Eine Spur am Himmel hinterlassen
Ob Sie nun ein anderes Flugzeug ausmachen oder nicht – es ist durchaus möglich, dass Sie während eines gesamten Fluges außerhalb des Flughafens kein anderes Flugzeug zu sehen bekommen –, mit großer Wahrscheinlichkeit können Sie aber erkennen, wo sich eine andere Maschine befunden hat. Wenn Sie vom Boden aus in den Himmel schauen, entdecken Sie häufig Gebilde, die wie sehr gerade, sehr dünne Wolken aussehen und den Himmel wie luftige Straßen kreuzen.

25. Kondensstreifen: Künstliche Wolken, die von Kondensationen der Strahltriebwerke stammen.
Das sind Kondensstreifen, gebildet aus Wassertröpfchen, die von Flugzeugen zurückgelassen wurden. Wenn Sie sich selbst in einem Flugzeug befinden, kreuzen Sie möglicherweise einen Kondensstreifen oder kommen nahe an einen heran und können so sehen, welchen Weg die andere Maschine genommen hat. Allerdings können Sie nicht sicher sein (solange Sie die Maschine selbst nicht sehen), in welche Richtung sie geflogen ist. Der beste visuelle Hinweis auf die Richtung ist, dass ein Kondensstreifen mit der Zeit zerfasert, daher ist das Ende, das näher am Flugzeug ist, kompakter und weist möglicherweise von den verschiedenen Triebwerken noch einzelne Streifen auf, die nach einer Weile zusammenwachsen.
»Kondensstreifen« ist die Kurzform von Kondensationsstreifen. Entgegen der weit verbreiteten Annahme besteht er jedoch nicht aus Wasserdampf, denn das ist die unsichtbare Gasform des Wassers, die absolut transparent ist. Sichtbar wird er erst, wenn sich Wassertröpfchen oder winzige Eiskristalle bilden. Vereinfacht gesagt, ist ein Kondensstreifen eine künstliche, von Menschen gemachte, seltsam geformte Wolke.
Um zu verstehen, wieso Kondensstreifen entstehen, müssen wir uns noch einmal mit der Funktionsweise der Flugzeugtriebwerke beschäftigen. In der Brennkammer wird Flugzeugtreibstoff verbrannt. Abgesehen von Unreinheiten besteht dieser aus einem Gemisch von Kohlenwasserstoffen. Obwohl Kohlenwasserstoffe große Moleküle sein können, haben sie nur zwei atomare Bausteine, Kohlenstoff und Wasserstoff. Wenn ein Kohlenwasserstoff verbrennt, verbinden sich die Atome mit Sauerstoff aus der Luft. Das, was wir als »Brennen« bezeichnen, ist in Wahrheit nur eine chemische Reaktion, bei der sich eine Substanz mit Sauerstoff verbindet, wodurch Wärme freigesetzt wird. Die Kohlenstoffatome verbinden sich mit dem Sauerstoff zu dem Treibhausgas Kohlendioxid, und die Wasserstoffatome binden sich paarweise an ein Sauerstoffatom, was H2O, Wasser, ergibt.
Aufgrund der hohen Temperatur bei der Verbrennung hat dieses Wasser die Form von Gas. Doch wenn der Dampf hinten aus dem Triebwerk austritt und auf die kalte Luft trifft, kondensiert er zu winzigen Tröpfchen oder (wenn es kalt genug ist) Eiskristallen. Kondensstreifen sind auch nicht überall zu beobachten. Zum einen strömen sie nicht direkt aus den Triebwerken, denn es dauert ein wenig, bis das Gas kalt genug ist, um Tröpfchen zu bilden. Sie entstehen erst ein Stückchen hinter der Maschine. Zum anderen sind sie in Höhen unter 3000 Meter selten, denn erst ab da ist die Temperatur der Luft, die immer kälter wird, je höher man kommt, so niedrig, dass der Dampf schnell genug abkühlt, ehe er sich verteilt hat.
Kondensstreifen bilden sich hinter jedem einzelnen Triebwerk, und wenn man nah genug an dem entsprechenden Flugzeug ist, kann man das auch sehen. Aber es dauert nicht lange, bis sie zusammenwachsen, erst zu einem Streifen pro Flügel (wenn es sich um vier Triebwerke handelt), dann zu einem für die ganze Maschine. Letzteres ist die Form, die man am ehesten vom Boden aus sieht.
Wenn die Maschine sehr niedrig fliegt – weit unterhalb der Höhe, in der sich Kondensstreifen bilden –, sehen Sie möglicherweise etwas, das wie sehr dünne Kondensstreifen aussieht, die von den Flügelspitzen ausgehen. Gelegentlich haben diese Streifen an Bord Panik hervorgerufen, weil die Passagiere dachten, das Flugzeug würde brennen. Aber was man da sieht, ist weder Rauch noch ein herkömmlicher Kondensstreifen, sondern ein sichtbar gewordener Flügelspitzenwirbel – jene rotierende Turbulenz, die an den Flügeln entstehen kann und der Hauptgrund ist, warum Flugzeuge beim Starten und Landen größere Abstände einhalten müssen. Die sichtbaren Wirbelschleppen sind längst nicht so häufig wie Kondensstreifen. Sie entstehen, wenn ein Druck- und Temperaturabfall im Wirbel dafür sorgt, dass Wasserdampf kondensiert. Dabei handelt es sich nicht, wie beim Kondensstreifen, um Wasserdampf, den die Triebwerke produzieren, sondern um natürliche Luftfeuchtigkeit, die üblicherweise in geringeren Höhen ansteigt.