Aachen

Das Speznas-Team verließ das konspirative Haus und fuhr in zwei kleinen Lieferwagen nach Süden, Richtung Lammersdorf. Da sein Führer ums Leben gekommen war, waren nun an seinen Stellvertreter, einen Hauptmann, Kopien der Papiere, derentwegen sein Chef gestorben war, geschickt worden. Die Männer kannten ihre Aufgabe genau. Sie waren stumm und angespannt. Der Offizier hatte sich große Mühe gegeben, seinen Männern zu erklären, daß ihr Fluchtweg sorgfältig geplant sei, ein weiteres konspiratives Haus bereitstünde, in dem sie nur fünf Tage lang auf das Eintreffen der Truppen zu warten brauchten. Sie seien die Elite der Roten Armee, hatte er ihnen eingeschärft, gründlich für gefährliche Aufträge hinter den feindlichen Linien ausgebildet und daher dem Staat wertvoll. Jeder Mann hatte in den Bergen von Afghanistan Gefechtserfahrung gesammelt; sie waren trainiert, bereit.

Die Männer lauschten seiner Ansprache so, wie es Elitetruppen gewöhnlich tun: schweigend. Vor allem ihrer Intelligenz wegen ausgewählt, wußten sie wohl, daß ihnen nur Mut gemacht werden sollte. Die Mission hing vom Glück ab, und das hatte sie bereits verlassen. Major Tschernjawin fehlte, und viele fragten sich, ob das Unternehmen bereits enttarnt war. Doch einer nach dem anderen schob diese Gedanken beiseite. Jeder Mann ging bald noch einmal seine Rolle bei der Zerstörung von Lammersdorf durch.

Die Fahrer waren vom KGB und speziell für den Einsatz im Ausland ausgebildet. Sie blieben dicht beieinander, fuhren defensiv, achteten auf Verfolger. Beide hörten den Polizeifunk ab und standen über Funk miteinander in Verbindung. Die Mission war vor einer Stunde von den KGB-Offizieren besprochen worden. Die Zentrale in Moskau hatte mitgeteilt, die Nato sei noch nicht in voller Alarmbereitschaft. Der Lenker des ersten Lieferwagens, dessen Tarnberuf Taxifahrer war, fragte sich, ob die »volle« Alarmbereitschaft der Nato eine Parade auf dem Roten Platz bedeutete.

 

»Jetzt biegen sie ab. Wagen drei, aufholen. Wagen eins, biegen Sie an der nächsten Kreuzung links ab und setzen Sie sich vor sie.« Oberst Weber benutzte ein Sprechfunkgerät, wie es auch von FIST-Trupps (Feuerunterstützungsteams) eingesetzt wurde. Der Hinterhalt war nun schon seit Tagen bereit gewesen, und als die Objekte aus dem konspirativen Haus aufgetaucht waren, hatte man die Blitzmeldung sofort in der ganzen Bundesrepublik verbreitet. Nato-Verbände wurden in volle Gefechtsbereitschaft versetzt, denn dies konnte nur der erste Schlag eines heißen Krieges sein. Es sei denn, gestand Weber sich zu, der Speznas-Trupp begab sich nur von einem sicheren Platz zum anderen, um weiter abzuwarten. Wie sich die Dinge entwickeln würden, wußte er nicht, aber irgendwann mußte es losgehen.

 

Die beiden Transporter fuhren nun über die schmalen Straßen des Naturparks Nordeifel, um dem Militärverkehr auf den Bundesstraßen auszuweichen, doch in Mulartshütte entdeckte der Fahrer des ersten Wagens einen Militärkonvoi mit britischen Panzern auf Tiefladern – neue Challenger. Nun, so dicht an der belgischen Grenze war mit Leoparden der Bundeswchr nicht zu rechnen gewesen. Es war schon immer ausgeschlossen gewesen, die Bundesrepublik an der Mobilmachung zu hindern. Er versuchte sich einzureden, die restlichen Nato-Länder hätten nicht so rasch gehandelt wie Westdeutschland. Wenn ihre Mission erfolgreich verlief, war die Kommunikation der Nato schwer gestört; in diesem Fall trafen die sowjetischen Panzerspitzen noch rechtzeitig ein, um sie zu retten. Der Konvoi verlangsamte seine Fahrt. Der Fahrer erwog, ihn zu überholen, doch seine Anweisung lautete: Verhalten Sie sich unauffällig.

 

»Alles bereit?« fragte Weber in seinem Verfolgerfahrzeug.

»Bereit.« Verflucht komplizierte Operation, dachte Major Armstrong. Eine Zusammenarbeit von Panzertruppen, SAS und dem Bundesgrenzschutz. Der Konvoi hielt an einem Rastplatz. Weber blieb hundert Meter dahinter stehen. Nun lag alles bei dem englischen Team.

Um die beiden kleinen Lieferwagen herum blitzten Leuchtbomben auf.

 

Der KGB-Fahrer verzog schmerzlich das Gesicht und kniff die Augen zu. Dann sah er, wie keine fünfzig Meter entfernt das Rohr einer Panzerkanone sich von seiner Auflage hob und direkt auf seine Windschutzscheibe richtete.

»Achtung!« rief eine Stimme auf russisch durch ein Megaphon. »Achtung, Speznas-Soldaten. Sie sind von motorisierten Einheiten umstellt. Kommen Sie nacheinander und unbewaffnet aus Ihren Fahrzeugen. Wenn Sie das Feuer eröffnen, werden Sie binnen Sekunden getötet.« Nun war eine zweite Stimme zu vernehmen.

»Genossen, hier spricht Major Tschernjawin. Kommt heraus. Ihr habt keine Chance.«

Die Männer tauschten entsetzte Blicke. Der Hauptmann im ersten Fahrzeug begann, den Sicherungsstift aus einer Handgranate zu ziehen. Ein Feldwebel sprang ihn an und umklammerte seine Hände.

»Wir dürfen nicht in Gefangenschaft geraten! So lautet unser Befehl!« rief der Hauptmann.

»Und ob!« brüllte der Feldwebel zurück. »Los, steigt einzeln aus, Genossen – mit erhobenen Händen!«

Ein Schütze stieg langsam aus der Hecktür des Transporters.

»Kommen Sie auf mich zu«, sagte Tschernjawin von einem Rollstuhl aus. Der Major hatte genug verraten, um seine Männer, mit denen er zwei Jahre lang gearbeitet hatte, zu retten. Es war sinnlos, sie nun hinschlachten zu lassen. »Man wird Ihnen nichts zuleide zun. Wenn Sie eine Waffe bei sich haben, werfen Sie sie jetzt weg. Ich weiß, daß Sie einen Dolch tragen, Schütze Iwanow ... gut. Der nächste.«

Es ging ganz rasch. Ein Team von Männern des SAS und der GSG-9 sammelte die Sowjets ein, legte ihnen Handschellen an und führte sie mit verbundenen Augen ab. Bald waren nur noch zwei übrig. Die Handgranate komplizierte die Situation. Der Hauptmann hatte inzwischen eingesehen, daß Widerstand sinnlos war, konnte aber den Sicherungsstift nicht finden. Der Feldwebel rief Tschernjawin eine Warnung zu, aber der saß im Rollstuhl und konnte nichts unternehmen. Zuletzt kam der Hauptmann heraus. Am liebsten hätte er mit der Handgranate nach dem Offizier geworfen, der, wie er glaubte, sein Land verraten hatte, sah aber dann einen Mann vor sich, der beide Beine in Gips hatte.

»Ich habe eine scharfe Handgranate«, erklärte der Hauptmann laut. »Ich werfe sie jetzt in diesen Transporter.«

Und ehe ihn jemand daran hindern konnte, tat er das auch. Einen Moment darauf flog der Lieferwagen in die Luft, und die Karten und Fluchtpläne des Trupps verbrannten. Zum ersten Mal seit Wochen grinste Major Tschernjawin breit. »Gut gemacht, Andruschka!«

 

Zwei andere Speznas-Trupps hatten weniger Glück und wurden in Sichtweite ihrer Ziele von deutschen Einheiten, die von Tschernjawins Gefangennahme wußten, abgefangen. Doch es befanden sich noch weitere zwanzig Gruppen in der Bundesrepublik, und nicht jede Nato-Einrichtung war rechtzeitig gewarnt worden. Rechts und links vom Rhein kam es zu erbitterten Feuergefechten. Ein Krieg, der Millionen in Mitleidenschaft ziehen sollte, begann mit verzweifelten Nachtkämpfen zwischen Einheiten von Zug- und Kompaniestärke.

Im Sturm: Thriller
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