48

 

Anakins geschundener Körper schrie nach einem Halt, einer Trance, nach Flucht. Aber das war nicht möglich, nicht, solange Nom Anor mit seiner Kompanie zu diesem Gang unterwegs war. Die Yuuzhan Vong waren hinter ihnen zurückgeblieben, allerdings nur gerade weit genug, dass auch die Barabels sie nicht mehr hören konnten, doch Anakin fühlte den Feind noch immer durch den Schimmerer, eine kalte Aura der Gefahr, die das Kommandoteam vorantrieb, ständig drängte und bedrohte.

Seitdem sie die Sklavenstadt verlassen hatten, griffen die Yuuzhan Vong die Jedi, wann immer sie langsamer wurden, mit Käfern an und provozierten sie, ihre Waffen abzufeuern. Zwar waren die Attacken häufiger geworden, doch Nom Anor hatte seine Taktik nicht geändert. Weiterhin belagerte er das Kommandoteam und zermürbte es, weiterhin versuchte er, einige von ihnen lebend zu ergreifen.

Und Anakin hatte dem einäugigen Spion keinen Grund geliefert, etwas anderes zu versuchen. Er war der Falle mit dem AT-AT ausgewichen, um anschließend in der Sklavenstadt in den Hinterhalt zu geraten wie ein Staubtreter, der direkt von einer Feuchtfarm kam. Betrübt über die Not der Bewohner hatte er es Nom Anors maskierten Kriegern gestattet, sich an das Kommandoteam heranzuschleichen. Jetzt waren Eryl und Jovan tot. Anakin hätte sich an Nom Anors Vorliebe für Listen erinnern müssen und diesen Überfall vorausahnen sollen; er hätte die Sklavenmenge zumindest von den Jedi fern halten müssen. Er hätte wesentlich vorsichtiger sein sollen. Er…

Jaina gab ihm einen Klaps hinter das Ohr. »Hör damit auf.«

»Was?« Anakin rieb sich das Ohr, dann ließ seine Konzentration nach, und der Schmerz durchfuhr ihn in feurigen Wellen. »Und danke für die Fürsorge.«

»Du kannst dich selbst bedauern«, sagte Jaina. Eine dünne Linie zog sich diagonal über ihre Stirn, wo Tekli den Schnitt über den Augen mit Synthfleisch verschlossen hatte. »Du hast tollkühn gehandelt, und du hast dafür den Preis bezahlt − aber darum geht es nicht. Du musst aufhören, dir die Schuld zu geben.« Das ferne Geräusch von Schritten der Yuuzhan Vong hallte durch den Gang. Anakin bemühte sich, in seiner Konzentration nicht nachzulassen, und fragte: »Wem sollte ich dann die Schuld geben?«

»Dem Krieg«, sagte Jaina. »Glaubst du, Onkel Luke hat uns zu Ausbildungszwecken hergeschickt? Diese Sache ist von äußerster Wichtigkeit. Wenn jemand von uns stirbt, können wir nichts daran ändern.«

»Das ist ein bisschen kaltherzig.«

»Ich werde zu Hause weinen.« Jaina wagte einen Blick über die Schulter und fügte hinzu: »Vielleicht hast du einen Fehler gemacht, vielleicht auch nicht. Aber konzentriere dich jetzt wieder auf die Mission, sonst werden noch mehr von uns draufgehen.«

Jaina sah ihm einen Moment lang in die Augen, dann wurden die fernen Schritte lauter, und die Jedi richteten ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihr Vorankommen. Das Kommandoteam passierte einen der hüfthohen Tunnel, die hinunter zum Labyrinth der »wilden« Voxyn führten. Lomi und Welk zufolge waren die Wilden jene Exemplare, welche den Ausbildern einfach ausgerissen waren. Irgendwann fanden die Bestien den Weg in die Sklavenstadt − die einzige nachhaltige Futterquelle im Abrichtelabyrinth − und versteckten sich nach der Jagd in diesen Höhlen. Angesichts ihrer unregelmäßigen Form, den von Säure angefressenen Wänden und dem überwältigenden Gestank waren die Tunnel vermutlich von den Voxyn selbst angelegt worden. Alle außer den Barabels hatten die Atemmasken aufgesetzt.

Anakin trug seine Maske nur wenige Minuten lang, dann nahm er sie ab und entdeckte, dass er, obwohl die Luft frischer war, nicht leichter atmen konnte. Er fühlte sich fiebrig, und der Schmerz breitete sich in seinem Bauch aus und fraß sich durch die Barrieren der Macht. Irgendetwas stimmte da nicht.

Während er lief, machte er seinen Verstand frei und öffnete sich vollständig der Macht. Obwohl er sicherlich kein begabter Heiler war, kannte er seinen Körper gut genug, um dem störenden Kräuseln bis zu seiner Wunde zu folgen und zu spüren, dass sich im Inneren etwas gelöst hatte. Er griff unter seinen Ausrüstungsgurt und berührte den nassen Verband. Als er ihn zurückzog, war die Hand rot.

»Anakin!« Das war Tahiri, die wie immer an seiner Seite lief. »Was ist das?«

»Nichts.«

Anakin konzentrierte sich auf den inneren Riss, versuchte mit der Macht, die Ränder zusammenzuziehen − und war zu schwach, um sich zu konzentrieren. Er stolperte und wäre gefallen, hätte Tahiri ihn nicht mit der Macht ergriffen und aufrecht gehalten.

»Ich brauche Hilfe!«, rief sie.

Das Kommandoteam verlangsamte den Schritt, und Jaina sowie einige der anderen versammelten sich um Anakin, der protestierend beteuerte, ihm gehe es gut.

»Negativ!«, entgegnete Tahiri. »Dir geht es überhaupt nicht gut − nicht einmal ein bisschen.«

Die Schritte der Yuuzhan Vong schwollen zu Getrampel an. Tekli erschien von irgendwo hinten zwischen Ganner und Raynar, die sich die Last teilten, Eryls Leiche zu tragen.

»Lasst ihn schweben!«, befahl Jaina. Sie zog Tekli vom Boden hoch und setzte die Chadra-Fan neben Anakins Beine, dann packte sie sein Handgelenk und ging weiter den Gang hinauf. »Alle Mann, Marsch!«

Anakin wollte darauf beharren, dass er keine Hilfe brauchte, doch brachte er lediglich ein Gurgeln zustande. Einer der Barabels ließ eine Flechette-Mine fallen, um die Yuuzhan Vong aufzuhalten, und das Kommandoteam begann zu rennen. Tekli machte sich daran, den Verband abzunehmen. Sie warf die blutdurchtränkten Bacta-Verbände weg und legte ihre Hand auf die Wunde. Die Macht flutete in Anakin hinein, und dennoch verlor er weiter an Kraft.

»Wir müssen anhalten«, sagte Tekli.

»Nein.« Anakin konnte gerade noch flüstern. »Kann nicht zulassen…«

Tekli ignorierte ihn. »Er hat innere Blutungen. Ich muss mir ansehen, was da los ist.«

»Wie viel Zeit brauchst du?«, fragte Jaina.

»Hängt davon ab, was ich vorfinde«, sagte Tekli. »Fünfzehn Minuten, vielleicht das Doppelte.«

Das Stampfen der Yuuzhan Vong wurde lauter, und die Macht wurde vom vertrauten Hunger eines jagenden Voxyn aufgewühlt. Dies waren nicht mehr die frei umherstreifenden Bestien, mit denen die Jedi es bislang zu tun gehabt hatten, sondern gut abgerichtete Geschöpfe, die von erfahrenen Führern an Leinen gehalten wurden. Das Kommandoteam hatte schon drei erledigt; wenn es ein normales Rudel war, würde es nur ein viertes geben.

Alle hofften, es sei ein normales Rudel.

Alema starrte zurück in den Gang in Richtung der Bedrohung, die auf sie zukam, dann wandte sie sich an Jaina. »Ich kann uns fünfzehn Minuten Aufschub verschaffen.« Ihre Stimme klang eigenartig fern. »Ich brauche ein halbes Dutzend Erschütterungsgranaten.«

Verschwommen hörte Anakin, wie Ganner sagte: »Also gut«, und er sah, dass er der Twi’lek etwas zuwarf. Sie tänzelte hinüber zu den Barabels, und alle vier sprinteten vor dem Kommandoteam den Gang hinauf.

Anakin näherte sich immer mehr dem Delirium und verlor das Gefühl für die anderen in der Macht. Tahiri spürte er stets an seiner Seite, und sie redete unaufhörlich auf ihn ein, dass alles wieder gut werden werde. Er glaubte ihr, konnte jedoch nicht die Kraft aufbringen, ihr zu antworten, daher drückte er nur ihre Hand.

Dann hallte das Knistern von Lichtschwertern durch den Gang. Sie kamen dicht an Tesar vorbei, und Anakin sah, dass Alema auf seiner Schulter saß und ihre silberne Klinge in die Decke bohrte. Hinter ihr hockte Bela auf den Schultern ihrer Schwester und stopfte mit Jovan Drarks Langblaster einen Pfropfen aus Stoff in ein ähnliches Loch.

Alema nahm eine Granate von Tesar entgegen und schob sie in das Loch, das sie gebohrt hatte, dann zog Tahiri Anakin um eine Ecke, und er konnte nicht länger beobachten, was sie machten. Er hörte − deutlich − einen der Barabels schnarren: »Sechs Sekunden«, und er wusste, Tekli stabilisierte ihn und holte ihn vielleicht sogar zurück.

Anakin hob den Kopf und sah Alema und die Barabels hinter dem Rest des Teams um die Ecke biegen, dann hörte er ein allzu vertrautes Brummen durch den Gang näher kommen. Zwei Knallkäfer trafen Alema im Rücken; zwar gelang es ihnen nicht, den Overall zu durchdringen, doch wurde sie auf den Boden geworfen. Tesar fing sie ab, zog sie in seine Arme und rannte weiter, ohne auch nur langsamer zu werden.

Einen Augenblick später erschütterte eine Druckwelle Anakin, und seine Ohrstöpsel schlossen sich, als das Krachen einstürzender Yorikkoralle zu ihnen herüberhallte. Staub wallte durch den Gang, und als die Wolke das Team einhüllte, drückte Tekli Anakin die Atemmaske vors Gesicht.

Die Jedi rannten noch dreißig Schritte weiter und blieben dann stehen. Tekli ließ Anakin auf den Boden nieder und gab Jaina ein Röhrchen mit Riechsalz, um Alema zu wecken, bevor sie die kleinen Hände in Anakins Wunde und von dort unter die Rippen schob. Er versuchte, nicht zu schreien − was ihm nicht gelang. Sie arbeitete weiter und erteilte Tahiri halb flüsternd Anweisungen. Anakin schaute einmal nach unten und sah, dass Teklis kleine Arme bis zum Ellbogen verschwunden waren. Dunkelheit breitete sich von den Rändern seines Sichtfeldes aus, und er schaute nicht erneut hin.

Blasterfeuer wurde hinten im Gang hörbar. Anakin wollte den Kopf heben, doch sein Bruder drückte ihn sanft nach unten.

»Mach dir keine Sorgen«, sagte Jacen. »Alle haben gute Deckung.«

»Alema… verletzt?«, keuchte Anakin.

»Wütend.« Jacen zeigte in Richtung des Kampfgeschehens. »Sie feuert bereits wieder auf die Yuuzhan Vong − und genießt es.«

»Hat auch allen Grund!«, gab Anakin zurück. »Nachdem…«

»Immer mit der Ruhe!« Jacen hob die Hände kapitulierend. »Ich will über niemanden ein Urteil fällen.«

Anakin zuckte zusammen, als eine spitze Nadel in seinem Inneren zustach. Dann schaffte er es, zweifelnd die Stirn zu runzeln.

»Wirklich nicht«, sagte Jacen.

Die Intensität des Blasterfeuers an der Einsturzstelle nahm zu, dann verkündete Lowbacca mit Gebrüll den Tod des Voxyn.

Jacen war angesichts des freudigen Rufs offensichtlich unbehaglich zumute, und er sagte: »Ob ich mir Sorgen drüber mache, was hier mit uns passiert? Sicher. Dieser Krieg bringt die ganze Selbstsucht und Korruptheit in der Neuen Republik ans Licht und verdirbt die Galaxis Stern um Stern. Ich sehe, wie er einen Jedi nach dem anderen auf die dunkle Seite zieht und uns dazu bringt zu kämpfen, um zu siegen, und nicht, um zu beschützen. Aber ich kann die anderen nicht zwingen, meinen Weg einzuschlagen. Jeder muss seine Entscheidung selbst treffen. Das habe ich durch Centerpoint gelernt.«

»Du hast mich getäuscht.«

»Ich habe mich selbst getäuscht«, antwortete Jacen. »Ich habe geglaubt, ich sei der Einzige, der den Unterschied zwischen Richtig und Falsch kennt. Inzwischen habe ich begriffen, dass es nicht stimmt − eigentlich hat Tenel Ka es mir klar gemacht −, nach dem, was ich dir auf der Exquisite Death vorgeworfen habe. Seitdem wollte ich mich bei dir entschuldigen.«

»Wirklich?« Anakin verzog das Gesicht, als Teklis winzige Hände ein Organ zur Seite drückten, dem das gar nicht gefiel. »Das wusste ich nicht.«

Jacen setzte das schiefe Solo-Grinsen auf. »Habe ich mir schon gedacht.«

Das Zischen von Blastem wurde durch das Knistern von Lichtschwertern ersetzt, und Anakin hob den Kopf. Über dem Trümmerhaufen tanzten Lichtschwerter in einer Linie, dahinter herrschte Dunkelheit.

»Wir müssen weiter!« Er drückte sich auf die Ellbogen hoch. »Es darf keiner mehr ums Leben kommen.«

»Es würde aber dich das Leben kosten, wenn du mich die Sache nicht fertig machen lässt!«, fauchte ihn Tekli an. Sie nickte Tahiri zu, die Anakin einfach wieder auf den Boden drückte. »Wir können in ein paar Sekunden los.«

Anakin wagte einen Blick und sah, wie die Chadra-Fan die Innenseiten der Wunde mit einer Salbe einstrich. Alarmiert stellte er fest, dass er nicht mehr spürte, wie sie arbeitete.

»Hast du mich betäubt?«, fragte er.

»Nur wegen der Schmerzen.« Tekli nahm ein Stück Bacta-Gaze von Tahiri entgegen und legte es über die Wunde. »Aber ich kann auch keine Wunder bewirken. Du brauchst eine Heiltrance.«

Anakin nickte. »Wenn wir unsere Mission erledigt haben.«

Tekli blickte auf und zuckte mit der flachen Nase. »Früher. Viel früher.«

»Früher?«, wiederholte Tahiri. Sie blickte zurück zum Kampfgeschehen auf dem Trümmerhaufen. »Aber eine Heiltrance dauert Stunden − manchmal Tage!«

Tekli ignorierte sie und sprach weiter mit Anakin. »Deine Milz wurde perforiert.« Sie betrachtete ihr Werk und schloss die Wunde mit Faden anstelle von Synthfleisch, für den Fall, dass sie sie erneut aufmachen musste. »Ich schließe das Loch, doch wird es weiterhin nässen, bis du die Heiltrance begonnen hast und dich selbst heilst.«

»Wie soll er das anstellen?«, wollte Tahiri wissen. »Wir können nicht anhalten, weil uns die Yuuzhan Vong so dicht auf den Fersen sind!«

Unbehagliches Schweigen machte sich breit, als die Lage klar wurde. Jacen presste die Lippen aufeinander, damit sie nicht zitterten, und drang in der Macht zu Anakin vor, um ihn zu trösten. Tahiri packte Tekli am Arm und zog sie auf die Beine.

»Tu doch etwas! Setze die Macht ein!«

Die Chadra-Fan legte beruhigend eine Hand auf jene, die auf ihrem Arm lag. »Habe ich schon.«

»Wir müssen uns mit dem begnügen, was möglich ist«, sagte Jacen und zog Tahiri fort. »Vielleicht finden wir einen Weg, um uns ausreichend Zeit zu verschaffen.«

»Nicht, indem wir hier herumhocken«, sagte Anakin. Er fühlte sich eher schuldig als ängstlich; seine Wunde brachte die Mission − und das Leben seiner Gefährten − in Gefahr. Er wälzte sich auf einen Ellbogen und setzte sich auf, wobei er eine Grimasse schnitt, da Teklis Bacta-Betäubung schwächer war, als er erwartet hatte. Über Komlink sagte er: »Bereitet euch auf den Rückzug vor. Verschafft uns einen gewissen Vorsprung.«

Während Tenel Ka sich mit ihrem einen Arm und dem Lichtschwert verteidigte, benutzte sie die Macht, um eine Splittergranate aus ihrem Harnisch zu holen, sie zu aktivieren und sie an ihrem Gegner vorbeizuschicken. Zwei Sekunden später explodierte sie mit einem grellen Blitz, und der Kampflärm verstummte.

»Lowbacca, Alema, Ganner, Lomi, Raynar − ihr zuerst«, befahl Anakin.

Die fünf Jedi sprangen rückwärts von dem Trümmerhaufen, warfen sich durch die Luft und landeten sicher außerhalb der Reichweite des Feindes. Anakin befahl Alema, Lomi und Ganner, den anderen Deckung zu geben, dann winkte er Lowbacca und Raynar den Gang hinauf, um die Toten − Eryl und Jovan − zu holen.

»Wo denn?«, wollte Raynar wissen. »Eryls Leiche ist nicht hier! Und Jovans auch nicht!«

»Was?« Anakin sah zurück. Raynar und Lowbacca standen vor zwei Blutflecken. »Sie sind verschwunden?«

Lowbacca knurrte eine Bestätigung, dann hockte er sich hin und untersuchte Spuren auf dem Boden. Er knurrte noch etwas.

»Meister Lowbacca mögen gern fragen, ob die wilden Voxyn sie geholt haben könnten?« Zu dieser ziemlich genauen Übersetzung äußerte Em Tede seine eigene Einschätzung: »Ich muss sagen, das erscheint mir kaum möglich − nicht direkt unter Ihrer Nase.«

»Es sind vier − nein, fünf vor uns im Gang. Sie wirken, äh, aufgeregt.«

»Aufgeregt?«, fragte Alema und wandte ihre Aufmerksamkeit nach vorn. »Inwiefern?«

Der Lärm auf dem Geröllhaufen wurde plötzlich lauter, und Anakin sah, wie ein paar schemenhafte Yuuzhan Vong in die Lücken zwischen seinen Freunden vordrangen.

»Später, Alema«, sagte Anakin. »Gebt ihnen Deckung.« Er aktivierte sein Komlink. »Aktion abbrechen!«

Während der Rest der Jedi vom Trümmerhaufen stieg, packte Anakin den Arm seinen Bruders, zog sich auf die Beine − und brach sofort wieder zusammen. Er hatte das Gefühl, eine Lanze habe sein Herz durchbohrt, und er schrie derartig laut, dass seine Stimme dutzendfach von den Wänden zu ihm zurückhallte. Dann griffen Jacen und Tahiri ihm unter die Arme und zerrten ihn ein halbes Dutzend Schritte den Gang entlang, ehe sie ihn in die Luft hoben.

Käfer schwärmten vom Geröllhaufen aus und riefen wütende Flüche hervor, wenn sie jemanden vom Kommandoteam trafen. Irgendwer drückte auf eine Fernbedienung und löste die Minen aus, die sie an den Wänden zu beiden Seiten des Trümmerhaufens angebracht hatten, und der Käferansturm hörte schlagartig auf. Anakin blickte nach hinten; der gesamte Bereich war mit Schrapnellen bedeckt, die sich zwei Millimeter ins Fleisch oder in die Vonduun-Krabbenpanzer bohrten, ehe sie erneut explodierten. Die Yuuzhan Vong verschwanden regelrecht in einem Dunst aus Rauch und Blutnebel.

Der Schmerz in Anakins Brust ließ nach und wurde sofort durch einen anderen ersetzt, der ihn durch das Kampfgeflecht erreichte − schwerer, trauriger; er konnte ihn nur als Kummer beschreiben. Er drehte sich um, riss sich aus Tahiris Machtgriff los und lief neben den anderen her. Ein großer Barabel-Körper schwebte zwischen den Brutgefährten und wurde an einem Arm gezogen. Der Amphistab, der die Barabel gefällt hatte, wackelte noch immer zwischen den Schulterblättern.

»Bela!« Anakin wandte sich halb Jacen zu. »Ist sie…«

Er brauchte die Frage nicht zu Ende auszusprechen. Er fühlte, dass sie tot war, und wusste, der Amphistab in ihrem Rücken war der Schmerz gewesen, der ihn kurz zuvor zu Boden geworfen hatte. Er hatte wieder den Tod eines Jedi zugelassen. Abermals hatte er gegenüber dem Kommandoteam versagt.

Nom Anors gedämpfte Stimme schrie irgendwo auf der anderen Seite des Trümmerhaufens einen Befehl, und man hörte leisen Lärm, als die Krieger über die Leichen ihrer gefallenen Kameraden stiegen.

Jacen fasste Anakin am Arm. »Lass Tahiri…«

»Nein.« Anakin riss sich los. »Nicht schon wieder. Das war meine Wunde. Meinetwegen haben wir angehalten.«

Lowbacca löste eine zweite Minenladung aus, und erneut wurde es am Trümmerhaufen still. Inzwischen war das Kommandoteam um eine Ecke gebogen und außer Sicht der Angreifer. Sie gewannen einen gewissen Vorsprung. Anakin musste sich vor allem auf die Macht verlassen, um das Tempo mitzuhalten. Er wurde schwächer − und er las seinen Freunden an den besorgten Mienen ab, dass sie es bemerkten −, doch Tahiri sollte nicht seinetwegen ihre Kraft verschwenden. Niemand. Seinetwegen würden keine Jedi mehr sterben. Nicht einmal Dunkle Jedi.

Es dauerte nicht einmal eine Minute, da spürte Anakin, wie die Yuuzhan Vong wieder aufholten. Es gab keinen Hinterhalt und keine Falle, die sie aufhalten würde. Nom Anor verfolgte sie einfach, drängte sie weiter, damit sie ihre Munition und ihre Energiepacks verbrauchten. Und die Jedi konnten nichts tun, um ihn aufzuhalten, ihre einzige Wahl bestand darin, weiter zu fliehen.

Ein säuerlicher Gestank zog in den Gang. Alle außer Tesar und Krasov setzten ihre Atemmasken auf. Sie bogen um eine Ecke und sahen Eryls rotes Haar in einem niedrigen, ungleichmäßigen Tunnel zur Rechten verschwinden. Raynar rannte los, ließ sich auf die Knie fallen, schrie dem Voxyn hinterher, es solle sie loslassen, und griff in den säureverätzten Bau.

Anakin zog ihn mit der Macht zurück in den Hauptgang.

»Hey!«, rief Raynar und fuchtelte wild mit den Armen.

Ein tiefes Rülpsen ertönte in dem Bau, und ein Schwall klebriger Säure spritzte in den Gang. Raynar wurde still.

»Äh, danke.« Er blickte nach hinten. »Anakin, du kannst mich jetzt absetzen. Ich gehe da bestimmt nicht rein.«

»Bist du sicher?« Alema ging zu dem Tunnel, bückte sich vorsichtig davor und spähte hinein. »Das ist genau der Weg, den wir einschlagen müssen.«

»Du bist ja verrückt«, sagte Welk.

»Twi’leks werden nicht verrückt«, erwiderte Alema milde.

Aus der Ferne hörten sie die Schritte von Yuuzhan Vong, die den Gang entlangstürmten.

Alema hielt ihre Hand in den Tunneleingang, zog sie zurück und blickte den Hauptgang hinauf. »Ist jemandem aufgefallen, dass wir im Kreis gelaufen sind?«

Anakin und die anderen schüttelten den Kopf. »Wir müssen deinen Instinkten vertrauen«, sagte er. Als Twi’lek besaß Alema zweifellos den besten Orientierungssinn von allen; ihre Spezies lebte in einem riesigen Labyrinth aus unterirdischen Städten auf dem unwirtlichen Planeten Ryloth. »Was meint ihr?«

»Aus diesem Loch kommt ein Wind.« Mit blinzelnden Augen fasste sie Anakins Hand und hielt sie in den Luftzug, der den faulen Gestank aus dem Voxyn-Tunnel wehte. »Er führt zu einem großen Raum, um den wir herumgelaufen sind. Vielleicht ist es eine Abkürzung.«

»Aber eine, die wir nicht benutzen können«, sagte Jacen. »Die Voxyn bewachen etwas dort unten. Ich versuche, ihnen einzureden, sie müssten dort bleiben.«

Das Getrampel der Krieger kam den Gang herauf. Alle blickten zurück, doch die Verfolger waren noch nicht zu sehen.

Ganner sagte: »Dann solltest du die Voxyn vielleicht dazu bringen, von hier zu verschwinden.« Er wandte sich an Anakin. »Wir müssen etwas unternehmen.«

Noch ehe Anakin sich umdrehte, um zu fragen, ob das, was Garnier vorschlug, überhaupt im Rahmen des Möglichen lag, hatte Jacen schon fast unmerklich den Kopf geschüttelt.

Anakin sah Lomi an. »Was ist dort unten?«

Die Dunkle Jedi zuckte mit den Schultern. »Voxyn, dessen bin ich mir sicher − aber der Schlangenkopf hat vielleicht Recht. Es könnte eine Abkürzung sein. In der Nähe des Tores befinden sich möglicherweise mehrere Tunnel dieser Art.«

»Tor?« Anakin stellte sich bereits vor, wie sie gegen eine Kompanie Torwächter kämpfen mussten, während Nom Anor ihnen von hinten in den Rücken fiel. »Ein bewachtes Tor?«

Lomi nickte. »Ganz bestimmt.«

Anakin wurde übel. Es gab keinen Weg, keine Fluchtmöglichkeit.

Das Getrampel hinter ihnen wurde lauter.

»Anakin?«, fragte Ganner.

»Wir haben keine Wahl«, meinte Jaina und mischte sich ein. »Schließlich brauchen wir Zeit für die Heiltrance.«

»In einer Höhle voller Voxyn werden wir wohl kaum Zeit gewinnen«, merkte Tenel Ka an. »Eher im Gegenteil, denke ich.«

Anakin blickte schuldbewusst in Belas Richtung. Er wusste, was er tun wollte, doch hatte er auf dieser Mission bereits mehrmals einen Fehler begangen, und jedes Mal hatte es jemanden das Leben gekostet. Nun musste er sich erneut entscheiden. Gleichgültig, was er wählte, weitere Jedi würden sterben. Vielleicht alle.

»Junger Solo?«, drängte Lomi. »Wir warten.«

Anakin wandte sich an Jacen. »Was würdest…«

»Danke, dass du mich fragst«, unterbrach ihn Jacen und konnte seine Überraschung nicht vollständig verbergen. Er nahm eine Thermogranate aus seinem Ausrüstungsgurt und ließ sich vor dem stinkenden Tunnel auf Hände und Knie nieder. »Aber du weißt selbst genau, was wir zu tun haben. Ich glaube, das wissen wir alle.«