62
Die Skips waren gestapelt wie die Steine in einer antiken Massassi-Mauer; jedes der Schiffe schwebte über der Lücke zwischen den beiden darunter, und jedes Loch wurde durch das Feuer aus dem inneren Ring von Korvetten abgedeckt. Hinter den Korvetten warteten Fregatten, und irgendwo hinter den Fregatten befand sich der Kreuzer mit dem Yammosk. Luke und sein Schildtrio schossen eine weitere Salve Schattenbomben ab und schauten zu, wie ihre Waffen in Schild-Anomalien verschwanden. Die drei Jedi hielten ihren Kurs gerade lange genug, um die Yuuzhan-Vong-Piloten mit einer Salve Kanonenfeuer zu bedecken, dann brachen sie den Angriff in dem Sturm von heißem Plasma und wütenden Grutchins ab. Obwohl alle drei dem Feind einen einladenden Angriffswinkel boten, als sie abdrehten, verließ keiner der Korallenskipper seinen Posten, um die Verfolgung aufzunehmen. Der Kriegsmeister hatte schließlich gelernt, wie er seinen Yammosk beschützen konnte, und wehe den Kriegern, die aus der Formation ausscherten.
Luke öffnete einen Kanal zum Orbitalen Verteidigungshauptquartier, von dem sie kaum noch beachtet worden waren, seit die Schlacht sich näher an Coruscant heranbewegt hatte. »Null für die Jäger, Gambler. Dieser Yammosk bleibt im Spiel.«
»Bestätige, Farmboy. Kein Grund, enttäuscht zu sein«, antwortete Lando. »Ihr habt sie gezwungen, die halbe Flotte aus der Schlacht abzuziehen.«
»Das ist doch schon etwas.« Luke hatte keine Ahnung, wie Lando zu der Ehre gekommen war, für General Ba’tra den Befehl über die Sonderoperationen zu führen, aber er war froh über einen Schlachtkoordinator mit solcher Gemütsruhe. Angesichts des Rauschens und Krachens stand das Hauptquartier offensichtlich selbst unter schwerem Beschuss. »Wir könnten es mit einer Angriffswelle versuchen. Vielleicht gelingt uns der Durchbruch.«
»Negativ«, meinte Lando. »Haltet euch bereit für eine Kom-Übertragung vom Planeten.«
Luke spürte sofort die Sorge bei Mara. Han und Leia hätten vor einer Stunde von Coruscant starten sollen, doch jemand anderer konnte es nicht sein.
Han erschien auf dem Kanal. »Könnt ihr euch da losreißen?«
»Du weißt, dass wir das können«, antwortete Mara.
»Ihr müsst die Sternfähre Byrt erwischen!« Während Han sprach, veränderte sich der Maßstab des taktischen Displays. Ein Zielviereck erschien und zeigte einen Zweihundert-Meter-Frachter. »C-3PO ist mit eurem Paket an Bord.«
»Es ist meine Schuld.« Leias Stimme klang so spröde wie ein Glitzerstimmnetz. »Viqi Shesh hat uns an der Andockbucht in eine Falle gelockt, und ich war so wütend…«
»Leia, mach dir keine Sorgen«, sagte Mara. Ihr Ton deutete auf Entschlossenheit hin, nicht auf Vorwurf oder Angst. »Wir holen ihn.«
»Okay.« Han klang erleichtert. »Wir sitzen auf dem Planeten fest, bis wir Dämpfungsflüssigkeit auftreiben können. Die Senatorin hat sich hinreißend um unsere Versorgungsleitungen gekümmert.«
Jetzt war Mara besorgt, wie Luke spürte. Eine leere Dämpfungseinheit zu füllen, konnte Stunden dauern. Coruscant hatte ; keine Stunden mehr. Wenn man die Anzahl der Korallenskipper und Skiffs betrachtete, konnte alles auch schon in einer Stunde vorbei sein.
Luke wollte schon Saba Sebatyne in ihrem Kanonenboot losschicken, als Lando sich meldete. »Alter Freund, die Narbenköpfe werden mir diese Schüssel bald unter dem Hintern wegschießen. Ich könnte einfach mit der Luck vorbeikommen und euch abholen.«
»Und wir lassen den Vogel hier? Niemals!«, sagte Han. »Ihr passt mal schön dort oben auf, Jungs.«
»Machen wir«, sagte Luke. »Und möge die Macht mit euch sein.«
»Ja, Junge, mit dir auch«, antwortete Han. »Solo Ende.«
Lukes Gedanken kehrten zu seinem Sohn zurück. Mara hatte bereits einen Kurs berechnet, der die Atmosphäre berührte und auf dem sie die Byrt abfangen konnte. Aber sie mussten sich beeilen. Das taktische Display zeigte eine Gruppe Yuuzhan-Vong-Fregatten, die unterwegs war, um die fliehenden Sternenschiffe abzufangen.
»Gambler…«
»Los«, sagte Lando. »Zwei Jedi werden hier keinen Unterschied mehr ausmachen.«
Luke scherte hinter Mara aus, die bereits abtauchte. Als ihm auffiel, dass Tarn folgte, sagte er über Kom: »Quiet, bleib beim Geschwader. Zischer, du übernimmst den Befehl. Lass es gut aussehen, bis alles zusammenbricht, und dann macht ihr einen Abflug zum Treffpunkt.«
»Willst du keine Hilfe, Meister Farmboy?«
»Doch.« Luke schob seine Steuerknüppel nach vorn und folgte Mara unter den brennenden Rumpf eines kilometerlangen KDY-Schlachtkreuzers der Neuen Republik. »Aber jede Minute, die ihr den Gegner aufhaltet, rettet zehntausend Flüchtlingen das Leben.«
»Bestätige«, sagte Saba. »Verlasz dich drauf, wir retten eine Million.«
Der Kom-Lautsprecher gab ein scharfes Knistern von sich, dann kam Luke auf der anderen Seite des Kreuzers nach oben und fand an der Stelle, wo das taktische Display Maras X-Flügler verzeichnete, einen Feuerball vor.
Er wich der Explosion aus und fragte über Kom: »Mara?«
Keine Antwort, aber sie erreichte ihn durch die Macht und bedrängte ihn, sich keine Sorgen zu machen. Hol Ben.
R2-D2 trillerte eine Warnung. Luke schwenkte nach links und entging knapp dem Sperrfeuer eines feindlichen Schiffes − ebenfalls einem Kreuzer −, den der KDY in Brand geschossen hatte. Er stellte die Wachfunktion von R2-D2 auf hohe Priorität und vollführte unregelmäßige Rechts- und Linksschwenks, um Geschossen auszuweichen. Jetzt zeichnete sich Mara vor den Lichtern von Coruscants Nachtseite ab, ihr Triebwerk Nummer drei zog einen gelben Flammenschweif hinter sich her, ihr Astromech-Droide hatte die Kuppel verloren, ihre S-Flächen waren halb geöffnet − so konnte man weder gut schießen noch schnell fliegen.
Wäre sie jemand anderer gewesen − oder hätte ihre Aufgabe nicht darin bestanden, Ben zu holen −, dann hätte Luke sie zu einer sicheren Basis geschickt. Bei Mara hätte das keinen Sinn, solange ihr Sohn nicht in Sicherheit war. Er zog seinen X-Flügler neben ihren und zeigte auf den Schildgenerator.
Mara schüttelte den Kopf. Keine Schilde.
Nun bekam es Luke doch mit der Angst zu tun, und er verstärkte bewusst ihren Bund über die Macht. Mara erwiderte das und schob sich unter seinen X-Flügler − bevor er ihr ein Zeichen geben konnte, sich oben zu platzieren.
Sie berührten die äußere Atmosphäre und machten einen weiten Bogen um ein kleines Gefecht nahe einer Skyhook-Wohnplattform, die in einem niedrigen Orbit verankert war, dann zogen sie gelegentlich Feuer auf sich, als sie durch eine Zone huschten, in der Luftskiffs abgesetzt wurden. Während sie sich der Byrt näherten, passte R2-D2 ständig den Maßstab des taktischen Displays an, um mehr Details anzuzeigen. Bald wurde deutlich, dass eine Yuuzhan-Vong-Fregatte auf die gleiche Sternfähre zuhielt wie sie selbst.
Schließlich verließen sie die Atmosphäre wieder und fanden sich inmitten eines Dutzend kleinerer Gefechte wieder, wo sich die Angriffsgruppen der Yuuzhan Vong durch die überlappenden Schussbereiche der orbitalen Verteidigungsplattformen kämpften. Die Invasoren rückten vor, doch nur langsam und nur aufgrund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit. Allein ein Dutzend feindliche Kreuzer, deren Eingeweide sich in den Raum ergossen, waren mit bloßem Auge zu sehen, und hunderte kleinerer Schiffe trieben ziellos auf Umlaufbahnen dahin.
Luke wollte diese Kette von Gefechten umgehen und rief damit ein warnendes Pfeifen von R2-D2 hervor. Zwei Zeitschätzungen erschienen auf dem Hauptbildschirm und zeigten, dass die Fregatte die Byrt vor ihnen erreichen würde. Luke stellte den Alarm für Bedrohungen auf höchste Empfindlichkeit und wählte einen direkten Kurs.
Etwas schlug an den Bauch seines Sternjägers. Lukes erster Gedanke galt Mara; womöglich war sie erneut getroffen worden. Dann spürte er ihre Besorgnis und wusste, sie war noch da. Sein X-Flügler hüpfte erneut. Er blickte sich um und sah, dass sie ein wenig seitlich versetzt flog. Sie nahm den Steuerknüppel zurück und schlug ihre S-Flächen heftig gegen seine Unterseite.
Als sie zurückprallte, waren die S-Flächen geschlossen. Eine neue Zeitschätzung erschien auf Lukes Display. Sie würden die Byrt ungefähr zum gleichen Zeitpunkt erreichen wie die Yuuzhan Vong.
»R2, hat Mara das gesehen?«
Der Droide zwitscherte ungeduldig, dann hatte Luke die Erklärung auf dem Hauptbildschirm. R2-D2 speiste seine Daten mithilfe seines Senders direkt in Maras Vidbildschirm ein.
»Hättest du mir auch gleich sagen können«, beschwerte sich Luke. »Frag sie, wie viele Schattenbomben sie noch hat.«
Mara hielt drei Finger in die Höhe.
Luke nickte, dann zeigte er ihr zweimal drei Finger und schloss die S-Flächen. »Zwei Sekunden Countdown.«
Der Countdown erschien auf dem Bildschirm, und zwei Sekunden später flogen sie durch die Kampfzone − bei zwei Drittel der Höchstgeschwindigkeit, denn mehr schaffte Mara nicht mehr, ohne ihre drei Triebwerke in den roten Bereich zu treiben. Luke verlor seine Schilde, als eine feindliche Korvette mit einem halben Dutzend Dovin Basale daran zerrte und sein Generator überlastet wurde, weil dieser zu früh versuchte, einen neuen Schild aufzubauen. Aber dann hatten sie die Verteidigungsplattformen und die Gefechte hinter sich gelassen und jagten der Byrt hinterher.
Luke öffnete einen Kanal zu der Fähre. »Sternfähre Byrt, bitte ändern Sie den Kurs auf die X-Flügler zu, die sich Ihnen nähern. Wir werden uns Ihrer Verfolger annehmen.«
Nach einer kurzen Pause antwortete eine tiefe Stimme: »Haben Sie Ihr Hirn im Vakuum verloren? Sie sind nur zu zweit!« Eine schlanke KDY-Sternyacht, die mit abgeschaltetem Transponder flog, erschien auf dem taktischen Display hinter der Byrt. »Wir gehen das Risiko ein. Es gibt keinen Grund, weshalb die ausgerechnet hinter uns her sein sollten.«
»Doch«, sagte Luke. Auf dem Bildschirm näherte sich die Fregattengruppe − eine Yuuzhan-Vong-Fregatte und zwei Korvetten − der Sternfähre. »Hier spricht Luke Skywalker. Sie haben meinen Sohn an Bord.«
»Wie bitte?«, schrie der Kapitän. »Wir haben keine Zeit für Witze.«
»Kein Witz«, erwiderte Luke. »Ändern Sie sofort den Kurs.«
Obwohl er bezweifelte, dass es über die Funkwellen übertragen würde, legte Luke das Gewicht der Macht hinter seine Worte.
Die Byrt änderte den Kurs.
Von unten spürte Luke Maras Erleichterung. Luke checkte das taktische Display. Die KDY-Sternyacht setzte ihren ursprünglichen Kurs fort − ein Faktor weniger, über den er sich Gedanken machen musste. Die Byrt kam in Sichtweite, die fingerlange Nadel eines Ionenschweifs erhellte die Yorikkorallennasen der drei Verfolger.
Luke tippte auf das Symbol für die hinterste Korvette. »R2, übermittle die Mara als Ziel, und sag ihr, sie soll vorsichtig sein.«
R2-D2 piepste bestätigend. Die Jedi teilten sich und hielten in wilden Spiralen auf ihre Ziele zu. Die Fregattengruppe setzte Skips ab und versprühte Plasma. Da Luke und Mara keine Schilde hatten, verließen sie sich auf ihre Geschwindigkeit und überließen die Hände am Steuer der Macht. Die feindlichen Schiffe schwollen zu steinigen Monolithen an, rau und schwarz und halb hinter wirbelnden Flammenschleiern verborgen. Mara flog auf ihre Korvette zu, rollte an einem halben Dutzend Skips vorbei und warf ihre Schattenbomben ab.
Luke schwenkte hinter ihr ein. Die Skips nahmen den Köder an und wollten ihn abfangen. Er ging wieder auf Kurs in Richtung der Fregatte und duckte sich unter einem Magmageschoss hindurch, zerlegte ein Grutchin mit den geschlossenen S-Flächen und hielt auf die Flanke des Schiffes zu.
Eine Schildmannschaft fing die erste Schattenbombe zwanzig Meter vor dem Ziel ab. Die anderen beiden explodierten am Rumpf. Eine traf mittschiffs, die zweite hinter dem Bug. Die Fregatte verstummte und blies Treibgut in den Raum. Luke schoss über sie hinweg und drehte zu der letzten Korvette ab.
Da Maras Ziel sich ebenfalls bereits in Trümmer auflöste, flog sie nun ebenfalls auf die Korvette zu. Luke spürte ihre Entschlossenheit so deutlich wie seine eigene, doch da sie ihre Schattenbomben abgeworfen hatte und ihre S-Flächen geschlossen waren, blieb ihr nicht viel mehr zu tun.
»R2, sag ihr, sie soll an der Byrt andocken.«
Der Droide verneinte pfeifend. Wegen der jetzt größeren Entfernung konnte er die Daten nicht direkt auf ihren Bildschirm projizieren.
»Großartig.«
Luke hatte sein Manöver beendet und entdeckte Skips über der Korvette, die ihn abfangen wollten. Die zwei Laserkanonen der Byrt schickten rote Blitze auf die Nase des Schiffes. Die Korvette stellte das Feuer ein und warf Fangtentakel aus.
Luke fuhr die S-Flächen aus und erwiderte den Beschuss der Skips. Mit Corrans neuem Zielpeilsystem konnte er die ersten beiden rasch erledigen und zwang die anderen zum Ausschwärmen. Ein Alarm piepste auf dem taktischen Display. Die unidentifizierte Sternyacht hatte den Kurs geändert und verfolgte nun Mara.
»Was jetzt?«, knurrte Luke. »Bring es auf Maras Display.«
R2-D2 pfiff zweifelnd.
»Versuch es.« Luke wich einer Plasmakugel aus und schoss Kanonenblitze auf das Skip ab, von dem die Kugel gekommen war. »Und öffne einen Kanal zu dieser Yacht.«
Ein halbes Dutzend Skips ging auf Kurs zu Mara. Er wollte ihnen folgen, doch dann hörte er ihre Stimme im Kopf.
Nein!
Das Bild der Korvette leuchtete in Lukes Kopf auf, und er wusste, Mara wollte, dass er sich auf Bens Rettung konzentrierte.
Hinter dir, erwiderte Luke. Er schickte eine Salve Blitze zu den Skips, dann rollte er herum zu der Korvette. »Wie steht es mit dem Kanal, R2?«
Auf dem Hauptbildschirm erschien eine Erklärung.
»Sie wollen nicht?«
Der Grund für das Schweigen der Sternyacht wurde klar, als sie von hinten auf Mara zu feuern begann. Luke drehte sich um und sah Blitze, die auf den Sternjäger zuschossen, dann folgte eine grelle Explosion. Ein Stück Flügel wirbelte brennend in den Raum.
Weiter!, drängte Mara. Die Panik in ihren Gedanken galt Ben, nicht ihr selbst.
Luke kam noch ein Wort in den Sinn. Aussteigen. Mara steuerte auf den Planeten zu und hielt ihren X-Flügler mit der Macht stabil, damit er nicht ins Trudeln geriete, wenn sie in die Atmosphäre eintrat. Luke berührte sie noch einmal und umarmte sie mit aller Liebe, dann sah er auf sein taktisches Display und stellte fest, dass ihr X-Flügler bereits markiert war. Und nun stand auch eine Transponderidentifikation unter der Sternyacht: die Wicked Pleasure, registriert auf die Senatorin Viqi Shesh. Luke holte tief Luft, atmete aus und ließ seine Wut damit heraus. Daraufhin markierte er die Yacht als Ziel für den Fall, dass sich ihm eine Gelegenheit bieten würde.
Eine Plasmakugel hüpfte vor seiner Nase entlang, und das taktische Display wurde unter seinen Fingern schwarz. R2-D2 kreischte und knisterte statisch, dann verfiel er in elektronisches Lallen, während geschmolzene Teile der Kom-Einrichtung und brennende Sensorschaltungen in den Raum trieben.
Luke glitt zwischen die Skips, wich aus, rollte herum und drehte sich, zielte allein mithilfe der Macht und konnte immer noch Treffer vorweisen. Ein Skip verwandelte er in Kiesel, und plötzlich hatte er freie Schussbahn auf die Korvette. Er klappte die S-Flächen ein und beschleunigte. Die Skips fuhren herum und schossen von hinten auf ihn. Der X-Flügler bäumte sich auf. Ohrenbetäubendes Alarmgeplärre füllte das Cockpit. Die Triebwerke verloren Energie, und er wurde langsamer.
Trotzdem warf Luke die Schattenbomben ab. Die erste wurde auf die Schild-Anomalie eines Skips umgelenkt und explodierte kaum hundert Meter entfernt. Die anderen beiden verschwanden am Rumpf der Korvette. Er schob sie weiter, bis ihre Annäherungszünder das Zerren eines Dovin Basals entdeckten und zwei tiefe Beulen in den Rumpf des Schiffes schlugen.
Treffer, aber keine Löcher.
R2-D2 lenkte Lukes Aufmerksamkeit auf sich. Der blickte sich um und sah, dass mindestens zwei seiner Triebwerke, möglicherweise alle vier, brannten. Also schlug er auf die Notausschaltung, steuerte auf Coruscant zu und suchte durch die Macht Mara und ihren schwankenden X-Flügler.
Ich habe es nicht bis zu ihm geschafft, erklärte er. Ich habe es einfach nicht geschafft.
Jaina erwachte von Gelächter, helles Licht schien ihr ins Gesicht, und ein Gestank wie von einer gamorreanischen Toilette stieg ihr in die Nase. Das Lachen war genau die Art verrücktes Gackern, das man in einer Ryllhöhle auf Kala’uun erwarten würde, doch wusste sie natürlich, dass ihr pochender Schädel und die schmerzenden Schultern nicht die Folgen eines Gewürztraums waren. Dieser Albtraum war real. Nom Anors Fregatte hatte ihren gestohlenen Shuttle abgeschossen, Jacen und die anderen waren auf dem feindlichen Weltschiff gestrandet, Anakin war tot.
Der Langblaster brüllte, und irgendwo vor ihr wiederholte sich das verrückte Gackern.
»Hast du das gesehen?«, kicherte Alema Rar. »Ich habe ihn in zwei Hälften geschossen.«
»Gut«, keuchte Jaina. Die Anstrengung verstärkte den Kopfschmerz, doch hieß sie ihn willkommen und zog Kraft daraus. »Bring noch ein paar um.«
»Sei still, Jaina«, sagte Zekk missbilligend. Das Licht blendete sie nach wie vor. »Du weißt ja nicht, was du redest.«
»Aber du?« Jaina schlug den Glühstab zur Seite. »Du hast nicht einmal einen Bruder.«
»Dafür kenne ich die dunkle Seite«, sagte er. »Und die ist nicht die richtige Antwort.«
»Wer sagt, ich würde mich der dunklen Seite zuwenden?«, fragte Jaina.
»Du hast die Macht zum Töten benutzt.«
Mehr sagte Zekk nicht.
Jaina wandte den Blick von Zekks dunklen Augen ab. »Er hatte es verdient.« Ihre Benommenheit wurde von einer großen Wut verdrängt, und darüber war sie froh. »Du hast gesehen, was er Anakin antun wollte.«
»Anakin machen solche Dinge nichts mehr aus«, sagte Zekk gleichmütig. »Und was ist mit Vergere? Sie hast du auch angegriffen.«
»Ich war zornig.«
Jaina setzte sich auf, biss wegen der Schmerzen die Zähne zusammen und schaute sich um. Im Inneren des Shuttles herrschte vollkommenes Chaos; ein langer Riss zog sich durch den Rumpf, und überall auf dem Boden lagen verschmierte Kontrollhauben und beschädigte Villips. Jaina erinnerte sich vage, wie sie mit der Steuerung gekämpft hatte, um die Nase oben zu halten, wie sie über den Rand eines Kraters gerast und wie der Stein, ihr Shuttle, abgestürzt war. Dann waren sie über den Boden des Beckens gerutscht, hatten sich überschlagen und waren hart zum Halt gekommen, als die Nase irgendwo hängen blieb… Danach gab es nur noch Erinnerungsfetzen an einen Ruck, an Schreie und plötzliche Dunkelheit.
Gegenüber von Jaina lag Tahiri auf einer Trage neben Anakin, ihr offensichtlich gebrochener Arm ruhte auf der Hülse, in die Anakin eingeschlossen war. Kaum bei Sinnen redete sie mit ihm und beschrieb ihm, wie sie ihn in der Leichengrube der Yuuzhan Vong gefunden hatten.
Hinten im Shuttle stöhnte Lowbacca tief, als er etwas Schweres zurechtrückte. Er knurrte leise, wie ein Wookiee mit Gehirnerschütterung, dann hörte es sich an, als würde ein Stein in eine zähe Flüssigkeit fallen. Ein feuchter Knall folgte, und einen Augenblick später das Krachen einer explodierenden Plasmakugel.
»Ein bisschen zu kurz«, rief Alema von der vorderen Tür. »Ein Grad höher, und du wirst sie hübsch braten.«
»Werden wir angegriffen?«, fragte Jaina Zekk.
»Nicht gerade angegriffen, aber sie sind unterwegs zu uns«, bestätigte Zekk. »Nom Anor will uns lebendig fangen.«
Jaina verzog höhnisch die Lippen. »Soll er nur versuchen.« Sie schwang die Beine von der provisorischen Trage und griff nach ihrem Powerblaster. »Wird mir ein Vergnügen sein.«
In all den Jahrzehnten, in denen Han durch die Galaxis gestreift war, hatte er nie etwas so Unheimliches gehört wie das Wehklagen einer trauernden Noghri. Es erinnerte ihn an das Geräusch, das Durastahl von sich gab, wenn er geknickt wurde. Obwohl er von dem Klagen durch die Tür zum Hauptdeck und die halbe Länge des Falken abgeschirmt war, lief ihm ein Schauer den Rücken hinunter − und Tränen traten ihm in die Augen. Nach achtzehn Jahren mit den Noghri konnte er nicht behaupten, die Spezies zu begreifen, aber er wusste, wie viel er ihnen schuldete, und darum schmerzte es ihn stets, wenn einer von ihnen für den Schutz seiner Familie das Leben gab.
Han wischte sich die Augen und wandte den Blick von dem Hagel brennender Schiffe vor dem Cockpit des Falken ab, um die Temperatur in der Fusionseinheit zu checken. »Wir haben noch neunzig Sekunden, ehe wir auch zu einem Feuerball werden, der auf einen Turm kracht. Meinst du, wir haben genug Fahrt, um es bis Imperial City zu schaffen? Oder sollten wir Calocour Heights versuchen?« Er wartete eine Sekunde, fünf, dann zehn. »Leia?«
Als er immer noch keine Antwort erhielt, blickte er zu ihr hinüber. Sie saß steif und aufrecht in dem übergroßen Kopilotensitz, hatte die Hände im Schoß gefaltet und den leeren Blick auf den Boden gerichtet. Zum ersten Mal bemerkte Han, dass in dem riesigen Sitz von Chewbacca ihre Füße zehn Zentimeter über dem Boden baumelten.
Er rüttelte sie am Arm. »Leia, wach auf. Ich brauche dich.«
Sie sah auf und starrte aus dem Cockpit zur Rauchfahne eines abstürzenden Sternzerstörers. »Warum brauchst du mich, Han? Ich lasse dich ja doch nur wieder im Stich.«
»Im Stich?«, wiederholte Han. »Verrückt. Du hast mich noch nie im Stich gelassen.«
Endlich sah Leia ihn an. »Doch, habe ich. Ich bin Viqi Shesh gefolgt…«
»Ich auch.«
»Aber du hast nicht Ben verloren und Adarakhs Tod verursacht.«
»Wirklich?« Han schielte auf die Temperaturanzeige der Fusionseinheit und schaute sich daraufhin theatralisch im Cockpit um. »Ich kann sie hier trotzdem nirgendwo sehen.«
»Han.« Leia sprach seinen Namen seufzend aus, dann schaute sie hinüber zu Coruscants rauchender Skyline. »Du weißt, was ich meine.«
»Wahrscheinlich, ja«, sagte Han. »Ich habe nur nicht gedacht, dass du dich so gehen lässt. Ich habe dich für stärker gehalten.«
Leia blickte ihn an, und zum ersten Mal schien sie tatsächlich zu sehen. »Wie kannst du das sagen?«
Gerade weil ihre Stimme so ruhig blieb, verriet sie ihre Wut. »Das alles muss dir doch auch richtig wehtun − oder bedeuten dir nur Wookiees etwas?«
»Mir bedeutet einiges etwas.« Han gelang es, seinen Zorn zu beherrschen, indem er sich daran erinnerte, dass ihre Verbitterung ein gutes Zeichen war. »Und deshalb werde ich diesmal nicht aufgeben − und niemals wieder. Anakin und Chewbacca sind vielleicht tot, und Adarakh und vielleicht sogar Ben und Luke und Mara, aber wir beide haben uns.«
»Und das wäre auch schon alles.« Leia schaute wieder aus dem Fenster.
»Und wir haben Hoffnung«, beharrte Han. »Solange wir uns beide haben, gibt es noch Hoffnung für uns, für Jacen und Jaina, wo immer sie auch sein mögen, und sogar für die Neue Republik.«
»Die Neue Republik?« Leias Stimme wurde so scharf, dass sie in Konkurrenz zu Meewalhs Klagen trat. »Bist du blind? Es gibt keine Neue Republik mehr! Die ist schon gestorben, bevor die Yuuzhan Vong aufgetaucht sind.«
»Ist sie nicht!«, schrie Han sie an, der seine Wut nicht mehr im Zaum halten konnte. »Denn dann wäre Anakin völlig umsonst gestorben!«
Er sah auf die Temperaturanzeige der Fusionseinheit. Es blieben dreißig Sekunden, bis der Falke explodieren würde. Han sagte nichts; wenn seine Frau tatsächlich aufgegeben hatte, würde er selbst auch nicht mehr kämpfen wollen.
Leia öffnete den Mund, als wolle sie zurückschreien, dann sah sie, wohin sein Blick ging, und alle Emotionen wichen aus ihrem Gesicht. Han spürte, wie sie ihn beobachtete, während er die Anzeige betrachtete. Er sagte nichts. Der Zeiger stieg wieder um einen Strich.
»Du bluffst«, sagte Leia.
»Ich spiele«, sagte Han. Jaina und Jacen lebten noch, und sie würde die beiden wegen ihrer Trauer nicht aufgeben.
Leia schaute zu, wie der Zeiger um einen weiteren Strich stieg, dann sagte sie: »Imperial City.«
Han atmete tief durch. »Calocour ist näher.«
»Han!«
Han drehte den Falken und begann im Stillen mit dem Countdown.
»Flieg zum Landeplatz des Staatschefs«, sagte Leia. »Wir müssen Borsk treffen.«
»Glaubst du, Borsk ist noch auf Coruscant?«, wunderte sich Han.
»Wo denn sonst? Nach Bothawui wird er bestimmt nicht gehen.« Leia holte einen Datenblock aus dem Stauraum neben ihrem Sitz und begann mit der Mühelosigkeit einer erfahrenen Politikerin, sich Notizen für eine Rede zu machen. »Ich habe da noch etwas für ihn zu erledigen.«