Sunnyvale, Kalifornien
»Heiliger Strohsack!« hauchte der Chief Master Sergeant. Der in dem Benzin- und Diesellager der Raffinerie ausgebrochene Brand hatte ausgereicht, die Sensoren eines vierzigtausend Kilometer über dem Indischen Ozean in einer geosynchronen Umlaufbahn schwebenden strategischen Frühwarnsatelliten zu aktivieren. Das Signal wurde zu einer hochgeheimen Bodenstation der US-Luftwaffe gesendet.
Der ranghöchste Wachoffizier der Satelliten-Kontrolleinrichtung war ein Colonel der Air Force, der sich nun an seinen rangältesten Techniker wandte. »Bringen Sie das auf die Karte.«
»Ja, Sir.« Der Sergeant gab an seinem Terminal einen Befehl ein, der die Empfindlichkeit der Kameras im Satelliten verringerte. Als der Überbelichtungseffekt auf dem Bildschirm nachließ, ortete der Satellit die Quelle der Wärmeenergie rasch. Eine computererzeugte Landkarte auf dem Monitor lieferte genaue Koordinaten. »Sir, da brennt eine Erdölraffinerie. In zwanzig Minuten haben wir einen KH-11-Durchlauf. Der Satellit passiert die Brandstelle in knapp hundertzwanzig Kilometer Entfernung.«
»Gut.« Der Colonel nickte. Er betrachtete aufmerksam den Bildschirm, um sich zu vergewissern, daß die Hitzequelle sich nicht bewegte. Mit der rechten Hand griff er nach dem goldenen Telefon zum NORAD-Hauptquartier in Cheyenne Mountain im Bundesstaat Colorado. »Hier Argus Contro. Ich habe eine Blitzmeldung für den CINC-NORAD.«
»Moment.«
»Hier CINC-NORAD«, sagte ein zweiter Mann, der Oberbefehlshaber der nordamerikanischen Luft- und Raumverteidigung.
»Sir, hier Colonel Burnette, Argus Control. Massiver Thermalenergiewert, Koordinaten sechzig Grad fünfzig Minuten Nord, sechsundsiebzig Grad vierzig Minuten Ost. Die Lokalität ist als Erdölraffinerie ausgewiesen. Die Hitzequelle ist stationär, wiederhole: stationär. In zwanzig Minuten erfolgt ein KH-11-Durchlauf. Nach erster Einschätzung, General, haben wir es hier mit einem Großbrand auf einem Ölfeld zu tun.«
»Ihr Satellit wird also nicht von einem Laser geblendet?« fragte der CINC-NORAD. Es bestand immer die Möglichkeit, daß die Sowjets solche Spiele trieben.
»Negativ. Die Lichtquelle umfaßt das gesamte sichtbare Spektrum plus infrarot und ist nicht, wiederhole: nicht monochromatisch. Weitere Einzelheiten in wenigen Minuten, Sir. Bisher weisen alle Daten auf einen Flächenbrand hin.«
Dreißig Minuten später hatten sie Gewißheit. Der Aufklärungssatellit kam über den Horizont und der Unfallstelle so nahe, daß seine acht Fernsehkameras das Chaos aufzeichnen konnten. Das Signal wurde über einen stationären Satelliten an die Bodenstation gefunkt, und Burnette sah sich das Ganze in »Echtzeit« an, live und in Farbe. Der Brand hatte bereits auf die Hälfte des Raffineriekomplexes und auf mehr als die Hälfte des nahegelegenen Ölfelds übergegriffen; brennendes Öl strömte aus den geborstenen Pipelines in den Ob. Sie konnten zusehen, wie sich das von einem starken Wind angefachte Feuer rasch ausbreitete. Im sichtbaren Spektrum hüllte Rauch den Großteil der Anlage ein, aber InfrarotSensoren durchdrangen ihn und zeigten eine Vielzahl von Hitzequellen, die nur riesige, heftig brennende Seen von Erdölprodukten darstellen konnten. Burnettes Sergeant kam aus dem Osten von Texas und hatte als junger Mann auf Ölfeldern gearbeitet. Er brachte Tageslichtaufnahmen der Anlage auf den Monitor und verglich sie mit dem Bild auf dem Sichtgerät nebenan, um festzustellen, welche Teile der Raffinerie bereits Feuer gefangen hatten.
»Verflucht, Colonel.« Der Sergeant schüttelte andächtig den Kopf. »Die Raffinerie ist im Eimer, Sir. Das Feuer rast vor dem Wind her und ist unmöglich zu löschen. Die Anlage ist ein Totalverlust und brennt vielleicht noch drei, vier Tage weiter, stellenweise sogar eine Woche. Und wenn sie den Brand nicht unter Kontrolle bekommen, geht auch das Ölfeld hoch. Beim nächsten Durchlauf steht der ganze Schlamassel in Flammen, brennendes Öl aus allen Bohrlöchern ... Mann, da traut sich selbst Red Adair nicht ran!«
»Von der Raffinerie bleibt also nichts übrig? Hmm.« Burnette ließ eine Bandaufzeichnung der Satellitenaufnahmen ablaufen. »Das ist ihre neueste und größte Anlage. Bis die von Grund auf wieder aufgebaut ist, gibt es bei Petroleumprodukten mit Sicherheit Engpässe. Wenn der Brand gelöscht ist, werden sie ihre Benzin- und Dieselproduktion radikal umstellen müssen. Eins muß ich dem Russen lassen: Wenn bei seiner Industrie etwas schiefgeht, stößt er sofort zu. Ein lästiger Rückschlag für unsere russischen Freunde also, nicht mehr.«
Diese Analyse wurde tags darauf vom CIA und einen Tag später von den britischen und französischen Nachrichtendiensten bestätigt.
Sie lagen alle schief.