Gibt es einen Nord-Süd-Jetlag?

Ein paar exotische Ideen wurden vorgebracht, um das weniger gut dokumentierte Problem des Nord-Süd-Jetlags zu erklären. Der konventionelle Jetlag resultiert aus Flügen über mehrere Zeitzonen, wodurch sich der Tag verlängert oder verkürzt. Aber was ist mit Langstreckenflügen, bei denen es keinen Zeitunterschied gibt, die in derselben Zeitzone stattfinden, etwa von Toronto nach Lima oder von Johannesburg nach Helsinki? Wäre die Zeitverschiebung die einzige Ursache für den Jetlag, sollten nach einem Nord-Süd- oder Süd-Nord-Langstreckenflug keine Beeinträchtigen auftreten. Aber es gibt sie.

Das hat einige Autoren, die sich mit dem Fliegen beschäftigt haben, dazu gebracht, bizarre Kräfte zu vermuten, die auf den Körper einwirken. Sie führen etwa an, dass man auf einer Nord-Süd-Route die Magnetfelder der Erde kreuzt. Sie erklären, auch das Wasser im menschlichen Körper, aus dem dieser zu einem Großteil besteht, verhalte sich nördlich und südlich des Äquators unterschiedlich, was daran zu sehen sei, dass es im Norden mit dem Uhrzeigersinn und im Süden gegen den Uhrzeigersinn in den Abfluss laufe. Die verschiedenen Hemisphären würden daher ebenfalls unterschiedlich auf unsere Körperflüssigkeiten wirken.

Leider haben diese unterhaltsamen Ausführungen kaum eine wissenschaftliche Basis. Die Corioliskraft – ein Nebeneffekt der Erdrotation, siehe hier –, die die Richtung des Badewasserablaufs bestimmen soll, ist schon dafür zu schwach. Auch ihr Einfluss auf den Körper ist äußerst klein, wesentlich geringer als jeder Einfluss durch die Bewegungen der Maschine. Und was das Magnetfeld der Erde angeht: Es gibt zwar schlüssige Hinweise, dass manche Vögel Veränderungen in Magnetfeldern wahrnehmen und sie zum Navigieren nutzen können, aber das Magnetfeld der Erde ist nicht stark, und wiederum gibt es objektiv keine Erscheinungen dabei, die Auswirkungen auf unser Wohlergehen haben.

Statt über pseudowissenschaftliche Thesen nachzudenken, sollten wir uns in Erinnerung rufen, was der Jetlag eigentlich ist. Er ist eine Erschöpfung ähnlich der, wie sie auch Schichtarbeiter kennen, zu der eine Desorientierung aufgrund einer Zeitverschiebung sowie die Auswirkungen von Dehydrierung und einem niedrigen Luftdruck kommen. Bis auf die Desorientierung durch die Zeitverschiebung bestehen diese Umstände auch bei einem Flug innerhalb derselben Zeitzone. Es gibt also keinen Grund, nach einer geheimnisvollen Kraft zu suchen, die eine schwächere Form von Jetlag bei den Passagieren von Nord-Süd- und Süd-Nord-Langstreckenflügen bewirkt. Und erst recht besteht kein Anlass für einen anderen Umgang damit. Dieselben Vorkehrungen helfen auch bei dieser Form des Jetlags.

Warum Tee im Flugzeug nicht schmeckt und Wolken nicht vom Himmel fallen: Eine Flugreise in die Welt des Wissens
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