Moskau
»Vater, General Alexejew hat mir aufgetragen, dir auszurichten, daß es uns seiner Ansicht nach unmöglich ist, die Nato zu schlagen.« Major Sergetow nahm im Zimmer des Ministers Platz. »Die strategische Überraschung ist uns mißlungen. Wir haben die Luftmacht der Nato unterschätzt und ihr den Nachschub nicht abschneiden können. Wäre diese letzte Gegenoffensive nicht gewesen, hätte es vielleicht klappen können. Doch wir haben noch eine Chance. Der General setzt die Offensivoperationen aus, um einen letzten Angriff vorzubereiten. Und dazu —«
»Ich dachte, alles sei verloren?«
»Wenn wir die Nato so weit schwächen, daß sie zu einer großen Gegenoffensive nicht imstande ist, können wir die eroberten Gebiete halten und damit euch — das Politbüro — in die Lage versetzen, aus einer Position der Stärke zu verhandeln. Sicher ist auch diese Option nicht, aber der General hält sie für die beste. Er bittet dich, dem Politbüro die Notwendigkeit einer raschen diplomatischen Lösung zu unterbreiten, ehe die Nato sich so weit erholt, daß sie zur Offensive übergehen kann.«
Der Minister nickte, drehte sich um und schaute aus dem Fenster. »Vorher wird man Alexejew verhaften«, meinte er schließlich. »Du weißt wohl, was aus den anderen Festgenommenen geworden ist.« Sein Sohn begriff nicht sofort.
»Das kann doch nicht wahr sein!«
»Gestern abend wurden alle sieben hingerichtet, einschließlich des früheren OB West.«
»Aber er war doch ein tüchtiger Offizier –«
»Er hatte keinen Erfolg, Wanja«, sagte Sergetow leise. »Der Staat toleriert keine Fehlschläge, und ich habe mich um deinetwillen mit Alexejew verbündet.« Seine Stimme verklang. Nun bleibt mir keine andere Wahl, dachte er. Ich muß mit Kosow zusammenarbeiten, ungeachtet der Tatsache, daß er ein Verbrecher ist, ungeachtet aller Konsequenzen. Und ich muß dein Leben aufs Spiel setzen, Wanja. »Witali bringt dich zur Datscha. Dort ziehst du dir Zivilkleider an und wartest auf mich. Verlasse das Haus nicht, niemand darf dich sehen.«
»Du wirst doch bestimmt überwacht.«
»Aber sicher.« Sein Vater lächelte kurz. »Von zwei KGB-Offizieren aus Kosows persönlichem Stab.«
»Und wenn er dich zum Narren hält?«
»Dann bin ich ein toter Mann, Wanja, und du ebenfalls. Vergib mir, ich hätte so etwas nie für möglich gehalten. Du hast mich in den letzten Wochen sehr stolz gemacht.« Er erhob sich und umarmte seinen Sohn. »Geh jetzt, und vertraue mir.«
Als sein Sohn gegangen war, rief Sergetow die KGB-Zentrale an. Direktor Kosow war nicht im Hause; der Minister ließ ausrichten, die von Kosow angeforderten Daten über die Ölförderung im Persischen Golf lägen nun vor.
Das Treffen, um das der Minister mit dem Codesatz gebeten hatte, fand bald nach Sonnenuntergang statt. Um Mitternacht saß Iwan Michailowitsch wieder in einer Maschine nach Deutschland.