17
Blut rann aus dem Netz hastig zugefügter Schnitte, als sich Nom Anor dem Wachposten vor Tsavong Lahs Unterkunft an Bord der Sunulok präsentierte.
»Ich wurde gerufen.« Nom Anor bemühte sich, seine Aufregung zu verbergen, denn der Kriegsmeister gewährte seinen Untergebenen selten Zutritt zu seiner privaten Zuflucht − und schon gar nicht während seines Schlafzyklus. »Mir wurde gesagt, ich brauchte auf meine Erscheinung keinen Wert zu legen.«
Der Wachposten nickte knapp und drückte auf die Rezeptorporen an der Tür. Das Portal brauchte einen Moment, um den Geruch des Kriegers zu erkennen, dann faltete es sich auf und gab den Blick frei auf eine kleine Meditationskammer, die sanft von biolumineszenten Wandflechten erhellt wurde. Tsavong Lah saß auf der gegenüberliegenden Seite des Raums und war in ein Gespräch mit einem Meistervillip vertieft. Nom Anor stampfte höflich mit dem Fuß auf und wartete auf die Erlaubnis zum Eintreten.
Vergere kam hinter einem Tisch hervor und winkte ihn herein. »Er möchte, dass Sie sich dies anschauen.«
Gereizt, weil er seine Rivalin an diesem Ort vorfand, umrundete Nom Anor den Tisch und blickte über die Schulter des Kriegsmeisters. Der Villip hatte das Gesicht einer menschlichen Frau angenommen, die hohe Wangen und scharfe Züge hatte. Sofort löste sich Nom Anors Verärgerung auf, denn diese Frau kannte er gut. Es handelte sich um diejenige, die sich der Sache der Yuuzhan Vong angeschlossen hatte.
»… sehe, Sie haben die Vornskrs, die ich Ihnen geschickt habe, gut eingesetzt«, sagte Viqi Shesh. »Vier Jedi sind bereits gestorben. Ihre Voxyn sind ausgesprochen effektiv.«
»Voxyn? Woher kennen Sie den Namen?«
Sheshs Augen wurden ein wenig weiter, allerdings so gering, dass der Kriegsmeister ihre Überraschung vielleicht nicht bemerkt hatte. »So werden sie von den Jedi genannt. Ich weiß nicht, wie sie auf diesen Namen gekommen sind − sie hüllen sich in dieser Angelegenheit in Schweigen.«
»Tatsächlich?« Tsavong Lah wurde nachdenklich. »Interessant.«
Vergere erstaunte Nom Anor, indem sie den Kriegsmeister am Arm berührte. »Ihr Agent ist hier.«
Tsavong Lah schlug sie nicht, schalt sie nicht einmal. Er bat Shesh lediglich, sie möge warten, wandte sich an »seinen Agenten«, wie Vergere ihn so herablassend genannt hatte, und betrachtete die Blutflecken, die durch das Hemd aus Webseide drangen.
»Ich habe Sie mit meinem Ruf in Ihrer Andacht gestört.« Sein Ton klang ehrlich und entschuldigend. »Vielleicht kann ich das wieder gutmachen.«
Tsavong Lah überraschte Nom Anor erneut, da er sich jetzt erhob und − persönlich − einen Dornensitz aus der Ecke holte. Er stellte ihn vor Sheshs Villip und bat seinen Gast mit einer Geste, sich niederzulassen. Das Fehlen einer Blutkruste ließ darauf schließen, dass der Stuhl bei seiner letzten Fütterung nicht satt geworden war, aber es wäre eine Beleidigung gewesen, sich nicht zu setzen. Nom Anor ließ sich nieder, und während die hungrigen Dornen sich in seinen Rücken und seinen Hintern bohrten, tröstete er sich mit dem Gedanken, dass der Kriegsmeister glaubte, er genieße solche Gefälligkeiten.
»Ich fühle mich geehrt.«
Tsavong Lah widmete sich bereits wieder dem Villip. »Viqi, ich habe einen alten Freund von Ihnen hier.«
»Tatsächlich?«, antwortete Shesh. Sie hatte nicht gesehen, wie Nom Anor den Raum betreten hatte. Ihr Villip war vermutlich direkt mit dem Kriegsmeister verbunden und übertrug nur sein Bild und seine Worte. »Wer ist denn da?«
»Ich bin sicher, Sie können sich an Pedric Cuf erinnern«, sagte Tsavong Lah und verwendete den Tarnnamen, unter dem Shesh Nom Anor kannte.
Das Lächeln auf den Lippen des Villips war nicht ganz so echt, denn Viqi hatte die erste Gelegenheit genutzt, um Nom Anor zu übergehen und ihre Dienste direkt dem Kriegsmeister anzubieten. »Was für eine Freude.«
»Viqi, wiederholen Sie doch bitte, was heute passiert ist?« Tsavong Lah ließ Nom Anor keine Chance, den Gruß zu erwidern. »Pedric Cuf muss alles erfahren.«
Viqi erzählte gehorsam, was sich im Ausschuss ereignet hatte, und ausführlich schilderte sie Jacens Plan, die Blockade um Talfaglio aus dem Hinterhalt anzugreifen. Sie verweilte ein wenig zu lange bei dem Teil, wie klug sie Borsk Fey’la dahingehend beeinflusst hatte, um ein militärisches Gutachten zu bitten, damit die Yuuzhan Vong Zeit zur Verfügung hatten und einen Gegenschlag planen konnten.
»Ihnen bleiben vielleicht zwei Wochen«, endete Shesh. »Ich werde Sie weiter auf dem Laufenden halten.«
»Sie haben richtig gehandelt«, sagte Tsavong Lah, obwohl Nom Anor wusste, dass sie bereits eine Flotte zu diesem Zweck bereitstehen hatten. »Aber erzählen Sie doch Pedric Cuf von dem Gesandten, Viqi.«
Falls sie begriff, wie sehr Tsavong Lah sie herabwürdigte, indem er nur die Hälfte ihres Namens benutzte, ließ Viqi Shesh es sich nicht anmerken. »Man machte sich Sorgen um die Zeit, die ein solches Gutachten erfordert; allerdings habe ich Borsk überredet, um einen Gesandten zu bitten.« Ihr Villip lächelte. »Er hat eigentlich kein Interesse daran, mit Ihnen zu sprechen, dennoch überzeugte ich ihn davon, eine solche Bitte würde den Flüchtlingen wenigstens genug Zeit geben, bis das Gutachten fertig ist.«
»Sehr klug«, sagte Tsavong Lah. »Sie verschaffen uns Zeit, lassen sie jedoch denken, sie würden sich selbst Zeit erkaufen. Sie sind wahrlich begabt, Viqi. Am Tag unseres Sieges werden Sie so reich belohnt werden, dass es Ihre kühnsten Vorstellungen übertrifft. Brauchen Sie im Augenblick sonst etwas?«
»Nur die üblichen Gelder«, erwiderte sie.
»Die werden Sie bekommen, und noch mehr«, versprach der Kriegsmeister. »Über die bekannten Kanäle.«
Tsavong Lah unterbrach die Verbindung, indem er den Villip streichelte, dann wandte er sich Nom Anor zu, als sich das Wesen in sich selbst zurückzog.
»Die verärgert mich«, knurrte er. »Sie hält mich für einen Narren.«
»Menschen stellen sich häufig im besten Licht dar«, erklärte Nom Anor, weil er unsicher war, ob sich das Missfallen auf ihn übertrug, weil er Shesh rekrutiert hatte. »Sie scheinen nicht in der Lage zu sein, den Schatten zu sehen, den sie ebenfalls werfen.«
»Schade für Sie, Nom Anor«, sagte Tsavong Lah.
Nom Anor beugte sich vor und unterdrückte einen Schrei, als die Dornen des Stuhls aus seinem Rücken gerissen wurden. »Für mich, Kriegsmeister?«
Tsavong Lah nickte. »Sagen Sie mir: Glauben Sie, was sie über den Bothan sagt? Dass er eigentlich kein Interesse daran hat, mit uns zu sprechen?«
»Genauso wenig wie daran, dass sie ihn überredet hat, um einen Gesandten zu bitten«, sagte Nom Anor. »Borsk Fey’la will reden, und Viqi Shesh fürchtet, er hat etwas in der Hand. Sie hofft, ihre eigene Position zu stärken.«
»In dieser Angelegenheit denken wir gleich, Nom Anor«, meinte der Kriegsmeister. »Umso mehr ein Grund, weshalb ich Sie aufs Neue zu den Ungläubigen schicken muss.«
»Ihn?«, fragte Vergere.
Nom Anor starrte das gefiederte Wesen mit flammendem Blick an. »Wen sonst? Oder haben Sie vielleicht an sich selbst gedacht?«
Vergere ließ die Arme sinken. »Mein Einwand ist ein Lob für Sie, Nom Anor. Sie haben der Neuen Republik viel Schaden zugefügt. Borsk Fey’la könnte nicht mit Ihnen sprechen, selbst wenn er wollte. Der Senat würde ihn sofort abwählen.«
»Wirklich?« Tsavong Lah lächelte verschlagen, dann wandte er sich Nom Anor zu und deutete auf den Dornenstuhl. »Nehmen Sie ihn mit, mein Diener. Betrachten Sie ihn als Geschenk.«