31
Die nasale Stimme einer Bith gellte gequält irgendwo durch den kalten Frachtraum der Exquisite Death, und Jaina wusste, dass Ulaha sich wieder in den Klauen des Voxyn befand. Wie der Rest des Kommandoteams saß Jaina einer Wand aus roten Yorikkorallen gegenüber. Da Hand- und Fußgelenke mit einer Masse aus Blorash-Gallert am Boden befestigt waren, hockte sie unbequem vorgebeugt mit den Ellbogen zwischen den Knien da. Sie hatte kaum Kleidung am Leib und war von oben bis unten mit Dreck verschmiert, was ihr wegen der Schmerzen jedoch wenig ausmachte, nur wünschte sie, es wäre nicht so kalt. Sie zitterte, und mit dem Zittern schmerzte alles nur noch schlimmer.
Abermals schrie Ulaha, und Alema Rar, die unter den gleichen Bedingungen neben Jaina saß, murmelte etwas durch die geschwollenen Lippen. Jaina, die Schwierigkeiten hatte, sich zu konzentrieren, nachdem das Voxyn ihr das Gesicht zerkratzt hatte, erinnerte sich an ihre Mission und öffnete ihre Gefühle denen ihrer Gefährten. Sofort spürte sie, wie Jacen sie alle zu einer Einheit verflocht und so ihre ursprüngliche Zuversicht wachrief, um der leidenden Gefährtin Kraft zu geben.
Obwohl alle außer Ganner − der an einem anderen Ort gefangen gehalten wurde, weil man ihn fälschlicherweise für den Anführer der Gruppe hielt − zumindest einmal mit dem Brechen konfrontiert worden waren, beschäftigte sich Duman Yaght immer wieder mit Ulaha und ließ der Bith gerade genug Erholungszeit, um sich kurz in die Jedi-Heiltrance zu versenken, ehe er sie wieder weckte und von neuem begann. Die arme Ulaha war bereits so oft in der Mitte des Frachtraums gewesen, dass die anderen versuchten, ihre eigene Anwesenheit dort zu verlängern, damit die Bith Zeit fand, sich zu erholen. Jaina erinnerte sich dunkel, dass sie nur eine Antwort zustande gebracht hatte, ehe der wütende Duman Yaght sie vor das schreckliche Wesen gestellt hatte und den Druckwellenschrei hervorgerufen hatte, durch den Jaina das Bewusstsein verloren hatte.
Als Ulaha still wurde, sagte Duman Yaght: »Gewöhnst du dich langsam an den Geifer, Großkopf?« Seine Lieblingsfolter bestand darin, Ulahas Wunden dem Säure sabbernden Maul des Voxyn auszusetzen.
Ulaha schrie. Jaina mühte sich ab, einen Blick über die Schulter zu werfen, konnte sich aber nur so weit drehen, dass sie Anakin, Jacen und einige der anderen sah, die das Gleiche versuchten wie sie. Für Jaina war es der schlimmste Teil des Brechens: Sich die Schreie der Freunde anhören zu müssen, ohne zu wissen, was ihnen passierte. Sie spürte Jacen, der sich ihrer Besorgnis bediente, um die Bith zu stärken. Ulahas Schreie waren danach nicht mehr so wild und tierisch, und Duman Yaght spürte die Veränderung. Er spürte die Veränderung immer.
»Du brauchst mir nicht zu sagen, wo die Jeedai-Basis ist«, sagte der Yuuzhan Vong. »Gib einfach nur zu, dass eine existiert.«
Ulahas Kreischen erreichte wieder die Höhe der Pein, und diesmal war es Jacen anscheinend nicht möglich, die Qualen der Bith zu lindern. Jaina blickte zur anderen Seite, wo Eryl Besa starr und mit aufgerissenen Augen saß; sie hatte einen Nervenschock durch den Schwanz eines Voxyn erlitten − eine Angriffsform, von der sie noch nichts gewusst hatten, ehe Duman Yaght sie an Eryl ausprobiert hatte. Einen Moment später lenkte Jaina schließlich den Blick der anderen Frau auf sich und runzelte die Stirn.
Eryl runzelte ebenfalls verwundert die Stirn, dann schien sie zu verstehen und schüttelte den Kopf. Als Tochter eines fanatischen Raumfahrers war sie irgendwo unterwegs in der Galaxis geboren worden und hatte den größten Teil ihrer Kindheit auf langen Reisen durch die kartografierten Arme der Galaxis verbracht. Irgendwann hatte sie die Fähigkeit entwickelt, anhand der Struktur der Macht zu bestimmen, wo sie sich gerade in der Galaxis aufhielt. Ihre Aufgabe bestand darin, Anakin mitzuteilen, wann sie sich sicher hinter den Yuuzhan-Vong-Linien befinden würden, wo es weniger wahrscheinlich war, auf Raumminen oder neugierige Patrouillenschiffe zu stoßen. Unglücklicherweise dauerte es länger als erwartet, die unmittelbare Kriegszone zu durchqueren − vielleicht, so vermutete Jaina, weil Duman Yaght hoffte, sich einen Namen zu machen, wenn er seinem Vorgesetzten den Ort der Jedi-Basis verraten könnte.
»Was macht es schon aus, es zu gestehen?«, fragte Duman Yaght. »Die Yuuzhan Vong wissen längst von ihrer Existenz. Gib nur einfach zu, was wir schon wissen, und du darfst dich ausruhen. Dann kannst du dich in einen Heilschlaf versenken.«
»Es… gibt… keine… Basis…«
»Lüg mich nicht an.« Duman Yaghts Stimme blieb so schaurig kalt wie stets. »Gib mir deine Hand. Ich möchte dir etwas über ein Nervengift erzählen.«
Unfreiwillig entfuhr Ulaha ein Schreckenslaut, doch sagte sie nichts. Jaina stellte sich vor, wie der Kommandant die Hand der Bith über die Sensorborsten auf dem Rückgrat des Voxyn führte, denn Cilghal hatte herausgefunden, dass diese von einem starken Nervengift bedeckt waren. In ihrer Ausrüstungskapsel befand sich ein Gegenmittel, aber wie die übrigen Impfungen und Antiseren, die das Kommandoteam vor dem Aufbruch erhalten hatte, war es nicht getestet.
»Deine Haut ist so dünn, dass das Gift durch den kleinsten Stich eindringen wird«, sagte Duman Yaght. »Unsere Gestalter behaupten, die Wirkung sei nicht bei allen Spezies gleich. Manche brechen in Zuckungen aus und versinken in einen endlosen Schlaf des Schmerzes. Andere wachen viele Stunden lang und werden langsam so schwach, dass sie nicht mehr atmen und schlucken können. Wieder andere ertrinken an ihrer eigenen Spucke.«
In der folgenden Stille wurden Ulahas Schmerz und Angst in der Macht deutlich spürbar. Jaina öffnete sich beiden Gefühlen und hoffte, dadurch der Kameradin einen Teil ihrer Last abzunehmen, fürchtete jedoch, keine große Hilfe zu sein. Biths hatten nur eine Lunge, und bei dem Coufee-Angriff an Bord der Lady Luck war Ulahas Lunge durchbohrt worden. Wenn sie dann noch ein Nervengift verabreicht bekam… Jaina wollte, dass sie die Existenz von Eclipse gestand, damit sie nicht mit ansehen musste, wie Ulaha starb.
Sobald sie diesen Gedanken gefasst hatte, spürte sie eine Flut ähnlicher Gefühle von den anderen. Jaina wusste, Ulaha dazu zu bringen, die Existenz des Planeten zuzugeben, war nur der erste Schritt des Brechens, aber was machte es schon aus? Das Kommandoteam würde sich des Schiffes bald bemächtigen, und zumindest würde Ulaha dann noch leben. Sie spürte einen alarmierenden Stich von Alema und eine gewisse Verwirrung von den Barabels, aber ihr Gefühl wurde ohne Zweifel von den meisten anderen der Gruppe geteilt. Sie stimmten überein.
»Großkopf, denk sorgsam nach, ehe du antwortest«, sagte Duman Yaght. »Dies ist vielleicht deine letzte Chance. Gibt es eine Jeedai-Basis?«
Sag es ihm!, hätte Jaina am liebsten geschrien.
»Sie kennen… die Antwort«, stieß Ulaha hervor.
»Tut mir Leid, Großkopf. Das genügt mir nicht.«
Sag es!
»Ja!«, rief Ulaha.
Die Gruppe seufzte erleichtert auf, doch nun wirkte Alema beunruhigt, und die Barabels erschienen traurig.
»Ja, was?«, verlangte Duman zu wissen.
»Ja, es gibt eine Jedi-Basis«, sagte Jaina und schrie die Wand an. »Sie hat es zugegeben! Jetzt lassen Sie sie in Ruhe!«
»Jaina, sei still!«, zischte Alema. »Er versucht, sie zu brechen…«
Die Ermahnung wurde durch ein hohles Krachen unterbrochen, und Jaina drehte sich um und sah einen Yuuzhan-Vong-Krieger, der mit seinem Amphistab über der bewusstlosen Twi’lek stand. Von den anderen brandete Zorn zu ihr herüber, doch sie selbst fühlte nur Scham. Ihr Ausbruch hatte Alema dazu verführt, ohne Erlaubnis zu sprechen.
Duman Yaght sagte etwas in seiner eigenen Sprache, und die Wache warf zwei kleine knopfförmige Käfer auf den Boden neben Jainas Hand- und Fußgelenken. Das Blorash-Gallert löste sich und umschloss die strampelnden Insekten. Die Wache zerrte Jaina auf die Beine und drehte sie der Mitte des Raums zu, wo der Kommandant stand und Ulahas Hand über die Sensorborsten des Voxyn hielt. Die normalerweise schon bleiche Haut der Bith war nach dem Blutverlust durchscheinend, und sie war so schwach, dass ein Yuuzhan-Vong-Krieger Ulaha aufrecht halten musste. Der Rest des Kommandoteams hockte am Rand des kleinen Frachtraums, spärlich bekleidet, verdreckt und die Gesichter den Wänden zugewandt. Nur Ganner, dessen Gegenwart sie manchmal spürten, dann wieder nicht, war nicht unter ihnen.
Duman Yaght betrachtete Jaina, dann fragte er: »Du glaubst, ich würde mein Wort nicht halten?«
Jaina fixierte Ulahas Hand. »Das bleibt noch abzuwarten.«
Der Kommandant wirkte durch den herausfordernden Ton aus der Fassung gebracht, erholte sich rasch und grinste höhnisch. »Sehr schön. Du bist diejenige, die hier das Sagen hat.«
Er sagte etwas zu der Wache, die Ulaha hielt, die daraufhin die verwundete Jedi zu ihrem Platz neben Tekli brachte und die Bith auf den Rücken legte und nicht in der unbequemen Position fesselte, welche die anderen einnehmen mussten.
»Die Bith darf sich ausruhen und gesunden.« Duman Yaght lächelte Jaina an. »Und du wirst bestimmen, wie lange.«
Jaina bekam ein flaues Gefühl im Magen, zwang sich jedoch, den Kopf zu heben, und trat vorwärts, ohne dazu aufgefordert zu werden. Ermutigung und Zuversicht flossen ihr von den anderen zu, die sie auf das Brechen vorbereiteten. Sie fühlte sich ziemlich sicher, dass Duman Yaght sie von dem Voxyn nicht töten lassen würde − er hatte schon vor ihr mit dem Platz geprahlt, den man ihm beim Großen Opfer versprochen hatte −, also war sie optimistisch, dass sie mit Unterstützung ihrer Gefährten genug Zeit schinden könnte, damit Ulaha sich in die Heiltrance versenken und ihre verletzte Lunge stabilisieren könnte.
Aber diese Zuversicht hielt Jaina nicht vom Zittern ab, als sie vortrat. Nur die Kraft, die ihr durch die Macht zufloss, hatte verhindert, dass sie wie ein Kind jammerte, als Duman Yaght sie das erste Mal hatte brechen wollen, und diesmal würde es schlimmer werden − viel schlimmer. Der Kommandant konnte ihr nicht erlauben, ihn ohne Folgen herauszufordern, und es gab so viele Arten, sie zu verletzen, ohne sie zu töten, so viele Teile, die er entfernen, entstellen oder brechen konnte.
Neuer Optimismus gab Jaina Auftrieb, als Jacen ihr Anakins Entschlossenheit übermittelte, ihre Gesundheit zu schützen, dazu Zekks Bewunderung über ihren Mut, Ulahas Dank und Teklis ruhige Versicherung, alle Wunden könnten geheilt werden. Sie blieb vor Duman Yaght stehen und sah in sein Gesicht hoch.
»Ich hoffe, Sie erwarten keinen Dank von mir.«
Er packte sie im Nacken, woraufhin ihr sofort die Magensäure aufstieg. »Nicht notwendig.«
Dann führte er sie zum Kopf des Voxyn. Obwohl der bösartige Hunger des Wesens in der Macht spürbar war, schien es doch seine Instinkte recht gut zu beherrschen, wenngleich es vor Aufregung zitterte. Es hielt die gelben Augen auf seinen Herrn gerichtet und wartete dessen Befehle ab. Duman Yaght blieb einen Meter vor der Bestie stehen und drehte Jaina so, dass sie die sauer riechenden Tropfen sehen konnte, die sich von den Reißzähnen des Voxyn lösten und rauchend auf dem Boden landeten. Jaina schluckte; ihr Rücken war mit daumengroßen Kreisen bedeckt, wo die Tropfen beim letzten Mal auf ihren Rücken gefallen waren. Sie machte Anstalten, sich hinzuknien.
Duman Yaghts Griff wurde fester, der Krieger hielt sie aufrecht. »Daran hatte ich nicht gedacht.« Er führte sie an dem Voxyn vorbei zur Wand, wo ihre Brüder am Boden gefesselt saßen. »Wähle.«
»Was?« Jaina spürte den Schock seiner Forderung nicht nur in ihrem eigenen Bauch, sondern auch in der wehrlosen Wut, die durch die Macht zu ihr vordrang. »Was soll ich wählen?«
»Du hast das Sagen, Jaina Solo. Wer wird der Nächste sein?« Er trat zuerst Anakin in die Nieren, dann Jacen. »Dein Bruder oder dein Zwilling?«
»Sie sind beide meine Brüder.« Angesichts des Schocks nahm Jaina nur vage wahr, dass Duman Yaght ihre Beziehung zu Jacen kannte. »Und ich wähle keinen von beiden. Ich wähle mich.«
Duman Yaght schüttelte den Kopf. »Diese Wahl steht dir nicht zu. Du musst Anakin oder Jacen wählen.« Erneut trat er beide. »Wähle einen von beiden, oder ich werde gezwungen sein, Ulaha wieder zum Brechen zu holen. Der Kriegsmeister weiß von ihren Verletzungen, also wird sich niemand etwas dabei denken, wenn sie sterben sollte. Du darfst bestimmen, Jaina Solo.«
Jaina wurde von Zorn erfüllt und hätte sich auf Duman Yaght gestürzt, hätte sie die Warnung ihrer beiden Brüder nicht davon abgehalten. Jeder von ihnen stellte sich zur Verfügung − das hätte sie bei ihren Brüdern auch ohne den emotionalen Bund der Gruppe gespürt −, und ihre Verbindung zu Jacen ging noch darüber hinaus. Sie fühlte, dass es für ihn mehr als eine Sache der Ehre war, dass er guten Grund hatte, sich für die beste Wahl zu halten. Vermutlich weil Anakin einen klaren Kopf brauchen würde, wenn die Zeit zur Flucht gekommen wäre − und das würde bald sein, hoffte sie −, aber Jaina konnte nicht sicher sein; selbst der Bund zwischen den Zwillingen war nicht eng genug, um komplexe Gedanken zu übermitteln.
»Deine Wahl?«, drängte Duman Yaght.
»Das können Sie nicht verlangen«, sagte Jaina. Sie redete sich ein, als Koordinator des Kampfgeflechts war Jacen so wichtig wie Anakin, doch in Wahrheit konnte sie sich weder für den einen noch für den anderen entscheiden. Obwohl Anakin ein Kriegsheld und der Anführer war, würde er für sie immer der kleine Bruder sein − jemand, auf den sie aufpassen, den sie beschützen und aus allen Schwierigkeiten heraushalten würde. Und Jacen war ihr bester Freund, die Person, die sie sogar dann noch verstand, wenn sie selbst sich nicht mehr begriff. Wie konnte sie einen der beiden bestimmen? Sie wandte den Blick von Duman Yaght ab. »Ich kann mich für keinen entscheiden.«
»Nein?« Sein Griff um ihren Hals wurde abermals fester, und er zog sie zurück. »Wie schade für die Bith.«
Anakin reckte den Hals. »Jaina, du kannst wählen.« Das Gewicht der Macht lag hinter seinen Worten, doch nicht um sie zu zwingen, sondern um ihr klar zu machen, dass es sich um einen Befehl handelt. »Du kannst mich wählen.«
Jacen wollte das nicht hinnehmen. »Anakin…«
»Sei still, Jacen.« Anakin starrte Jaina weiter an. »Wähle.«
Duman Yaght blickte sie erwartungsvoll an. »Die Bith wird wahrscheinlich sowieso sterben, weißt du.«
Jaina schloss die Augen. »Anakin«, sagte sie. »Ich wähle Anakin.«
Duman Yaght nickte der Wache hinter ihren Brüdern zu, dann sah er zu einem anderen, der neben einer der gallertartigen Membranen stand, welche die Türen des Frachtraums bedeckten. Der Krieger kitzelte die Membran, bis diese sich seitlich zusammenzog, dann verschwand er mit dünnem, erwartungsfrohem Lächeln im Nebenraum.
Anstatt Jaina zu ihrem Platz an der Wand zurückbringen zu lassen, zwang Duman Yaght sie, neben Anakin zu stehen, während dieser mit dem Gesicht nach unten am Boden gefesselt wurde. Der Kommandant rief sein Ungeheuer zu sich und gab Befehle, und die nächste Viertelstunde lang musste Jaina zuschauen.
Mit Unterstützung des Kommandoteams schrie Anakin nicht ein einziges Mal auf. Am Ende schnalzte Duman Yaght bewundernd mit der Zunge.
»Er kann Schmerzen ertragen, dein Bruder«, sagte der Kommandant. »Wir sollten wohl etwas Neues versuchen, wie?«
Auf seinen Befehl hin hielt das Voxyn einen Fuß über Anakins Rücken. Die scharfen Krallen waren mit grünem Schleim überzogen − der Nährboden für die Retroviren, die zwischen den Zehen des Wesens gediehen.
»Sehe ich da Angst in deinen Augen, Jaina Solo?«, fragte Duman. »Dann brauche ich dir ja nichts über das Fieber zu erzählen. Du weißt, was mit deinem Bruder geschieht, wenn er gekratzt wird.«
»Sie wollen doch die Priester nicht enttäuschen.« Während Jaina sprach, wandte sie sich innerlich den anderen zu und zeigte ihnen die Unsicherheit, die ihre tapferen Worte kaschierten. Der Impfstoff, den Cilghal ihnen gegeben hatte, war noch nicht getestet; er wirkte vielleicht gegen alle Krankheiten oder nur gegen manche, und Jaina hatte wenig Lust, mit dem Leben ihres Bruders experimentieren zu müssen. »Nicht, wenn sie Ihnen einen Platz beim Großen Opfer versprochen haben.«
»Gewiss, aber denk nur an den Platz, den ich bekommen würde, wenn ich ihnen sagen könnte, in welcher Region die Jeedai-Basis liegt«, meinte Duman Yaght. »Dann säße ich nur ein paar Reihen hinter dem Kriegsmeister, dicht genug, damit du den Dank in meinen Augen sehen könntest.«
Ein überwältigendes Gefühl von Trotz überkam Jaina − ohne Zweifel von Anakin.
»Sie werden wohl von hinten zuschauen müssen«, gab Jaina zurück.
Duman Yaght packte sie wieder fester am Hals. »Du glaubst, ich würde es nicht tun?«
Er pfiff scharf, und das Voxyn zog seine Krallen über Anakins Rücken. Jaina spürte einen Schock durch die Macht, aber irgendwie gelang es ihrem Bruder, nicht zu schreien.
»Du schätzt den Wert deines Bruders zu hoch ein«, sagte Duman Yaght. »Die Priester werden glücklich sein, solange ich mit dir und Jacen zurückkehre. Ihr seid die Zwillinge.«
Er sagte das Wort Zwillinge, als würde es sich um eine Art Staatsgeheimnis handeln. Das verstand Jaina nicht, aber es spielte keine Rolle. Auf die eine oder die andere Weise würden sie und Jacen sowohl Duman Yaght als auch die Priester enttäuschen.
Die Wache, die kurz zuvor hinausgeschickt worden war, erschien wieder an der Tür. Duman Yaght ließ von zwei Wachen einen Klumpen Blorash-Gallert über die Hinterpfoten des Voxyn streichen und fesselte die Kreatur auf diese Weise an Ort und Stelle. Dann brachten sie Anakin in deren Nähe, knapp außerhalb der Reichweite des Voxyn, und sicherten ihn mit einem Fuß am Boden.
Das war etwas Neues, und es gefiel Jaina ganz und gar nicht. »Was bereiten Sie da vor, einen Wettbewerb im Niederstarren?«
Duman Yaght schenkte ihr ein Lächeln. »Gewissermaßen, ja.«
Er gab der Türwache mit dem Kopf ein Zeichen, die zur Seite trat, die Membran öffnete und etwas einließ, das wie ein kleiner Baum aussah. Ungefähr von der Größe eines Wookiee hatte die Pflanze eine kleine, aber dichte Krone aus Blattwerk. In der Mitte des Stamms befand sich ein einziges Astloch mit einer glasigen schwarzen Kugel, die sich in Richtung des Kommandanten drehte. Duman Yaght zeigte in die Mitte des Frachtraums, und der Baum stapfte auf drei knorrigen Wurzeln vorwärts.
Während sich das Ding näherte, schnellte die gegabelte Zunge des Voxyn aus dem Mund und erforschte die Luft. Die Sensorborsten auf dem Rücken stellten sich auf, dann wand es seinen langen Körper, um hinter sich zu schauen.
Der Baum war noch ungefähr sieben Meter entfernt, als das Voxyn außer sich geriet, wild zischte und Rillen in den Boden kratzte, weil es sich befreien wollte. Das Wesen schien jegliche Intelligenz verloren zu haben und verhielt sich wie eine geistlose Bestie und nicht wie der verschlagene Räuber, vor dem sich die Jedi fürchteten.
Der Baum ging weiter, und plötzlich verlor Jaina jeden Kontakt mit ihren Gefährten. In der Macht fühlte sie nichts mehr. Dann, während der Baum näher kam und der Rest des Kommandoteams sich reckte, um zu sehen, was sie von der Macht abschnitt, erhaschte Jaina einen Blick auf eine eidechsenartige Gestalt, die hinten auf dem Baum saß − und sich zweifellos vor dem gefräßigen Raubtier zu verstecken suchte, das sich nach ihm reckte.
»Ein Ysalamiri«, sagte Jaina laut. Sie war ein wenig verwirrt, denn für gewöhnlich erzeugten Ysalamiri eine wesentlich größere Blase, in der die Macht nicht anwesend war. »Was wollen Sie damit anstellen?«
»Eine interessante Frage.« Duman Yaght gab der Wache, die den gehenden Baum hereingebracht hatte, mit dem Kopf ein Zeichen. »Zeig es ihr.«
Die Wache trat vor und nahm das Ysalamiri von seinem Sitz. Die krummen Krallen des Tieres rissen Rindenstückchen aus dem Stamm, und der Baum ließ gequält die Blätter rascheln. Mit dem gewundenen Kamm aus Wirbeln, die an dem ausgemergelten Rücken zu sehen waren, und den roten Wundstellen auf der glatten Haut sah das Ysalamiri halb tot aus. Das Voxyn war verrückt danach es zu fangen, sprang und ließ die Zunge immer wieder in Richtung der vorsichtigen Wache schnellen, die das Tier auf Anakins Schulter absetzte.
Das Ysalamiri glitt an Anakins Rücken hinunter und hielt sich fest. Das Voxyn zerrte an seinen Fesseln und drohte, sich die Hinterbeine auszureißen.
»Die Gestalter verstehen nicht den Grund, aber Ysalamiri treiben Voxyn in den Wahnsinn«, sagte Duman Yaght. »Das Voxyn verliert seinen natürlichen Scharfsinn. In ähnlichen Experimenten habe ich schon gesehen, wie sie sich die eigenen Beine ausreißen, um das Ysalamiri zu bekommen.«
»Und?«
»Du weißt schon«, sagte Duman Yaght. »Früher oder später wird das Voxyn eine Lösung für sein Problem finden und es töten.«
Jaina konnte den Blick nicht von ihrem Bruder abwenden, der so mit Blut bedeckt war, dass es fast aussah, als trüge er Kleidung. In der Ausrüstungskapsel hätte es ein Mittel gegeben, um das Ysalamiri aus dem Frachtraum zu vertreiben, aber Anakin und Ganner waren die Einzigen, die die Kriegsdroiden aktivieren konnten. Wenn beide starben, würden die Droiden automatisch aktiviert und nach Überlebenden des Kommandoteams suchen − kaum die Art und Weise, wie Jaina das Problem mit dem Ysalamiri lösen wollte.
»In welcher Region liegt die Jeedai-Basis?«, fragte Duman Yaght. »Nimm dir Zeit für die Antwort. Ich habe es nicht eilig.«
Jaina riss den Blick von Anakin los. Jetzt verstand sie. Als Duman Yaght Ulaha ständig vor das Voxyn gezerrt hatte, wollte er gar nicht die Bith brechen. Er hatte versucht, den Rest des Kommandoteams zu brechen − und Jaina hatte den ersten Knacks gezeigt. Ihr Körper erschien ihr zu klein, um die ganze Enttäuschung zu fassen, die sich in ihr breitmachte. Lando hatte sie gewarnt, und Jaina hatte offensichtlich nicht aufmerksam genug zugehört.
Ohne ihren Foltermeister anzuschauen, fragte sie: »Und Sie lassen Anakin frei, wenn ich antworte?«
»Wenn du das willst«, antwortete Duman Yaght. »Du hast die Sache in der Hand.«
»Im Kern«, antwortete Jaina. Technisch gesehen stimmte das, obwohl der einzige Weg, Eclipse zu erreichen, ein kurzer Hyperraumweg war, der den Rand des Tiefen Kerns berührte.
Duman Yaght nickte. »Das bestätigt, was die Leser vermutet haben.« Er nickte, und Anakins Wache nahm ihm das Ysalamiri vom Rücken und warf es dem Voxyn vor. »Einem Killer sollte man niemals die Belohnung verweigern.«
»Das werde ich mir merken«, sagte Jaina. Während das Voxyn seine Beute verschlang, kehrte Jainas Verbundenheit mit der Macht wieder zurück, und sie spürte Unterstützung von ihren Gefährten. »Was ist mit meinem Bruder?«
»Natürlich. Sag mir zuerst, wer als Nächstes an der Reihe ist.«
Jainas Mut sank. So etwas hatte sie erwartet, und sie wusste, es gab nur eine Erwiderung. »Ich.«
»Unmöglich.«
»Das ist meine einzige Antwort.«
»Dann wird Anakin bleiben. Vielleicht wird er sterben.«
»Sie haben gesagt, Sie würden ihn erlösen«, sagte Jaina. »Ich dachte, Yuuzhan Vong hätten Ehre im Leib.«
Das Blaue unter den Augen des Kommandanten wurde dunkler, doch wandte er sich Anakins Wache zu und nickte. »Bring ihn an seinen Platz zurück und hole die Bith.«
Jaina empfing eine Sintflut widerstreitender Gefühle von den anderen. Manche fürchteten um Ulaha, einige unterstützten ihren Trotz, doch Jacen rückte ein Gefühl in den Vordergrund − Anakins Ruhe und Entschlossenheit. Er hatte einen Plan; zwar wusste Jaina nicht, was für einen, aber allein die Gewissheit gab ihr die Kraft zu schweigen.
Drei Meter von der Wand entfernt riss sich Anakin von seinem Wächter los, rief Ulaha zu, sie solle aufwachen, und sprang zu ihr. Er ließ sich auf die Knie fallen und flüsterte ihr eilig etwas ins Ohr. Ulahas lidlose Augen starrten weiter an die Decke, doch die benommene Andeutung von Enttäuschung in der Macht wies daraufhin, dass sie wacher war, als es erschien. Anakin schaffte noch ein halbes Dutzend Worte, ehe ihn ein Amphistab niederstreckte. Er wurde ohnmächtig, und sogar die Besorgnis des Kommandoteams konnte ihn nicht zurückholen.
Die Wache fesselte ihn mit Blorash-Gallert, dann befreite sie Ulaha und schleppte, den Amphistab in einer Hand, die Bith in die Mitte des Frachtraums. Das Voxyn versuchte, sich zu ihnen umzudrehen, doch waren die Hinterfüße immer noch am Boden fixiert, und so betrachtete es sie aus einem Auge. Das Wesen schien sich wieder unter Kontrolle zu haben, doch sein Hunger brannte in der Macht so heiß wie ein Blasterblitz.
Ulaha war zu schwach, um allein zu stehen; sie zitterte sichtlich und hielt den Blick zu Boden gerichtet. Lando hatte gesagt, sie würden ein paar Dinge tun müssen, die sie vielleicht schlecht mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten, aber Jaina konnte nicht glauben, dass er damit gemeint hatte, sie sollten untätig zuschauen, wie einer aus ihrem Team von den Yuuzhan Vong getötet wurde.
»Die Wahl liegt bei dir, Jaina.« Duman Yaght verzog sein Narbengesicht zu einer Art Grinsen. »Ein Name oder ein Leben.«
Jaina stellte durch die Macht eine Verbindung zu Eryl Besa her und hoffte auf ein Zeichen, dass sie die Kriegszone hinter sich gebracht hätten und die Kriegsdroiden rufen konnten. Doch ein solches Signal blieb aus.
Sie senkte den Kopf. Es gab nur eine Möglichkeit, ihren Fehler wieder gutzumachen, eine Möglichkeit, sich gegen das Brechen zu wehren, aber sie konnte sich nicht überwinden, Ulaha sterben zu lassen − die Worte auszusprechen, die ihren Tod bedeuten würden.
Jaina sah nicht auf. »Dies ist der letzte Name.«
»Wenn du möchtest.«
Duman Yaghts spöttischer Tonfall rief ein Gefühl tiefer Demütigung hervor. Jaina war gebrochen. Alle wussten es.
Ulahas schwache Stimme drang zu ihr vor, und damit eine Emotion der Schuld, die ihrer eigenen ähnelte. »Das darfst du nicht, Jaina… Lass nicht zu, dass sie mich benutzen…«
Sie wurde von einem scharfen Schlag zum Schweigen gebracht.
»Der Name, Jaina«, verlangte Duman Yaght. »Wer ist der Nächste?«
Jaina hob schließlich den Blick und sah Ulaha, die versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Die Wache hing quasi am Arm der Bith und hielt ihre Hand über die Sensorborsten am Rücken des Voxyn.
Ulaha wandte sich an Jacen und keuchte: »Gib mir Kraft.«
»Ruhe!« Der Krieger zog Ulaha auf die Füße.
Durch die Macht wogte Ermutigung, Unterstützung und noch etwas − etwas Elektrisches, Rohes, wie der Knall eines Betäubungsblitzes. Plötzlich stand Ulaha wieder auf beiden Beinen. Die seltsame Energie floss weiter durch die Macht, und Ulaha wurde von Moment zu Moment stärker und drückte ihre Hand nach unten… auf die Sensorborsten zu. Die Wache musste sich heftig anstrengen, um zu verhindern, dass die Bith ihre Hand selbst aufspießte.
Jaina wurde übel. War dies Anakins Plan? Die Wut, die von Jacen kam, machte deutlich, welcher Meinung er war, doch Jaina konnte es nicht glauben. Würde Anakin jemandem befehlen, sich das Leben zu nehmen − obwohl er noch immer so sehr unter Chewbaccas Tod litt?
Ulaha erwies sich als zu schwach, ihre Hand nach unten zu drücken. Sie schien aufgeben zu wollen − dann riss sie ihrem Wächter den Coufee aus der Scheide und zog dem Yuuzhan Vong die Klinge über die Kehle. Ein Schwall von Blut schoss hervor. Mit unfassbarer Geschwindigkeit für eine Verletzte wirbelte sie ihn herum und stieß ihn gegen den zuschlagenden Schwanz des Voxyn.
Der Stachel traf die Vonduun-Krabbenrüstung des Kriegers. Duman Yaght brüllte einen Befehl, auf den hin ein halbes Dutzend Krieger herbeirannte. Das Voxyn öffnete den Mund und wollte schreien, und Jaina dachte, nun sei es mit Ulaha vorbei. Dann löste Jacen das Kampfgeflecht auf, und sie spürte, wie er sich mit den Emotionen des Voxyn verband und ihm den Gedanken eingab, bei Ulahas Angriff handele es sich lediglich um ein Ablenkungsmanöver und die wirkliche Gefahr drohe von den Yuuzhan Vong, die herbeirannten. Es war ein riskantes Unternehmen, denn es konnte die ganze Mission vereiteln, falls Duman Yaght begriff, wie die Jedi mit ihm spielten. Jaina hatte von einem Solo nichts anderes erwartet.
Das Voxyn drehte den Kopf und spuckte grünen Schleim über die erste Wache. Der Yuuzhan Vong taumelte ein paar Schritte weiter, stöhnte, schrie, löste sich auf. Ulaha nutzte die Ablenkung, schob sich vor und trieb dem Voxyn den Coufee zwischen die Augen.
Das Wesen erschauerte, ging zu Boden, begann zu zucken, was jedoch auch aufhörte, als die Bith die Klinge drehte. Purpurnes Blut quoll aus der Wunde und verwandelte sich in braunen Rauch, als es mit der Luft in Berührung kam. Ulaha stolperte rückwärts und hielt sich eine Hand vor das Gesicht. Sie machte einen zweiten Schritt und brach zusammen.
Die überlebenden Wachen blieben vor der braunen Wolke stehen. Duman Yaght brüllte etwas, woraufhin ein Krieger eine Blorash-Kugel auf den Coufee im Kopf des Voxyn warf und so die Wunde verschloss. Ein zweiter bedeckte Mund und Nase und barg Ulaha.
Sie erlaubte der Wache, sie aus der Giftwolke zu ziehen, dann erhob sie sich. Mit großen Augen und offenem Mund verrieten die Yuuzhan Vong ihre Überraschung darüber, dass jemand mit einem derart geschundenen Körper aufstehen konnte, und sogar Duman Yaght stockte der Atem.
Ein vertrautes Zischen erklang von der gegenüberliegenden Seite des Frachtraums, wo die drei Barabels kicherten, die Köpfe nach hinten verdrehten und alles mit den erschöpft glänzenden Reptilienaugen beobachteten.
Auch Jaina gestattete sich ein Grinsen, ehe sie sich Duman Yaght zuwandte. »Vielleicht haben Sie einen zweiten Voxyn, mit dem wir uns weiter amüsieren können?«
Der Yuuzhan Vong starrte sie an und lächelte, was sie verblüffte. »Das wäre doch dumm, oder nicht? Ich verstehe jetzt, warum der Kriegsmeister so entschlossen ist, euch Jeedai zu vernichten.« Er winkte zwei Wachen herüber und stieß sie ihnen in die Arme. »Jetzt ist es mit den Spielchen vorbei, Jaina Solo. Wenn du einen weiteren Trick versuchst, wird das tödliche Folgen haben.«
»Vielleicht.« Jaina grinste ihn an. »Aber nicht für uns.«
Die Bemerkung rief Warnungen von einigen aus dem Kommandoteam hervor, doch das plötzliche Dunkel unter Duman Yaghts Augen offenbarte ihr, dass sie genau das Richtige gesagt hatte. Ihr Gegenüber wandte sich ab und rief nach dem Sternleser, damit der einen schnelleren Kurs zu ihrem Treffpunkt berechnete.