2. Juli 2012, Hansestadt Kollwitz
Wo ist Nick?
Mattie läuft ein paar Schritte rückwärts. »Nick!«
»Vorsicht! Rechts von dir.«
Sie tritt zu, ohne hinzugucken. Erwischt irgendwen oder irgendetwas mit dem rechten Fuß. Tritt nach. Weichteile. Jemand stöhnt auf.
Die Stimme. Das war nicht Nick. Das war –
Sie hat sich zu spät weggeduckt. Ein Stiefel knallt gegen ihren Unterarm. Er wird sofort taub. Ein Kopf rast auf sie zu.
Plötzlich ist er weg.
»Da vorne ist noch einer.« Kamal.
»Okay, ich bin links von dir.« Jasmin.
Träumst du, Mattie? Bist du tot?
Sie versucht aufzustehen. Der Schmerz rast durch ihren Arm.
Tot sein tut nicht so weh.
Sie geht vorwärts. Muss wissen, was da passiert.
»Liviu!«
Er blutet über der Augenbraue. Lehnt an der Fahrertür seines Wagens. »Ninja Fighters.« Er deutet nach vorn.
Schwarze Gestalten. Man hört nichts, nur ihren Atem.
Ein gesprungener Kick. Jasmin.
Kamal hat links einen in der Zange.
Die anderen beiden Ninjas müssen die Jungs von Assadi Securities sein.
»Rückzug!« Das ist der Typ mit der Hasskappe.
Rennende Schritte.
Die es nicht geschafft haben, den Ninjas zu entkommen, werden an den Straßenrand geräumt. Kamal überprüft ihren Puls. Dann gibt er Kerim und Axel eine kurze Anweisung. Sie schieben die Pkws der Angreifer ebenfalls an den Straßenrand.
»Mit dir auch alles okay?« Eine kurze Berührung an der Schulter, mehr nicht.
Mattie hält sich den Arm. »Kamal, was macht ihr hier?« Sie kann ihn nicht mal richtig sehen im Licht der Scheinwerfer.
»Sie haben mich hergefahren. Hatten einen Auftrag in der Nähe. Wir wollten euch überraschen. Nicht retten.« Jasmin legt vorsichtig ihre Hand auf Matties Arm.
»Au! – Woher wusstest du, wo wir sind?«
»Ihr seid nicht ans Telefon gegangen. Da habe ich Volker angerufen. Du musst zum Arzt.«
»Ich fahre sie. Kümmer du dich um den Rest.« Willenlos lässt sich Mattie von Kamal zum Van von Assadi Securities bringen.
Ist es wirklich erst einen Monat her, dass sie Emma ihre Möbel gebracht hat? Das letzte Training. Der letzte Abend im Dojo. Der wortlose Abschied.
»Du hast lange nicht trainiert«, sagt Kamal und startet den Wagen. »Sonst wäre dir das nicht passiert.«
»Ich habe kein Dojo mehr.« Mattie beißt die Zähne zusammen. Tut so weh. »Und keinen Lehrer.« Nicht weinen.
»Doch«, sagt Kamal. »Du hast beides.«
»Au!« Ein Schlagloch.
Weißt du, was das bedeutet, Mattie? Du hast eine Option. Du kannst in dein Shaolin-Kloster zurückkehren. Für eine Weile. Vielleicht für immer.
Sie beißt sich auf die Lippe. »Es kann ein paar Jahre dauern.«
Kamal sieht sie an. »Tu, was du tun musst, Mattie.«
Das Lachen explodiert in ihrem Bauch. Der Spruch ist so was von Kamal! Zu viele Jet-Li-Filme gesehen.