1
Die beiden Männer hatten das Abteil Erster Klasse wenige Minuten vor dem Zeitpunkt betreten, zu dem der ›Venetia-Expreß‹ Villach verließ. Sturm war aufgekommen und heulte nun um den Zug, rüttelte an den Waggons, ächzte, knatterte, pfiff und jaulte. Mächtige Schneeflügel stäubten zu beiden Seiten des Expreß empor. Die Nacht hatte begonnen. In dem Abteil brannte die Deckenbeleuchtung. Der Zug war mit fünfzig Minuten Verspätung in Villach eingetroffen.
Während Manuel auf die Ankunft des ›Venetia-Expreß‹ gewartet hatte, war er in das Bahnhofspostamt gegangen, um Wien anzurufen und sich bei Dr. Stein zu melden.
Als der Zug dann endlich einlief und zum Halten kam, stieg Manuel Aranda in einen Wagen Erster Klasse – den siebenten vom Ende des Zuges gezählt – und setzte sich in ein leeres Abteil. Fast unmittelbar darauf erschienen die beiden Männer.
»Ist hier noch Platz?« fragte der erste Mann.
Manuel, der beim Fenster saß, nickte.
»Dann sind wir so frei«, sagte der erste Mann. Wie sein Kollege und wie Manuel hatte er kein Gepäck. Die beiden Reisenden zogen ihre schweren Wintermäntel aus und nahmen die Hüte ab. Es waren große, kräftige Männer – höchstens Mitte der Dreißig. Der eine hatte braunes, der andere schwarzes Haar.
»Guten Abend, Herr Aranda«, sagte der Braunhaarige mit einer kleinen Verneigung. Er lächelte. »Erschrecken Sie nicht. Das hier …« – er wies auf seinen Begleiter – »… ist Inspektor Gamitz. Ich bin Inspektor Frohner. Beide vom Sicherheitsbüro Wien.«
»Habe die Ehre«, sagte der Schwarzhaarige, der Gamitz hieß. Die Männer wiesen Metallmarken vor.
»Sicherheitsbüro?« Manuel hob die Brauen.
»Wir sind schon mit Ihnen nach Villach heruntergefahren heute früh«, sagte Frohner. »Sie haben uns nicht bemerkt?«
»Nein …«
»Wir waren auf dem Gang draußen und im Nebenabteil«, sagte Gamitz.
»So wenig Aufsehen wie möglich, hat der Herr Hofrat uns eingeschärft.«
»Der Hofrat Groll?«
»Ja.«
»Ich habe ihm erzählt, daß ich heute nach Villach fahren wollte …«
»Na eben! Da hat er uns dann abkommandiert.«
»Aber warum?«
»Zu Ihrem Schutz«, sagte Gamitz.
»Damit Ihnen ja nichts zustößt«, sagte Frohner. »In Wien passen wir ja auch ein bissel auf Sie auf.« Er lächelte wieder. »Andere Kollegen. Haben Sie auch noch nicht gemerkt?«
»Nein.«
»Tja, der Herr Hofrat hat das so angeordnet. Er ist besorgt um Sie, wissen Sie.«
Guter alter Groll, dachte Manuel abwesend. Seine Gedanken waren noch immer bei Martha Waldegg.
»Na, und jetzt, wo es Nacht wird und Sie allein sitzen in dem Abteil, da haben wir gedacht, es ist besser, wir kommen zu Ihnen. Es inkommodiert Sie doch nicht?«
»Überhaupt nicht.«
»Sehr schön«, sagte Frohner. Er setzte sich und entfaltete eine Zeitung. »Sie sollen sich durch uns nicht gestört fühlen.«
Der Zug ruckte an.
Bald fuhr er schnell. Villach blieb zurück. Manuel sah aus dem Fenster. Streckenlampen flogen vorbei. Im Augenblick schneite es nicht, doch der Sturm wurde immer ärger. Entfernt wanderten Autoscheinwerfer über Landstraßen, und noch weiter fort, schwächer und verloren, blinkten Lichter aus den Fenstern einsamer Gehöfte …
»Dank dir schön«, sagte Frohner plötzlich.
Manuel sah in das Abteil.
Frohner hatte eben eine Zigarette aus einem Päckchen genommen, das Gamitz ihm hinhielt. Der rauchte selber. »Oh«, sagte Frohner höflich, »entschuldigen Sie. Herrgott, und das war jetzt die letzte in der Packung!«
»Warten Sie, Herr Aranda. Ich habe noch welche.« Gamitz griff in seine Jackentasche.
»Wirklich, das ist sehr liebenswürdig, aber ich …«
»Hier, bitte, bedienen Sie sich. Österreichische Marke!« Gamitz nannte einen Namen. »Sind ausgezeichnet. Werden Ihnen schmecken. Bitte – sonst können wir auch nicht rauchen!«
»Nun also dann – vielen Dank.« Manuel griff nach dem neuen Päckchen, das Gamitz geöffnet hatte. Frohner knipste ein Feuerzeug an.
»Gut, wie?« fragte er, Manuel mit einem Lächeln betrachtend.
»Ausgezeichnet«, sagte Manuel. Die Zigarette schmeckte würzig und herb. Er inhalierte den Rauch und blies ihn durch die Nase wieder aus.
»Ich lasse das Päckchen am Fensterbrett liegen«, sagte Gamitz höflich, »Bedienen Sie sich, bitte.« Er holte ein schmales Buch hervor und streckte die Beine aus. Frohner hob wieder seine Zeitung. Die beiden Männer begannen zu lesen.
Manuel zog an der Zigarette. Er sah in die Nacht, zu den vorüberfliegenden Lichtern und den Schneewirbeln hinaus, die der Zug hochriß. Der fuhr jetzt sehr schnell. Das Fenster spiegelte. Manuel erblickte sein Gesicht. Der Waggon rüttelte plötzlich heftig, als der Zug über Weichen schoß. Die Lokomotive stieß einen langen Schrei aus. Auch in dem stillen, altmodisch eingerichteten Zimmer, in dem Manuel mit Martha Waldegg gesprochen hatte, war immer wieder das Pfeifen von Lokomotiven auf der nahen Bahnstrecke und das Rollen von Rädern zu hören gewesen …
»Jetzt wissen Sie alles, Herr Aranda …« Die Stimme der Dreiundsechzigjährigen hatte belegt geklungen. »Jetzt kennen Sie das Geheimnis. Mein Mann und ich, wir lieben Irene! Für Hans ist sie sein Ein und Alles. Es würde ihm das Herz brechen, wenn er nach all den Jahren noch hinter den Betrug käme. Darum war ich so voller panischer Angst. Können Sie das nun verstehen?«
»Ja«, hatte Manuel gesagt.
»Ich habe Ihnen voller Vertrauen alles erzählt, Herr Aranda. Bitte enttäuschen Sie dieses Vertrauen nicht. Mein Mann und Irene sollen nie die Wahrheit erfahren – das war auch Valeries Wunsch.«
Manuel blickte seine Gastgeberin an, seltsam beschämt.
»Ich werde Irene niemals ein Wort verraten«, sagte er. »Das verspreche ich.«
»Danke … Ich danke Ihnen von Herzen … Sehen Sie, ich hatte auch viel Kummer in den letzten Jahren mit ihr …«
»Kummer?«
»Nun ja … Je weiter Irene heranwuchs, desto mehr begann ich den Betrug vor mir zu verdrängen. Schließlich fühlte ich für sie wirklich wie für ein eigenes Kind … Mein Mann sowieso … Und Valerie hielt sich an unser Abkommen …«
»Danach wollte ich gerade fragen«, sagte Manuel. Jetzt rollten wieder Räder, jetzt heulte wieder eine Sirene auf dem entfernten Bahndamm, jenseits vieler kahler, tiefverschneiter Gärten. »Frau Steinfeld hat nicht den Versuch gemacht, Irene nach dem Krieg als ihr Kind zurückzuholen?«
»Nie! Sie kannten meine Schwester nicht. Die brach kein Versprechen, das sie gegeben hatte, die konnte nichts Schlechtes tun …«
Sie konnte nichts Schlechtes tun, dachte Manuel. Meinen Vater hat sie vergiftet. Und wenn er hundertmal den Tod verdiente für das, was er tat – wer gab Valerie Steinfeld das Recht, ihm das Leben zu nehmen? Gott etwa? Ach, lassen wir bloß Gott aus dem Spiel in dieser verfluchten Geschichte!
Valerie Steinfeld!
Immer noch tappe ich im dunkeln, dachte Manuel. Trotz allem, was ich nun weiß. Noch kenne ich nicht die Wahrheit. Werde ich sie kennen – jemals? Stockend sagte er: »Es muß doch eine furchtbare seelische Belastung für Frau Steinfeld gewesen sein, ihr Kind als das Kind einer anderen aufwachsen zu sehen.«
»Es war die größte seelische Belastung für sie, mir das Kind überhaupt zu geben«, antwortete die zierliche Martha Waldegg. »Aber sie hatte eine übermenschliche Selbstbeherrschung. Sie konnte immer ihre Gefühle verbergen. Nur in ihrem Innern … in ihrem Innern muß es furchtbar ausgesehen haben, sicherlich … damals, am Anfang, bei der Geburt, in den Jahren danach … Doch sie zeigte es nie, kein einziges Mal! Nie verlor sie ein Wort der Klage. Immer war sie fröhlich, wenn sie mit meiner – mit ihrer – Tochter zusammentraf, hier oder in Wien. Sie ließ sich nichts anmerken. Sie wahrte unser Geheimnis bis zum Tod. Bis zu diesem grausigen, unbegreiflichen Ende.«
»Es ist auch für Sie unbegreiflich?«
»Vollkommen, Herr Aranda. Absolut! Mein Mann und ich, wir waren wie erschlagen, als wir davon erfuhren. Es gibt einfach keine Erklärung!«
»Sie sagten vorhin, Sie hätten viel Kummer gehabt in den letzten Jahren, gnädige Frau. Wieso?«
Martha Waldegg machte eine hilflose Bewegung.
»Das Leben! Niemanden trifft die Schuld daran … Valerie ganz bestimmt nicht … Aber sehen Sie, als Irene achtzehn war und nach Wien ging, um zu studieren, da zog sie zu Valerie … und bei Valerie blieb sie dann all die Jahre, als sie in der Apotheke arbeitete, als sie das Geschäft übernahm. Die Apotheke hatte ihrem Onkel gehört, dem Bruder meines Mannes. Seine Frau war immer krank gewesen. Bei ihm hatte Irene nicht wohnen können. Sie liebte Valerie! Ich … ich wurde eifersüchtig! Es ist grotesk, ich weiß … Nun wendete sich alles vollkommen … Die beiden machten zusammen Ferien, sie verreisten … Irene kam seltener und seltener zu uns … Ihr Zuhause war mehr und mehr Wien, die Gentzgasse, Valerie … Und wir wurden ihr fremder und fremder …«
Manuel erinnerte sich an die Worte, die Irene auf dem Zentralfriedhof gesprochen hatte an dem Tage, da sie einander kennenlernten: »Valerie … Ich habe sie doch so geliebt! Mehr als alle anderen Menschen … Ja, sogar mehr als meine Mutter! Ich habe meine Mutter gern, wirklich … Aber seit ich in Wien lebte, war Valerie meine Mutter … mehr als die wirkliche … und sie wurde es immer stärker, immer stärker …«
Martha Waldegg hatte den Kopf abgewandt und fuhr sich über die Augen. Er fragte schnell: »Und dieser Prozeß … wie ging der aus?«
»Überhaupt nicht.« Martha Waldegg hatte sich gefaßt. Sie blickte Manuel an.
»Was heißt das?«
»Er war bei Kriegsende noch nicht beendet. Er wurde nie beendet.«
»Das sagte Ihnen Ihre Schwester?«
»Ja, Herr Aranda. Als ich sie endlich wiedersah nach dem Krieg, im Februar 1946, da sagte sie es mir.«
»Im Februar 1946? Ich verstehe nicht …«
»Im Sommer 44 wurde mein Mann verwundet. Sehr schwer. Er lag in einem Lazarett bei Breslau. Lange sah es so aus, als ob er sterben müßte. Ich bekam die Erlaubnis, ihn zu besuchen – Frauen von Offizieren erhielten eine solche Erlaubnis damals noch.«
»Sie fuhren mit dem Kind – fast sechs Jahre war es damals, nicht wahr? – also nach Breslau?«
»Ja. Wir fanden ein Zimmer in Untermiete. Und ich blieb bei meinem Mann. Langsam, ganz langsam besserte sich sein Zustand. Die Front kam immer näher. Wir hatten dauernd Luftangriffe. Die Postverbindung zu Valerie riß ab, Briefe gingen verloren … Und dann, Februar 1945, mußten wir hinaus auf die Straßen, denn die Russen kamen. In einem Treck fuhren wir westwärts, dann nordwärts … immer beschossen von Tieffliegern … in eisiger Kälte … in Schneestürmen … die kleine Irene … mein immer noch schwerkranker Mann … Zuletzt landeten wir in Lüneburg. Da mußte Hans sofort wieder in eine Klinik – die Strapazen waren zu groß für ihn gewesen. Er erlitt einen Totalzusammenbruch. Die alten Wunden begannen zu eitern. Neue Operationen waren nötig. Das ganze Jahr 45 lag mein Mann in der Klinik. Ich arbeitete dort als Putzfrau …«
»Konnten Sie denn nicht nach Österreich zurück?«
»Mein Mann war erst Ende des Jahres soweit, daß er die lange Reise riskieren durfte. Sie wissen ja nicht, wie man damals reiste! Und wieder im Winter … Wir kamen über Wien …«
»Da sahen Sie dann Ihre Schwester endlich.«
»Ja, da sah ich sie. Ein Gespenst, mehr tot als lebendig, erschütternd, Herr Aranda! Richtig verwirrt kam Valerie mir vor. Was hatte sie mitgemacht! Ihr Mann, den sie so liebte, war bei einem Luftangriff auf London ums Leben gekommen – ein britischer Offizier hatte ihr im Sommer 45 die Nachricht gebracht. Ihr Mann, mit dem sie nach dem Krieg wieder zusammenleben und glücklich sein wollte! Aber nicht nur das. Heinz …«
»Ja?« Manuel richtete sich auf.
»Eine ganz böse Sache. Dieser elende Prozeß hatte ihn der Mutter entfremdet.«
»Wieso?«
»Ich weiß es nicht genau. Es war zu Zerwürfnissen gekommen, zu Streit. Er hatte ihr dauernd Vorwürfe gemacht … Es war nicht möglich, von Valerie eine klare Schilderung zu erhalten. Sie wog knapp fünfzig Kilo und schien dauernd am Umkippen. Jedenfalls war ihr der Sohn, den sie mit so viel Mühe durch die Nazizeit gebracht hatte, davongelaufen.«
»Davongelaufen?«
»Irgendwohin aufs Land. Er arbeitete bei Bauern. Er wollte nicht mehr bei der Mutter wohnen. Und er wartete nur darauf, daß die Kanadier Auswanderer ins Land ließen. Nun, 1947 ist er dann ja auch ausgewandert … und ein Jahr später umgekommen in Quebec, bei einem Autounfall … Wenn jemand ein schweres Leben geführt hat, dann war es Valerie! Und nun dieses Ende … dieses furchtbare Ende! Was für ein Geheimnis schleppte Valerie noch mit sich herum? Was kann es gewesen sein? Was, Herr Aranda, was?«
Ja, was …
Manuel preßte die Stirn gegen die kalte Fensterscheibe des Zugabteils. Er fühlte sich plötzlich todmüde, völlig erschöpft. Nur mit Mühe saß er aufrecht. Vor seinen Augen flimmerten Lichter in der Finsternis. Die Achsen der Räder schlugen gehetzt und laut.
Was ist los mit mir? dachte Manuel. Ich kann nicht mehr richtig sehen, nicht mehr richtig hören, mir ist so unheimlich. Die Luft im Abteil, die zu warme Luft. Ich will auf den Gang hinausgehen. Da werde ich mich besser fühlen, da werde ich …
Ohne einen Laut sackte Manuel Aranda zusammen.
Im nächsten Moment schon war Frohner aufgesprungen und hatte den Reglosen an den Schultern gepackt, um zu verhindern, daß er auf den Boden kippte.
Der schwarzhaarige Gamitz zog schnell die Rollvorhänge an den Abteilfenstern, die zum Gang sahen, herab und befestigte sie, dann trat er zu Frohner, hob Manuels Kopf und drückte eines der geschlossenen Augenlider hoch.
»Der ist bedient«, sagte Gamitz zufrieden.
»Noch neun Minuten bis Klagenfurt«, sagte Frohner. »Klappt wie am Schnürchen. Los, hilf mir.« Er hatte Manuels Kamelhaarmantel vom Haken genommen. Die beiden Männer richteten den Bewußtlosen halb auf, hielten ihn fest und mühten sich, seine schlenkernden Arme in die Mantelärmel zu bringen.
»Diese Zigaretten sind erste Klasse«, sagte Gamitz. »Wirken in so kurzer Zeit. Die haben uns schon was Feines gegeben.«
»Sind ja keine Idioten«, sagte Frohner. »Er hat aber auch brav sofort eine genommen.«
»Wo ist der Stummel?«
»Im Aschenbecher.«
Frohner fischte das Ende heraus und steckte es in die Packung mit den präparierten Zigaretten, die er vor Manuel hingelegt hatte. Dann öffnete er kurz das Fenster und warf die Packung hinaus. »Die nächsten Stunden schlummert der jetzt selig«, sagte er dazu. »Setzen wir ihn dahin. So. Und den Vorhang vors Gesicht. Er schläft, wenn ihn draußen wer im Vorbeigehen sieht.« Gamitz ließ die Rouleaus an den Gangfenstern wieder hochschnellen. Danach setzte er sich neben den reglosen Manuel. »In Klagenfurt nehmen wir ihn zwischen uns und schleppen ihn raus. Total besoffen, so muß er aussehen. Lachen und Witze machen, kapiert?«
»Ja«, sagte Frohner. »Wo ist das Auto?«
»Wartet vor dem Bahnhof. Überhaupt keine Affäre mehr.«
Nach kurzer Zeit verlangsamte der Zug sein Tempo. Viele Lichter huschten vorüber. Die beiden Männer zogen ihre Mäntel an und setzten ihre Hüte auf. Gamitz nahm den Vorhang wieder von Manuels Gesicht. Auf dem Gang draußen war niemand.
»Jetzt können wir, denke ich«, sagte Gamitz. Er drückte Manuel die braune Pelzmütze auf das Haar. Gemeinsam mit Frohner hob er den Betäubten hoch, der sinnlos vor sich hinlallte. Jeder Mann schlang sich einen Arm Manuels um die Schulter. Gamitz packte den Griff der Abteiltür, um sie zu öffnen. Im nächsten Moment stand ein junger, großer Mann, der einen Dufflecoat trug, in ihrem Rahmen. Er hielt eine schwere Pistole in der Hand.
»Was soll …«, begann Gamitz.
»Zurück«, sagte der Mann mit der Pistole. Er sprach schwer akzentuiertes Deutsch. »Sofort zurück! Den Mann auf die Bank.«
Frohners rechte Faust fuhr hoch. Er versuchte, dem Eindringling die Waffe aus der Hand zu schlagen. Der Mann im Dufflecoat trat ihn mit voller Wucht in den Bauch. Frohner jaulte auf, ließ Manuels Arm los und ging zu Boden. Gamitz fiel mit seiner Last auf die Sitze. Entsetzt sah er, wie ein zweiter Mann – er trug einen pelzgefütterten Ledermantel und gleichfalls eine Pistole in der Hand – das Abteil betrat und die Rouleaus wieder herabzog.
»Wir müssen hier aussteigen«, stammelte Gamitz. »Diesem Mann ist schlecht … zu viel getrunken …«
»Zu viel getrunken, Scheiße«, sagte der junge Mann im Ledermantel. Er sprach gleichfalls mit Akzent, es klang aber anders. »Arme hoch!« Gamitz hob gehorsam die Hände.
»Steh auf!« sagte der Mann im Ledermantel.
Gamitz stand auf.
Manuel sank der Länge nach auf die Bank.
Der Mann im Ledermantel durchsuchte Gamitz nach Waffen. Er fand einen Revolver in einem Gürtelhalfter, zog ihn heraus und steckte ihn ein. »Hinsetzen! Hände oben lassen!« befahl er.
Sein Begleiter hatte inzwischen den Mann, der sich Frohner nannte, hochgerissen und gegen das Fenster gestoßen.
»Ich kann nicht … kann nicht stehen …«, jammerte Frohner.
»Halt dich am Griff fest! Los!«
Auch bei Frohner fand sich eine Waffe.
Der Zug ratterte über Weichen und fuhr langsam in den Bahnhof Klagenfurt ein.