DIE LANDSCHAFT ERKUNDEN
Das Geheimnis der Felder
Sobald Sie den Flughafen hinter sich gelassen haben, befinden Sie sich auf einer der faszinierendsten Etappen des Fluges. Einerseits sind Sie noch weit genug unten, um zahllose Details am Boden zu erkennen, andererseits haben Sie die seltene Gelegenheit, Ihre Umgebung aus der Vogelperspektive zu betrachten. Heutzutage kann jedermann im Internet ein statisches Luftbild aufrufen, aber der Blick aus dem Flugzeugfenster birgt einen Realismus und eine zunehmende Reichweite, die Sie die Einzelheiten von Stadt und Land ganz neu wahrnehmen lassen.
Wenn Sie im Sommer oder frühen Herbst über Felder fliegen, haben Sie zum Beispiel die Chance, Kornkreise in optimaler Darstellung zu sehen. Vom Boden sind sie sehr schwierig auszumachen, doch aus der Luft entpuppen sich die riesigen Muster als wahre Kunstwerke. In ihrer Konstruktion sind Kornkreise im Grunde ziemlich simpel, aber ihre Formgebung ist oft verflixt komplex.
Fast zwanzig Jahre lang, ab Ende 1970er Jahre, galt es als großes Rätsel, woher die Zeichnungen in den Getreidefeldern stammten. Es wurde spekuliert, Wetterphänomene wie besondere Wirbelstürme seien die Ursache, andere machten außerirdische Besucher verantwortlich, die sich entweder wechselseitig Zeichen gaben oder Botschaften hinterließen, die die Menschen entziffern sollten. Viele waren sich einig, dass die Muster nicht von Menschen geschaffen sein konnten, ohne das umliegende Getreide stärker in Mitleidenschaft zu ziehen. Doch 1991 gaben Doug Bower und Dave Chorley, zwei Männer aus Südengland, zu, dass sie es waren, die die Kornkreishysterie ausgelöst hatten.

8. Kornkreis (in Corcelles-près-de Payerne, Schweiz).
Sie führten vor, wie sie die Kornkreise mit Hilfe von einem oder mehreren Holzbrettern konstruiert hatten, an deren Seiten Seile festgemacht waren. Um annährend exakte Linien zu produzieren, hatten sie eine alte Kappe mit einer Drahtschlinge versehen und damit Peilungen auf bestimmte Geländepunkte vorgenommen. Da keine schweren Maschinen eingesetzt wurden, sondern nur zwei Männer zu Fuß, blieb das umliegende Getreide nahezu unzerstört. Bei Konstruktionen dieser Größe verzeiht das Auge leicht, so dass Formen als genauer wahrgenommen werden, als sie es tatsächlich sind.
Viele andere nahmen die Kornkreis-Herausforderung an und entwickelten immer komplexere Formen. Nach wie vor überwiegen geometrische Muster, aber es wurden auch schon Logos zu Werbezwecken und andere eher irdische Bilder produziert. Trotzdem gibt es immer noch eine Zahl von Gläubigen, die daran festhalten, dass manche Kornkreise von Außerirdischen stammen. Im Prinzip könnte das stimmen, im Prinzip könnte auch der Supermarkt um die Ecke von Aliens gebaut worden sein, solange man nicht beobachtet hat, wie Menschen das taten – doch äußerst unwahrscheinlich ist es schon. Die simple Entstehung der Kornkreise sollte aber nicht davon ablenken, dass es sich um ausgezeichnete kurzlebige Kunstwerke handelt. Kunst, die Getreide als Medium und Bretter als Zeichengerät verwendet, aber nichtsdestotrotz Kunst.