USS Independence
Im Gegensatz zum letzten Mal wurden Nägel mit Köpfen gemacht, dachte Toland. Die Air Force ließ von Sondrestrom aus zum Schutz der Flotte eine E-3 Sentry operieren, und es waren auch vier E-2C Hawkeye der Marine in der Luft. Auf Island nahm sogar eine Bodenradarstation der Army den Betrieb auf. Zwei Aegis-Kreuzer begleiteten die Träger, ein dritter die Landungsflotte.
»Wen greifen sie zuerst an, die Landungsschiffe oder uns?« fragte Admiral Jacobson.
»Schwer zu sagen, Admiral«, erwiderte Toland. »Kommt darauf an, wer die Befehle gibt. Die russische Marine wird erst uns ausschalten wollen. Das Heer hat es eher auf die Landungsflotte abgesehen.«
Jacobson verschränkte die Arme und schaute sich das Kartendisplay an. »Sie können aus jeder beliebigen Richtung kommen.«
Sie rechneten mit höchstens fünfzig Backfire, aber der Feind verfügte noch über eine Menge älterer Badger, und die Flotte war nur fünfzehnhundert Meilen von den sowjetischen Bomberstützpunkten entfernt: Man konnte also mit Maximalladung anfliegen. Um die Russen aufzuhalten, hatte die Navy fast hundertvierzig Kampfflugzeuge, Tomcats und Hornet, aufgeboten. Vierundzwanzig waren nun von Tankflugzeugen unterstützt in der Luft, während die Erdkampfflugzeuge pausenlos die russischen Stellungen angriffen. Die Schlachtschiffe hatten ihren ersten Besuch vor Keflavik beendet und gaben jetzt aus dem Hvalfjördur den Marines nördlich von Bogarnes Feuerunterstützung. Bei der Planung des Unternehmens war mit einem russischen Raketenangriff gerechnet worden. Wann die Vampire kamen, war nur noch eine Frage der Zeit.
Der Verlust Nordnorwegens hatte Echtzeit überflüssig gemacht. Das U-Boot war zwar noch immer auf Station und hörte Signale ab, doch die Aufgabe, sowjetische Bomberverbände auszumachen, fiel von Schottland aus operierenden norwegischen Patrouillenflugzeugen zu. Der Pilot einer dieser Maschinen entdeckte drei Badger auf Südwestkurs und funkte eine Warnung. Die russischen Flugzeuge waren noch siebzig Minuten von der Flotte entfernt.
Tolands Station, die Gefechtszentrale, befand sich unmittelbar unterm Flugdeck, und er konnte das Röhren der Triebwerke hören, wenn die Jäger vom Katapult gestartet wurden. Er war nervös. Zwar wußte er, daß sich die heutige taktische Situation stark von der des zweiten Kriegstages unterschied, konnte aber nicht vergessen, daß er einer der beiden Männer war, die aus der GZ der Nimitz lebend entkommen waren. Eine Flut von Informationen erreichte den Raum; landgestütztes Radar, die E-3 der Air Force und die E-2 der Navy gaben allesamt ihre Daten an die Träger weiter. Das Display zeigte Jäger, die zu ihren Stationen flogen. Die Tomcats reichten bis über Islands Nordküste, flogen träge Schleifen und warteten auf die russischen Bomber.
»Ideen, Toland, ich brauche Ideen!« sagte der Admiral leise.
»Wenn sie es auf uns abgesehen haben, kommen sie von Osten. Geht es um die Landungsflotte, fliegen sie auf direktem Weg an. Täuschungsmanöver sind überflüssig, wenn Stykkisholmur das Ziel ist.«
Jacobson nickte. »Ja, so sehe ich das auch.«
Oben auf dem Flugdeck rumste es weiter; Erdkampfflugzeuge landeten, um neue Bomben an Bord zu nehmen. Abgesehen von der unmittelbaren Wirkung hatten ihre Einsätze den Zweck, die sowjetischen Fallschirmjäger durch kontinuierliche Luftangriffe zu demoralisieren. Auch Harrier der Marines und Hubschrauber waren im Einsatz. Man kam besser als erwartet voran, denn die russischen Truppen waren nicht so weit verteilt wie angenommen, und auf ihre bekannten Stellungen ging ein Hurrikan von Bomben und Raketen nieder.
»Starbase, hier Hawk-Blue-Drei. Ich empfange Störsignale aus null-zwei-vier ... werden stärker.« Die Daten gingen direkt von der Radartnaschine an den Träger und erschienen als dicke gelbe Blitze auf dem elektronischen Display. Kurz darauf meldeten auch die anderen Hawkeyes Störtätigkeit.
Der für die Luftoperationen der Flotte zuständige Offizier lächelte schwach und griff zum Telefon. Da alle seine Einheiten an Ort und Stelle waren, hatte er mehrere Optionen.
»Plan Delta.«
Die russischen Störflugzeuge, umgebaute Badgers, kamen in breiter Front mit fünfhundert Knoten an, deckten die mit Raketen bewaffneten Bomber und waren nun noch dreihundert Meilen von den Radarflugzeugen entfernt. Die Tomcats jagten ihnen mit fünfhundert Knoten entgegen.
Zwanzig Störflugzeuge waren identifiziert worden. Achtzehn Jäger hielten auf sie zu; jedem Ziel galten mindestens zwei Raketen.
»Delta – ausführen!«
Die Tomcats schossen auf diesen Befehl hin vierzig Meilen von ihren Zielen entfernt ab. Wieder fegten Phoenix-Raketen durch die Luft. Die Flugzeit betrug nun sechsundfünfzig Sekunden. Sechzehn Badger verstummten, die restlichen vier schalteten die Sender ab, als sie die Rauchspuren der Raketen sahen, und gingen in den Sturzflug, von Tomcats verfolgt.
»Zahlreiche Radarkontakte. Verband Eins besteht aus fünfzig Maschinen in drei-sechs-null, Geschwindigkeit sechshundert Knoten, Höhe dreißigtausend. Verband Zwei –« Der Sprecher fuhr fort, die feindlichen Flugzeuge erschienen auf dem Display.
»Der Hauptverband greift wahrscheinlich die Landungsflotte an, setzt sich aus Badger zusammen. Dieser zweite hier, das sind Backfire, die vermutlich aus großer Distanz Raketen auf uns abfeuern wollen«, sagte Toland.
Jacobson besprach sich kurz mit seinem Operationsoffizier. Hawk-Green-1 sollte die Verteidigung der Landungsflotte steuern, Hawk-Blue-4 die des Trägerverbandes koordinieren. Die Jäger verteilten sich laut Plan und gingen an die Arbeit. Toland fiel auf, daß Jacobson die Leitung des Luftgefechts den Offizieren in den Radarflugzeugen überließ. Alle Lenkwaffenschiffe wurden von der USS Yorktown kommandiert.
»Hoffen wir nur, daß die Russen nicht wieder ein Täuschungsmanöver versuchen«, murmelte Jacobson.
»Gut, das hat einmal geklappt«, stimmte Toland zu. »Aber sie waren noch nie so weit von ihren Stützpunkten entfernt wie jetzt.«
Die Tomcats teilten sich in Gruppen zu je vier Maschinen auf. Ihre Piloten waren ebenfalls über den Raketentrick informiert worden, auf den die Nimitz hereingefallen war, und ließen die Radargeräte abgeschaltet, bis sie auf fünfzig Meilen an ihre Ziele herangekommen waren.
»Hawk-Blue-Vier!« rief einer. »Tallyho, ich sichte einen Backfire. Greife jetzt an. Out.«
Die Russen waren bei ihrem Angriffsplan von der Annahme ausgegangen, die amerikanischen Jäger würden versuchen, den Störvorhang im Norden zu durchbrechen, um dann vom Auftauchen der Backfire im Osten überrascht zu werden. Doch die Störflugzeuge waren ausgeschaltet worden, und die Backfire hatten den amerikanischen Trägerverband noch nicht auf dem Radarschirm. Nur aufgrund einer mehrere Stunden alten Satellitenaufnahme konnten sie ihre Raketen nicht abschießen; Flucht kam auch nicht in Frage. Die überschallschnellen russischen Bomber schalteten die Nachbrenner und Radaranlagen ein und begannen ein Rennen gegen Zeit, Distanz und die amerikanischen Abfangjäger.
Wieder schien auf dem Display ein Videospiel abzulaufen. Die Symbole für die Backfire änderten sich, als die Maschinen zum Schutz ihre Störgeräte einschalteten. Das Stören verminderte die Treffsicherheit der Phoenix-Raketen, aber die Verluste der Russen waren bereits ernst. Die Backfire waren noch dreihundert Meilen entfernt. Ihr Radar reichte nur halb so weit, und schon schwärmten Jäger über ihrer Formation. Triumphierende Rufe der Tomcat-Piloten erklangen über Funk, und die Symbole begannen, von den Radarschirmen zu verschwinden. Die Backfire jagten mit Mach 2 dahin und suchten mit Radar verzweifelt nach der amerikanischen Flotte.
»Ein paar werden durchkommen«, meinte Toland.
»Sechs bis acht«, stimmte Jacobson zu.
Inzwischen hatten die Tomcats alle ihre Raketen verschossen und zogen sich zurück, um den Hornet mit ihren Raketen vom Typ Sparrow und Sidwinder das Feld zu überlassen. Den Kampfflugzeugen fiel es nicht leicht, mit ihren Zielen Schritt zu halten, sie erzielten aber Treffer, die kein Stör- oder Ausweichmanöver verhindern konnte. Endlich bekam eine russische Maschine die Flotte auf den Radarschrim und gab über Funk die Position durch. Die übriggebliebenen sieben Backfire schossen ihre Raketen ab und flohen mit Mach 2 nach Norden. Drei weitere fielen Luftkampfraketen zum Opfer, ehe die Hornet wegen Treibstoffmangel abdrehen mußten.
Wieder erging die Vampir-Warnung. Toland verzog schmerzlich das Gesicht. Zwanzig anfliegende Raketen wurden erfaßt. Die Flotte aktivierte Störsender und SAM-Systeme; zwei Aegis-Kreuzer lagen auf der Bedrohungsachse. Binnen Sekunden hatten sie zu feuern begonnen, und auch die anderen mit SM-2 ausgerüsteten Schiffe warfen ihre Raketen in den »Korb«, ließen sie von den Aegis-Computern steuern. Auf die zwanzig anfliegenden Raketen waren neunzig SM-2 angesetzt. Nur drei schafften es durch die Wolke von Abwehrraketen, und nur eine hielt auf einen Flugzeugträger zu. Die automatischen Abwehrkanonen von America erfaßten und zerstörten die AS-6 dreihundert Meter vor dem Schiff. Die beiden anderen Raketen fanden und trafen den Kreuzer Wainwright und brachten ihn nur vier Meilen von der Independence entfernt zur Explosion.
»Verdammt.« Jacobsons Züge verhärteten sich. »Verdammt, damit hatte ich nicht gerechnet. Holen wir die Flugzeuge rein. Da oben sind welche, die kaum noch etwas im Tank haben.«
Nun galt alle Aufmerksamkeit den Badger, die gerade in Reichweite der Tomcat-Gruppen im Norden kamen. Die Badger-Crews hatten erwartet, hinter Störflugzeugen anzufliegen und erkannten zum Teil zu spät, daß es keine elektronische Mauer mehr gab, hinter der sie sich verstecken konnten. Fünf Minuten Flugzeit von ihren Abschußpunkten entfernt, machten sie angreifende Jäger aus. Die Badger blieben auf Kurs und gingen auf Höchstgeschwindigkeit, um die Zeit der Verwundbarkeit auf ein Minimum zu beschränken. Ihre Besatzungen hielten ängstlich nach Raketen Ausschau.
»Tallyho! Badger in zwölf Uhr!« Der erste Tomcat ließ aus vierzig Meilen Entfernung das erste Raketenpaar los.
Anders als den Backfire war den Badger die Position der Ziele bekannt, was sie in die Lage versetzte, ihre Raketen SA-4 aus der Maximaldistanz abzuschießen. Eine nach der anderen drehten die zwanzig Jahre alten Maschinen so scharf ab, wie ihre Piloten es wagten, und ergriffen die Flucht. Dank dieses Manövers überlebte die Hälfte, da die Kampfflugzeuge der Navy sie nicht verfolgen konnten, Raketen waren im Anflug auf Stykkisholmur, aber in den Radarflugzeugen rechnete man bereits die Abschüsse zusammen. Die sowjetischen Marineflieger hatten schwere Verluste erlitten.