Fünfundvierzig
Lewis Blocker ging ins Internet und las alles, was er über Kathleen Ford und ihre neue Website finden konnte. Sie hatte viel Geld, um es in dieses Projekt hineinzubuttern, und große Namen wurden als Autoren gehandelt. Einen prominenten Kolumnisten der New York Times hatte sie schon abgeworben. Einige bekannte Moderatoren von Fox und MSNBC hatten sich bereit erklärt, regelmäßige Beiträge zu liefern.
Es würde jede Menge Promitalk geben. In dieser Hinsicht würde sich diese Online-Zeitung in nichts von jener unterscheiden, der sie Konkurrenz machen wollte. Doch es sollte auch ein paar Neuigkeiten geben. Ford hatte zwei, drei Bestsellerautoren anwerben können – von Stephen King und John Grisham war in diesem Zusammenhang die Rede –, die Fortsetzungsgeschichten schreiben würden. Jede Woche ein neues Kapitel, wie in den alten viktorianischen Blättern. Angeblich sollte es sogar einen animierten politischen Cartoon geben, von wem, darüber gab es allerdings noch keine Spekulationen.
Diesem Punkt schenkte Lewis ganz besondere Aufmerksamkeit.
Er schrieb sich ein paar Fragen auf und überlegte, wie er vorgehen sollte. Dann suchte er die Telefonnummer der PR-Abteilung von Kathleen Fords Firma heraus.
Man stellte ihn zu einer gewissen Florence Highgold durch. Lewis bezweifelte, dass der Name echt war, gab sich aber damit zufrieden. Er erklärte, er sei Freiberufler und schreibe für das Wall Street Journal einen Artikel über Fords neue Website. Er interessiere sich besonders für die Künstler, die Ford für sich gewinnen wollte.
»Was diese Sache mit dem Fortsetzungsroman angeht«, sagte er. »Ich habe gehört, der Typ, der den Da Vinci Code geschrieben hat, soll da auch mitmachen.«
Florence lachte. »Selbst mit den Mitteln, die Ms. Ford zur Verfügung stehen, weiß ich nicht, ob sie sich den leisten könnte.«
»Na, wenn sie sich King und Grisham leisten kann –«
»Wir werden nicht bestätigen, dass die beiden oder einer von beiden tatsächlich beauftragt wurden, etwas für die Webseite zu schreiben«, sagte Florence.
Lewis fragte sie, wann die Zeitung zum ersten Mal erscheinen solle und wie viele Aufrufe man erwarte. Würde man dafür zahlen müssen? Und wenn nicht, würden sie sich allein aus Werbeeinnahmen finanzieren?
Und als wäre es ihm gerade erst eingefallen, fragte er: »Und wie sieht’s sonst mit Künstlern aus? Hat so eine Website großen Bedarf an Illustratoren?«
»Um erst mal ein Konzept für so eine Seite zu entwickeln, braucht man natürlich Webdesigner«, erklärte Florence. »Man braucht ein individuelles graphisches Konzept, um sich von anderen abzuheben. Aber wenn das einmal steht, ist das Ganze eigentlich ein Selbstläufer.«
»Dann wird es also, anders als bei den Schriftstellern, keine Künstler geben, die regelmäßige Beiträge liefern?«
»Das ist nicht ganz richtig. Wir haben bereits gesagt, dass wir animierte politische Cartoons bringen wollen.«
»Haben Sie dafür schon jemanden?«
»Allerdings«, sagte Florence. »Kennen Sie die Arbeiten von Ray Kilbride?«
Lewis tippte den Namen in die Suchmaschine ein, noch während sie ihn aussprach. Als die Treffer angezeigt wurden, klickte er auf »Bilder«.
Auf dem Bildschirm erschienen unzählige briefmarkengroße Bildchen.
»Ja, ich glaube«, sagte Lewis. Er klickte eine Zeichnung von Newt Gingrich an, die in einer Zeitschrift in Chicago erschienen war. Als Urheber wurde Ray Kilbride genannt. »Der hat doch diese Gingrich-Karikatur gemacht, oder?«
»Gut möglich. Er hat sehr viele gemacht.«
Lewis klickte noch einmal, und diesmal erschien eine Karikatur von Carlo Vachon, dem berüchtigten New Yorker Gangsterboss, der die Freiheitsstatue mit der Waffe bedrohte. »Und an noch eine kann ich mich erinnern. Die von diesem Obergangster.«
»Kann sein«, sagte Florence. »Wie gesagt, er hat ein ziemlich umfangreiches Portfolio.«
»Mhm«, machte Lewis. Er hatte gerade auf die nächste Seite geklickt, die von oben bis unten voller Bilder war.
Eins davon war keine Zeichnung, sondern ein Foto. Er klickte es an und sah gleich darauf einen Mann vor sich, der sich mit aufgekrempelten Ärmeln und einer Airbrush-Spritzpistole in der Hand über einen Zeichentisch beugte und dabei in die Kamera lächelte.
Das Foto stammte von der Website einer Kunstzeitschrift und wurde von einem kurzen Artikel über Ray Kilbride begleitet, der in Burlington, Vermont, lebte.
»Sind Sie noch da?«, fragte Florence.
»Ja, ja, ich bin noch da«, sagte Lewis. Er hielt den Ausdruck, den er in dem Künstlerladen herumgezeigt hatte, neben den Bildschirm seines Computers und verglich die beiden Gesichter miteinander.
»Wollten Sie sonst noch etwas wissen?«, fragte Florence.
»Nein, ich glaube, ich habe die Antwort auf meine Frage gefunden«, sagte Lewis.
»Wissen Sie, wann der Artikel im Journal erscheinen wird«, fragte Florence. »Ms. Ford wird nämlich –«
Lewis legte auf. Dann klickte er sich weiter zum Online-Telefonbuch, wo er einen Eintrag für einen R. Kilbride in Burlington fand.
Er griff noch einmal zum Hörer.
»Ich höre, Lewis«, sagte Howard.
»Hab ihn«, sagte Lewis.