10
Die dunkle Scheibe eines fernen Starliners schob sich in Sicht, eine blaue Nadel von ausgestoßenen Ionen trieb das Schiff quer über eine riesige, orangefarbene Sonne hinweg. Wie Millionen anderer Sonnen allein in der Kernregion verfügte diese über keinen Planeten mit einer Zivilisation oder auch nur mit intelligenten Lebewesen, und sie war zu belanglos, um einen eigenen Namen außer der veralteten imperialen Registrierungsnummer zu haben. Angesichts solcher Leere und so vieler unberührter Planeten erschien es Jaina Solo, dass es keine Notwendigkeit zum Kampf hätte geben müssen, dass eigentlich genug Platz für alle vorhanden war. Doch Luxus war stets leichter zu stehlen als zu erarbeiten, Frieden einfacher zu brechen als zu halten − wie ihre Mutter so oft sagte −, und so waren die Yuuzhan Vong über eine Galaxis hergefallen, die sie unter anderen Umständen vielleicht mit offenen Armen empfangen hätte. Diesen Fehler mussten die Außergalaktischen erst noch begreifen, doch eines Tages, so war sich Jaina sicher, eines Tages würden die Jedi es ihnen klar machen.
R2-D2 zirpte eine Frage von der Droidenstation hinten auf dem Flugdeck der Jadeschatten.
»Halt die Verbindung, R2.« Jaina drehte sich nicht um. »Sie haben das Signal bisher nicht gesendet, und Mara braucht Ruhe.«
Der Droide pfiff einen langatmigen Widerspruch.
Jaina betrachtete die Anzeige des Interfaces, dann warf sie die Hände in die Luft. »Schön. Wenn sie das gesagt hat, dann weck sie auf.«
R2-D2 stöpselte sich aus, rollte surrend in Richtung der Passagierkabine davon und ließ Jaina allein auf dem Flugdeck der Jadeschatten. Selbst in diesem Bereitschaftsorbit mit heruntergefahrenem System und ruhendem Ionenantrieb fühlte sich das Schiff eher wie ein eng anliegender Kampfanzug als wie ein Siebzig-Tonnen-Sternenschiff an. Der frei stehende Sitz, das versenkbare Steuer und die Kuppel mit voller Panoramasicht vermittelten ihr das Gefühl, im offenen Raum zu schweben, während ein neuartiger Retina-Sucher die Status-Holos stets ihrem Sichtbereich anpasste. Kommunikation und Gegenmaßnahmen konnte sie mit einer Reihe Schieberegler auf dem Steuerknüppel vornehmen; ein weiteres Set auf dem Hebel war für Sensoren, Waffen und Schilde zuständig. Sogar das Lebenserhaltungssystem konnte per Stimmbefehl reguliert werden, wenn eine Astromech-Einheit mit der Droidenstation auf dem Flugdeck verbunden war. Es war das perfekte Cockpit, und wenn Jaina irgendwann ihr eigenes Schiff haben würde, wollte sie es bis ins kleinste Detail ebenso ausstatten − besonders die Sitzanordnung, bei welcher der Pilot allein vorn und Navigator und Kopilot nebeneinander hinter ihm saßen. Das gefiel ihr am besten.
Jainas Träumereien wurden durch eine plötzliche Unruhe gestört, eine unerwartete Bewegung in der Macht, die sich schon bald zu einer seltsamen Aufregung steigerte. Sie öffnete sich diesen Gefühlen und spürte ein schreckliches Verlangen und gierigen Hunger, doch dunkel und tierisch − und so brutal, dass ihr der Atem stockte und sie sich sofort zurückzog.
Kalter Schweiß rann ihr über die Stirn. Jaina betätigte den Schalter für das Interkom und rief Mara aufs Flugdeck. Während sie wartete, studierte sie die Sensoren. Sie entdeckte nichts Ungewöhnliches, allerdings war sie nicht so dumm, zu viel Vertrauen in die Instrumente zu setzen. Die Jadeschatten hatte sie in eine Umlaufbahn um den Planeten gebracht, der sich der orangefarbenen Sonne am nächsten befand, eine von Trümmern umringte Magmakugel, die kaum zwanzig Millionen Kilometer von dem Stern entfernt war. Da R2-D2 nicht auf seiner Station war und die ständig notwendigen Anpassungen der Auflösung vornahm, konnte sie nur den elektromagnetischen Sturm sehen.
Jaina bemerkte eine Bewegung in den Reflexionen der Kuppel und sah auf das Aktivierungsfadenkreuz vor sich im Cockpit. Ein kleiner Bereich der Plexlegierung verwandelte sich in einen Spiegel, und sie erkannte die gertenschlanke Gestalt von Mara Jade Skywalker, die gerade das Flugdeck betrat. Maras wallendes rotgoldenes Haar war vom Schlaf zerzaust, ihre Hautfarbe wirkte jedoch nicht mehr so aschfahl, und die Ringe unter ihren Augen waren nicht mehr so dunkel. Jaina stand auf, fühlte sich wie ein kleines Kind, das man am Süßigkeitenautomaten erwischt hatte, und wandte sich um, weil sie die Pilotenstation verlassen wollte.
Mara winkte ab. »Setz dich. Ist dein gutes Recht.« Sie selbst ließ sich auf dem Navigatorstuhl nieder und versüßte die gefilterte Luft mit einem Hauch von Puder und Stericlean, der ihr anzuhaften schien, obwohl das Baby sich tausend Lichtjahre entfernt befand. »Sind das unsere beiden Störenfriede?«
»Der Transponder identifiziert das Schiff als Nebula Chaser«, antwortete Jaina. R2-D2 stöpselte sich wieder in die Droidenstation ein und bestätigte die Identität mit einem Zirpen. »Aber bisher hat es kein Signal für ein Treffen gegeben, und gerade eben habe ich etwas… äh… Seltsames in der Macht gespürt.«
Mara nickte. »Es ist noch da. Allerdings stammt das nicht von den Passagieren, die wir übernehmen sollen. Es fühlt sich nicht richtig an.«
»An dieser Sache fühlt sich gar nichts richtig an«, sagte Jaina. Die Nebula Chaser, ein tausend Meter langer corellianischer Kreuzer mit einem modifizierten Hoersch-Kessel-Sublichtantrieb, hatte sich schon halb vor die orangefarbene Sonne geschoben. Jetzt hatte er ungefähr die Größe von Jainas Finger, und der blaue Abgasstrahl war dreimal so lang. »Das Signal ist noch nicht gekommen. Vielleicht sollten wir ihnen noch einen Umlauf geben, uns dann hinter dem Planeten verstecken und die Ionentriebwerke zünden.«
Mara schüttelte den Kopf. »Luke hat Recht, was die beiden betrifft; durch ihr Schwertgefuchtel kommen ständig Leute zu Schaden. Wir sollten sie uns lieber schnappen, solange sie einen Transfer brauchen.« Nun legte sie die Gurte an. »Und vor allem sollten wir in Bereitschaft sein. Fahr die Systeme hoch.«
»Ich?« Obwohl Jaina die Schatten schon geflogen hatte, war ihre Tante auf dem ganzen Weg hierher auf dem Pilotensitz gesessen − vielleicht, weil es ihre erste Gelegenheit seit Bens Geburt gewesen war, ihr geliebtes Schiff zu fliegen, oder weil sie sich hatte ablenken müssen, da sie ihren jüngsten Sohn zum ersten Mal so lange allein ließ. »Das Schiff gehört dir. Außerdem möchte ich noch ein wenig schlafen. Du wirst erst verstehen, was das für ein Luxus ist, wenn du selbst ein Kind hast.« Mara schwieg kurz und fügte dann ernst hinzu: »Und das ist kein Wink mit dem Zaunpfahl.«
»Klar!« In Jainas Lachen schwang eine gewisse Wehmut mit. Mit neunzehn hatte sie schon eine gewisse Erfahrung mit Jungen, doch der Krieg hatte sie zu sehr in Atem gehalten, um eine ernsthafte Beziehung zu entwickeln. Auch jetzt war sie nur zeitweilig vom Renegatengeschwader freigestellt − bis die Anti-Jedi-Bewegung im Senat sich wieder beruhigt hatte. »Als hätte ich dazu Zeit.«
Jaina reckte sich vor und wollte den Ionenantrieb einschalten, hielt jedoch inne, weil R2-D2 pfeifend Alarm gab. Das vordere Holodisplay verzerrte sich und zeigte eine Flut von Farben und Formen, dann fügte es sich zu einem winzigen, röhrenförmigen Schiff zusammen, das weit unter dem hellen Dunst der Sonnenkorona auf sie zukam.
»Das erklärt ihr Schweigen«, sagte Mara. Obwohl es an der Navigationsstation keines dieser Displays gab, die stets in den Blickbereich folgten, war der Sitz von einem vollständigen Set konventioneller Anzeigen umgeben. »Können wir es näher ranholen, R2?«
Auf beiden Displays erschien eine Nachricht, die Jaina und Mara darüber informierte, dass die Darstellung nicht skalierbar war. Eine Reihe von Sensordaten begann, die tatsächliche Größe, Geschwindigkeit und angenommene Rumpfzusammensetzung zu beschreiben. Jaina pfiff leise und blickte durch die gefärbte Kuppel, wo die fleckige Silhouette des Neuankömmlings hinter der Nebula Chaser auftauchte.
»Sieht aus wie eine Yuuzhan-Vong-Fregatte«, sagte Jaina. »Was willst du machen?«
»Wir haben nur eine Möglichkeit.« In Maras Stimme schwang eine Vorsicht mit, die Jaina vor Bens Geburt niemals von Mara erwartet hätte. »Alle Systeme herunterfahren und warten.«
In Kapitän Pollux’ Privatquartier an Bord der Nebula Chaser standen die Rar-Schwestern Schulter an Schulter vor der mit der Brücke zusammengeschalteten Vidkonsole. Ihre langen Kopftentakel − Lekku − schlängelten sich nervös, während die beiden ein großes Stück Yorikkoralle beobachteten, das sich von der Fregatte löste und auf die Nebula Chaser zuhielt. Löchrig und klumpig wirkte das kleine Schiff eher wie ein ausgeplünderter Asteroid und nicht wie ein Enterboot, doch die Sensoren zeigten die Wärmesignaturen von wenigstens einhundert Kriegern. Außerdem befand sich ein anderes Wesen an Bord, ein größeres und kälteres, doch die Schwestern brauchten keine Sensoren, um zu wissen, worum es sich handelte. Während sie es in der Macht erforschten, spürten sie die gleiche gierige Präsenz, die sie schon berührt hatte, als die Fregatte hinter der Sonne aufgetaucht war. Was immer die Yuuzhan Vong mitbrachten, es war in einer Perfektion auf ihre Galaxis abgestimmt, die zu erreichen seinen Besitzern niemals gelingen würde.
Alema isolierte die Wärmesignatur und bat den Computer, nach einer Entsprechung zu suchen, dann wandte sie sich um. Numa hatte bereits auf der Koje des Kapitäns ihre Tarnung ausgelegt: zwei Tanzkleider, Schminke und sonst eher wenig. Da die beiden Schwestern im letzten Jahr die Widerstandsbewegung auf der besetzten Welt New Plympto angeführt hatten, waren sie eindeutig das Ziel des Enterkommandos. Glücklicherweise würde der Feind nach einem einzelnen menschlichen Wesen suchen und nicht nach zwei Twi’lek-Tanzmädchen; in der Rolle als Widerstandsführer waren die zwei als Vorsichtsmaßnahme niemals gemeinsam aufgetreten, hatten sich stets getarnt und ihre Lekku unter der Kapuze einer Jedi-Robe verborgen.
Als die Schwestern sich umgezogen hatten und zur Vidkonsole zurückgekehrt waren, kamen die Yuuzhan Vong bereits in der Andockbucht an Bord. Diese Krieger waren einen Kopf größer und deutlich schwerer als ein Durchschnittsmensch. Sie hatten eine fliehende Stirn und seltsame Augen, die von hängenden Membranen umfasst waren. Ihre brutalen Gesichter waren zu ledernen Masken verändert worden, Knorpel waren durchtrennt und Fleisch zerfetzt, und die kräftigen Leiber zierten religiöse Tätowierungen und rituelle Deformationen. Die meisten trugen Rüstungen aus lebenden Vonduun-Krabben, und jeder besaß einen der allgegenwärtigen Amphistäbe, eine Schlange, die sich auf Kommando in eine stockartige, messerscharfe Hiebwaffe oder eine Peitsche mit Giftzähnen verwandeln konnte. Der abscheulichste dieser Krieger, ein in den Schultern gebeugtes Untier, das anstelle einer Nase nur eine dunkle Aushöhlung hatte, schob sich arrogant an den Wachen um Kapitän Pollux vorbei.
»Sie haben Jeedai an Bord?«
»Nein«, log Pollux aalglatt. »Haben Sie uns deshalb angehalten?«
Der Krieger ignorierte die Frage des Kapitäns. »Kommen Sie von Talfaglio… oder Sacorria?«
»Sie glauben doch nicht wirklich, das würde ich Ihnen verraten«, meinte Pollux. »Meinem letzten Informationsstand zufolge befindet sich die gesamte Galaxis mit Ihnen im Krieg.«
Die Entgegnung rief eine respektvolle Grimasse hervor. »Wir sind nur ein Vorposten, Kapitän, und Sie befördern Flüchtlinge. Von uns haben Sie nichts zu befürchten… vorausgesetzt, Sie sagen mir jetzt, ob Sie Jeedai an Bord haben.«
»Nein, haben wir nicht.« Pollux’ Blick schwankte nicht, und seine Stimme blieb hart. Selbst die Kapitäne von zivilen Sternenschiffen wussten, dass die Yuuzhan Vong blind für die Macht waren. »Aber bitte, überzeugen Sie sich selbst.«
Der Krieger versuchte ein Lächeln. »Gern, Kapitän, sehr gern.« Er sah zu seinem Enterboot und befahl in seiner eigenen Sprache: »Duwin tur voxyn.«
Im hinteren Teil des Schiffes zeigte sich ein Riss, der sich weiter öffnete, und die Yorikkoralle öffnete sich wie geschürzte Lippen. Ein Paar gelber Augen erschien in der Dunkelheit, und Alema spürte den Hunger in der Macht abermals deutlicher. Dann, nachdem sich der Spalt ungefähr einen halben Meter geöffnet hatte, schoss ein schwarzer Streifen aus der Tür und polterte aufs Deck, umgeben von Dunkelheit.
»Wolken aus Feuer!«, entfuhr es Numa.
Das Wesen − ein Voxyn, wie Alema ihren Kenntnissen der Yuuzhan-Vong-Sprache zufolge annahm − tappte auf seinen acht gebogenen Beinen herum. Obwohl es einem Menschen nur bis zur Hüfte gereicht hätte, war es über vier Meter lang und hatte einen flachen Kopf sowie einen geschwungenen Körper, der mit schwarzen Schuppen bedeckt war. Eine Reihe derber Sensorborsten zog sich über den Rücken, und aus dem peitschenähnlichen Schwanz ragte ein weißer Stachel. Das Tier umkreiste den Kapitän und seine aufmerksamen Wachen einmal, dann bewegte es sich auf den hinteren Teil der Andockbucht zu.
Auf dem Vidschirm konnte man sehen, wie Pollux den Krieger der Yuuzhan Vong fixierte. »Warum haben Sie dieses… dieses Ding auf mein Schiff gebracht?«
Der Krieger versetzte Pollux einen Rückhandschlag, der den Kapitän aufs Deck warf. »Sie glauben doch nicht, ich würde Ihnen das erzählen?«, lachte er.
Obwohl Pollux’ Wachen keine Anstalten machten einzugreifen, winkte der Kapitän sie zurück und erhob sich so würdevoll wie möglich wieder.
Alema richtete eine Antenne auf den dunklen Planeten aus, wo das Schiff warten sollte, mit dem sie sich treffen wollten, dann loggte sie sich in den geheimen Jedi-Kom-Kanal ein und übermittelte, was sie hier beobachtete. Durch die Nähe der orangefarbenen Sonne würde das Signal beeinträchtigt werden, doch Signale konnte man verstärken − und es wäre immerhin besser als gar nichts, falls ihr und Numa die Flucht misslänge.
Das Voxyn wandte sich von den Shuttles ab und schweifte eine Weile durch die Andockbucht, dann verschwand es in einem Gang. Die Schwestern verloren es nun aus den Augen, bis Alema den richtigen Scanner entdeckte; zu dem Zeitpunkt tappte es bereits durch den Hauptboulevard, als hätte es sein Leben auf Gleitbändern verbracht. Daneben rannte eine Gruppe Yuuzhan Vong, die aus Misstrauen gegenüber der leblosen Technologie lieber den breiten Korridor neben dem Gleitband benutzten. Schließlich gaben sie es auf, Schritt zu halten, und verteilten sich in kleinen Gruppen im ganzen Schiff.
Alema aktivierte eine Überwachungseinheit, und während der nächsten Stunde beobachteten sie und Numa, wie das Voxyn durch die Hauptdecks der Nebula Chaser streifte und gelegentlich einen versteinerten Flüchtling umkreiste oder mit schiefem Kopf auf Maschinenlärm lauschte. Schließlich sprang es mit aufgestellten Sensorborsten in einen Zierspringbrunnen, wanderte um die Statue eines calamarianischen Sternseeigels herum und fixierte mit den gelben Augen die Decke. Mit einem flauen Gefühl im Bauch ging Alema zum Holopad und rief eine dreidimensionale schematische Darstellung der Nebula Chaser auf. Kapitän Pollux’ Kabine befand sich direkt über diesem Wesen, zehn Stockwerke höher.
»Unangenehm«, sagte Numa. Die Spitzen ihrer Lekku zuckten heftig. »Es scheint eine Ahnung zu haben, wo wir uns aufhalten.«
»Das ergibt doch keinen Sinn.« Alema griff in die Macht und spürte die gleiche Gier wie zuvor, nur jetzt stärker und deutlicher. »Es sei denn, es benutzt die Macht, um uns aufzuspüren.«
Ein Schauer durchfuhr Numas Lekku, und sie starrte Alema mit ihren schlitzförmigen Augen an. »Schwester, du hast so eine Art, immer die alarmierendsten Erklärungen zu liefern.«
»Alarmierend und trotzdem wahrscheinlich.« Alema zeigte auf den Vidschirm, wo das Voxyn durch den Korridor zur nächsten Liftröhre eilte.
Numa betrachtete das Bild einen Moment lang, dann sagte sie: »Du scheinst Recht zu haben. Vielleicht sollten wir uns abschirmen.«
Sie versanken in Meditation, zogen sich in sich selbst zurück und schirmten ihre Präsenz in der Macht ab. Als sie sich nicht mehr gegenseitig fühlen konnten, blickte Alema wieder auf den Vidschirm. Das Voxyn hatte gerade die Liftröhre erreicht. Es schlug mit einer Klaue auf den Aktivierungsknopf, schob den vorderen Teil seines Körpers in den Zylinder und erlaubte dem Repulsorstrom, den ganzen langen Körper in den Schacht zu ziehen. Alema verfolgte den Lift bis zur Tür auf dem Offiziersdeck, die keine hundert Meter entfernt war, vielleicht doppelt so weit, wenn man die Umwege einbezog, die das Wesen durch die Gänge nehmen musste.
»Hilft nichts, Schwester. Es spürt uns immer noch.« Sie schaute zu der Tasche, in der sich ihre Overalls und Lichtschwerter befanden. »Wir können es erwischen, wenn es aus der Röhre steigt.«
»Und dann?«, fragte Numa. »Die Narbenköpfe wissen dann, dass Kapitän Pollux sie angelogen hat.«
»Sie werden es sowieso erfahren, sobald dieses Ding an unsere Tür klopft.« Mit Bedauern, weil sie keine Zeit mehr hatte, ihren Overall anzuziehen, zog Alema ihr Lichtschwert aus der Reisetasche und aktivierte die silberne Klinge. »Und wir sollten ein paar Yuuzhan Vong mit uns nehmen.«
»Nein.« Numa streckte die Hand aus und deaktivierte Alemas Lichtschwert. »Das lasse ich nicht zu, nicht nach New Plympto.«
Verärgert über den erbitterten Widerstand des Planeten hatten die Yuuzhan Vong die Erreger einer todbringenden Seuche auf dem Planeten freigesetzt und die Welt gesäubert. Die Schwestern und einige tausend andere hatten die Katastrophe an Bord einer kleinen Flotte von Intrasystem-Erzfrachtern überlebt und sich anschließend davongeschlichen, nachdem der Feind die tote Welt verlassen hatte.
»Sie sind Yuuzhan Vong, Schwester«, sagte Alema. »Meinst du, sie werden dem Kapitän seine Lüge einfach verzeihen?«
»Wohl kaum.« Numa kehrte zur Konsole zurück. »Wir müssen ihnen eben weismachen, dass sich dieses Wesen geirrt hat.«
Sie rief ein Hologramm auf, das die Fregatte der Yuuzhan Vong zeigte, die ungefähr einen halben Kilometer von der Andockbucht der Nebula Chaser entfernt schwebte. Mit nur zweihundert Metern Länge war das feindliche Schiff im Vergleich mit dem Starliner ein Zwerg, aber die Waffenknötchen, die sich an der Flanke zeigten, ließen keinen Zweifel über seine Zerstörungskraft.
Alema durchschaute sofort, was ihre Schwester plante. »Wir schnappen uns eine Rettungskapsel.«
Sie steckte das Lichtschwert zurück in die Reisetasche und warf die Tasche Numa zu, dann nahm sie den Datenblock von dem Tischchen neben der Koje des Kapitäns und stellte eine Verbindung mit der Vidkonsole der Kabine her. Die Schwestern verließen die Suite des Kapitäns und liefen zum anderen Ende des Offiziersdecks. An der Liftröhre warf Alema einen Blick auf den Datenblock und entdeckte das Voxyn, das durch ein Becken auf dem Feuchtdeck zwei Stockwerke unter ihnen platschte. Die gelben Augen waren an die Decke gerichtet − es verfolgte sie.
»Es weiß, dass wir in Bewegung sind«, sagte Alema.
»Aber es kann die Entfernung schlecht einschätzen.« Numa war immer die Optimistin. »Wohin?«
Alema rief eine Darstellung der Rettungsstationen auf dem Mittschiff auf, dann wählte sie diejenige aus, die sich auf der der Yuuzhan-Vong-Fregatte abgewandten Seite am nächsten befand. »Maschinendeck, Schott zweiundvierzig.« Sie führte einen Sicherheitsscan der Umgebung durch und entdeckte einen Trupp Yuuzhan Vong, der gerade einen Droiden in der Gravitationskontrolle zerstörte. »Wir müssen ein paar von diesen Narbenköpfen austricksen.«
»Gibt es eine Alternative?«
Nachdem Alema die anderen Rettungsstationen überprüft hatte, schüttelte sie den Kopf. »Nicht, solange wir im Sensorschatten der Chaser starten wollen.«
»Das ist unabdingbar.« Numas Lekku rollten sich an den Spitzen ein. »Wir müssen nackt gehen.«
»Nackt?« Diesen Begriff hatten sie auf New Plympto verwendet, wenn sie ihre Waffen irgendwo verstauten und sich als Sklaven tarnten. »Du musst verrückt sein. Ich lasse doch nicht mein Lichtschwert hier.«
»Willst du das Leben aller an Bord riskieren?« Numa zog ihr Lichtschwert aus der Reisetasche, öffnete den Griff, nahm den adeganischen Kristall heraus und setzte ihn mit ein paar Tropfen Hautkleber in ihren Nabel. Durch ihr schleierartiges Kleid sah der goldene Edelstein aus wie der Schmuck einer Tänzerin. »Findest du, solcher Egoismus ist des Andenkens an Daeshara’cor würdig?«
Alema rollte ihre Lekku ein, dann ließ sie die Kopftentakel auf den Rücken klatschen. Daeshara’cor war vielleicht nicht gerade ihre Meisterin gewesen, doch hatte sie die Schwestern für die Jedi entdeckt. Während eines der seltenen Jedi-Besuche auf Ryloth hatte sie die Begabung der Schwestern in der Macht erkannt, sie vor einer der schlimmsten Ryll-Höhlen in Kala’uun gerettet und dafür gesorgt, dass sie zur Jedi-Akademie gebracht wurden. Alema seufzte und streckte die Hand aus.
»Wenn es sein muss.«
Numa legte Alema deren Lichtschwert in die Hand. Alema entfernte den adeganischen Kristall und verstaute ihn ebenfalls in ihrem Nabel. Sie warfen ihre Jedi-Roben und die übrigen Waffen in den Zerkleinerungsschacht, dann traten sie in den Lift, fuhren zwanzig Stockwerke nach unten auf das Maschinendeck und ließen irgendwo im Gang auf halbem Weg zu den Röhren ihre Reisetasche stehen. Obwohl es ein weitaus weniger auffälliger Akt der Sabotage durchaus auch getan hätte, war es sehr effektiv, das Aktivierungsbord des Lifts zu zertrümmern. Ein Kollisions-Vorrangschaltkreis würde die Röhre festhalten, bis die Sicherheitseinrichtungen entfernt waren.
»Zeit für ein bisschen Abwechslung«, sagte Alema.
Sie rief ein banales Emotidrama auf den Datenblock, und die Schwestern eilten in Richtung Schott 42. Während sie durch den Korridor liefen, spähten sie in jeden Raum, an dem sie vorbeikamen, und riefen nach jemandem namens Travot. Als sie die Induktionskontrolle erreichten, trat ihnen ein Yuuzhan-Vong-Krieger entgegen. Den nur drei langen Narben auf jeder Wange zufolge und mit lediglich einem entstellten Ohr nahm er gewiss keinen hohen Rang ein. Die Schwestern drückten sich an die gegenüberliegende Wand des Gangs, taten ihr Möglichstes, um erschreckt zu wirken, und wollten sich langsam vorbeischieben.
Er blockierte ihnen den Weg mit dem Amphistab. »Wo wollt ihr hin?«
»Z-zu Travot.« Numa ließ ihre Stimme verängstigt und zaghaft klingen. »Er arbeitet im Spulenraum.«
»Im Spulenraum?«, wiederholte der Yuuzhan Vong.
Alema zuckte mit den Schultern und betrachtete ihren Datenblock, als könnte sie sich nicht von dem Emotidrama lösen. »Sein Arbeitsplatz.«
Ein zweiter Yuuzhan Vong mit krummer Nase und dem Narbengesicht eines niedrigen Offiziers kam in den Gang. Er musterte die Schwestern kurz, sah, dass unter ihren Tanzkleidern kein Platz war, um ein Lichtschwert zu verstecken, und zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
»Dieses Schiff wurde beschlagnahmt. Geht zurück in eure Kabinen.«
Numa und Alema setzten eine Miene auf, in der sich Furcht und Verwirrung mischten, und bewegten sich nicht vom Fleck.
»Ich verlange Gehorsam!«, sagte der Yuuzhan Vong.
»Wir k-können nicht«, sagte Alema.
»Das Deck wurde abgeriegelt«, erklärte Numa. »Und unser Salon ist auch geschlossen.«
»Verstehen Sie?« Alema rief den Plan des Schiffs auf und zeigte den Datenblock dem Offizier. »Wir können nirgendwohin.«
»Besudel mich nicht mit deinem gottlosen Gerät!« Der Offizier schlug ihr den Datenblock aus der Hand und zertrat ihn mit der Hacke, dann winkte er jemandem in dem Raum zu. »Bring den ungläubigen Maschinenmann her.«
Ein dritter Yuuzhan Vong erschien mit einer geschundenen menschlichen Frau in der Tür. Eine Augenbraue war aufgeplatzt, nach Kupfer riechendes Blut rann über die Hälfte des Gesichts.
»Hast du jemanden namens Travot in deiner Truppe?«
Numa sah, wie ihre Schwester der Maschinistin direkt in die Augen blickte und kaum wahrnehmbar nickte, wobei sie der Frau mithilfe der Macht suggerierte, sie kenne Travot. Zudem nutzte Alema die mangelnde Sensibilität der Yuuzhan Vong für die Macht aus und erspürte ungefähr hundert Wesen in der näheren Umgebung, von denen die meisten verängstigt waren, einige davon Wut oder Schmerz zeigten. Natürlich konnte sie die Eindringlinge nicht fühlen; die Yuuzhan Vong waren für die Macht genauso unsichtbar wie diese für sie − aber sie spürte die gierige Gegenwart des Voxyn, das zu ihnen herunterkam. Es hatte eine andere Liftröhre gefunden.
Nach kurzer Verwirrung sagte die Maschinistin schließlich: »Es gibt einen Travot bei den Maschinisten, aber er gehört nicht zu meinem Team.«
Der Offizier betrachtete die beiden Schwestern und versuchte ohne Frage die richtige Prozedur zu finden, wie er mit ihnen verfahren sollte. Alema entschied, ihm ein wenig zu helfen, indem sie einfach die Antwort vorwegnahm, die sie hören wollte − ein subtiles Mittel der Verlockung, das sie und ihre Schwester in den Ryll-Höhlen von Kala’uun erfolgreich angewandt hatten.
»Der Maschinenraum ist doch dort unten, oder? Bei Schott zweiundvierzig?«
»Das stimmt«, erwiderte die Maschinistin. »Bei Schott zweiundvierzig.«
Alema trat neben ihre Schwester und schaute den Amphistab an, der ihnen den Weg versperrte. Der Untergebene sah seinen Offizier an, der eine finstere Miene zog und ihm einen Wink gab.
»Kümmern Sie sich darum, und kommen Sie dann zurück.«
Die Schwestern warteten nicht, bis der Krieger vorausging, sondern drängten sich an dem Amphistab vorbei und eilten den Gang entlang. Die Schotten stellten lediglich einfache Bögen dar, die sich alle zehn Meter über dem Gang spannten, doch in jedem befand sich eine Durastahltür, die sich beim geringsten Anzeichen von Druckabfall automatisch schließen würde. Außerdem konnte man die Türen per Zuruf herunterlassen, doch die Mannschaft hatte sich weise dagegen entschieden, den entsprechenden Kode zu verwenden, um die Suchtrupps der Yuuzhan Vong auszusperren.
Während sie den Gang entlangliefen, spürte Alema das Voxyn erneut in der Macht, auf dem gleichen Deck. Es näherte sich rasch. Sie befanden sich bei Schott dreiunddreißig und hatten noch neunzig Meter bis zu der Rettungskapsel vor sich.
»Mir ist kalt, Schwester.« Alema rieb sich die nackten Arme. »Spürst du diese Kälte auch?«
»Ruhe«, verlangte ihre Wache. »Diese Klagen sind Gotteslästerung.«
Alema sehnte sich nach ihrem Lichtschwert.
Hinter ihnen klickten leise Krallen auf dem Metallboden. Alema blickte über die Schulter und sah ein fernes Knäuel Dunkelheit, das durch den leeren Tunnel hastete.
»Was ist das?«, entfuhr es ihr, und es fiel ihr schwer vorzutäuschen, dass sie das Wesen nicht kannte. »Was macht es?«
Numa schaute sich um, stieß einen überzeugenden Schrei aus und rannte den Gang hinunter, wobei sie wild mit den Armen fuchtelte. Alema kreischte ebenfalls und rannte los, während die verblüffte Wache ihnen hinterherstapfte und brüllte, sie sollten stehen bleiben. Als sie Schott achtunddreißig passierten, schrie der Yuuzhan Vong wütend etwas in seiner eigenen Sprache, als das Voxyn ihn von den Beinen warf.
Alema blickte sich nicht einmal um. »Schott achtunddreißig schließen!«, rief sie. »Berechtigungskode: Nebula Rubantin!«
Das Schott krachte hinter ihnen zu und verriegelte sich mit einem Zischen − dann schepperte es laut, als das Voxyn dagegenrannte. Natürlich hatten sie mit dem Schließen der Tür die Aufmerksamkeit des Yuuzhan-Vong-Kommandanten auf sich gelenkt, aber das Gleiche wäre auch passiert, wenn sie sich hätten erwischen lassen. Alema hoffte, dieses Wesen habe sich das Genick gebrochen, so viel Glück hatten sie jedoch nicht. Das Voxyn war sofort wieder auf den Beinen und warf sich erneut gegen die Durastahltür.
Sie passierten Schott zweiundvierzig. Numa wandte sich der Außenwand zu und schlug auf den Zugangsknopf zur Schleuse der Rettungskapsel.
»Achtung: Sie haben um Zugang zur Abschussbucht einer Rettungskapsel gebeten.« Der Computer sprach mit der gleichen fröhlichen Frauenstimme, als würde er zu einem Dinner einladen. »Wollen Sie diesen Vorgang fortsetzen?«
»Ja!«, sagte Numa.
»Wenn Sie fortfahren, wird Alarm ausgelöst in der Sicherheit…«
»Überspringe den Alarm! Kode: Pollux acht eins sechs!«, rief Alema. »Geheimer Start.«
»Überspringen wurde akzeptiert.«
Die irisförmig angeordneten Lamellen der Luke schoben sich auf, als von Schott achtunddreißig ein leiser Knall zu hören war, und Alema wusste, dass die hermetische Verriegelung entsperrt worden war. Im ersten Moment dachte sie, jemand auf der Brücke habe die Tür geöffnet, doch dann vernahm sie die erstickte Stimme der Maschinistin.
Die Tür wurde hochgefahren, und das Voxyn mit seinen aufgestellten Sensorborsten und dem weißen, peitschenden Schwanz hastete auf sie zu. Die gelben Augen des Wesens waren auf den Boden gerichtet, und eine lange, gespaltene Zunge schob sich aus seinem Maul. Alema sehnte sich mehr denn je nach ihrem Lichtschwert.
»Rettungskapsel bereitmachen«, befahl Numa und schob Alema in das bläuliche Licht der Startrampe. »Jetzt, Schwester.«
Alema starrte in die Ausströmöffnung des primitiven Raketenantriebs der Rettungskapsel. Sie hatte kaum einen Meter Durchmesser, und das Triebwerk reichte gerade aus, um die Einhundert-Personen-Kapsel in Richtung des nächsten bewohnbaren Planeten in Bewegung zu setzen.
In den Gang rief Numa: »Schott zweiundvierzig schließen! Berechtigungskode: Nebula Rubantin!«
»Der Notfallkode für das Schott wurde vorübergehend ausgesetzt«, antwortete der Computer mit seiner lieblichen Stimme. »Bitte erstatten Sie Bericht über Notfälle an das zuständige Personal.«
»Überspringen!«, befahl Numa. »Und schalte die Sicherheitssensoren ab! Kode: Pollux…«
Während Numa den Berechtigungskode beendete, schlüpfte Alema am Triebwerk vorbei ins Innere der Kapsel. Draußen knirschte etwas entnervend laut, aber Alema konnte nicht mehr sehen, was außerhalb der Kapsel vor sich ging. Sie drückte auf den Aktivierungsschalter. Die Luke glitt auf und enthüllte einen hell erleuchteten Raum, in dem sich zehn Reihen mit jeweils zehn Beschleunigungssitzen drängten. Es gab kein Cockpit und kein Sichtfenster, nur einen Pilotdroiden, der an der Steuerkonsole stand.
Der Droide zeigte auf den Stuhl, der von der Tür am weitesten entfernt war. »Willkommen an Bord von Rettungskapsel Vier-Zwanzig-Eins. Bitte nehmen Sie Ihren Platz ein, und warten Sie auf weitere Passagiere. Es besteht kein Grund…«
»Vorbereiten zum Kaltstart.« Alema hätte einen Warmstart bevorzugt, weil das größere Geschwindigkeit bedeutete, aber das Vorwärmen der Raketen würde auf der Brücke bemerkt werden − auch wenn ihre Chancen, unbemerkt zu entkommen, inzwischen arg zusammengeschmolzen waren, mussten sie es doch versuchen. »Auf meinen Befehl. Berechtigungskode: Pollux…«
»Die Berechtigung zum Überspringen wurde bereits erteilt«, sagte der Droide und wandte sich seinen Pflichten zu. »Es besteht kein Grund, den Berechtigungskode zu wiederholen, nachdem die Startrampe betreten wurde.«
Ein nasses Schmatzen war aus dem Gang zu hören, und Numa schrie auf. Alema trat aus der Rettungskapsel und sah, wie ihre Schwester in den Abschussbereich taumelte und dabei die Hände vors Gesicht hielt, als wolle sie es schützen. Sie verfehlte die Mitte der Luke, stolperte über die Kante und fiel der Länge nach hin. Ihr Gesicht und ihre Brust waren mit brodelndem, braunem Schleim bedeckt, und ihre Lekku schlugen auf den Durastahlboden.
Alema fühlte Numas Schmerz nicht, was, wie sie gehört hatte, manchmal bei Macht-sensitiven Geschwistern vorkam, aber sie erhielt einen Eindruck der Gedanken ihrer Schwester. Numa fürchtete zu erblinden, und darüber hinaus hatte sie Angst, sie könnten als Jedi enttarnt werden und so den Tod weiterer Unschuldiger verursachen. Und wütend war sie − wütend auf ihre eigene Unachtsamkeit, sich von diesem Wesen überraschen zu lassen.
»Schwester!«
Alema sprang auf Numa zu und sah das Voxyn, das unter dem Schott zweiundvierzig eingeklemmt war und versuchte, sich vorwärts zu bewegen. Obwohl der Leib fast flach gedrückt wurde, bewegte es sich noch, was Alema erstaunte. Die Schotten hatten Sicherheitssensoren, weil sie sich mit solcher Wucht schlossen; diese Sensoren konnte man außer Kraft setzen, weil es manchmal notwendig war, etwas zu zerquetschen, um das Schiff zu retten.
Während sich Alema ihrer Schwester näherte, drehte das Wesen die breite Schnauze in ihre Richtung und spuckte braunen Speichel. Durch den Angriff auf ihre Schwester vorbereitet, öffnete sich Alema der Macht und schickte den Schleim mit einer nahezu unbewussten Handbewegung zu dem Angreifer zurück. Schneller als ein Blasterblitz schloss das Voxyn die Augen und wandte sich ab, ehe der eigene Speichel sein Gesicht traf.
Alema kümmerte sich kaum darum. Numas Gedanken gerieten durcheinander, aus ihren Schreien wurde ein Stöhnen. Alema packte ihre Schwester unter den Armen, kam dadurch an den Händen selbst in Kontakt mit dem brennenden Schleim und versuchte, nicht daran zu denken, was dieses Zeug wohl in Numas Gesicht und Augen anrichtete.
»Finde deine Mitte, Schwester.« Sie zerrte Numa zur Kapsel. »Lass die Macht in dich fließen.«
Numa verstummte, und auch ihre Gedanken wurden alarmierend still − doch dann verschwand die Stille und machte einem Frieden und einem vagen Gefühl der Leere Platz. Alema schrie auf, wollte sie anschauen, spürte aber, wie sich der Schleim in die Knochen ihrer Finger brannte, und sie brachte den Mut nicht auf.
Alema trug den Körper ihrer Schwester durch die Luke der Rettungskapsel und warf noch einen Blick zurück auf das Schott, wo das Voxyn immer noch eingeklemmt war und sie weiterhin beobachtete. Die eine Seite des Kopfes war mit dem ätzenden Schleim bedeckt, die Schuppen darunter brodelten und rauchten, während sie sich auflösten. Die Spitzen mehrerer Amphistäbe erschienen in dem schmalen Spalt, und jemand versuchte − vergeblich −, das Schott aufzuhebeln.
Der Teil von Alema, der nicht um ihre Schwester trauerte, sondern weiterhin eine Jedi war, erkannte, dass die letzte Aussicht darauf, unbemerkt zu entkommen, geschwunden war. Die Yuuzhan Vong würden das Surren der Luke hören, wenn diese sich schloss, und den Stoß bemerken, wenn die Kapsel sich vom Schiff trennte. Trotzdem musste sie einfach weitermachen. Pollux’ Leben war verwirkt − sie kannte die Yuuzhan Vong gut genug, um zu wissen, dass der Kommandant der feindlichen Krieger ihm die Lüge nicht vergeben würde −, allerdings kostete es Zeit, ein Schiff von der Größe der Nebula Chaser zu zerstören. Vielleicht würde man sich an Bord der Fregatte genötigt sehen, die Rettungskapsel zu verfolgen, anstatt den Starliner anzugreifen. Das war ihre größte Hoffnung − und ihre einzige.
Sie blickte zur Luke zurück. »Abschussbereich schließen!«
Die Schnauze des Voxyn, alles, was Alema noch von ihm sehen konnte, wandte sich ihr zu und öffnete sich einen halben Meter weit. Ein entsetzlicher Schrei gellte ihr in den Ohren, dann traf sie eine mächtige Druckwelle wie eine Faust in den Bauch. Plötzlich fühlte sie sich benommen, ihr war übel, und im nächsten Moment sank sie mit dem toten Leib ihrer Schwester in die Rettungskapsel. Ihr rann etwas Warmes aus den Ohren, und als sie es mit dem fleischlosen Finger berührte, wurde die Spitze des Knochens rot vom Blut.
Alema wollte sich erheben, hätte sich fast übergeben, ließ sich wieder in die Hocke sinken. Ihr drehte sich der Kopf, ihr Magen brodelte. Während sie Numa in den Armen hielt, kämpfte sie sich durch die Luke der Rettungskapsel.
»Start!«, keuchte Alema. »Sofortiger Start!«
Die Tür schloss sich, das Licht wurde gedämpft − und das war alles. In der Kapsel blieb es unheimlich still. Verwirrt schleppte sich Alema an den Beschleunigungssitzen vorbei und sah nach vorn. Der Droidenpilot sah sie an, sein Vokabulator flackerte hektisch, während er ihr die vorgeschriebene Startprozedur erklärte.
»Überspringen!«, brüllte sie. »Berechtigungskode…«
Die Rettungskapsel machte einen Satz nach vorn und schleuderte Alema in das Gestell eines der Durastahlstühle. Den Berechtigungskode hatte sie bereits genannt.
Jaina verpasste den Start. Sie starrte auf das Display vor sich und versuchte, den Kom-Empfänger perfekt auf die Antenne der Nebula Chaser auszurichten. Da der Starliner nur zwanzig Millionen Kilometer vor der orangefarbenen Sonne trieb, wäre diese Aufgabe schon unter günstigen Umständen schwierig zu lösen gewesen. Durch die Anwesenheit der Yuuzhan Vong war Jaina gezwungen, lediglich die Düsen einzusetzen, und damit wurde dieses Manöver nahezu unmöglich.
Nach einigen Minuten hatte Jaina ihr Zielfadenkreuz endlich mit der Rotation der Schatten und der Umlaufbahn der Nebula Chaser um die Sonne abgestimmt.
»Wie kann das sein?«
R2-D2 ließ über ihr Display eine Nachricht laufen.
»Nein, ich glaube, das kann ich nicht«, fauchte Jaina. »Wenn du irgendetwas reinbekommst, immer her damit!«
Ein halbes Dutzend zweidimensionaler Vids erschien in der Kuppel, auf der Plexlegierung hübsch in Reihen arrangiert. Die Hälfte zeigte Yuuzhan-Vong-Krieger, die sich wie Yuuzhan Vong benahmen, Droiden zertrümmerten, Elektronik in Zerkleinerungsschächte warfen und hilflose Flüchtlinge verprügelten. Auf einem Bildschirm sah man eine Art achtbeiniges Reptil − vielleicht war es ein Reptil −, das unter einem Schott eingeklemmt war, dessen Kopf übel von Säure verätzt war und dem wegen plötzlichen Druckabfalls ein Auge geplatzt war. Ein weiterer Bildschirm zeigte die leere Bucht einer Rettungskapsel, aber es war vor allem das letzte Bild, das Jainas Interesse erregte.
Darauf sah man die Brücke der Nebula Chaser, wo Kapitän Pollux und seine Mannschaft inmitten von Yuuzhan-Vong-Kriegern standen. Sogar wenn Jaina Pollux persönlich gekannt hätte und das Vid von besserer Qualität gewesen wäre, hätte sie ihn nicht erkannt. Sein Gesicht stellte nur noch einen unförmigen Klumpen dar.
Ein Yuuzhan Vong ohne Nase schnitt dem Kapitän gerade das Ohr ab. »Ich frage zum letzten Mal: Wo haben Sie die Jeedai an Bord genommen?«
Irgendwie brachte Pollux die Kraft auf zu lachen. »Welche Jedi?«
Der Yuuzhan Vong kicherte. »Sie sind ein lustiger Mann, Kapitän.« Er drückte dem Kapitän das abgetrennte Ohr in die Hand, dann wandte er sich seinen Untergebenen zu. »Tötet die Mannschaft.«
Mit sinkendem Mut wandte sich Jaina an Mara. »Können wir irgendetwas tun?«
Mara konzentrierte sich auf den Navcomputer. »Nicht für die Mannschaft. Aber sieh dir dies an.«
Sie tippte einen Befehl ein, und eine goldene Flugbahn erschien im Inneren der Kuppel. Sie führte von der Nebula Chaser in einem scharfen Bogen zu dem nächsten Planeten.
»Eine Rettungskapsel?« Jaina blickte zu der Yuuzhan-Vong-Fregatte, die weiterhin vor dem Landedeck der Chaser wartete. »Sie haben tausende von Flüchtlingen in Gefahr gebracht und schleichen sich in einer Rettungskapsel davon? Das sollen Jedi sein?«
»So sieht es wenigstens aus, oder?« Mara berechnete einen Abfangkurs. »Schnappen wir sie uns, ehe sie weiteren Schaden anrichten.«