USS Chicago
»Sonarkontakt in drei-vier-sechs.«
Noch siebenhundert Meilen bis zum Packeis, dachte McCafferty auf dem Weg nach vorne. Mit fünf Knoten.
Sie befanden sich in tiefem Wasser. Es war ein kalkuliertes Risiko gewesen, trotz der lärmenden Providence mit fünfzehn Knoten von der Küste zu fliehen. Vier Stunden hatten sie bis zur Hundert-Faden-Kurve gebraucht, eine Zeit konstanter Anspannung und Sorge um die Reaktion der Russen auf den Tomahawk-Angriff. Zuerst hatten die Russen Bear geschickt und Sonobojen abwerfen lassen, doch diesen hatte man sich entziehen können. Die Sonarsysteme von Providence funktionierten zum größten Teil noch; das Boot konnte sich zwar nicht mehr verteidigen, aber die Gefahr wenigstens herannahen hören.
Während der vierstündigen Fahrt hatte das verwundete Boot geklungen wie eine Wagenladung Röhren, und McCafferty wollte gar nicht erst daran denken, wie es sich mit dem schlapp hängenden Tiefenruder steuern ließ. Nun aber waren sie in siebenhundert Meter tiefem Wasser und hatten durch ihr Schleppsonar eine zusätzliche Warnung vor herannahender Gefahr. Boston und Chicago liefen drei Meilen links und rechts ihrer verwundeten Schwester. Siebenhundert Meilen mit fünf Knoten, dachte McCafferty, das dauert ja fast sechs Tage...
»Na, was haben wir da, Chief?«
»Tauchte langsam auf, Sir, also vermutlich auf direktem Weg. Wandert langsam ab. Meiner ersten Schätzung nach ein Dieselboot, das mit Batterien läuft, und zwar in der Nähe.« Der Sonar-Chief ließ sich keine Emotion anmerken.
McCafferty beugte sich in die Gefechtszentrale. »Kurs null-zwofünf.«
Der Rudergänger brachte das Boot behutsam auf einen Nordostkurs. Bei fünf Knoten war Chicago ein »Loch im Wasser«, das überhaupt kein Geräusch verursachte, doch der Kontakt war fast genauso leise. McCafferty sah zu, wie die Linie auf dem Schirm im Lauf mehrerer Minuten ganz leicht die Form änderte.
»Ah, Kontakt hat die Richtung geändert, ist jetzt in drei-vier-eins.«
»Joe?« McCafferty sah seinen Ersten Offizier fragend an.
»Ich schätze die Distanz auf plusminus achttausend Yard. Er ist auf Gegenkurs, Fahrt rund vier Knoten.«
Viel zu nahe, dachte McCafferty. Hört uns aber vermutlich noch nicht.
»Drauf.«
Der Mark-48-Torpedo wurde auf Mindestgeschwindigkeit eingestellt, machte nach Verlassen des Rohres eine Wendung um vierzig Grad und hielt dann auf den Kontakt zu, schleppte die mit dem U-Boot verbundenen Lenkdrähte hinter sich her. Die Sonarleute steuerten den Fisch auf sein Ziel ein, während Chicago sich langsam vom Abschußpunkt entfernte. Plötzlich hob der Sonar-Chief ruckartig den Kopf.
»Er hat’s gehört und die Maschinen angeworfen! Laut Schraubengeräusch will er auf fünfzehn Knoten gehen – das ist ein Foxtrott. Achtung, er hat gerade die Rohre geflutet.«
Der Torpedo beschleunigte und aktivierte sein Zielsuchsonar. Der Kommandant des Foxtrott hatte gemerkt, daß er geortet worden war, und reagierte automatisch, steigerte die Geschwindigkeit, befahl eine scharfe Wendung nach Steuerbord und schoß einen Torpedo auf den Angreifer ab. Endlich tauchte er tief in der Hoffnung, den näher kommenden Fisch abzuschütteln.
Die scharfe Wendung hinterließ eine Turbulenzzone im Wasser, von der der Mark-48 kurz verwirrt wurde. Doch der Torpedo fuhr direkt durch sie hindurch und erfaßte, nachdem er wieder ruhiges Wasser erreicht hatte, sein Ziel. Die grüne Waffe tauchte hinter dem Foxtrott her und erwischte es in vierhundert Fuß.
»Richtung des feindlichen Torpedos ändert sich rasch«, sagte der Sonar-Chief. »Er wird uns achtern passieren – Treffer, wir haben das Ziel getroffen.« Der Lärm hallte durch den Stahlrumpf wie ferner Donner. McCafferty stöpselte Kopfhörer ein und vernahm gerade noch die verzweifelten Versuche des Foxtrott, durch Anblasen an die Oberfläche zu gelangen, und das Reißen des Schotts. Die letzte Handlung des Kommandanten bekam er nicht mit: Der Russe gab die hinten am Turm befestigte Rettungsboje frei. Diese trieb an die Oberfläche und sendete dort kontinuierlich. Die Besatzung des Foxtrott lebte schon nicht mehr, doch die Rettungsboje verriet dem Hauptquartier, wo sie gestorben war – und mehrere U-Boote und Überwasserschiffe liefen sofort auf diesen Punkt zu.