USS Pharris
Gischt peitschte Morris ins Gesicht, aber er genoß das Gefühl. Der Geleitzug mit Ballast beladener Frachter lief einem mit vierzig Knoten heranfegenden Sturm entgegen. Die See hatte einen häßlichen, schaumigen Grünton. Seine Fregatte erklomm die steilen Flanken endloser Wellenberge und stürzte dann wieder von ihnen herunter. Das ging nun schon seit sechs Stunden so. Die Bewegungen des Schiffes waren brutal. Jedesmal, wenn sich der Bug ins Wasser bohrte, hatte man das Gefühl, jemand sei voll auf die Bremse gestiegen. Die Männer hielten sich an Stützen fest und glichen breitbeinig das Schlingern aus. Wer an Deck stand, wie Morris, trug Schwimmweste und Jacke mit Kapuze. Ein Gutteil der Crew schlief.
Gefechte waren bei solchem Wetter praktisch unmöglich. U-Boote orteten ihre Ziele vorwiegend mit Sonar, und der Lärm der aufgewühlten See übertönte jegliche Schiffsgeräusche. Ein ganz besonders aggressiver U-Boot-Kommandant konnte versuchen, auf Sehrohrtiefe zu fahren und sein Suchradar einzusetzen, doch damit riskierte er, daß sein Boot die Oberfläche durchbrach und vorübergehend außer Kontrolle geriet. Wollte ein U-Boot ein Schiff orten, mußte es praktisch auf Tuchfühlung gehen. Auch Luftangriffe machten ihnen im Augenblick keine Sorgen; die zahllosen hohen Wellenkämme mußten die Suchköpfe feindlicher Rakten verwirren.
Was sie selbst anging, war das Bugsonar praktisch nutzlos, da es sich in einem Bogen von zwanzig Grad auf und ab bewegte und hin und wieder ganz aus dem Wasser auftauchte. Das Schleppsonar befand sich in einigen hundert Fuß Tiefe in stillem Wasser und funktionierte daher in der Theorie recht gut, doch in der Praxis mußte ein U-Boot große Fahrt machen, um sich von dem heftigen Hintergrundgeräusch abzuheben. Der Hubschrauber der Pharris konnte unter diesen Bedingungen zwar starten, aber nicht wieder landen. Gefahr drohte einem U-Boot von der Fregatte nur, wenn es sich in Reichweite der Raketentorpedos ASROC (fünf Meilen) befand. Zwei P-3 Orion operierten über dem Konvoi, aber Morris beneidete ihre Besatzungen, die in knapp tausend Fuß Höhe von den Turbulenzen durchgeschüttelt wurden, kein bißchen.
Der Sturm bedeutete für alle eine Atempause in der Schlacht. Die Russen mußten es besser haben. Ihre Langstreckenflugzeuge wurden vermutlich am Boden gewartet, und die Sonar-Crews ihrer U-Boote konnten in vierhundert Fuß Tiefe gemütlich arbeiten.
»Kaffee, Sir?« Chief Clarke kam mit einer Tasse aus dem Ruderhaus.
»Danke.« Morris nahm die Tasse und leerte sie halb. »Wie hält sich die Mannschaft?«
»Die Jungs sind so müde, daß sie noch nicht mal mehr kotzen.« Clarke lachte. »Pennen wie die Murmeltiere. Wann hört das schlechte Wetter endlich auf?«
»Aufklaren soll es erst in zwölf Stunden. Diesem Tief folgt ein Hoch.« Die Wettervorhersage war gerade aus Norfolk eingegangen. Das Sturmtief zog nach Norden. Anschließend war mit zwei Wochen überwiegend klarem Wetter zu rechnen. Großartig.
Der Chief lehnte sich nach Backbord, um zu sehen, ob die Fittings auf dem Vordeck noch sicher waren. Bei jeder dritten oder vierten See bohrte sich der Bug der Pharris tief in eine Wellenflanke, und sie nahm grünes Wasser über. Es war Aufgabe des Chiefs, dafür zu sorgen, daß alles, was an Deck verzurrt war, auch fest saß. Die Pharris war bei der letzten Überholung mit einem höheren Bugkorb ausgerüstet worden, der dieses Problem zwar reduzierte, aber nicht ganz ausschalten konnte. Seeleute wissen schon seit Urzeiten, daß die See tödlich ist, wenn man ihr nicht den nötigen Respekt zollt. Clarkes geübtes Auge nahm hundert Einzelheiten wahr. Dann drehte er sich wieder um. »Sie scheint das gut abzuwettern.«
»Meinetwegen kann die See den ganzen Weg lang so toben«, meinte Morris, nachdem er seine Tasse geleert hatte. »Wenn sich der Sturm verzogen hat, müssen wir eine Menge verstreuter Frachter einsammeln.«
Clarke nickte. Position halten war in diesem schweren Wetter nicht einfach. »So weit, so gut, Sir. Bislang hat sich noch nichts gelockert.«
»Wie sieht’s auf dem Achterdeck aus?«
»Kein Problem, Sir. Ich habe einen Mann aufgestellt, der die Dinge im Auge behält. Solange wir keine größere Fahrt machen müssen, sollte alles halten.« Beide wußten, daß das ausgeschlossen war. Sie liefen zehn Knoten; viel schneller kam die Fregatte in dieser groben See ohnehin nicht voran. »So, ich sehe jetzt achtern nach dem Rechten.«
»Okay.« Morris schaute nach oben, um sich davon zu überzeugen, daß seine Ausgucks noch auf Position waren. Wahrscheinlich oder nicht, hier draußen drohten Gefahren – alle möglichen.