eingefangen hatte.
»Nein!«, befahl Han über das Interkom. »Halten Sie die Jäger auf Abstand.« Nach kurzem Schweigen krächzte jemand. »Tesar?«
Der Barabel − Tesar − blickte Han eindringlich an, sagte nichts und kümmerte sich weiter um die Schadensanzeigen, die Alarm gaben.
»Hören Sie zu«, begann Han. »Ich bin der…«
Die Türme drehten sich wieder zu den Sternjägern. Ein weiterer Pirat verschwand vom taktischen Display, der Rest zog sich zurück. Sie schossen immer noch auf den Falken, allerdings schienen sie mehr Interesse daran zu hegen, das Feuer der tödlichen Laserkanonen auf sich zu lenken, als tatsächlich Schaden anzurichten. Der Falke raste weiter auf den schnellen Frachter zu.
Han widmete sich wieder den Berechnungen. Tesar schaute ihm einen Moment lang zu, dann tippte er mit der Klaue auf seine eigenen Ergebnisse.
»Daz ist besser«, sagte er. »Vertrauen Sie mir.«
Han sah nicht auf. »Wo habe ich das bloß schon einmal gehört?«
»Ihre Gegner sind gut organisiert. Selbst wenn wir hier entkommen…«
»Ich habe einen Plan«, versicherte Han ihm.
»… wird jemand Sie auf Commenor erwarten.«
»Besser ein Feind, den ich kenne, als einer, der mir fremd ist«, erwiderte Han.
Der Falke jagte immer schneller auf den Frachter zu.
»Wir sind nicht Ihr Feind, Han Solo«, sagte Tesar.
»Ruhe.« Han mühte sich weiter mit den Berechnungen ab. »Und stellen Sie diesen Alarm ab. Ich arbeite.«
Tesar rührte sich nicht. »Warum vertrauen Sie unz nicht? Wir sind Jedi-Ritter.«
»Ich sagte: Ruhe!«
Er dachte, er würde gerade schnell genug sein, wenn er den Barabel überraschte, und langte nach dem Blaster − doch Tesar streckte nur die Hand aus, und Han wäre fast aus dem Sitz gezogen worden, als Waffe und Holster von seinem Gurt gerissen wurden.
Der Barabel fing den Blaster auf und steckte ihn in seine Robe, »Dieser hier sagte, Sie können später auf ihn schießen.«
Han rieb sich den Oberschenkel, wo der Riemen des Holsters gerissen war, und erwiderte: »Also, Luke Skywalker ist mein Schwager. Ich kenne die Jedi, und Sie gehören nicht dazu.«
Die Schuppen in Tesars Gesicht stellten sich auf, und die Pupillen zogen sich vor Ärger zu schmalen Schlitzen zusammen. Er betrachtete Han, seine Nasenflügel bebten, und seine lange Zunge leckte über die Lippen. Dann wandte er sich ab.
»Wir sind noch jung, aber wir sind Jedi.« Sein Spiegelbild in der Kuppel zeigte ein fauchendes Gesicht. »Wenn Sie die Jedi kennen, dann kennen Sie auch Meisterin Eelysa.«
»Natürlich«, antwortete Han. Eelysa gehörte zu Lukes ersten Schülerinnen, ein Mädchen, das bald nach dem Tod des Imperators auf Coruscant geboren worden war. Als Kind bereits zur Akademie auf Yavin 4 gebracht, war sie dort zu einem von Lukes Meisterschülern herangereift, und heute war sie oft jahrelang auf komplizierten Missionen unterwegs. »Aber ich habe sie nicht mehr gesehen seit − seit sie noch jünger war als Jaina jetzt.«
»Doch, haben Sie.« Tesar sah ihn an; er hatte die Beherrschung wiedererlangt. »Eelysa ist diejenige, die wir bewachen. Sie ist die Meisterin unserer Meisterin.«
»Die Meisterin Ihrer Meisterin?«
»Sie hat meine Mutter auf Barab I unterwiesen«, erklärte Tesar. »Alz wir von ihrer Verletzung erfuhren, wurden wir nach Corellia geschickt, um sie zu beschützen.«
Plötzlich fühlte sich Han wie ein Trottel. Nachdem Tesar nun Eelysas Namen erwähnt hatte, kam ihm die Frau in dem Bacta-Tank tatsächlich bekannt vor. Und Corellia auszuspionieren, war eine dieser hochgefährlichen, langen Missionen, auf die sie spezialisiert war. Wenn irgendwer Jedi-Ritter ausbilden würde, von denen nie jemand etwas gehört hatte, dann Eelysa.
»Oh, tut mir Leid. Ich habe das nicht so gemeint, was ich gesagt habe.«
Der Barabel schien verwirrt. »Warum haben Sie ez dann gesagt?«
Ehe Han es erklären konnte, kam die Stimme eines anderen Barabels krächzend aus dem Interkom: »Kapitän, dürften wir jetzt auf die Fregatte schießen?«
»Fregatte?«
Das taktische Display zeigte, dass die Sternjäger sich vollkommen zurückgezogen hatten, und der Frachter hatte sich in eine KDY-Fregatte der Lancer-Klasse verwandelt.
»Äh, einen Moment noch, Jungs.«
»Jungz«, krächzte eine Stimme. »Sehr witzig, Kapitän Solo.«
Darauf folgte ein langes Zischen, das Han so gut wie möglich ignorierte, während er weitere Details aus dem Sensorcomputer abfragte.
»Sie sind keine Jungz«, vertraute Tesar ihm leise an. »Sie sind Schwestern. Wir alle sind Brutgefährten.«
»Brutgefährten?«, wiederholte Han, dessen Aufmerksamkeit auf die Details gerichtet war, die über seinen Bildschirm liefen. »Wie Ehefrauen?«
»Ehefrauen!« Tesar gab ein unkontrolliertes Zischen von sich und schlug auf die Armlehne, sodass sie beinahe abgebrochen wäre. »Jetzt ist wohl kaum der richtige Zeitpunkt für zweideutige Witze, Kapitän.«
Den Messinstrumenten und Infrarotanalysen zufolge handelte es sich bei der Fregatte um eine Version, die für den Dienst beim planetaren Zoll modifiziert worden war. Demnach verfügte sie vermutlich über ein erstklassiges Sensorsystem, einen sehr starken Traktorstrahl und eine riesige Hangarbucht − doch nur über sechs Geschütztürme und Schilde der Zivil-Klasse. Und obwohl die meisten Piraten ein solches Schiff liebend gern ihr Eigen genannt hätten, würden sie es kaum in die Hände bekommen. Sie würden es der Regierung eines Planeten stehlen müssen.
Han öffnete einen Kom-Kanal. »Unbekannte Zollfregatte, hier spricht der Millennium Falke.« Das Schiff kam in Sicht, ein winziger Punkt Licht vor dem sternenübersäten Hintergrund des leeren Raums. »Erklären Sie bitte Ihre Handlungsweise.«
Es folgte eine kleine Pause, dann sagte eine überhebliche Kuati-Stimme: »Unsere Handlungsweise spricht für sich selbst. Bereiten Sie sich auf die Übernahme und das Entern vor, und Sie werden von uns gut behandelt.«
Han wollte eine barsche Entgegnung machen, überlegte es sich jedoch anders. »Haben wir eine andere Wahl?«
»Nicht, wenn Sie gern überleben möchten. Fregatte Ende.«
Der Kanal war kaum geschlossen, als Tesar knurrte: »Sie werden doch Ihre Gefährtin nicht ausliefern?«
»Das war eine Lüge, Tesar. Sie waren zu lange mit Selonianern zusammen.«
Han senkte die Schilde und gab Energie auf den Ionenantrieb, dann zog er die Nase des Falken herum, als würde er sich in das Unvermeidliche fügen. Die Fregatte wurde rasch größer und schwoll innerhalb weniger Augenblicke von der Größe eines Punktes zu der eines Fingers an.
»Okay, äh, meine Damen, wenn wir die Hangarbucht erreichen…«
»Wir haben verstanden, was wir tun sollen, Kapitän«, kam als Antwort.
»Sie wissen, wo…«
»Der Projektor und der Reserve-Projektor«, krächzte die andere Schwester. »Und beide gleichzeitig, oder der Generator kehrt sich um und bringt unz unkontrolliert inz Trudeln. Wir haben die Schaltbilder studiert.«
Han überprüfte die Systemanzeige und sah, dass die Schwestern die Geschützkanzeln bereits als Geste der Unterwerfung zur Seite gedreht hatten. Da er fest glaubte, sein Plan werde funktionieren, beendete er seine Berechnungen. Die neuen Commenor-Koordinaten leuchteten auf seinem Bildschirm gemeinsam mit denen, die Tesar empfohlen hatte.
»Beide Berechnungen sind genau«, versicherte der Barabel ihm. »Die Wahl liegt bei Ihnen.«
»Danke.«
Die Fregatte war inzwischen so lang wie sein Unterarm, und so hell erleuchtet, dass Han die Geschütztürme an Ober- und Unterseite des Rumpfs sehen konnte. Er übermittelte die Commenor-Koordinaten an den Navcomputer. Tesars Pupillen verengten sich, aber es gelang ihm, nicht die Zunge vorschnellen zu lassen.
»Sehen Sie, ich vertraue Ihnen«, meinte Han. »Aber wir würden sie direkt zu Ihrem Treffpunkt führen. Irgendwo an Bord dieses Vogels befindet sich ein Zielflugsender, und danach können wir erst suchen, wenn wir gelandet sind.«
Tesar wandte sich ab, als hätte Hans Entschuldigung ihn überzeugt. »Der Sender wird an etwaz befestigt sein, daz Sie an Bord gebracht haben. Die, die der Offizier vom Dock an der Strebe angebracht hat, haben wir entfernt.«
Han zog die Augenbrauen hoch. »Sie haben den Falken beobachtet?«
»Ja, seit Jedi Waz begriffen hat, wer Sie sind.« Während er sprach, blickte Tesar nach draußen. »Wir, äh, haben darüber gesprochen, ob wir ez Ihnen mitteilen, aber nach den Instruktionen unserer Meisterin sollten wir unz im Verborgenen halten. Sie wird nicht begeistert sein, und vor allem nicht, wenn wir daz Rendezvous verpassen.«
»Tut mir Leid, wenn ich Ihnen Schwierigkeiten bereite«, antwortete Han. Die Fregatte hatte nun die Größe eines Schwebewagens angenommen und füllte den vorderen Sichtschirm aus. Alle sechs Geschütztürme waren auf den Falken gerichtet, die Läufe der tödlichen Laserkanonen senkten sich langsam, während sich ihr Ziel näherte. »Aber ich muss Leia in einen Bacta-Tank bringen, und Eelysa auch. Uns bleibt nur wenig Zeit, ehe die Flüssigkeit in dem transportablen Tank giftig wird.«
Tesar wandte sich nach vorn. »Und daz ist kein Vorwand?«
»Also, Kapitän?«, unterbrach sie eine der Schwestern. »Können wir jetzt schießen?«
Vor ihnen war außer der Fregatte, deren riesige Hangarbucht inmitten des Rumpfes offen gähnte, mittlerweile nichts anderes mehr zu sehen. Ein konischer Traktorstrahlprojektor hing deutlich sichtbar von der Decke, doch die bereitstehende Reserve befand sich dicht unter der Decke und war kaum zu entdecken.
»Schaffen Sie beide Schüsse?«, fragte Han. »Gleichzeitig?«
»Natürlich«, sagte die andere Schwester. »Wir sind Jedi.«
Han checkte die Geschütztürme der Fregatte − die zwei, die er noch sehen konnte − und fand die Kanonenläufe weiterhin auf den Falken gerichtet. Allerdings hatten sie noch nicht die tiefste Stellung erreicht.
»Augenblick.« Er legte die Hand auf den Triebwerkshebel. »Ich sage Bescheid.«
»Die Bacta-Tankz?« Tesar war nervös geworden, wie seine Stimme verriet. »Sind die der einzige Grund, Han Solo?«
Er dachte kurz nach. Obwohl es dem Charakter eines Barabels mehr entsprochen hätte, etwas zu verlangen − und es nur ein einziges Mal zu verlangen −, ehe er das Schiff einfach übernahm, hatte Tesar diese Möglichkeit nicht einmal angedeutet, nicht einmal als Argument, das seine Vertrauenswürdigkeit belegen würde. Das war sehr jedimäßig.
Han nickte. »Ja, die Bacta-Tanks sind der einzige Grund.«
»Gut.« Tesar flüsterte jetzt fast. »Dann werde ich Ihnen etwaz verraten, waz der Meisterin nicht sehr gefallen wird. An unserem Treffpunkt gibt ez Bacta-Tankz − und einen sicheren Ort, um die Behandlung durchzuführen.«
Die Laserkanonen der Fregatte hatten ihre niedrigste Position erreicht und verschwanden außer Sicht hinter der Wölbung des Rumpfes.
»Jetzt, Kapitän?«, fragte eine der Schwestern.
Doch Han ignorierte sie und fragte Tesar: »Wie sicher?«
Sie näherten sich dem Eingang zur Hangarbucht. Die Lichter vor dem Cockpit verschwammen kurz, als die Fregatte die Schilde senkte, um dem Falken Einlass zu gewähren. Han betätigte die Steuertriebwerke, und das Schiff begann zu zittern, während es sich mühsam im Griff des Traktorstrahls drehte. Das Cockpit schob sich in die Bucht.
»Jetzt, meine Damen!«
Die Schwestern hatten ihre Kanzeln schon herumgefahren. Angesichts der Vibration des Schiffes, des notwendigen präzisen Timings sowie des erforderlichen raschen Zielens war dieser Schuss für gewöhnliche Schützen so gut wie unmöglich. Die beiden Barabels waren keine gewöhnlichen Schützen. In exakt der gleichen Sekunde schossen sie zwei Salven Laserblitze ab… und brannten Löcher in die gegenüberliegende Wand der Bucht.
Dann wurde der Falke vollständig in die Fregatte gezogen, und Han entdeckte zwei Vigilant-Sternjäger − jeweils einer in den Ecken neben dem Eingang −, die ihre Waffen in seine Richtung schwenkten. Han fuhr die Schilde hoch, und dann traf die nächste Salve aus den Laserkanonen die Traktorstrahlprojektoren.
Die Wände der Bucht flogen vorbei. Rote Flammen wischten über den Cockpithimmel. Han glaubte, dass die Schwestern das Timing nicht genau eingehalten hatten und der Falke außer Kontrolle geriet. Ein vertrautes Whumpf hallte durch das Cockpit, flammende Lichtstreifen strahlten aus den Geschützkanzeln und blühten als Feuerscheiben an den Wänden auf. Han tippte auf die Steuerung, um die Drehung zu verlangsamen, dann sah er Laserblitze, die in die sternübersäte Dunkelheit stachen, und beschleunigte.
Er wusste, dass sie entkommen waren, als das Laserfeuer plötzlich ein Netz um die Dunkelheit herum bildete. Das taktische Display beachtete er nicht − die Y-Flügler und X-Flügler preschten heran, das war ihm klar −, sondern zog die Nase nach unten, flog eine enge Spirale und lenkte die Energie für die Schilde nach hinten.
»Okay, Tesar, gib mir unseren Steuerkurs.«
Der Barabel las ihm eine Reihe bekannt klingender Koordinaten vor.
»Nicht die.« Han löschte die Daten im Navcomputer und rief die anderen auf. »Die neuen. Eine Ferrobeton-Höhle klingt in meinen Ohren jetzt genau richtig.«
Der Barabel lächelte und entblößte Zähne, mit denen er einen Rancor bis auf den Knochen hätte abnagen können. »Sie werden ez nicht bereuen, Kapitän.«
Der Falke begann unter den Salven zu beben, die von der Unterseite der Fregatte abgefeuert wurden.
»Dazu werde ich keine Zeit mehr haben, wenn Sie sich nicht beeilen.«
Tesar gab ihm die neuen Koordinaten, und Han brachte den Falken in die richtige Position. Er wollte gerade den Sprung in die Lichtgeschwindigkeit vornehmen, als er Leias Stimme aus den Interkom-Lautsprechern hörte.
»Han? Han, ich…«
»Tut mir Leid, Kapitän Solo«, unterbrach C-3PO sie. »Aber sie ist gerade aufgewacht und besteht darauf, sofort mit Ihnen zu sprechen.«
»Han?« Leias Stimme klang heiser, schwach und verwirrt. »Han, ich bin so durstig. Kannst du mir ein bisschen Wasser bringen?«