23

 

Der helle Glanz des galaktischen Kerns fiel durch die Transparistahldecke herein, und allein deshalb war der Kraterraum einer der wenigen auf Eclipse, die noch Licht hatten. Bei dem Versuch, mehr Energie in das zentrale Kühlsystem zu leiten, war eine Hauptschalttafel durchgebrannt, und daraufhin waren alle weniger wichtigen Systeme ausgefallen. Die Jedi waren daher gezwungen, sich in einem der Labore des Eclipse-Programms zu versammeln. Mehrere leere Villip-Tanks − selbst Cilghal konnte die Dinger nicht zum Wachsen bringen − waren zur Seite geschoben worden, um Platz zu schaffen. Han und Lando standen ein wenig abseits bei Leias Noghri-Leibwachen. Nach dem Zwischenfall auf Coruscant waren die Noghri einen Tag früher aus den Bacta-Tanks gestiegen und weigerten sich nun, Leia auch nur eine Minute aus den Augen zu lassen.

Leia befand sich vorn bei Mara, Cilghal und den älteren Jedi, während Jacen und Jaina bei Tenel Ka, Lowie, Raynar, Zekk und den nachdenklicheren jungen Jedi-Rittern standen. Anakin und seine hübsche Freundin Tahiri waren umgeben von Gefährten, zu denen jetzt auch die drei Barabel-Brutgefährten sowie Ulaha Köre, eine rothaarige Frau namens Eryl Besa und die Twi’lek-Tänzerin Alema Rar gehörten.

Han gefiel es nur wenig besser als Tahiri, wie sich Alema an seinen Sohn drängte. Obwohl die Twi’lek im gleichen Alter war wie Anakin, konnte er doch an ihren Blicken und Berührungen ablesen, dass sie in gewisser Hinsicht über wesentlich mehr Erfahrungen verfügte − und es war nun gerade nicht der richtige Zeitpunkt für Anakin, solche Lektionen zu lernen. Luke hatte die Versammlung einberufen, um einen Durchbruch in Cilghals Forschungsarbeit zu verkünden, doch gerade war die Nachricht eingetroffen, dass Anakins Freund Lyric einem Voxyn zum Opfer gefallen war. Zudem hatte man Corran Horn und seine Frau Mirax auf Corellia dabei beobachtet, wie sie beim Einladen des Nachschubs vor einem Rudel dieser Wesen geflohen waren. Seitdem hatte niemand mehr zu ihnen Kontakt gehabt.

Cilghal brach schließlich das Schweigen. »Ursprünglich habe ich Meister Skywalker gebeten, diese Versammlung einzuberufen, weil ich euch gute Neuigkeiten mitteilen wollte. Stattdessen muss ich mich für meine Langsamkeit bei der Suche nach einer Lösung des Problems entschuldigen.« Die Mon Calamari schlug die großen Augen zu Boden. »Vergebt mir.«

»So darfst du nicht denken.« Obwohl Anakin die Tränen noch in den Augen standen, klang seine Stimme freundlich. »Niemand kann es besser als du. Ohne dich wüssten wir nicht einmal, dass diese Wesen zum Teil Vornskr sind.«

Anakins Worte erfüllten Han mit Stolz. Er wusste aus eigener Erfahrung, wie schwierig es war, beim Verlust eines Freundes nicht nach allen Seiten Hiebe zu verteilen, und der Trost seines Sohnes würde Cilghals übertrieben schlechtes Gewissen erleichtern.

»Das stimmt«, meinte auch Ganner Rhysode. Die Narben auf der Wange verliehen dem sonst hübschen Gesicht des großen Mannes etwas Gefährliches. »Jeder weiß, wie hart du geschuftet hast − genauso hart wie wir.«

Das zog einen Zuspruch aus der ganzen Gruppe nach sich, denn Cilghal hatte viele der Jedi damit beauftragt, den Aufenthaltsort des Originalvoxyn zu suchen − die Königin, wie die Jedi es nannten. Ganner hatte die Route der Sweet Surprise zur Nova Station und von dort weiter zurückverfolgt, Streen hatte das Logbuch nach verdächtigen Lücken durchforstet, und Cheklev hielt ein Dutzend Wissenschaftler damit beschäftigt, Teile des zerstörten Schiffes zu analysieren. Inzwischen jagten Anakin und seine Gruppe von Planet zu Planet und bargen die Voxyn-Kadaver für Cilghal, die Proben untersuchte und Daten abglich. Das Resultat dieser Bemühungen hatte in der Bestätigung der These bestanden, dass alle Voxyn tatsächlich Klone eines einzigen Wesens waren, aber auch − und das war wichtiger −, dass ihnen ein sehr rascher Zellverfall eigen war. Nach Cilghals Schätzung lebten sie kaum länger als ein paar Monate, und Han wusste, sie hatte eine Möglichkeit gesucht, diesen Verfall mithilfe der Macht noch zu beschleunigen. Mit ein bisschen Glück hätte sie bei dem heutigen Treffen einen Erfolg zu verkünden gehabt.

Luke ließ ihnen Zeit, Cilghal aufzumuntern, dann hob er die Hand und bat um Ruhe. »Wir dürfen uns über Cilghals Fortschritte nicht beschweren, doch gibt es einen Grund zur Sorge. Wenn Corran und Mirax vermisst werden, könnte Booster Terrik ihnen möglicherweise ins Kriegsgebiet folgen.«

»Nicht mit Tionne und Kam an Bord«, sagte Han. Er und Han hatte Booster schließlich zwischen den Flügen nach Coruscant erwischt. »Sie wissen, wo sie uns finden. Bestimmt werden sie nichts Dummes anstellen, ohne nicht wenigstens die Schüler vorher hier abzusetzen.«

»Bist du dir da sicher?«, fragte Luke. »Das Schiff trägt die nächste Generation von Jedi-Rittern.«

»Von denen zwei seine eigenen Enkel sind«, sagte Leia. »Booster wird Valin und Jysella nicht in Gefahr bringen, nicht einmal für Mirax.«

Luke dachte darüber nach und nickte. »Gut. Ich bin lange genug Corrans Freund und weiß, dass er auf sich aufpasst, aber wir würden alle aufatmen, wenn wir uns nicht Sorgen um die Schüler der Akademie zu machen brauchten.« Er schwieg einen Augenblick lang. »Versuchen wir zu verhindern, dass die Voxyn noch mehr von uns erwischen. Cilghal hat interessante Neuigkeiten.«

Luke trat neben Mara und lächelte das Baby an, das in ihren Armen schlief. Der Anblick erfüllte Han mit innerer Ruhe, und er fragte sich, ob es sich so anfühlte, die Macht zu berühren. Einen Moment erschien ihm die Galaxis nicht so zerrissen; was sie im Innersten zusammenhielt, war unbeschädigt, und − Yuuzhan Vong oder nicht − es würde auch morgen noch da sein.

Cilghal blinzelte zweimal und räusperte sich, dann fand sie ihre Stimme. »Meine Freunde, ich habe etwas sehr Interessantes entdeckt, und zwar bei dem letzten Voxyn, den Ulaha und Eryl mitgebracht haben.« Sie deutete mit dem Kopf auf die beiden, die in einer Schar junger Frauen standen, die sich im Moment ständig um Anakin herum zu sammeln schienen. »In seinem Magen befand sich ein ausgewachsener Ysalamiri und im Magen des Ysalamiri wiederum mehrere Olbio-Blätter.«

»Diese Viecher fressen also Ysalamiri?«, fragte Raynar. »Willst du uns das sagen?«

»Nein, Cilghal will uns mitteilen, wo wir die Königin finden«, meinte Jacen. »Hast du die Metalle in den Blättern untersucht?«

Cilghal lächelte. »Sie passen perfekt. Die Blätter stammen von Myrkr.«

Lando stieß einen leisen Pfiff aus, und Han zog sich einen missbilligenden Blick von Leia zu, weil er seine Freude wenig eloquent zum Ausdruck brachte. Myrkr war bei Schmugglern bekannt für den hohen Metallgehalt in den Bäumen, eine Eigenart, die alle Sensormessungen im Orbit unzuverlässig machte. Der Planet stellte den optimalen Ort für geheime Basen und gleichzeitig die Heimat von Vornskrs und Ysalamiri dar − bei Ersteren handelte es sich um vierbeinige Raubtiere, die mithilfe der Macht ihre Beute jagten, bei Letzteren um friedliche Reptilien, die die Macht in kleinen Bereichen blockieren konnten. Selbst unter besten Bedingungen war es kaum ein idealer Ort für eine Voxyn-Jagd, und die Aufgabe wurde noch komplizierter durch die Tatsache, dass der Planet sich vierhundert Lichtjahre hinter den Linien der Yuuzhan Vong befand.

»Okay«, sagte Raynar. »Und jetzt die gute Nachricht.«

»Es ist ein Anfang.« Mara reichte Ben an Luke weiter und blickte Cilghal an. »Bist du sicher, dass die Königin dort ist? Das Ysalamiri könnte nicht von einem anderen Ort stammen?«

Jacen antwortete auf die Frage: »Nicht angesichts der Blätter im Magen. Wenn die Blätter nicht von Myrkr wären, würde der Metallgehalt niedriger sein.«

»Das Ysalamiri hat kurz vor seinem Tod auf Myrkr gefressen«, stimmte Cilghal zu. »Und nicht lange danach wurde es selbst gefressen. Ich habe kein Anzeichen von Einfrieren oder anderer Konservierung gefunden.«

In dem Raum kehrte unheimliche Stille ein. Die Frage, die sich der Gruppe stellte, war so offensichtlich wie drängend, und die Jedi waren gut genug aufeinander eingestimmt, um zu erkennen, dass sie als Nächstes einen Plan schmieden mussten.

»Lassen wir erst einmal den Gedanken an einen massiven Angriff außen vor«, sagte Ulaha Köre. »Selbst wenn wir eine entsprechend große Flotte auftreiben könnten − was wir nicht können −, wäre die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs gering.«

»Und allein der Versuch würde unsere Absichten offenbaren«, fügte Luke hinzu. »Wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen.«

»Ein Kommandotrupp«, sagte Zekk. »Wir schleichen uns mit einem kleinen Kommandoteam rein…«

»Nicht, solange ihr nicht besser seid als das Geister-Geschwader«, unterbrach ihn Han. Ehe er von Coruscant aufgebrochen war, hatte er im Medicenter der Verteidigungsstreitkräfte der Neuen Republik vorbeigeschaut und Wedge besucht. Der General befand sich in ausgesprochen redefreudiger Laune. »Sie versuchen seit sechs Monaten, durch die Front zwischen Corellia und Vortex vorzudringen. Die Yuuzhan Vong haben überall Dovin Basale; die Geister wurden jedes Mal aus dem Hyperraum geholt, gleichgültig, welche Route sie probiert haben. Und in dem Bereich zwischen der Perlemianischen Handelsroute und dem Hydianischen Weg war es besonders übel; sie wurden schon auf dieser Seite der Front herausgeholt.«

»Jetzt wissen wir, warum«, vermutete Luke. »Die Yuuzhan Vong haben erwartet, dass wir das Geheimnis lüften würden, und sie haben sich auf uns vorbereitet.«

»Ich glaube, sie haben von vornherein darauf gesetzt«, sagte Tahiri. Trotz ihres Alters − mit gerade fünfzehn war sie die jüngste anwesende Jedi − wurde ihre Bemerkung von anderen beachtet. Da sie die Bemühungen einer Yuuzhan-Vong-Gestalterin überlebt hatte, die sie in eine Jedi jagende Sklavin verwandeln wollte, verstand sie das Denken der Yuuzhan Vong besser als die anderen. »Sie haben ein Sprichwort: ›Lass den Feind kämpfen!‹ Ich glaube, sie versuchen gar nicht erst, fair zu sein.«

»Damit hast du Recht, Tahiri«, sagte Alema. Das Lob zog lediglich eisiges Starren nach sich, doch die Twi’lek tat, als würde sie es nicht bemerken. Sie wandte sich an Luke und die älteren Jedi. »Auf New Plympto haben die Yuuzhan Vong stets unsere Reaktionen vorausgesehen und entsprechend Fallen aufgestellt. Bestimmt haben sie uns längst im Visier.«

»Dann müssen wir sie überlisten«, sagte Anakin mit der für einen Teenager so typischen festen Überzeugung. Er wandte sich an die jüngeren Jedi um ihn herum. »Die Yuuzhan Vong wollen, dass wir aufgeben, nicht wahr? Tun wir es doch − und lassen wir uns von ihnen durch die Front bringen.«

»Und weiter?«, fragte Luke. »Wir lauschen.«

Anakin löste sich von Tahiri und trat zu seinem Onkel. »Dadurch hätten wir für Talfaglio erst mal Zeit gewonnen.«

»Ein Pluspunkt«, sagte Luke. »Wie stellen wir es an?«

»Nicht ihr«, meinte Anakin, »wir.«

Han spürte Landos Hand an seinem Arm, ehe er noch seine eigene Vorwärtsbewegung wahrnahm. Lando war dabei gewesen, als Leia Han vorgeworfen hatte, sie sei bei dieser Droidendemonstration beinahe zu Tode gekommen. In sehr deutlichen Worten hatte sie ihm erklärt, sie sei zwar froh, ihn zurückzuhaben, würde aber nicht dulden, dass ihr Mann übertriebenere Beschützerinstinkte entwickelte als ihre Noghri-Leibwächter − die vermutlich dieses Handwerk wesentlich besser verstanden. Beim nächsten Mal, wenn Han sie oder eines der Kinder mit seinem Kontrollzwang einengen würde, so hatte sie gewarnt, würde er von da an den Falken allein fliegen müssen. Han schwor sich, seinen jüngsten Sohn zu Ende anzuhören, dann trat er zurück und dankte Lando still für die Mahnung.

Anakin blickte wieder seine Gruppe an. »Wir brauchen einen Verräter, der uns an den Yuuzhan Vong ausliefert, und zwar unter dem Vorwand, wir wollten Zeit für die Geiseln von Talfaglio gewinnen. Wir organisieren einen Transfer in die Nähe von Obroa-skai, lassen uns von ihnen über die Grenze bringen, übernehmen dort das Schiff der Yuuzhan Vong und fliegen nach Myrkr.« Er wandte sich an seine ältere Schwester. »Ich weiß, Wedge − General Antilles − hat dich schon ein paar erbeutete Yuuzhan-Vong-Schiffe fliegen lassen. Könntest du es Zekk beibringen?«

Jaina sah ihn misstrauisch an. »Warum sollte ich? Ohne mich werdet ihr dieses verrückte Ding nicht durchführen.«

Anakin verzog gequält das Gesicht. »Aber du bist nur zeitweise freigestellt. Die Renegaten können dich jederzeit zurückbeordern.«

»Natürlich können sie das.« Jaina verdrehte die Augen; dann wurde ihr Gesicht auf die gleiche Weise unnachgiebig wie Leias, wenn sie kein Gegenargument gelten lassen wollte. »Wenn du zu dem Kommandoteam gehörst, mache ich auch mit.«

»Ich auch«, meldete sich Tahiri.

Anakin runzelte die Stirn. »Du? Du bist zu…«

»Wenn du jetzt ›jung‹ sagst, bekommst du einen Tritt dorthin, wo es dir bestimmt nicht gefallen wird«, unterbrach ihn Tahiri. »Niemand hier kennt die Yuuzhan Vong so gut wie ich. Wer sonst − außer vielleicht dir − kann schon ein Gestalter-Laboratorium erkennen? Versteht irgendwer ihre Sprache?«

»Guter Einwand«, sagte Jaina, »Wir brauchen ihre Hilfe, um das Schiff zu steuern.«

Anakin sah seine Schwester stirnrunzelnd an. »Kannst du ein Yuuzhan-Vong-Schiff fliegen oder nicht? Wenn Wedge dich nur mal auf dem Pilotensitz hat Platz nehmen lassen oder so…«

»Ich bin eins geflogen − und Tahiri auch, falls du das nicht vergessen hast«, erwiderte Jaina. Sie spielte auf Anakins knappe Flucht im Yag’Dhul-System vor ein paar Monaten an, als er gemeinsam mit Corran Horn und Tahiri dem sicheren Tod entkommen war, indem sie ein Aufklärungsschiff der Yuuzhan Vong gekapert hatten. »Im Cockpit gibt es überwiegend Symbole, aber was ist mit dem Rest? Die Geschichte besteht ja nicht nur aus Fliegen.«

»Und was passiert, wenn sie uns beschießen?« ; fragte Tahiri. »Es ist wichtig, sie zu verstehen − und ihnen zu antworten.«

Sie sah erwartungsvoll in die Runde. Han wartete darauf, dass sein Schwager den Plan abschmettern würde.

Luke war ausgesprochen geduldig. Han zählte die Sekunden und war entschlossen, die Warnung seiner Frau zu beherzigen, allerdings ebenso entschlossen, niemanden aus seiner Familie einer solchen Gefahr auszusetzen.

Han hielt es ungefähr fünf Sekunden aus, ehe das Schweigen seines Schwagers unerträglich für ihn wurde. »Worauf wartest du noch, Luke?« Han schüttelte Landos Hand ab und trat in den Kreis der Jedi. »Sag ihm, warum es nicht funktionieren wird.«

Anakins blaue Augen wurden fast so dunkel wie wütender Amethyst. »Warum sagst du es mir nicht selbst, Dad?«

»Also schön.« Er wandte sich zu seinem Sohn um. »Ich glaube, es wird nicht funktionieren, weil…« In seinem Zorn wollte Han kein Grund einfallen. »Weil es überhaupt nicht sicher ist, dass ihr fliehen könnt.«

»Eigentlich glaube ich, das wird uns schon gelingen − zumindest ist es wahrscheinlich.« Trotz der Entrüstung in seinem Blick blieb seine Stimme ruhig. »Ich war bereits hinter den Linien der Yuuzhan Vong, um Tahiri zu retten, und ich habe dies.« Er berührte sein mit einem Schimmererkristall ausgestattetes Lichtschwert. »Aber vor allem weiß ich, wie sie denken.«

»Wir wissen, wie sie denken«, berichtigte Tahiri.

»Ihr wisst, wie sie denken?«, tobte Han. »Sie werden euch etwas zu denken geben, und zwar Knallkäfer.«

Leia packte ihn am Arm. »Han…«

Er schüttelte sie ab. »Und ich sag euch noch einen Grund. Ihr könnt es nicht machen, weil es wahnsinnig ist.« Er hielt seinem Sohn den Zeigefinger vors Gesicht und nahm leicht überrascht wahr, dass sich der Finger auf Höhe seiner eigenen Nase befand. »Weil ihr das nicht machen werdet, deshalb.«

»Han!« Leia zerrte ihn zurück. »Das hast du nicht zu entscheiden.«

Han drehte sich um und starrte sie böse an. »Aber Anakin erst recht nicht.«

Als er sich wieder umwandte, sah er zu seiner Überraschung, wie sein Sohn jetzt ihn böse anstarrte, eher verletzt als wütend, und trotzdem unnachgiebig und absolut von sich überzeugt. Er war ein Teenager, ein klassischer Rebell. Doch gleichzeitig bemerkte er auch die Härte, die in gewonnenen und verlorenen Gefechten entstanden war. Mit siebzehn hatte Anakin vermutlich schon mehr Kämpfe gesehen und mehr Blut vergossen als Han während der ganzen Rebellion. Dabei war er noch so jung.

»Han, die Entscheidung liegt bei Luke«, sagte Leia. »Nicht bei Anakin, nicht bei dir.«

Sie stellte sich zwischen Vater und Sohn, dann drehte sie Han sanft um. Und Han fragte sich nur, wo er gewesen war, als sein Sohn, als alle seine Kinder erwachsen geworden waren. Die Antwort auf diese Frage fand er nicht − sie verschwand im Dunst einer Trauer, die sich derjenige, um den getrauert wurde, ohne Frage verbeten hätte.

Aber der alte Han Solo war zurück, und der würde sich von den Yuuzhan Vong und auch von sonst niemandem seine Familie rauben lassen. Er wandte sich an Luke.

»Das ist keine Mission, das ist Selbstmord. Du kannst sie nicht dorthin schicken − weder Anakin noch die anderen.«

Luke schaute einen Moment zu Boden, dann wandte er sich an Anakin. »Es fühlt sich richtig an, Anakin, allerdings werde ich die Gruppe anführen. Du bleibst hier.«

Anakin fiel die Kinnlade herunter − und Han sank der Mut, trotzdem fühlte er sich erleichtert. Luke hatte solche Unternehmungen geleitet. Han hatte ihm geholfen, und trotz des schiefen Blicks in Maras Gesicht wusste er, Luke würde zurückkommen − insbesondere, wenn Han mitflog und ihm aus allen Schwierigkeiten heraushalf. Er sah hinüber zu Mara, um sie zu beruhigen, und stellte fest, dass es gar nicht notwendig war. Maras Kinn war angespannt, ihre Augen funkelten hart, und doch strahlte sie eine Ruhe aus, die Han kaum verstehen konnte − das Wissen um die Gefahr und was diese sie kosten könnte, und dennoch die stoische Hinnahme der Tatsachen. Irgendwer musste das Voxyn töten, und wenn es Luke sein sollte, dann eben Luke.

Anakin betrachtete seinen Onkel kurz, ehe er ein knappes Nicken zustande brachte und zurück zu seiner Gruppe trat. Er weigerte sich, seinen Vater anzusehen. Eine Zeit lang dachte Han, Anakin würde den Raum verlassen, doch sein Sohn war nicht nur in einer Hinsicht zum Mann geworden. Er schien zu spüren, wie seine Reaktion dies dem großen Kreis seiner Freunde vermittelte. Daher blieb Anakin bei ihnen und war bereit, Luke seine ganze Unterstützung anzubieten.

Nach einem Moment angespannter Stille trat Tenel Ka vor, deren gewohnte Dathomir-Kriegerkleidung unter dem allgegenwärtigen Vakuumnotanzug verborgen war, der überall auf Eclipse immer wieder einmal notwendig wurde. »Meister Skywalker, vergib mir, wenn ich so offen spreche. Aber… hast du den Verstand verloren?«

Nach dieser Offenherzigkeit der jungen Frau hörte man im Raum überall beklommenes Kichern.

Sogar Luke lächelte. »Ich hoffe nicht. Warum?«

»Weil du doch wissen müsstet, dass Anakins Plan mit dir niemals funktionieren kann«, sagte sie. »Die Yuuzhan Vong müssen glauben, uns sicher in der Hand zu haben, denn das ist von entscheidender Bedeutung. Und bei einem Jedi-Meister wäre das nicht der Fall. Sogar wenn sie dich nicht auf der Stelle töten, würden sie alle verfügbaren Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um dich auszuschalten.«

»Da hat sie Recht«, sagte Ganner. »Der Anführer müsste jemand sein, über den sie sich nicht viele Gedanken machen − und jemand, von dem sie glauben, er könne durch einen Verräter überlistet werden.« Er grinste breit und zeigte dabei die weißen Zähne unter dem Schnurrbart. »Jemand wie ich.«

Selbst Han spürte das Widerstreben der anderen Jedi.

Da keiner den gut aussehenden Jedi-Ritter unterstützen wollte, sagte Jacen: »Vielleicht sollte überhaupt niemand gehen.«

Daraufhin runzelten seine beiden Geschwister die Stirn, und Anakin antwortete: »Jacen, jetzt ist nicht der rechte Moment, herumzusitzen und über Gut und Böse zu debattieren. Entweder töten wir diese Wesen, oder sie töten die Jedi.«

»Und wenn wir die Königin vernichten, werden sich die Yuuzhan Vong an den Bewohnern der Neuen Republik rächen«, gab Jacen zurück. »Wollen wir uns diese Verantwortung aufladen?«

»Jacen, das Blut klebt nicht an unseren Händen«, meinte Alema, und ihre Lekku zitterten vor Ärger. »Sondern an ihren.«

»Eine bequeme Haltung, aber rettet sie mehr Leben als sie kostet?«, fragte Ulaha. »Als Jedi muss das unsere Sorge sein.«

Und damit ging es wieder los. Lautstark und mit heftigen Gesten diskutierten sie über das gleiche Thema wie schon so oft nach der Zerstörung der Nebula Chaser. Alema redete eindringlich auf Jacen ein, ohne Zweifel, weil sie die Bürde nicht tragen konnte, an der Zerstörung von New Plympto und dem Tod ihrer Schwester schuld zu sein. Ulaha und Jacen hingegen stritten für die Verantwortung der Jedi; sie wurden von überraschend vielen anderen unterstützt, darunter Streen, Cilghal und erstaunlicherweise sogar die Barabel-Brutgefährten.

Am Ende wurde die Debatte so hitzig, dass C-3PO gerufen werden musste, um den schreienden Ben ins Kinderzimmer zu bringen, und Luke bat mehrmals um Ruhe. Schließlich benutzte er die Macht und projizierte seine Stimme direkt in die Gedanken jedes Anwesenden, und nervöses, verlegenes Schweigen breitete sich aus.

Luke sah die Jedi einen nach dem anderen an, dann sprach er fast im Flüsterton. »Es läuft auf eine einfache Frage hinaus: Wie bekämpfen wir einen brutalen, bösartigen Feind, ohne selbst immer brutaler und bösartiger zu werden?«

»Ja, so ist es«, stimmte Tenel Ka zu.

Luke blickte sie kurz an, dann schüttelte er müde den Kopf. »Ich wünschte, ich wüsste eine Antwort darauf, aber die Macht weigert sich, mich bei dieser Angelegenheit zu führen − uns alle, glaube ich.« Er wartete einen Moment, und da niemand widersprach, fuhr er fort: »Eines ist mir jedoch klar geworden: Die Zeit ist gekommen, uns für einen Pfad zu entscheiden. Ich nehme an, keiner von uns ist der Meinung, wir sollten uns tatsächlich den Yuuzhan Vong ergeben?«

Obwohl Jacen Han einen Schreck versetzte, weil er kurz so wirkte, als wäre er anderer Ansicht, blieb er stumm wie die übrigen Jedi.

Luke nickte. »Das habe ich mir gedacht. Also, zerstören wir das Voxyn und riskieren weitere Vergeltungsschläge? Oder akzeptieren wir unsere Verluste in der Hoffnung, auf diese Weise der Neuen Republik viele Opfer zu ersparen?«

»Worauf soll das hinauslaufen?«, fragte Ganner. »Auf eine Abstimmung?«

»Ich will eure Meinung hören«, stellte Luke klar. »Wie auch immer ich entscheide, ich möchte sichergehen, dass jeder zu diesem Thema gehört wurde.«

Ganner dachte darüber kurz nach und nickte dann. »Gut. Ich bin dafür, dass wir uns die Königin holen.«

»Die Verluste in Kauf nehmen«, schnarrte der erste Barabel, Tesar Sebatyne.

Seine weiblichen Brutgefährten schlossen sich ihm an, und Luke ging den ganzen Kreis durch. Zwar war Han in seinem Herzen sicher, dass sie die Königin suchen sollten, freute sich aber im Stillen über jeden, der für das Akzeptieren der Verluste stimmte. Tenel Ka hatte Recht gehabt; ein Jedi-Meister konnte die Gruppe nicht führen, und deshalb würden Anakin und Jaina ihr Leben für einen Plan riskieren, der so tollkühn war wie der Versuch, Leia auf einem Todesstern aus der Haft zu befreien. Wenn die Jedi für das Akzeptieren der Verluste stimmten, würden er und Leia wenigstens mit dem Falken in der Nähe sein und konnten ein Auge auf ihre Kinder haben − bis ein Rudel Voxyn sie erwischte. Früher oder später musste jemand diese Königin vernichten. Han sah nur nicht ein, warum es ausgerechnet seine Kinder sein sollten.

Als die Reihe an Leia kam, hatten sich für beide Seiten gleich viele Jedi ausgesprochen.

Lando beugte sich zu Han vor. »Jetzt kannst du aufatmen, Junge. Leia und Mara werden für die Jagd auf die Königin stimmen, aber Cilghal und Streen sind dagegen.«

Han wusste, kein anderer Spieler in der Galaxis konnte Gesichter so gut lesen wie Lando Calrissian, und doch fühlte er sich keineswegs erleichtert. Leias Blick ließ keinen Zweifel, wie sie über Anakins verletzten Stolz dachte, dennoch drehte es sich nicht nur um ihren Zorn. Han war egoistisch, und das wusste sie − und sie wusste auch, was Egoismus die Jedi am Ende kosten würde.

»Han?« Vollkommen verdutzt sah Han von Leia zu ihrem Bruder. »Ja?«

»Deine Meinung?«

»Meine?«

»Du gehörst mit dazu«, sagte Luke. »Du hast ein Mitspracherecht.«

Han sah wieder Leia an, entdeckte die stille Bitte in ihrem Blick und fragte sich, wie sie so stark sein konnte.

»Okay, einen Moment bitte.«

Er schloss die Augen und wünschte, irgendwer könne ihm eine dieser Jedi-Entspannungstechniken beibringen. Er versuchte, sich zu beruhigen, indem er ein paarmal tief durchatmete. Das half allerdings wenig. Er wusste, warum sein Sohn diese Mission führen wollte, warum Anakin in jeder wichtigen Jedi-Schlacht seit Beginn der Invasion gekämpft hatte, warum er allein aufgebrochen war, um Tahiri zu retten.

Chewbacca.

Gleichgültig, was Anakin auch behaupten mochte, es lief auf Chewbacca hinaus.

»Dad«, sagte Anakin. »Sag einfach, was du für richtig hältst.«

»Das hat mir nun auch nicht wirklich weitergeholfen.« Han öffnete die Augen, und sein Sohn stand direkt vor ihm. Er wollte den Jungen an den Schultern fassen, begriff dann aber, wie lächerlich er aussehen würde, wenn er seine Arme so weit ausbreiten musste, und griff ihn nur am Unterarm. »Du musst das nicht machen, das weißt du.«

»Ja.« Die Verletztheit in Anakins Miene räumte den Platz augenblicklich für eine alarmierende Unverfrorenheit. »Aber ich werde es tun.«

Mit dem unbehaglichen Gefühl, dass er diesen frechen Blick schon einmal gesehen hatte, und zwar vor dreißig Jahren im Spiegel, wandte er sich Leia zu, die ihn mit offenem Mund anstarrte.

Er zuckte mit den Schultern und grinste sie schief an. »Kinder. Was soll man da machen?«

»Demnach bist du für die Vernichtung der Königin?«, fragte Luke.

Luke führte die Umfrage zu Ende, mit dem Ergebnis, das Lando vorausgesagt hatte − nur, weil Han sich hinter die Mission stellte, entschied Luke, die Voxyn-Königin aufzuspüren.

»Ich erwarte von jedem der Anwesenden Unterstützung für diese Entscheidung«, sagte er. »Wir tun, wozu wir in der Lage sind, um die Unschuldigen zu beschützen, trotzdem schicken wir ein Kommandoteam nach Myrkr.«

Jacen wandte sich an seinen Bruder. »Dann möchte ich der erste Freiwillige sein.«

»Du?« Niemand war verblüffter als Anakin. »Du warst doch dagegen.«

»Das spielt keine Rolle«, sagte Jacen. »Niemand hat mit Tieren so viel Erfahrung wie ich. Wenn ihr die Fährte der Königin finden wollt, braucht ihr mich.«

»Wo er Recht hat, hat er Recht, kleiner Bruder«, sagte Jaina und stellte sich neben ihren Zwillingsbruder. »Und ich glaube, wir hatten uns schon darauf geeinigt, dass ich mitkomme.«

»Als hätte ich eine Wahl.« Anakin lächelte, dann drehte er sich zu den anderen jungen Jedi um. »Jeder, der sich ebenfalls freiwillig melden möchte, kann später zu mir kommen − nachdem wir so eine Art Plan entwickelt haben.«

Hans Knie waren weich geworden. Alle drei würden sich an der Mission beteiligen, alle drei Kinder bei dem gleichen verrückten Unternehmen − und er würde nicht dabei sein, um sie zu beschützen, durfte es nicht einmal in Erwägung ziehen, weil er kein Jedi war.

Leia sah auch nicht glücklicher aus. Ihr Gesicht war bleich, ihre Lippen zitterten, und dennoch brachte sie irgendwie die Kraft auf, den Kopf aufrecht zu halten und stolz zu wirken. »Eine Bedingung«, sagte sie zu Lando. »Ich möchte, dass du sie übergibst.«

Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit war Lando überrascht. »Ich?«

»Du bist der Einzige, der das kann«, meinte Leia. »Ich weiß, bei Borsk war ich dir keine große Hilfe, aber wenn du dich bereit erklärst…«

Lando hob die Hände. »Dafür verlange ich keinen Gefallen«, sagte er. »Wenn ich helfen kann, bin ich dabei.«