Die Wissenschaft vom Aberglauben

Nachdem das Gate aufgerufen worden ist und Sie genügend relative Freiheit genossen haben, wird es Zeit, dass Sie sich auf den Weg zu dem Pferch namens Wartebereich machen. Gates haben traditionellerweise Nummern, und häufig werden Sie feststellen, dass es kein Gate 13 gibt. Auch wenn nur wenige Menschen unter Triskaidekaphobie – einer irrationalen Angst vor der Zahl 13 – leiden, gilt diese Zahl nun mal als Unglückszahl, und die ist etwas, das Fluggesellschaften und Flughafenbetreiber nur zu gern vermeiden.

Die Wissenschaft vom Aberglauben hat viel mit unserer Wahrnehmung von Zufall zu tun. Unsere Gehirne sind im Hinblick auf Wahrscheinlichkeit nicht gut verdrahtet. Deutlich wird das an der Art, wie wir auf Ereignis-Cluster reagieren. Stellen Sie sich vor, irgendetwas, von Krankheitsausbrüchen bis hin zu Leuten, die stürzen, passiert per Zufall im ganzen Land. Welche Verteilung würden Sie bei diesen Zufallsereignissen erwarten? Instinktiv rechnen wir mit einer gleichmäßigen Verteilung. Aber das ist völlig falsch.

Stellen Sie sich diesmal vor, Sie würden eine Büchse mit Stahlkugeln auf einen glatten, leeren Fußboden kippen. Was würden Sie denken, wenn diese gleichmäßig mit den gleichen Abständen zueinander wie in einem Raster liegen blieben? Sie würden sagen, irgendetwas hätte das bewirkt, es müssten sich Magneten im Fußboden befinden oder sonst ein Trick eingesetzt worden sein. In diesem Fall erscheinen uns Stellen, wo sich gehäuft Kugeln befinden, und andere, die leer bleiben, als normal. Diese Anhäufungen bezeichnet man als Cluster.


Experiment – Münz-Cluster

Wahrscheinlich haben Sie keine Büchse mit Stahlkugeln bei sich – und selbst wenn, würden Sie wahrscheinlich verhaftet, wenn Sie die Kugeln im Flugzeug auf dem Boden verteilen wollten. Denselben Effekt können Sie mit einer Handvoll Münzen erzielen – allerdings ist es auch hier am besten, wenn Sie damit warten, bis Sie wieder zu Hause sind. Nehmen Sie die Münzen in die Hand und lassen Sie sie aus Hüfthöhe fallen. Im Prinzip könnten sie dabei schön gleichmäßig verteilt werden, aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie Cluster bilden, ist höher.


Genau dasselbe geschieht bei jedem zufällig auftretenden Ereignis. Aber üblicherweise wurde angenommen, wenn etwa das Vieh von mehreren Bauern in derselben Gegend krank wurde, dass es einen Grund für diese Häufung geben musste. Also gab man der örtlichen Hexe die Schuld. Heute müssen Funkmasten für die Häufung nicht übertragbarer Krankheiten herhalten.

Wenn solche Krankheiten zufällig auftreten, sollten wir Cluster erwarten. Aber es ist ebenso natürlich, dass wir nach Ursachen vor Ort suchen und, wenn es eine potentielle Gefahrenquelle in der Nähe gibt, auch annehmen, dass diese verantwortlich ist. Nicht alle Cluster sind dem Zufall zu verdanken – beispielsweise ein Cluster von Asbestose-Opfern in der Nähe einer Asbestfabrik. Aber wir können nicht einfach annehmen, dass die offenkundige Bedrohung ursächlich ist. Es gibt sehr effektive statistische Methoden zur Kausalitätsprüfung, die angewandt werden müssen, ehe man Schlussfolgerungen zieht.

An Erklärungsversuchen, warum die 13 als Unglückszahl gilt, mangelt es nicht – etwa weil Judas als dreizehnte Person am letzten Abendmahl teilnahm oder die 13 bei geschlossenen Zwölfersystemen wie den 12 Tierkreiszeichen fehl am Platze ist, aber es gibt kaum Beweise, die diese Theorien bestätigen. Wahrscheinlicher ist, dass die Zahl 13 üblicherweise mit einem Cluster von Unglücken assoziiert wurde. Vielleicht hatte ein Bauernhof eine Missernte, nachdem eine Sau 13 Ferkel gehabt hatte. Und dann starb zufällig jemand an einem Dreizehnten. Sobald ein paar solcher Zufälle zusammenkamen, wurde die 13 zu der Zahl, die jeder nur zu gern hasste.

Obwohl die Angst vor der 13 irrational ist, wollen oft weder Fluglinien noch Flughafenbetreiber das Risiko eingehen, ihre Passagiere zu ängstigen. Daher gibt es in vielen Flughäfen weder einen Flug noch ein Gate 13. Im Terminal 4 im Londoner Flughafen Heathrow ist man bei der Vermeidung schon einen Schritt weiter. Wenn das Gate 13 weggelassen wird, gilt gelegentlich auch das 14. Gate als unglückverheißend, weil es ja das 13. Gate ersetzt. Damit sich also niemand beunruhigt und an die böse 13 erinnert fühlt, befindet sich in London Gate 12 am einen Ende von Terminal 4 und Gate 14 am anderen. Da man die beiden Flugsteige nicht nebeneinander sieht, wird nicht offensichtlich, dass es kein Gate 13 gibt, und niemand denkt am Gate 14 mehr daran, dass es angeblich unglücksbehaftet ist.

Warum Tee im Flugzeug nicht schmeckt und Wolken nicht vom Himmel fallen: Eine Flugreise in die Welt des Wissens
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