3
Endlich schob sich die Sicherheitsluke auf und gab den Blick auf das Innere des öffentlichen Liegeplatzes frei, wo die Solos den Millennium Falken für alle sichtbar versteckt hatten. Auf jedem anderen Planeten hätten sie eine private Bucht in einem sehr diskreten Luxusdock angemietet. Doch auf Corellia hätte diese Maßnahme mehr Aufmerksamkeit erregt als vermieden. Leia und Han beobachteten kurz die Aktivitäten auf dem Boden der Andockbucht, dann traten sie aus der engen Zugangsschleuse.
Leise schloss sich die Luke hinter ihnen, und nun hatten sie endlich einen Ort erreicht, an dem sie offen reden konnten. Leia verdrängte ihre zunehmende Erschöpfung, ergriff Han am Arm und zog ihn zu sich herum.
»Han, was geht hier eigentlich vor sich?« Aus der Zugangsschleuse hörte sie Lärm, als die CorSec-Eskorte ihre »Tochter« und ihren transportablen Bacta-Tank hineinschoben. »Wer ist diese Frau, und warum wollte Dr. Nimbi, dass wir sie aus dem Medicenter mitnehmen, obwohl sie den Aufenthalt dort offensichtlich sehr dringend braucht?«
»Weil sie möglicherweise in der gleichen Gefahr schwebt wie du.« Han hockte sich vor Leia hin, damit sie auf gleicher Augenhöhe waren − und um sie beide vor jeglichen Abhörmikrofonen abzuschirmen, die aus den Tiefen der Andockbucht auf sie gerichtet sein mochten. »Sie hat mir während der Schießerei geholfen. Ich glaube, sie ist eine Jedi.«
»Eine Jedi?« Leia fragte weder nach Details noch Gründen. Die CorSec-Agenten würden nur kurz in der Zugangsschleuse sein, gerade lange genug, damit die Sicherheitscomputer ihre Gesichter scannen und ihre Identität bestätigen konnten. »Wir tun ihr vielleicht keinen Gefallen. Wer immer Roxi Bari geschickt hat, ist uns immer noch auf den Fersen.«
Han blickte sich über die Schulter um. »Wo?«
»Hinter uns, in der Zugangsschleuse«, sagte Leia. »Erinnerst du dich daran, dass ich sagte, der CorSec-Agent würde mich bestehlen?«
Han runzelte die Stirn. »Und?«
»Ich habe nicht halluziniert. Mein Datenblock ist verschwunden.«
Jetzt wirkte er verärgert. »Dieser Ranat.«
»Han, vergiss es einfach. Das Geld ist gut angelegt.« Das Gerät war ein billiger Ersatz für das, welches sie auf Duro verloren hatte, und es befand sich nichts darauf, außer einigen halb fertigen Briefen an Familie und Freunde. »Außerdem hat er zwei Datenkarten und den Aufnahmestab genommen.«
»Das Geld ist gut angelegt?«
»Wenn man bedenkt, dass er meine Creditbörse nicht angerührt hat«, erklärte Leia. »Oder die Creditchips, die du auf der Anrichte hast liegen lassen.«
»Er ist ein Spion«, sagte Han.
Leia nickte. »Kein guter, aber ich bin deiner Auffassung. Vermutlich arbeitet er für die gleichen Leute, die Roxi Bari geschickt haben.«
Die Luke hinter Leia zischte. Han blickte über die Schulter und fragte dann leise: »Was ist mit dem anderen, dem Offizier?«
»Nur der eine«, flüsterte Leia. Sie war sich dessen ziemlich sicher; der Agent hatte sich sehr viel Mühe gegeben, seinen Diebstahl vor seinem Vorgesetzten zu verbergen.
Das Zischen endete, und die zwei CorSec-Sicherheitsleute traten mit der geheimnisvollen Frau und ihrem transportablen Bacta-Tank heraus. Bei den Begleitern handelte es sich um eben jenen Spion und denselben Offizier, die sich bei Leias Aufwachen in ihrem Zimmer aufgehalten hatten. Sie ließ den Kopf auf die Brust sinken und spielte die Erschöpfung nicht, sondern gestattete sich einfach, sie zu zeigen. Trotz der Stimulantia und Schmerzmittel, die Dr. Nimbi ihr aufgedrängt hatte, war das aufrechte Sitzen anstrengend für sie.
Die Luke schloss sich, und der Offizier sagte: »Gehen Sie schon weiter, Solo. Der Rest der Abteilung wartet draußen und hält die Medienleute zurück.«
»Danke«, sagte Leia und meinte es so. Ohne diese Mauer von CorSec-Agenten, die die Holocrews fern hielten, wären die Journalisten ihnen vermutlich bis an Bord des Falken gefolgt. »Ich dachte schon, wir würden blinde Passagiere haben.«
»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen«, sagte der Spion. »Wir durchsuchen das Schiff vorher.«
Han murmelte etwas vor sich hin, das verdächtig nach »nur über meine Leiche« klang, dann führte er sie außen herum um die Landefläche − kein erfahrener Raumfahrer würde je mitten durch die Andockbucht laufen − zu einer schemenhaften Scheibe, die zwischen zwei kastenförmigen, alten Transportschiffen stand. Obwohl Leia von der neuen, mattschwarzen Lackierung des Falken nie begeistert gewesen war, musste sie einräumen, dass dadurch das bekannte Profil des berühmten Schiffes hervorragend verschleiert wurde und zudem die vielen Beulen am Rumpf, die von vielen Jahrzehnten rücksichtsloser Nutzung zeugten, nicht so deutlich hervortraten. Selbst wenn jemand das Schiff in der Dunkelheit bemerkt hätte, würde er ihm kaum einen zweiten Blick widmen.
Sie fragte sich, ob Han genau das mit der neuen Farbe beabsichtigt hatte oder ob er einfach seine Trauer über den Verlust Chewbaccas hatte ausdrücken wollen. Vermutlich würde sie es nie erfahren; sie beide waren sich nicht mehr so nah, dass sie es instinktiv spüren konnte, und sie wollte ihn nicht danach fragen. Wie traurig, dachte sie, nachdem sie und Han das Imperium besiegt und drei Kinder zusammen groß gezogen hatten.
Während sie sich dem Falken näherten, trat eine ambossköpfige Gestalt mit glitzernden, gelben Augen zwischen den Landestreben hervor. Die dünnen Arme hielt sie beiläufig an den Seiten und zeigte so, dass die dreifingrigen Hände leer waren.
»Kapitän Solo«, krächzte das Wesen. »Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
»Han.« Leia packte ihren Mann am Arm. »Ich glaube…«
Han riss sich los. »Augenblick.« Er starrte den Arcona unentwegt an. »Mir ist es gleichgültig, und wenn Sie Sternenzerstörer fliegen könnten, auf mein Schiff kommen Sie nicht.«
»Han!«, schnappte Leia. »Doch.«
Han hätte sich gern auf einen Streit eingelassen, Leias Blick ließ ihn jedoch innehalten. »Doch?«
Dankbar, weil sie noch zu ihm vordringen konnte, nickte sie. »Ich denke, wir sollten ihm eine Chance geben«, schlug sie vor. »Bestimmt bin ich dir als Kopilotin keine große Hilfe.«
Tatsache war, dass C-3PO, der an Bord des Falken versteckt war, die meisten Aufgaben eines Kopiloten erledigen konnte, aber Han begriff, dass Leia ihm etwas mitzuteilen versuchte. Er wandte sich dem Arcona zu, musterte ihn von Kopf bis Fuß, betrachtete die aschfahle Haut, die zerlumpte Kleidung und deren Machart.
»Also, Sie sehen ja aus wie ein Pilot«, sagte Han. »Wie verhalten Sie sich bei einem Notstart?«
»Schaltkreise vorwärmen, schalten, Energie hochfahren«, antwortete der Arcona.
Han zog die Augenbrauen hoch. »Notfallabschaltung?«
»Energie runterfahren, dann abschalten.«
»Und wo befindet sich der Trudelstabilisator?«
Der flache Kopf des Arcona faltete sich leicht nach innen ein, dann hob er die dreifingrige Hand und sagte: »Sie wissen selbst, wo sich der Trudelstabilisator befindet…«
Han schlug sich auf den Schenkel. »Versuchen Sie das nicht mit mir! Mit wem, denken Sie, haben Sie es zu tun?«
Der Arcona zuckte mit den Schultern, dann beschwerte er sich: »Woher sollte ich wissen, wo der Trudelstabilisator ist? Das ist ein Teil, der nicht von der Besatzung bedient wird.«
Daraufhin lächelte Han und klopfte dem Arcona auf die Schulter. »Sie sind in Ordnung.«
»Danke, Kapitän.« Der Arcona wirkte ganz und gar nicht erleichtert. Er schob sich zwischen den beiden CorSec-Agenten auf den Bacta-Tank zu. »Ich übernehme das dann mal, Jungs.«
»Nicht so schnell, Funkelauge«, sagte Han. »Gehen Sie einfach vom Schiff weg, und verschwinden Sie. Wir geben keine Interviews.«
»Interviews?«
Die Gestalt lachte heiser und trat ins Licht. Er entpuppte sich als der salzsüchtige Arcona, der im Krankenhaus einen Blick mit Leia gewechselt hatte. Er hatte ein flaches Reptiliengesicht, seine Haut wies die Farbe von Durastahl auf, und dem schiefen Mund zufolge war er halb auf Salz; über dem fadenscheinigen Hemd trug er nun eine schäbige Fliegerjacke, auf die ein Dutzend Laschen mit Schnellverschlüssen genäht war.
»Ich bin kein Holojournalist«, sagte der Arcona. »Ich suche nur eine Möglichkeit, von dieser Schlammkugel wegzukommen.«
Die CorSec-Agenten ließen den schwebenden Bacta-Tank auf seiner Repulsortrage stehen, zogen die Blaster und traten vor. »Machen Sie, was Solo sagt«, verlangte der Beamte. »Und zeigen Sie mir Ihren Identichip.«
Der Arcona griff in die Tasche, als wolle er der Anweisung Folge leisten, dann fuchtelte er mit den Fingern in Richtung der Agenten. »Ich bin kein Corellianer«, sagte er, »ich brauche keinen Identichip.«
»Er ist kein Corellianer«, bestätigte der Untergebene.
»Er brauchte keinen Identichip«, fügte der Offizier hinzu.
Leia stand inzwischen der Mund offen, aber Han ließ sich so leicht nicht beeindrucken.
»Netter Trick. Jetzt verziehen Sie sich − und nehmen Sie Ihre Kumpels mit.« Er zeigte mit dem Daumen auf die beiden CorSec-Agenten. »Wir nehmen keine Anhalter mit.«
Der Arcona entblößte eine Reihe krummer Eckzähne, was wohl ein Lächeln darstellen sollte. »Ich bin durchaus bereit, mir den Flug zu verdienen, Kapitän.« Er blickte Leia an, öffnete die Jacke und enthüllte ein Lichtschwert, das an seinem Gürtel baumelte. Leia spürte Wärme in der Macht. »Ich bin ein erstklassiger Kopilot für YT-1300-Frachter. Habe selbst einen, und möchte einfach nur zu dem verfluchten Ding zurück.«
Der Offizier trat zur Seite, doch sein Untergebener machte keineswegs Platz. »Unser Befehl lautet, wir sollen die Patientin persönlich an Bord bringen.«
»Das galt, ehe wir Hilfe hatten«, sagte Leia. »Und Ihr Befehl lautete, uns zu verabschieden. Niemand hat etwas davon gesagt, dass Sie an Bord des Falken herumschnüffeln sollen.«
Sie warf einen deutlichen Blick auf die Tasche, in der er ihren Datenblock versteckt hatte. Das Gesicht des Agenten wurde rot, und er wäre fast gestolpert, als er eilig zur Seite trat.
»Hm.« Der Arcona lächelte, und aus dem Winkel seines schiefen Mundes murmelte er: »Interessante Technik.«
Er übernahm die Repulsortrage, dann gaben die Agenten Han seinen Blaster zurück, und die Gruppe ging an Bord. C-3PO erwartete sie oben an der Rampe.
»Oh, dem Schöpfer sei Dank, dass Sie zurück sind!«, sagte er und fuchtelte wie verrückt mit den Armen »Sie wissen gar nicht, wie oft ich gezwungen war, den einziehbaren Blaster…«
»Jetzt nicht, C-3PO«, sagte Han und ging an ihm vorbei zum Cockpit. »Schnall dich für den Start an.«
»Aber Kapitän Solo, Sie und Prinzessin Leia waren in den Nachrichtenvids. Es heißt, Sie hätten drei Menschen getötet, und eine Reihe der Kommentatoren sind offensichtlich der Meinung, es solle eine Untersuchung des Falles geben…«
»Also, C-3PO, das wissen wir«, sagte Leia und lenkte ihren Stuhl in den Eingangsring. »Dies ist…«
Sie wandte sich dem Arcona zu.
»Ein Freund Ihres Arztes.« Er löste ein Abhörgerät von dem Bacta-Tank und zertrat es unter dem Stiefel. »Es gibt noch mehr davon.«
Leia nickte und wandte sich wieder an C-3PO. »Hilf unserem Gast, die Trage für den Start zu sichern.«
Da sie mit ihrem Stuhl dem Bacta-Tank im Weg stand, bewegte sich Leia weiter nach vorn. Sie fühlte sich entsetzlich müde und schwach, und ihr erster Impuls war, sich zum Hauptdeck zu begeben, um nicht im Weg zu sein. Aber im letzten Jahr war sie so viel allein gewesen, und der Gedanke, erneut allein herumzusitzen, während Han und der neue Kopilot die Probleme lösten, war ihr unerträglich. Sie brauchte die Gegenwart ihres Mannes − auch wenn sie nicht ganz sicher war, ob er das wollte.
Der Repulsorstuhl war ziemlich kompakt gebaut, und nachdem sie die Teleskopstange eingezogen hatte, an der die Beutel des Tropfs hingen, hatte sie keine Schwierigkeiten, durch den Gang in die Auslegerkanzel zu gelangen. Aber das Cockpit selbst hatte nur vier Sitze, daher musste sie ihren Stuhl mit Magno-Klammern vor der Tür fixieren. Han fragte liebenswerterweise nicht nach, was sie da tat. Er war so beschäftigt mit Schaltern und Anzeigen, dass Leia nicht einmal sicher war, ob er sie bemerkte.
Der Arcona quetschte sich vorbei, ließ sich auf dem Kopilotensitz nieder und ging die Startroutine ohne eine einzige Nachfrage durch. Anscheinend hatte er nicht gelogen, was seinen eigenen YT-1300 betraf. Er machte einige Fehler, als er auf die Modifikationen des Falken stieß, doch Leia sah an Hans Geduld, wie beeindruckt er von dem Arcona war. Sie gab sich Mühe, ihre Eifersucht zu unterdrücken.
Es blieben dreißig Sekunden bis zum Start, als schließlich die unvermeidbare Panne passierte.
»Das Licht für die Rampe brennt noch.« Han zeigte auf die Cockpitseite des Arcona. »Das hätte schon vor einer Minute gecheckt sein müssen.«
»Ich dachte, das hätte ich überprüft.«
Der Arcona drückte auf einen Knopf. Das Licht erlosch, leuchtete jedoch sofort wieder auf.
Han fluchte, dann betätigte er das Interkom. »C-3PO, ich glaube, die Rampe klemmt mal wieder. Schau es dir mal an.«
Keine Antwort erfolgte.
»C-3PO?«
Han fluchte. Leia löste ihren Stuhl.
»Nein, ich gehe.« Der Arcona schnallte sich los und erhob sich. »Sie sollten nicht allein nach hinten gehen. Nur für den Fall, dass es irgendwelche Probleme gibt.«
»Danke.« Han schnallte sich ebenfalls los und lockerte seinen Blaster im Halfter, dann wandte er sich Leia zu und sagte: »Schön, dass du hier oben bist.«
Leia lächelte. »Das finde ich auch.«
Sie warteten schweigend eine Minute, ehe das Licht der Rampe schließlich erlosch und der Arcona zurückkehrte.
»Sie war nur verklemmt«, sagte er. »Ich habe einmal auf den Kontrollschalter geschlagen, und dann hat sie die Sache ganz von allein geregelt.«
»So funktioniert das bei mir auch immer«, sagte Han und startete den Repulsorantrieb.
»Was ist mit C-3PO?«, fragte Leia. Sie beschlich ein unbehagliches Gefühl − nicht gerade Gefahr, aber irgendetwas stimmte da nicht. »Warum hat er nicht geantwortet?«
»Ich glaube, er hat beim Anschließen des Bacta-Tanks einige Drähte verwechselt.« Der Arcona glitt wieder in seinen Sitz. »Seine Hauptsicherung war rausgesprungen. Ich habe den Reset-Schalter gedrückt.«
»Das ist ja was ganz Neues.« Han schüttelte den Kopf, dann stellte er eine Verbindung zum Raumhafen-Verkehrs Zentrum her. »Kontrolle, hier spricht die Schattenvogel und erbittet Starterlaubnis.«
Schattenvogel war der Name, unter dem sie den Falken gelandet hatten.
»Abgelehnt, Schattenvogel«, kam als Antwort. »Warten Sie.«
Han schloss den Kanal. »Was jetzt?«
Er aktivierte die äußeren Sicherheitsmonitore, und alle an Bord warteten schweigend und angespannt, da sie befürchteten, im nächsten Moment eine Gruppe CorSec-Agenten oder eine Meute Kopfgeldjäger in der Andockbucht zu sehen.
Kurz darauf meldete sich die Stimme der Kontrolle krächzend aus dem Lautsprecher. »Der corellianische Sicherheitsdienst hat uns informiert, dass es kein Schiff namens Schattenvogel gibt.« Die Nachricht kam über einen offenen Kanal. »Allerdings hat der Millennium Falke sofortige Starterlaubnis.«
»Bestätige.« Han verschwendete keine weitere Zeit, sondern gab Energie auf den Repulsorantrieb und verließ die Andockbucht; gerade hatte sich jemand große Mühe gegeben, allen Schiffen in einem Umkreis von hunderttausend Kilometern mitzuteilen, wer sie waren. »Und überprüft mal die Taschen dieses CorSec-Agenten. Ich habe gesehen, wie er einen Datenblock gestohlen hat. Falke Ende.«