21
Der Villip stülpte sich endlich um und nahm das verunstaltete Gesicht des Kriegsmeisters an. Zerfurcht, verwegen, mit den nachdenklichen Augen und dem ausgefransten Mund hätte Viqi Shesh es einst faszinierend gefunden. Jetzt konnte sie es mit all den rituellen Narben und Entstellungen bestenfalls als interessant bezeichnen. Wieso bekam sie dann jedes Mal ein flaues Gefühl im Magen, wenn sie es sah? Warum war sie so verärgert, weil er sich so viel Zeit gelassen hatte, bis er dem Villip antwortete? Es musste seine Macht sein. Mächtige Männer zogen sie an − nun, männliche Wesen. Sie war nicht stolz auf diese Schwäche, denn auf Kuat galt das als Perversion, da Frauen ihres Ranges sich für gewöhnlich Telbun-Diener als Lebensgefährten kauften, aber diese geheime Schande war nun einmal ein Teil von ihr. Eine Weile lang − eine sehr kurze Weile − war sie sogar von dem pelzigen kleinen Borsk eingenommen gewesen.
»Viqi, haben Sie etwas zu berichten?«, fragte Tsavong Lah.
»Ja.« Es gefiel ihr, dass er sie immer nur beim Vornamen nannte. Das verriet eine gewisse Intimität, die er bei wenigen anderen zeigte. »Die Sitzung war überraschend.«
»Nom Anor meint erfolgreich.«
»Dann ist mir etwas Wichtiges entgangen«, erwiderte sie. »Nom Anor hat die Situation von Beginn an falsch gedeutet. Seine Arroganz hat Borsk dazu getrieben, die Jedi zu unterstützen.«
»Wirklich?« Der Kriegsmeister wirkte nicht sehr überrascht. »Und mir hat er versichert, er würde seine Sache gut machen.«
»Ich habe mich den ganzen Tag abgemüht, die Situation zu retten.«
»Ja?« Nun klang Tsavong Lah überrascht, ohne Zweifel, weil er von seinen Untergebenen keinerlei Initiative erwartete. »Was haben Sie getan?«
»Der Senat ist ungefähr entlang der Grenzen des Kerns gespalten«, erklärte sie. »Im Kern, und zufällig auf Ihrer Invasionsroute, möchte man sich gern gegen die Jedi stellen. Die anderen unterstützen sie.«
»Das hatte ich vorausgesehen«, sagte Tsavong Lah ungeduldig.
Viqi erkannte, dass der Kriegsmeister die Bedeutung dieser Mitteilung nicht begriff, und schlug einen vertraulichen Ton an. »Die Kernwelten haben die größten Ressourcen, die der Neuen Republik noch zur Verfügung stehen, und diejenigen, die sie kontrollieren, ziehen auch die Fäden in der Regierung.«
»Ja?«
»Ich habe den ganzen Morgen über mit Senatoren aus dem Kern gesprochen. Wir haben nicht genug Stimmen für ein Misstrauensvotum, aber ich bin überzeugt, im Falle von Borsks vorzeitigem Ende hätte ein neuer Staatschef weniger für die Jedi übrig.«
Tsavong Lah runzelte die Stirn. »Sie denken an Mord?«
Viqi spürte überrascht, wie ihr ein Schauer den Rücken hinunterlief. Mord war so ein hässliches Wort, aber es sah natürlich dem Yuuzhan Vong ähnlich, es auf die grässlichste Weise auszudrücken. »Nom Anor war heute nahe genug an ihm dran. Er hätte es tun können.«
»Nom Anor?«, wiederholte Tsavong Lah. »Wären nicht Sie zufällig diejenige, die zur Staatschefin gewählt würde, wenn Borsk stirbt?«
Wenn, nicht falls, registrierte Viqi. Sie lächelte zuversichtlich. »Ja, den Plan hege ich.«
Der Kriegsmeister sah sie scharf an. »Dann tun Sie es, Viqi.«
Ihr Lächeln verschwand. »Ich?« Ihre Gedanken wirbelten durcheinander, während sie durchging, welche Absicht er möglicherweise mit seinen Worten verfolgte. Testete er ihren Mut? Scherzte er? Vielleicht hatte er nicht alle Implikationen seines Vorschlags verstanden. Ja, das musste es sein. »Ich glaube, Politik funktioniert in der Neuen Republik so ähnlich wie bei den Yuuzhan Vong. Wenn ich Borsk umbringe, werde ich meiner Ämter enthoben und in eine Rehabilitationseinrichtung gebracht − und nicht zur Staatschefin gewählt.«
»Nur, wenn man Sie erwischt.«
Viqi stockte. Tsavong Lah konnte ihr sicherlich die Mittel verschaffen, Borsk heimlich zu töten, aber so wie sie die Yuuzhan Vong und vor allem den Kriegsmeister kannte, würde deren Methode irgendeine entsetzliche Verstümmelung verlangen, und trotzdem müsste sie dem Bothan ins Auge schauen, wenn sie ihn ermordete. Obwohl sie nie zuvor jemanden Auge in Auge ermordet hatte, hielt sie sich dazu für durchaus in der Lage, angesichts des Gewinns. Doch was war mit der anschließenden Untersuchung? So grimmig die Yuuzhan Vong als Krieger waren, verstanden sie nichts von dieser unbestechlichen Technik, die man zur Identifizierung von Borsks Attentäter einsetzen würde.
Viqi schüttelte den Kopf. »Das geht nicht.«
»Wollen Sie sich mir widersetzen?«
»Ja.« Ihr wurde innerlich kalt. Sie bedauerte es schon, einen Mord überhaupt vorgeschlagen zu haben, doch sie war zu gerissen, um jetzt auch noch Angst zu zeigen. Der Kriegsmeister würde Zögern als Schwäche betrachten und sie ausnutzen wie ein Raubtier, und sie hatte zu hart gearbeitet − und zu viele Dinge getan, die sogar sie selbst abstießen −, um nun alles aufs Spiel zu setzen. »Es würde niemandem von uns weiterhelfen, wenn ich auf einem Gefängnisplaneten lande.«
Tsavong Lahs Stimme wurde gefährlich ruhig. »Stets muss ich Sie zur Kooperation drängen. Ich bin sicher, Belindi Kalenda wäre sehr interessiert daran, von unserer Verbindung zu erfahren.«
»Das wäre sie bestimmt. Aber dann würden Sie einige kleine Berichte aus dem Sitzungsraum des NRMAK vermissen.« Um ihren Standpunkt zu verdeutlichen, tippte sie sich seitlich an den Kopf, biss die Zähne zusammen und zuckte, als der Chilab sich löste und durch ihre Nasenhöhle nach unten rutschte. »Und gewiss wäre der Geheimdienst der Neuen Republik an diesem Ding sehr interessiert.«
Wie auf ein Stichwort fiel die Nervenmade aus ihrem Nasenloch, und Tsavong Lah brachte ein anerkennendes Lächeln zustande.
»Wie Sie wünschen, Viqi Shesh«, sagte er. »Aber Nom Anor kann ich eine Aufgabe von dieser Wichtigkeit nicht anvertrauen. In Kürze wird sich ein Kammerjäger namens Bjork Umi bei Ihnen melden.«
»Ja?«
»Nennen Sie ihm Zeit und Ort«, sagte Tsavong Lah. »Und Sie werden Staatschefin werden − unsere Staatschefin.«