Treibstoff für den Flug
Vom Gate oder auch von Ihrem Sitzplatz aus können Sie vielleicht beobachten, wie eine Maschine von einem Betankungsfahrzeug aufgetankt wird. Flugzeugtreibstoff, dessen charakteristischer Geruch Ihnen beim Einsteigen in die Nase steigt, ist eine Kerosin-Art. Wie bei Diesel oder Benzin handelt es sich um eine Mischung von Kohlenwasserstoffen. Das sind organische Moleküle aus Rohöl, die Kohlenstoff und Wasserstoff enthalten und die nützliche Eigenschaft haben, effizient zu verbrennen und in Relation zu ihrem Gewicht viel Energie zu liefern. Flugzeugtreibstoff hat üblicherweise größere Moleküle als Benzin oder Diesel, die beim Auto zum Einsatz kommen, und ist daher weniger flüchtig.
Damit Sie ein Gefühl für die Substanzen bekommen, um die es sich hier handelt, lassen Sie mich Oktan vorstellen. Wie alle Moleküle bestehen auch die von Oktan aus einer Anzahl von Atomen, die durch die Interaktionen der geladenen Teilchen, die die Atome bilden, zusammengehalten werden. Könnten Sie das Oktanmolekül sehen, würden Sie eine lange Kette von acht Kohlenstoffatomen mit insgesamt 18 Wasserstoffatomen erkennen. Die Bezeichnung »Oktan« ist uns von der Benzin-Klassifizierung vertraut, wo es heißt »mit hoher Oktanzahl«. Das hat aber nichts mit der Anzahl der Oktan-Moleküle im Treibstoff zu tun, sondern ist ein Maß, mit dem die Klopffestigkeit im Vergleich zum normalen oktanhaltigen Benzin angegeben wird. (Klopfen ist eine Form der Fehlzündung, wenn ein Teil des Treibstoffs zum falschen Zeitpunkt des Motorzyklus gezündet wird.)
Für die Luftfahrt ist Erdöl-Treibstoff von großem Wert, weil das Gewicht für ein Flugzeug ein kritischer Punkt ist und Flugzeugkraftstoff eine immense Energiemenge pro Gewichtseinheit enthält. Vergleichen wir nur einmal Erdöl-Treibstoff und Batterien. Selbst beim Einsatz von High-Tech-Computerbatterien bräuchte man rund eine Tonne Batterien, um so viel Energie wie in 10 Kilogramm Flugzeugtreibstoff zu bekommen. Daher werden wie allzu bald keine Elektro-Verkehrsflugzeuge zu sehen bekommen.
Flugzeugtreibstoff ist so effizient, dass er die fünfzehnfache Energiemenge eines Kilogramms TNT hat. Das überrascht erst einmal, aber was TNT zum Sprengstoff macht, ist weniger seine Energiemenge, sondern die Geschwindigkeit, mit der es abbrennt. Eine Stange TNT setzt zwar wesentlich weniger Energie frei als die gleiche Gewichtsmenge Flugzeugtreibstoff, aber sie tut das in einem winzigen Sekundenbruchteil. Wenn TNT gezündet wird, entsteht ein immenser Hitzestoß, der eine Druckwelle in der Luft erzeugt, und dieser Druck verursacht den Explosionsschaden.
Im Gegensatz zu Straßenverkehr und Stromerzeugung wird es beim Flugverkehr sehr schwierig sein, fossile Brennstoffe durch sauberere Energiequellen zu ersetzen. Eine Möglichkeit ist Wasserstoff. Das einfachste Element ist keine Energiequelle per se, weil man Wasserstoff erst herstellen muss, ehe man ihn nutzen kann. Aber er stellt einen alternativen Treibstoff dar, der gegenüber Öl den Vorteil hat, dass bei seiner Verbrennung Wasserdampf die einzige Emission ist.
Ist genügend Strom vorhanden, benötigt man bloß Wasser, um Wasserstoff zu gewinnen. Solange der Strom aus einer sauberen Quelle gewonnen wird, ist Wasserstoff somit ein grüner Treibstoff. Das Großartige an diesem einfachen Gas ist, dass es pro Kilogramm noch mehr Energie als Erdöl-Treibstoff liefert – beinahe dreimal so viel. Aber es gibt ein Problem. Wasserstoff ist raumgreifend. Er ist zwar leichter als Erdöl-Treibstoff, aber das komprimierte Gas benötigt sechsmal so viel Raum, so dass seine Lagerung im sowieso eng beladenen Flugzeug schwierig wird.
Es kann sein, dass Erdöl-Treibstoff verstärkt für das Fliegen reserviert wird, wenn das Öl noch mehr zu Neige geht als heute schon, doch als letzten Ausweg gibt es eine Technik, die Kohle in Treibstoff verwandeln kann: die Fischer-Tropsch-Synthese. Sie wurde vor allem während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland eingesetzt, als das Land von den üblichen Ölquellen abgeschnitten war. Dieses Verfahren war im Zeichen sprudelnder Ölquellen in Vergessenheit geraten und ist heute wieder von Bedeutung. So besitzen beispielsweise die USA Kohlereserven, die sie mehrere Hundert Jahre ausbeuten und mit Hilfe der Synthese in Öl verwandeln könnten.
Die Gründe, warum das Verfahren bislang kaum genutzt wird, liegen zum einen in der Emissionsmenge – es wären erhebliche Entwicklungen nötig, um den Kohlendioxidausstoß zu reduzieren – und zum anderen in den hohen Baukosten der Anlagen. Doch sobald eine Anlage steht, kann Öl für rund 50 Dollar pro Barrel produziert werden – was erheblich weniger ist als der durchschnittliche Ölpreis seit 2005.
Darüber, wie schlimm die Kohlendioxidemissionen durch den Flugverkehr sind, wird heftig gestritten. Natürlich deshalb, weil Kohlendioxid ein Treibhausgas ist und zur globalen Erwärmung beiträgt. Für sich genommen ist Kohlenstoff nicht schädlich. Im Gegenteil, das unkomplizierte Element ist unentbehrlich für das Leben. Es verbindet sich leicht mit anderen Elementen zu langen Molekülketten – ohne die wäre es unmöglich, Proteine, DNS und andere komplexe Moleküle zu bilden, die Leben ermöglichen. Ohne Kohlenstoff gäbe es uns nicht.
Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Kohlendioxid ein Treibhausgas ist. Und der Treibhauseffekt ist grundsätzlich schlecht, oder?