Kapitel 13

 

Heute

 

Bedrohlich näherte sich Donners inneres Wutbarometer dem Punkt, bis zu dem er ruhig bleiben konnte. Seine eigenen Leute behandelten ihn, als wäre er an der Entführungssache der Geschäftsführer Brandner und Brecht beteiligt. Wie ein Beschuldigter saß er auf einem Vernehmungsstuhl in einem schlecht belüfteten Zimmer der KPI. Den langen Leerstand der Räumlichkeiten roch er unumwunden. Muffige Feuchte zog aus der Tapete.

»Endlich ist der Tag gekommen, auf den ich so schmerzlich warten musste, Erik«, stellte Andreas Totner mit eiserner Miene klar. »Man wird dich rausschmeißen. Ende des Dienstverhältnisses. Ich wüsste nicht, mit welcher Finte du dich jetzt noch retten könntest.«

Die Drohung erzielte Wirkung. Donner spürte die Worte wie ein Warnsignal in seinem Gehirnzentrum. Dank des beabsichtigten Treffens mit Brecht hatte er dem Leiter des Dezernats 1 einen plausiblen Grund für eine Beschwerde geliefert. Totner hatte es sich nicht nehmen lassen, die Führung der Sonderkommission zu übernehmen. Die Polizeipräsidentin hatte nicht gezögert und sofort nach dem Verschwinden von Felix Brandner eine Soko gründen lassen.

Inzwischen war diese personalmäßig zu einer kleinen Dienststelle angewachsen. Um die reibungslose und verzahnte Arbeit aller Einsatzabschnitte zu gewährleisten, hatte man die Mitarbeiter der Soko in das Gebäude des ehemaligen Polizeireviers Ost auf der Hainstraße einquartiert.

Und hier saß er nun. Vier Männer umringten Donner und stellten immer wieder die gleichen Fragen. An einem Computer hockte eine Protokollantin, die penibel auf jeden Fingerzeig des Dezernatsleiters achtete, wann sie das gesprochene Wort niederschreiben sollte und wann nicht.

Totner, sein Stellvertreter Stark, LeMark, als Verantwortlicher des MEK, sowie der Chef der Verhandlungsgruppe machten keinerlei Anstalten, Donner zu schonen. Dass er das Handy von Klemens Brecht bei einer sechzehnjährigen Schülerin entdeckt hatte, brachte ihm keine Sympathiepunkte ein.

»Wo ist Nina Richter?«, stellte Donner in einer Pause eine Frage.

»Ach, du meinst, die offenherzige Dame?« Totner schüttelte den Kopf, als wollte er damit ausdrücken, weshalb Donner sich um die Praktikantin Sorgen machte, wo doch sein eigener Stuhl brannte. »Sie wird im Nachbarzimmer vernommen.«

»Sie hat nichts mit der Sache zu tun.«

»Das sehe ich anders.«

Donner schluckte seine Verärgerung hinunter. Mit Totner und Stark standen ihm zwei Männer gegenüber, die maßgeblich dafür gesorgt hatten, dass man ihn bei der Mordkommission abserviert hatte. Egal, was er zu Protokoll gab, sie würden es ihm negativ auslegen. Für sie war er nur ein Monster, das man schon viel zu lange bei der Polizei duldete.

»Für welche Seite arbeitest du?«, fragte Stark prompt.

»Was soll die Unterstellung?«

»Antworte einfach auf die Frage.«

»Das muss ich mir nicht bieten lassen! Schon gar nicht von jemandem, der bestenfalls halb so viel drauf hat wie ich.«

»Siehst du, Erik? Genau das ist dein Problem. Du willst gar nicht mit uns kooperieren. Du bist kein Teamplayer.«

Von uns beiden hast du deutlich mehr Arsch in der Hose, dafür benutze ich meinen, um die Wahrheit auszusprechen.

Was ihn wiederum oft genug in Schwierigkeiten brachte.

Schwierigkeiten wie diese.

Donner wusste, dass die Soko im Dunkeln tappte. Oder zumindest hatte sie nicht viel vorzuweisen. Die Ungeduld der Anwesenden, die ratlosen Blicke, das Klammern an jeden noch so winzigen Hinweis – all das verschaffte ihm einen Eindruck davon, wie verzweifelt Totner und seine Leute tatsächlich waren.

»Klemens Brecht rief mich an und bat um ein Treffen«, wiederholte er. »Es klang wichtig.«

»Woher hatte er deine Nummer?«, hakte Stark nach.

»Schon mal was von Visitenkarten gehört? Das ist ein Diensthandy.«

»Warum ausgerechnet dich?«

Donner überlegte, ob er den Namen Stefan Zornitz ins Spiel bringen sollte. Schlussendlich entschied er sich dagegen, denn diese Information hätte weitere unangenehme Nachfragen zur Folge. Im Grunde hatte er nichts Verbotenes gemacht. Er war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Also sagte er bloß: »Vielleicht hat Brecht das Vertrauen in Leute wie dich verloren.«

In Starks Miene konnte er ablesen, dass der Dicke ihm kein Wort abkaufte. Eine kurze Verschnaufpause entstand. Diese nutzte Donner.

»Was ist mit der Schülerin?«

»Die, die Brechts Mobiltelefon einstecken hatte?«, stellte Totner die überflüssige Gegenfrage. »Darum kümmern wir uns. Vergiss nicht, warum du hier sitzt. Sprich nur, wenn du gefragt wirst.«

»Entweder reden wir offen oder ich sage kein einziges Wort mehr.« Zur Bekräftigung verschränkte er Arme und Beine.

Totner suchte Blickkontakt zu Stark. Der zuckte mit den Schultern, wie er es immer tat, wenn er keine Entscheidung zu treffen brauchte, weil ein Vorgesetzter anwesend war. Entsprechend ergriff Totner erneut die Sprecherrolle. »Die Sechzehnjährige gibt an, das Handy im Kaufhausfahrstuhl gefunden zu haben. Sie denkt, dass es dem Eigentümer aus der Tasche gefallen ist. Den Vorhalt, dass ein mögliches Herunterfallen auf den Blechboden des Fahrstuhls Krach gemacht hätte, hat sie schweigend zur Kenntnis genommen. Wie die Jugend heute so ist: Klamotten tragen wie zwanzig, dafür den Verstand von Zehnjährigen besitzen. Angeblich hat sie es eingesteckt, weil sie es bei der Informationsstelle abgeben wollte. Wir warten auf ihre Eltern, damit wir sie in deren Beisein aktenkundig befragen können.«

Totner nickte hinüber zum Chef der Verhandlungsgruppe. Der junge Kollege machte auf Donner einen besonnenen und sympathischen Eindruck, auch wenn er natürlich wusste, dass der Mann vom LKA alles andere als glücklich über das Verschwinden von Brecht war.

Ergänzend führte der LKA-Mann aus: »Wir gehen davon aus, dass der Täter das Mobiltelefon absichtlich im Fahrstuhl deponiert hat, damit es gefunden wird. Wir sollten auf eine falsche Fährte gelockt werden. Ein Ablenkungsmanöver.«

»Zur Stunde lassen wird das Handy kriminal- und datentechnisch untersuchen«, ergriff Totner wieder das Wort.

»Wie sieht es mit der Videoaufzeichnung in der Tiefgarage aus?«, fragte Donner.

»Fehlanzeige«, sagte Stark nüchtern. »Nach erster Sichtung konnten wir keinerlei verdächtiges Fahrzeug feststellen. Alle, die im entsprechenden Zeitraum die Auffahrt benutzt haben, wurden überprüft. Bisher ergab die Recherche keinen Treffer. Wir durchsuchen gerade das Gebäude nach Schlupflöchern, aber es sieht so aus, als hätte sich der Entführer samt Klemens Brecht in Luft aufgelöst. Der Chauffeur ist ein wenig hilfreicher Zeuge. Seiner Aussage zufolge hat man ihn sofort ausgeknockt, nachdem er ausgestiegen war. Er hat den Angreifer nicht einmal bemerkt. An diesem Punkt kommst du ins Spiel, Erik. Schließlich hast du den bewusstlosen Below gefunden, von Brechts Entführung jedoch angeblich nichts mitbekommen.«

»Brecht hatte sich zu unserem Treffen verspätet. Nachdem ich seine Limousine in die Tiefgarage fahren gesehen hatte, war mir das Warten irgendwann zu dumm, woraufhin ich ihm entgegengegangen bin.«

»Nur ein Treffen also? Oder war es nicht vielmehr so, dass du eine neue Chance gewittert hast? Einen neuen hochbrisanten Fall?«

»Genau!« Donner sprang vom Stuhl auf. »Schreib das in deinen Bericht und schieb ihn dir in die Arschritze.«

Totner deutete ihm unmissverständlich an, sich zu setzen.

»So kommen wir nicht weiter«, ergriff nun der Verhandler vom LKA das Wort. Er sprach ruhig und gefasst. »Was können Sie uns zu Stefan Zornitz sagen?«

Blut und böser Mann
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