16
»Ich möchte, daß du mit mir fährst«, sagte Valerie Steinfeld.
»Aber warum?«
»Ich muß mit Heinz reden, er ist furchtbar aufgeregt. Dich hat er gern, du bist der Onkel Martin für ihn, der immer nett zu ihm war.«
»Na und?« rief Landau gereizt. »Was hat das damit zu tun?«
»Heinz wird sich leichter beruhigen, wenn du da bist und er seine Aggressionen nicht so direkt an mir abreagieren kann.«
»An dir?«
»Natürlich! Wer hat seinen Vater geheiratet?«
»Jetzt ist es fast acht Uhr. Wenn ich mit dir gehe, komme ich immerhin vor zehn nicht nach Hause. Und Tilly wird inzwischen verrückt vor Sorge!«
»Die rufst du natürlich an, jetzt gleich.«
»Nein, bitte, Valerie, laß mich da heraus! Laß mich heimgehen. Ich wüßte überhaupt nicht, was ich Heinz sagen soll. Du machst das viel besser allein. Ich …« Er holte erschrocken Luft. »Was tust du da?«
»Ich wähle eure Telefonnummer.«
»Nein!« Er sprang vor, schlug die Gabel hinunter und hielt sie fest.
»Nein! Nein! Ich will nach Hause! Valerie, so laß mich doch nach Hause gehen!«
Sie stritten ein kurze Weile, dann sagte Landau erbittert: »Also gut, ich komme mit. Ich will es nicht. Das weißt du. Aber du bestehst immerhin darauf. Weil du auch weißt, daß ich dir nichts abschlagen kann.«
»Ja.« Valerie lächelte. »Natürlich darum.«
»Eine Gemeinheit ist das«, rief er betrübt. »Du nützt das aus, meine Schwäche.«
»Natürlich«, sagte Valerie wiederum. »Und nun ruf deine Schwester an.«
Er rief an. Er erklärte Ottilie, die ihn dauernd mit Fragen unterbrach, bis er vor Ärger und Aufregung stotterte, er werde später kommen und warum. Ottilie sprach so laut, daß Valerie ihre Stimme verstehen konnte: »Das paßt mir aber gar nicht, Martin! Überhaupt nicht paßt mir das!«
»Glaubst du, ich bin entzückt? Aber sie ist immerhin ein so alte Freundin von uns …«, sagte Landau, und zu Valerie gewandt, eine Hand über dem Sprechrohr, anklagend: »Da hörst du es!«
»Alte Freundin, bah! Heinz ist ihr Sohn, und wenn er etwas ausgefressen hat, dann ist das seine und ihre Sache!«
»So lang kennen wir uns«, stöhnte er kläglich.
Tillys Stimme wurde milder: »Also, meinetwegen geh mit Valerie. Aber du sagst nichts, du tust nichts, was dich in diese Sache hineinzieht, verstanden?«
»Freilich, Tilly, Freilich …«
»Du hältst dich da raus! Den Buben beruhigen, das ist das Äußerste! Sag Valerie, wenn sie es sich nicht mit mir verderben will, dann läßt sie dich sofort danach gehen und kümmert sich um ihre eigenen Angelegenheiten!«
»Sie hat es schon gehört, du schreist so.«
»Dann ist es ja gut. Und um halb zehn bist du hier. Spätestens!«
»Ja, Tilly, halb zehn. Servus.« Er legte den Hörer hin, stand bebend da und äußerte, Schulter hochgezogen, Kopf schief gelegt, mit aller Empörung, die er besaß, in der Stimme: »Zum Kotzen ist das!«
»Was?«
»Alles!« schrie der kleine, sanfte Mann auf. »Ihr seid mir alle zum Kotzen! Meine Schwester und du und dein Balg und diese ganze verfluchte Welt!«
»Natürlich, Martin«, sagte Valerie. »Und jetzt komm, zieh schön deinen Mantel an.«