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»Yvonne war sehr böse. Sie muß bestraft werden. Wer von Ihnen will sie auspeitschen, meine Herren?« fragte Nora Hill mit rauher, tiefer Stimme. Sie sprach nicht besonders laut, und doch schienen ihre Worte zu hallen, so groß war die Stille in der kreisrunden Halle, die schwach von blauem Licht erhellt wurde. Manuel, den ein athletisch gebauter Mann im Smoking ins Haus gelassen hatte, wartete weit hinten, fast im Dunkeln. Nora Hill stand im Lichtkreis eines Scheinwerfers. Manuel wußte, daß es Nora Hill war. Der Athlet hatte erklärt: »Madame ist im Moment beschäftigt. Aber sie hat mir Ihr Kommen avisiert. Ich werde melden, daß Sie da sind. Bitte, warten Sie hier.«
Hier – das war ein antik eingerichteter kleiner Salon gewesen, in den der Athlet Manuel geführt hatte. Von draußen waren viele Geräusche und Musik hereingeklungen. Ihnen folgte plötzliche Stille und danach die harte, befehlende Stimme einer Frau. Manuel hatte die Bitte des Athleten mißachtet, seine Neugier war zu groß gewesen. Er wollte die beschäftigte Madame sehen. Leise verließ er den Salon und gelangte durch einen menschenleeren kurzen Gang in die Halle. Da erblickte er dann die Dame des Hauses …
Neben Nora Hill stand, gleichfalls im gleißenden Lichtkegel des Scheinwerfers, ein junges Mädchen mit flammend rotem Haar. Nora Hills Abendkleid war knöchellang und aus Silberlamé. Sie hatte schwarzes Haar, schwarze, große Augen, einen großen Mund und war stark geschminkt. Eine faszinierende Frau, dachte Manuel. Wie alt? Vierzig, höchstens. An jedem Ohr trug Nora Hill einen großen tropfenförmigen Smaragd, ein Smaragdkollier mit vielen Steinen um den Hals und einen Smaragdring. Der Schmuck funkelte. Mit beiden Händen stützte Nora Hill sich auf die Griffe von zwei modernen Leichtmetallkrücken, deren gepolsterte Enden ihren Ellbogengelenken angepaßt waren.
In der rechten Hand hielt sie eine Peitsche. Die Peitsche hatte einen kurzen Stiel und zahlreiche dünne braune Riemen. Leder ist das wohl, dachte Manuel. Nun hob Nora Hill die rechte Hand samt der Krücke, stützte sich schwer auf die linke und ließ die Peitsche durch die Luft sausen. Die Riemen pfiffen.
»Also, meine Herren! Yvonne muß ihre Strafe bekommen. Auf der Stelle! Wer will, kann sie schlagen, bis sie ohnmächtig wird!«
Das Mädchen neben ihr war vollkommen nackt. Es versuchte, die Scham und die Brüste mit Armen und Händen zu verbergen.
»Hände weg!« sagte Nora Hill.
Das Mädchen zögerte.
Nora Hill schlug ihr klatschend die vielschwänzige Peitsche über den Rücken. Das Mädchen schrie auf.
»Hände weg!«
Yvonne ließ die Arme sinken. Nun stand sie völlig entblößt da. Das Dreieck ihrer Scham leuchtete rot wie das Kopfhaar.
»Sie werden sich doch nicht genieren! Vorwärts, meine Herren!« Nora Hill hob nie die Stimme. Sie lehnte den Krückstock, den sie zusammen mit der Peitsche hielt, gegen ein Fauteuil. Nun hatte sie die Rechte frei für die Peitsche. Die Linke stützte sich schwer auf die zweite Krücke.
In dem bläulich erhellten Halbdunkel der großen Halle, in die Nora Hill blickte, saßen mindestens zwanzig Männer und mindestens ein Dutzend Mädchen auf Lehnstühlen, auf Couches, an kleinen Tischen, vor Gläsern, Flaschen und Sektkübeln. Manuel sah wenig mehr als Silhouetten. Es waren junge und ältere Männer, in Abendkleidung, in Straßenanzügen. Manuel erkannte, daß die Mädchen alle jung und hübsch waren. Neben sehr hellhäutigen gab es auch dunklere Typen, ja eine Negerin. Die Mädchen saßen bei den Männern, auf ihren Knien. Wenige waren komplett angezogen. Die meisten befanden sich in verschiedenen Stadien der Entblößung, sie trugen nur Schuhe und mehr oder weniger Unterwäsche.
Nora Hill balancierte geschickt und mit langer Übung ihr Gleichgewicht auf dem einen Krückstock aus und schlug dem rothaarigen Mädchen dann die Riemen der Peitsche über den weißen Bauch. Yvonne hatte eine sehr helle Haut. Sie schrie wieder und krümmte sich. Sofort schlug Nora neuerlich zu, auf das Gesäß. Die Riemen knallten. Die Schläge klatschten. »Na, was ist denn, meine Herren? Das macht doch Spaß! Was haben Sie bloß?« Nora Hill sprach ein sehr reines Deutsch, ohne jeden österreichischen Akzent, fiel Manuel plötzlich auf. »Will denn wirklich keiner von Ihnen Yvonne auspeitschen? Keiner?«
Es blieb still in der Halle. Manuel hörte jemanden in seiner Nähe hastig atmen.
»Dann muß Gloria es tun«, entschied Nora Hill. Sie sagte heiser und nicht eine Spur lauter: »Gloria!«
»Ja, Madame.«
Aus der Dunkelheit tauchte – Manuel sah nicht, woher – ein zweites Mädchen auf. Es war gleichfalls vollkommen nackt bis auf ein Paar weicher, eng anliegender Lederstiefel, die bis über die Knie reichten. Dieses Mädchen war ein dunkler Typ mit schwarzblauem Haar.
»Du wirst Yvonne peitschen, Gloria!«
»Ja, Madame.« Gloria knickste.
Nora Hill ließ sich in das Fauteuil gleiten. Ihre Bewegungen waren sehr geschickt. Die zweite Krücke behielt sie in der Hand. »Daß du mir richtig zuschlägst! Sonst bekommst du selbst deine Tracht! Zwölf Schläge!«
»Ja, Madame.«
»Yvonne zählt mit, verstanden?«
»Ja, Madame«, flüsterte das rothaarige Mädchen. Die Warzen seiner großen Brüste hatten breite, rosige Höfe.
Nora Hill stieß mit dem Krückstock heftig gegen den Boden.
»Das Seil!«
Von oben, aus der Dunkelheit der Hallenkuppel, kam ein Seil herabgeschwebt.
»Die Hände in die Höhe!« kommandierte die Frau in dem silbernen Kleid. Gloria fesselte Yvonnes emporgestreckte Hände so, daß diese sie hoch über dem Kopf halten mußte. Das Seil wurde mit einem Ruck angezogen. Yvonne stand nun auf Zehenspitzen.
Nora Hill stampfte mit dem Krückstock auf. »Zuerst den Rücken!«
Die Peitsche sauste durch die Luft.
Das gefesselte Mädchen schrie. Sein Körper schwankte und drehte sich leicht.
Zählen!«
»Eins …«
»Lauter!« Der Stock klopfte auf den Boden.
»Eins!« rief das blonde Mädchen.
»Weiter!« sagte Nora Hill. »Jetzt den Hintern!«
Iiii! pfiffen die Peitschenschnüre.
Yvonne schrie wieder.
In der Halle wurde es unruhig.
Der Stock klopfte befehlend.
»Zählen! Noch einmal sage ich es nicht!«
»Zwei …«, schluchzte Yvonne.
»Die Backen! Dazwischen! In die Ritze!«
Die Peitschenenden klatschten. Yvonne wand sich.
»Drei …«
Der Stock klopfte.
»Die Brüste!« kommandierte Nora Hill.
Der Schlag kam.
Yvonne schrie gellend auf.
»Na?«
»Vi … vier …«
»Noch einmal die Brüste!«
»Aaahhh!« Yvonne pendelte hin und her. Sie ächzte: »Fünf …«
»Und jetzt die Fut. Aber fest!« sagte Nora Hill.
Yvonne heulte auf. Die roten Haare flogen. Der Körper zuckte. Manuel sah, daß der Athlet im Smoking zu Nora Hill getreten war und mit ihr flüsterte. Sie nickte kurz. Die Auspeitschung nahm ihren Fortgang.
»Der Bauch!«
»O Gott! Sechs …«
Manuel setzte sich. Diese Bestrafung rief in ihm ein Gemisch von Abscheu und Erregung hervor. Er ärgerte sich über die Erregung. Er starrte die offensichtlich an beiden Beinen gelähmte Nora Hill an. In was für einen Alptraum gerate ich hier? dachte er.
»Die Schenkel, vorne!«
»Ooooh!« schrie Yvonne.
Dieses Haus mußte von einem verrückten Architekten gebaut oder von einem verrückten reichen Mann in Auftrag gegeben worden sein. Es war nicht nur innen kreisrund, sondern auch außen. Zwei Stock hoch, sah es aus wie ein kunstvoller Turm. Alle Mauern waren, soweit Manuel das in dem Licht der Laternen, die in dem verschneiten Garten leuchteten, hatte erkennen können, mit gewundenen Jugendstil-Ornamenten aus Stein, aber auch mit blauen, roten und gelben Mosaikmustern verziert.
Nora Hills Haus lag im äußersten Westen der Stadt, fast unmittelbar vor der Mauer des Lainzer Tiergartens. Vom Ring immer westwärts fahrend, hatte Manuel ohne große Mühe hergefunden. Er war zahlreichen Schneepflügen begegnet, auch an der Peripherie. Selbst die einsame Straße, die zu Nora Hills Villa emporstieg, war schon einmal freigeräumt worden.
Hier gab es sehr viel freies und noch unbebautes Gelände. Prächtige Villen standen in großen Gärten. Gleich hinter ihnen begann der Wald. Nora Hills Rundbau lag in einem alten, wilden Park. Ein hoher Zaun aus spitzen Eisenstäben umgab ihn von allen Seiten. Beim Tor stand ein Gärtnerhaus. Auf Manuels Läuten hin war ein vermummter Riese aus diesem Gebäude getreten und hatte ihn nach Namen und Begehr gefragt. Danach war er in das Häuschen zurückgeschlurft.
»Muß erst telefonieren.«
Er kam gleich darauf wieder und öffnete die Flügel des großen Tores. »Immer geradeaus. Da vorne ist ein Parkplatz.«
Der Parkplatz war groß und von Schnee freigeräumt. Auf ihm standen Luxuswagen mit in- und ausländischen Nummern. Manuel zählte vierzehn Autos. Als er aus dem Mercedes stieg, warf ein fauchender Ostwind, der schmerzhaft Schneekristalle in sein Gesicht schleuderte, ihn fast um. Aus der Dunkelheit erklang das mächtige Brausen des Sturms in den Bäumen des Parks. Manuel hielt sich an seinem Wagen fest und sah die Rundmauer des phantastischen Hauses an, das von vielen alten, gelbverglasten Eisenlaternen mit hohen Schneehüten umgeben wurde. Hinter der Villa erblickte er mehrere kleine Gebäude. Wohnungen der Angestellten wahrscheinlich, dachte Manuel. Der Sturm raste, Äste ächzten und knarrten, die Luft war erfüllt von vielen Geräuschen. Schnee fiel noch immer, aber nicht mehr stark. Es war sehr kalt geworden. (Clairon, auf dem Zentralfriedhof, ruhte nun schon unter einer weißen, kalten Decke von elf Zentimeter Höhe. Man sah nichts mehr von seinem Leichnam.) Der Park muß groß sein, dachte Manuel. Die letzte Villa, an der ich vorbeigefahren bin, liegt mindestens zwei Kilometer entfernt.
»Guten Abend, Herr Aranda.«
Manuel fuhr herum.
Hinter ihm stand ein Mann im Smoking, der aussah wie ein Freistilringer. Er hielt einen geöffneten Schirm.
»Darf ich mir erlauben, Sie zum Haus zu begleiten …«
Dieses Haus …
»Und wieder auf den Hintern!«
Huiiitt! pfiff die Peitsche. Der Atem der schwarzhaarigen Gloria mit den Lederstiefeln, die schlug, ging nun keuchend, ihre Brüste hoben und senkten sich, das Gesicht war verzerrt. Yvonne, an das Seil gefesselt, schrie wieder auf. Der Körper bäumte sich vor.
»Elf …«
»Und noch einmal der Bauch!« kommandierte Nora Hill, mit der Krücke stampfend. Die Enden der Peitsche flogen durch die Luft und klatschten laut, als sie die weiße Haut trafen.
Diesmal stöhnte das Mädchen am Seil nur noch.
»Zwölf …«
Dann sackte Yvonnes Kopf nach vorn, als sei sie ohnmächtig geworden. Manuel sah, schattenhaft, Bewegung auf den Fauteuils, auf den Sofas. Ein Geruchsgemisch von Zigaretten- und Zigarrenrauch, Parfüm, Erregung, Schweiß und Frauen hing schwer in der Luft.
»Hinaus mit ihr!« sagte Nora Hill.
Das Seil, das aus der Finsternis der Decke kam, senkte sich nun. Gleichzeitig glitt die rothaarige Yvonne zur Erde, wo sie zusammengekrümmt reglos liegenblieb. Die dunkle Gloria band ihre Fessel los. Yvonnes Arme fielen auf den Boden. Sie rührte sich nicht. Zwei Kellner in schwarzen Hosen, weißen Hemden und kurzen roten Jacken sprangen ins Licht und zerrten das nackte Mädchen zwischen sich fort – ins Dunkel. Gloria reckte sich mit weit gespreizten Beinen und vorgestrecktem Unterleib noch einmal. Als ein gelbes Licht anstelle des blauen aufflammte und die Halle heller erleuchtete, war auch sie verschwunden.
Männer wurden von halbnackten Mädchen umschlungen, betastet, geküßt, gestreichelt. Manuel sah jetzt, daß nicht nur sie, sondern auch die Männer verschiedenen Rassen angehörten.
In dem Moment, in dem das hellere gelbe Licht anging, trat ein hagerer Mann mit hohen slawischen Backenknochen und sehr bleicher Haut zu Manuel. Der Mann trug einen Smoking und hatte einen kleinen Schnurrbart. Sein schwarzes Haar glänzte vor Öl.
»Herr Aranda?«
»Ja.«
»Mein Name ist Enver Zagon«, sagte der Mann mit stark östlich gefärbtem Deutsch. Er redete gehetzt. »Ich muß Sie sprechen! Es geht um den Tod Ihres Vaters …«
»Was wissen Sie davon? Wer sind Sie?«
»Ich weiß, daß …« Der Fremde brach ab. »Geben Sie mir Feuer für meine Zigarette. Schnell!«
»Aber …«
»Schnell! Geht nicht jetzt. Später.«
Manuel riß ein Streichholz an, der Mann, der sich Enver Zagon nannte, neigte sich darüber, setzte eine Zigarette mit langem, breitgedrücktem Mundstück in Brand, verbeugte sich und ging zu seinem Sessel zurück, in dem er allein und abseits von den anderen gesessen hatte.
Manuel begriff nicht, was ihn plötzlich so in Angst versetzte. Er sah sehr unruhig durch die große Halle mit ihrem kunstvollen Holzmosaikboden, sah schon halb betrunkene Männer, die Mädchen in ihren Miedern, Höschen, Seidenstrümpfen, die Kellner in ihren schwarz-rot-weißen Uniformen, die nun mit Sektkübeln, Gläsern und Flaschen hin und her eilten, dann sah er sie, Nora Hill. Der kostbare Schmuck an ihrem kranken Körper blitzte, das silberne Kleid leuchtete rot, als sie mit schnellen, routinierten Bewegungen ihrer beiden Krücken auf ihn zukam.
Diese Krücken verursachten jetzt fast kein Geräusch. Nora Hill stützte sich mit aller Kraft auf sie, er konnte es an der Anspannung ihres glatten, so jung wirkenden Gesichts erkennen. Ohne diese Krücken vermochte sie offenbar keinen Schritt zu gehen. Dennoch brachte Nora Hill es fertig, zu lächeln. Sie zeigte blendend weiße Zähne.
»Ich freue mich, daß Sie gekommen sind, Herr Aranda.« Ihre akzentfreie Stimme, rauchig und tief, klang gleichmäßig und ruhig, keineswegs außer Atem. Er verneigte sich. Sie hob die Hand mit der Krücke so weit, daß seine Lippen ihre Haut berührten. Die Haut war kühl und trocken. Was für schöne Hände sie hat, dachte er. Und was für Augen. Schöne Augen, ja. Aber wieviel Menschenverachtung, Zynismus und Kälte spiegeln sich in diesen schönen Augen!
»Eigentlich erwartete ich Sie draußen im Salon.«
»Ja, aber …«
»Aber Sie sind ein sehr neugieriger junger Mann, nun ja. So haben Sie mich also gleich in Aktion gesehen … Dieser Mann, was wollte er von Ihnen?«
»Welcher Mann?«
»Herr Aranda, bitte!« Jetzt klang die Stimme metallen.
»Oh, der! Gar nichts. Er wünschte Feuer für seine Zigarette.«
»Er würde nicht dazu kommen, sehr viele andere Wünsche zu äußern.« Abrupt senkte Nora Hill die Stimme wieder, während sie mit einem plötzlichen Ausdruck des Ekels, den Manuel noch oft auf diesem schönen Gesicht sehen sollte, ihre Klienten betrachtete. »Schauen Sie sich das an. Männer! Geil sind sie jetzt und halb verrückt nach meinen Mädchen. So einfach geht das. Und dabei Theater, alles Theater.«
»Wie?«
»Yvonne hat nichts gespürt, nicht das geringste.«
»Aber die Peitsche …«
»Die Riemen sind aus weichem Nylon. Das tut nicht weh. Nicht die Spur. Haben Sie Striemen gesehen? Blut?«
»Nein …«
Ein Engländer, sehr betrunken, ein Mädchen im Arm, schwankte an ihnen vorbei.
»Come on, baby, now I’ll fuck you!«
»Sehen Sie? Es wirkt schon.« Nora Hills breite Lippen verzogen sich. »Jeder Mensch ist ein Sadist. Jeder! Sie. Ich. Wir alle. Man spielt uns etwas vor – wir reagieren. Nein, überhaupt nichts hat Yvonne gespürt. Und Sie – und die anderen – haben nichts gemerkt, gar nichts! Nicht, daß kein Blut floß, nicht, daß es keine Striemen gab! Was glauben Sie? Daß ich es mir leisten kann, eines meiner Mädchen wirklich auspeitschen zu lassen? Yvonne ist das beste Hühnchen hier. Die wird noch gebraucht heute abend. Wenn einer tatsächlich Blut sehen will – nun ja, kann er auch haben. Menschen – ah!«
»Sie verachten die Menschen?«
»Nicht einmal das mehr. Zu anstrengend. Es gibt nur zwei Arten von ihnen, wissen Sie, junger Mann: schlechte und dumme.« Sie lächelte wieder ihr strahlendes Lächeln. »Die schlechten«, sagte Nora Hill, »sind mir lieber.«
›Strangers in the night‹, sang Frank Sinatras Stimme aus verborgenen Lautsprechern.
»Gehen wir zu mir hinauf«, sagte Nora Hill. »Es wird ein längeres Gespräch werden.«
Damit schwang sie sich zwischen ihren Krückstöcken bereits schnell einer breiten Treppe entgegen, welche an der kreisrunden Innenwand empor zu einer Balustrade im ersten Stock führte. Manuel folgte ihr und mußte sich beeilen dabei, so schnell kam Nora Hill, an beiden Beinen gelähmt, vorwärts. Er drehte sich um und sah den hageren Mann, der ihn angesprochen hatte, in seinem Sessel. Der Mann mit den hohen Backenknochen blickte ihm tiefbesorgt nach.