24

 

Der wuchtige Kriegsdroide rotierte zweihundert Grad um seine Hüftkupplung und zeigte mit dem Blasterarm auf Raynar Thul. »Punkt vierzehn des Plans, Soldat.«

»Ich bin kein Soldat.« Raynar war wie gewöhnlich in den Farben des Handelshauses seiner Familie gekleidet, diesmal mit einer roten Hose, einer purpurnen Schärpe um die Taille und einem goldenen Hemd, das gut zum Blond seiner Stoppelhaare passte. »Wir sind nicht beim Militär.«

»Punkt vierzehn«, beharrte 1-1A.

Raynar verdrehte die Augen. »Die Mannschaft platzt in den Essbereich und ist den Jedi weit überlegen«, sagte er. »Punkt fünfzehn: Die Jedi schwingen ihre Waffen.«

»Lichtschwerter«, berichtigte 1-1A. »Und nach Punkt fünfzehn hatte ich nicht gefragt, Soldat.«

»Ich bin kein Soldat«, sagte Raynar missmutig.

Anakin und die sechzehn Mitglieder seines Kommandoteams saßen auf luxuriösen Couchen auf dem Beobachtungsdeck von Lando Calrissians privater Raumyacht und übten den Plan ein, den Anakin zusammen mit Luke, Lando, seinem Vater, seiner Mutter und ungefähr der Hälfte aller Jedi auf Eclipse ausgearbeitet hatte. Es gab tausend kleine Details, doch im Grunde beruhte alles darauf, dass die Mannschaft der Lady Luck die Jedi »überrumpelte«, wenn die Yuuzhan Vong an Bord kamen. Wenn die Invasoren die Gefangenen abführten, würden zwei der YVH-Kriegsdroiden aus der Abfallschleuse mit einer Ausrüstungskapsel aussteigen und sich am Boden des feindlichen Entershuttles festhalten. Sobald der Shuttle zu seinem Mutterschiff zurückgekehrt war, würden die Droiden, versteckt hinter dem Shuttle, mitfliegen. Um die Entdeckung der Droiden zu verhindern, würde das Kommandoteam ein Ablenkungsmanöver starten.

»Punkt zweiunddreißig, Sir.«

Anakin musste sich erst erinnern, dass der Droide ihn als Offizier der Gruppe betrachtete, und er sah auf. Der Blaster war auf sein Gesicht gerichtet. Wie gewöhnlich schärfte der Anblick des schwarzen Todestunnels seine Konzentration.

»Ich öffne mithilfe der Macht den Waffenschrank und verteile die Blaster«, sagte Anakin. »Die Blaster werden mit ausgebauten Energiepacks gelagert sein.«

»Diese Sache gefällt mir noch nicht«, sagte Tenel Ka. »Bestimmt werden die Yuuzhan Vong das zu praktisch finden.«

»Denk über die Alternative nach«, sagte Lando und kam zu ihnen auf das Beobachtungsdeck. »Meine Mannschaft besteht zwar aus Freiwilligen, aber sie werden sich nicht abschießen lassen, nur damit die Show gut aussieht.«

»Was ihren Standpunkt stützt«, meinte Ganner. Als ältester Jedi-Ritter an Bord würde er den Lockvogel-Kommandanten darstellen, damit Anakin unbehelligt blieb − zumindest so unbehelligt wie möglich −, um die Gruppe heimlich zu führen. »Die Yuuzhan Vong sind nicht dumm.«

»Nein, sind sie nicht, und deshalb kann ich ihnen die Sache auch folgendermaßen verkaufen«, sagte Lando. »Das Herausnehmen der Energiepacks ist eine allgemeine Sicherheitsmaßnahme − eine, die jemand, der eine Schiffsladung Jedi verraten will, ganz bestimmt ergreifen würde.«

»Das haben wir bei den Planungstreffen besprochen«, sagte Anakin. »Dad hielt es für eine gute Idee.«

Ganner zuckte mit den Schultern und nickte schließlich, sehr zu Anakins Erleichterung. Der Lockvogel-Kommandant war Ganners eigener Vorschlag gewesen, und Anakins größte Sorge bislang bestand darin, dass der ältere Mann Schwierigkeiten haben könne, die beiden Rollen zu trennen.

»Ich habe eine Frage«, sagte Raynar.

»Warum überrascht mich das nicht«, murmelte Jaina. Lando lächelte. »Frag nur. Du musst von diesem Plan hundertprozentig überzeugt sein.«

»Die Schiffe der Yuuzhan Vong sind doch Lebewesen, oder?«, fragte er. »Wie bringen wir also dieses dazu, nicht zu bemerken, dass sich die Droiden an ihm festhalten?«

»Das wäre, als ob ein Shenbit etwas auf seiner Schale fühlen würde«, schnarrte Bela Hara. »Die Panzerung hat ihren Zweck verfehlt, falls man Schmerz fühlt, wenn etwas einschlägt.«

»Das sind Rümpfe, keine Panzerungen«, widersprach Raynar. »Und da die Schiffe lebendig sind…«

»Sie sind lebendig, aber nicht in unserem Sinne«, meinte Jaina. »Sie haben ein Gehirn, doch das kontrolliert bestimmte Funktionen, so wie Computer auf unseren Schiffen. Und sie haben kein Gefühl in ihren Rümpfen − zumindest die Schiffe nicht, auf denen ich gewesen bin.«

»Es geht ja auch gar nicht«, erklärte Jacen. »Gefühl erforderte Nervenenden, und Nervenenden, die dicht genug an der Außenseite des Rumpfes wären, würden einfrieren. Stell dir vor, du würdest barfuß auf Hoth stehen.«

YVH drehte sich zu Lowbacca herum. »Punkt dreiunddreißig, Soldat.«

Lowbacca röhrte etwas Langes und Tiefes, aus dem Anakin den rüden Vorschlag einer Speicherlöschung entnahm. Der Übersetzungsdroide des Wookiee, Em Tede, flatterte vor ihm herum.

»Sind Sie sicher, dass Sie das zu einem Kriegsdroiden sagen wollen, Meister Lowbacca?«

Als Lowbacca daraufhin mit einem Knurren antwortete, schwirrte Em Tede hinter Tekli und gab einen Schwall elektronischen Zirpens von sich, bei dem 1-lAs Photorezeptoren aufleuchteten.

Lando stellte sich zwischen Lowbacca und den Kriegsdroiden. »Das wäre erst einmal genug, 1-lA. Beruhig dich.« Er warf Lowbacca einen resignierten Blick zu, dann wandte er sich an die anderen. »Wir haben die zwei YVHs und die Kapsel mit eurer Ausrüstung eingeladen. Tendra ist auf der Brücke und geht mit der Mannschaft unsere Route durch.«

»Wir sind bereit«, sagte Tahiri. »1-1A hat dafür gesorgt.«

Landos Miene wurde noch ernster. »1-lA ist nur ein Droide. Er kann euch drillen und üben lassen, aber er kann euch nicht vorbereiten − nicht auf eine solche Sache wie diese.«

»Ich bin nicht sicher, ob ich richtig verstanden habe«, hakte Ulaha Köre nach. »Unsere Proben waren fehlerfrei. Gewiss müssen wir auch mit Improvisation rechnen − wie jedes gute Ensemble −, aber die gegenwärtigen Hochrechnungen gehen von zweiundsiebzig Prozent Erfolgswahrscheinlichkeit aus.«

Anakin fragte lieber nicht nach der Fehlerquote dieser Berechnung. Es gab so viele Unbekannte, dass sie genauso gut über hundert oder unter fünfzig Prozent liegen konnte.

Lando setzte sich der Bith gegenüber und starrte in ihre glasigen Augen. Sein Blick war kälter und härter, als Anakin ihn je gesehen hatte. »Das, wovon ich rede, kann man nicht messen.« Er blickte die anderen an. »Manchmal läuft eben etwas schief. Gleichgültig, wie oft man geprobt hat und wie gut der Plan ist, es wird nicht so ablaufen, wie wir es erwarten. Ihr müsst zu schnellen Reaktionen fähig sein.«

»Das ist im Kampfauch nicht anders«, sagte Ganner.

»Hier geht es nicht um ein Gefecht, Rhysode. Das sollte langsam in allen Köpfen angekommen sein.« Lando starrte Ganner an, bis dieser den Blick abwandte, dann starrte Lando noch einige der anderen an. »Ihr seid keine Krieger, ihr seid Spione. Ihr werdet Dinge tun müssen, die noch nicht richtig sitzen. Ihr dürft nicht wanken. Nicht einmal zögern.«

»Werden wir nicht.« Das kam von Alema, und Anakin sah es an ihren Augen, dass wenigstens sie begriff, worauf Lando hinauswollte. »Ich jedenfalls nicht.«

Lando betrachtete die Twi’lek nur einen Moment, ehe er nickte. »Du warst dabei, ich weiß.« Zu den anderen sagte er: »Haltet euch an Alema. Sie wird tun, was notwendig ist, und danach solltet ihr euch richten.«

»Was soll das heißen?«, fragte Jacen. »Dass die Mittel den Zweck heiligen?«

»Er meint, wir haben nur zwei Sorgen«, sagte Alema, und die Sanftheit ihrer Stimme stand im Widerspruch zur stählernen Härte ihrer Worte. »Erstens müssen wir unsere Mission erfolgreich beenden. Und zweitens lebendig zurückkehren.«

»Dieser Weg führt zur dunklen Seite«, beharrte Jacen. »Wenn uns die Methoden zum Erreichen unserer Ziele gleichgültig sind, unterscheiden wir uns nicht vom Imperator − oder von den Yuuzhan Vong.«

»Möglicherweise«, stimmte Alema zu. »Aber wenn der Weg vor uns dunkel ist, dürfen wir nicht zurückscheuen − nicht um unseretwillen und auch nicht um derjenigen willen, die sterben müssen, wenn wir scheitern.«

»Und für Numa und Lusa und Eelysa und alle die, die bereits Opfer der Voxyn geworden sind«, fügte Raynar hinzu.

Alema belohnte seine Unterstützung mit einem vage verheißungsvollen Lächeln. »Natürlich. Besonders für sie.«

»Nein. Rache führt zur dunklen Seite«, sagte Zekk. »Daran werde ich mich nicht beteiligen.«

Plötzlich redeten alle durcheinander. Alema und Raynar meinten, die Zerstörung des Voxyn und der Sieg über die Yuuzhan Vong würden jede Handlung rechtfertigen. Zekk erklärte ihnen, dass sie nicht wüssten, wovon sie sprachen. Jacen beharrte darauf, es sei falsch, den Zweck über die Mittel zu stellen. Die anderen standen zwar irgendwo zwischen diesen beiden Extrempositionen, doch sprachen sie genauso laut, und so zogen sie sogar Eryl Besa und Jovan Drark, einen unerschütterlichen Rodianer, in diesem Streit auf unterschiedliche Seiten. Nur die Barabels, die in der Ecke hockten, hatten die Pupillen zu vertikalen Schlitzen verengt und schienen sich beherrschen zu können.

Anakin seufzte im Stillen. Er bemerkte Lando, der ihn beobachtete, und plötzlich erkannte er, wie weise seine Mutter gewesen war, den Waffenhändler als denjenigen auszusuchen, der sie an den Feind auslieferte. So ehrlich Lando seine Mahnung, nicht zu zögern, auch gemeint haben mochte, hinter seinen Worten hatte eine verborgene Absicht gesteckt. Er wusste, irgendwann würde genau dieser Streit innerhalb des Kommandoteams ausbrechen, und er hatte ihn willentlich provoziert, solange sie noch Zeit hatten, diese Sache auszutragen − und nun erwartete er von Anakin die Lösung des Problems.

»Ruhe.« Anakin wartete einen Moment, versuchte es erneut, und als er wieder nicht durchkam, schrie er: »Ruhe jetzt! Das ist ein Befehl!«

Mit seiner Unverfrorenheit − und indem er seine Stimme mit der Macht verstärkte − drang er schließlich zu seinen Gefährten durch. Ehe der Streit weitergehen konnte, fuhr er fort: »Niemand wird sich bei dieser Mission der dunklen Seite zuwenden.« Er sah Raynar und Alema ernst an. »Ist das klar?«

»Das wollte ich auch überhaupt nicht vorschlagen«, begann Alema leise. »Nur dass wir nicht zurückscheuen dürfen…«

»Ist das klar?«, wiederholte Anakin seine Frage.

Alemas Lekku rollten sich an den Spitzen auf, aber sie schob die Lippen vor und sagte: »Natürlich, Anakin.«

Anakin fühlte das seltsame Grinsen auf Tahiris Gesicht mehr, als er es sah. Für keines der weiblichen Mitglieder des Kommandoteams hegte Tahiri viele Sympathien, doch Alema konnte sie schlicht nicht leiden. Er entschied, über diese Angelegenheit später nachzudenken, und zwinkerte Raynar zu.

Raynar nickte. »Klar. Wer würde das schon wollen?«

Anakin akzeptierte dies als Antwort und wandte sich an Zekk und Jacen. »Aber Lando hat Recht. Möglicherweise müssen wir Dinge tun, bei denen wir uns nicht wohl fühlen, und wir müssen vielleicht rasch handeln. Wenn ihr euch mit diesem Gedanken nicht anfreunden könnt, solltet ihr besser mit dem nächsten Frachter nach Hause fahren.«

»Was für Dinge?«, fragte Jacen. »Wenn wir jetzt unsere Grenzen ziehen…«

»Jacen!«, zischte Anakin ihn an. »Bist du dazu in der Lage?«

Statt zu antworten, schaute sich Jacen in der Runde nach Unterstützung um. Er fand welche, und zwar vor allem bei Zekk und Tenel Ka, doch langsam zweifelte Anakin, ob das besondere Talent seines Bruders im Umgang mit Tieren wirklich die Zwietracht wert war, die er in der Gruppe säte. Er blickte Lando an und suchte Rat bei ihm, blickte jedoch in das ausdruckslose Gesicht eines erfahrenen Spielers. Anakin musste dieses Problem selbst lösen; dort, wo sie hingingen, konnte er sich auch keinen Rat von alten Helden der Rebellion einholen.

Anakin sah seinen Bruder an. »Jacen, vielleicht…«

»Anakin, ich habe eine Idee!« Obwohl Jaina begeistert klang, spürte er die Aufregung seiner Schwester in der Macht. Fast so besorgt über die Spaltung wie die Brüder selbst, hatte sie mit beiden gesprochen, um sie zu überwinden. »Ihr wisst doch, wie viele Sorgen wir uns wegen der Aufrechterhaltung unseres Willens gemacht haben?«

»Ja?«, antwortete Anakin vorsichtig. Jeder auf Eclipse wusste, wie viel Wert die Yuuzhan Vong darauf legten, den Willen ihrer Jedi-Gefangenen zu brechen. Seine größte Sorge bestand darin, dass ihre »Häscher« noch an Bord des ersten Schiffes mit dem Brechen beginnen würden, und dass jemand in der Gruppe nicht lange genug durchhalten würde, bis sie die Front überquert hatten. »Was hat das damit zu tun, worüber wir gerade gesprochen haben?«

»Erinnerst du dich daran, wie wir diese telepathische Macht-Vereinigung auf Dubrillion während des ersten Yuuzhan-Vong-Angriffs genutzt haben?«, fragte Jaina. Die drei Geschwister hatten sich miteinander über die Macht verbunden, um ihre Wahrnehmungen zu teilen. »Wenn Jacen uns nun helfen könnte, dass wir uns alle verbinden? Diese Verbindung könnten wir nutzen, um uns mental und emotional zu stützen.«

»Ein guter Plan«, sagte Tenel Ka. »Jeder, der ein Verhör durchführt, weiß, der Schlüssel zum Brechen des Widerstands liegt in der mentalen Isolation.«

Anakin sah darin durchaus Potenzial − und er erkannte auch, wie verzweifelt seine Schwester daran arbeitete, die Kluft zwischen ihm und Jacen nicht noch weiter werden zu lassen. Vorsichtig fragte er: »Wie können wir das hinbekommen?«

Jaina wirkte jetzt siegesgewiss. »Ich habe mit Tesar und seinen Brutgefährten über die Kampftaktiken der Wilden Ritter gesprochen.« Sie blickte zu den Barabels. »Ich denke, wir könnten ein paar davon verwenden.«

»Ja, dieser hier denkt, wir könnten daz bestimmt«, meinte Tesar. »Vielleicht könnten wir diesen Bund sogar für ein großez Kampfgeflecht nutzen.«

Anakin runzelte die Stirn. Kampfgeflecht nannten die Barabels ihre unglaubliche Vorführung von Zusammenhalt in der wirren Schlacht von Froz. »Eine interessante Möglichkeit.«

»Aber wir brauchen Jacen«, drängte Jaina. »Er besitzt als Einziger genug empathische Kraft, um uns zu vereinigen.«

Oder uns auseinander zu treiben, dachte Anakin. Doch während er die erwartungsvollen Gesichter betrachtete, erkannte er, wie groß der-angerichtete Schaden bereits war. Wenn er Jacen jetzt heimschickte, würde er nicht nur seine Schwester enttäuschen, er würde Zekk, Tenel Ka und einige der anderen, die seine Bedenken über die dunkle Seite teilten, befremden. Auch würde die Kluft zwischen den beiden Brüdern sich vergrößern − und Anakin wünschte sich das genauso wenig wie einen in seinen Kopf implantierten Sklavensamen der Yuuzhan Vong.

»Jacen, du musst tun, was ich sage und wann ich es sage.« Anakin blickte seinen Bruder an. »Wenn sich etwas falsch anfühlt, geht das auf meine Rechnung, nicht auf deine. Wenn du damit nicht leben kannst, tut es mir Leid, aber dann solltest du nicht mitkommen.«

Jacen hatte durchaus gespürt, wie kurz Anakin davor gestanden hatte, ihn zurückzuschicken, und deshalb zögerte Jacen nicht. Er nickte und sagte: »Ich vertraue deinem Urteil, Anakin. Wirklich.«