Eins
Komm doch rein, Ray.«
Harry Peyton schüttelte mir die Hand, führte mich in sein Büro und deutete auf den roten Ledersessel vor seinem Schreibtisch. Er war ungefähr so alt wie mein Vater, sah aber Jahre jünger aus. Er war eins achtzig groß und schlank, und sein Kopf war glatt wie eine Melone. Kahlköpfige Männer wirkten oft älter als sie tatsächlich waren, doch bei Harry war das anders. Er war Langstreckenläufer, und sein teurer Anzug saß wie eine zweite Haut. Sein Schreibtisch war der sichtbare Beweis für seine Ordnungsliebe. Ein Computermonitor, eine Tastatur, eines der neuesten Smartphones. Und ein Aktenhefter. Sonst war der Tisch leer wie eine Leinwand vor dem ersten Pinselstrich.
»Ich möchte dir noch mal sagen, wie leid es mir tut«, sagte Harry. »Es gibt so viel, das man über deinen Vater sagen kann, aber Reverend Clayton hat es sehr schön zusammengefasst. Adam Kilbride war ein guter Mensch.«
Ich rang mir ein Lächeln ab. »Ja, dafür, dass er Dad gar nicht kannte, hat der Pfarrer seine Sache recht gut gemacht. Dad war kein großer Kirchgänger. Wir können wahrscheinlich von Glück sagen, dass wir überhaupt jemand gefunden haben. Danke, dass Sie zur Beerdigung gekommen sind. Damit waren wir fast ein rundes Dutzend.«
Wir waren zu elft gewesen, den Pfarrer und mich eingeschlossen. Harry war da und drei von Dads Kollegen aus der Firma, bei der er gearbeitet hatte, darunter auch sein ehemaliger Boss, Len Prentice, und dessen Frau Marie. Dazu noch ein Freund von Dad, der eine Eisenwarenhandlung in Promise Falls geführt hatte, bis der Heimwerkermarkt am Stadtrand eröffnete und ihn arbeitslos machte. Außerdem war Dads jüngerer Bruder Ted mit seiner Frau Roberta aus Cleveland gekommen, und eine Nachbarin von Dad, eine Frau namens Hannah, keine Ahnung, wie sie mit Nachnamen hieß. Und dann war da noch eine Frau, die Thomas und ich von der Highschool kannten, Julie McGill. Sie arbeitete beim Promise Falls Standard, der Lokalzeitung, und hatte den Artikel über Dads Unfall geschrieben. Sie war nicht gekommen, um über die Beerdigung zu berichten – zwar hatten die Umstände von Dads Tod für eine gewisse Aufmerksamkeit gesorgt, doch war er weder Bürger des Jahres, noch Präsident des Rotary-Club oder etwas in der Art gewesen. Seine Verdienste um die Gesellschaft hatten nicht den geringsten Nachrichtenwert. Julie war einfach nur gekommen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.
Im Beerdigungsinstitut blieben eine Menge Eiersalat-Sandwiches übrig. Ich wurde genötigt, ein paar für meinen Bruder mit nach Hause zu nehmen. Ich hatte seine Abwesenheit damit erklärt, dass er sich nicht wohl fühle, aber niemand, zumindest niemand, der meinen Bruder kannte, nahm mir das ab. Auf der Heimfahrt war ich nahe daran, die Sandwiches aus dem Wagenfenster zu werfen. Sollten doch die Vögel sich daran gütlich tun und nicht mein Bruder. Aber ich tat es nicht. Ich brachte sie nach Hause, und sie wurden alle gegessen.
»Ich hatte gehofft, dein Bruder würde kommen«, sagte Harry. »Ich habe ihn schon lang nicht mehr gesehen.« Anfangs dachte ich, Harry meinte zu dieser Besprechung. Das wunderte mich, denn mein Bruder war ja nicht in der Lage, sich um den Nachlass unseres Vaters zu kümmern. Dann wurde mir klar, dass Harry die Beerdigung meinte.
»Tja, ich hab alles versucht«, sagte ich. »Krank war er jedenfalls nicht.«
»Dachte ich mir.«
»Ich wollte ihn überreden, aber es war sinnlos.«
Peyton schüttelte teilnahmsvoll den Kopf. »Euer Vater hat für ihn getan, was er konnte. Wie damals, bevor eure Mutter – Rose, Gott hab sie selig – von uns ging. Wie lange ist das jetzt her?«
»Das war 2005.«
»Danach muss es noch viel schwerer für ihn gewesen sein.«
»Damals war er noch bei P&L«, sagte ich. Die Druckerei Prentice und Long. »Er ist kurz darauf in Frührente gegangen. Ich glaube, daraufhin ist es richtig schlimm für ihn geworden. Den ganzen Tag im Haus zu sein. Das hat ihm wirklich aufs Gemüt geschlagen, aber er war nicht der Typ, der sich vor etwas drückte.« Ich biss mir auf die Lippe. »Mom … sie hat es irgendwie geschafft, sich nicht unterkriegen zu lassen. Für sie war es immer leichter, sich mit den Tatsachen abzufinden, als für Dad.«
»Adam war ja noch jung«, sagte Harry. »Zweiundsechzig. Das ist doch kein Alter. Es hat mich glatt umgehauen, als ich es hörte.«
»Tja, mich auch«, sagte ich. »Ich weiß nicht, wie oft Mom ihm im Laufe der Jahre gesagt hat, das es gefährlich ist, diesen steilen Hang mit dem Rasentraktor zu mähen. Aber er meinte immer, er hätte alles im Griff. Leider liegt dieser Teil des Grundstücks ziemlich weit ab vom Haus, man kann ihn weder von der Straße noch von den Nachbargrundstücken aus einsehen. Das Gelände fällt dort fast fünfundvierzig Grad zum Bach hin ab. Dad hat immer parallel zur Böschung gemäht und sich mit dem Körper zum Hang hin gelehnt, damit der Traktor nicht umkippt.«
»Was glaubst du, Ray, wie lange hat dein Vater wohl da draußen gelegen, bevor sie ihn fanden?«
»Wahrscheinlich hat er nach dem Mittagessen mit dem Rasenmähen begonnen, und gefunden wurde er erst kurz vor sechs. Als der Traktor auf ihn kippte, grub sich die Oberkante des Lenkrads da hinein –«, ich zeigte auf meine Körpermitte, »– in den Bauch, und zerquetschte ihm die inneren Organe.«
»Lieber Gott«, sagte Harry. Er berührte dabei seinen eigenen Bauch und versuchte wahrscheinlich, sich die Schmerzen vorzustellen, die mein Vater weiß der Himmel wie lange hatte ertragen müssen.
Dem hatte ich nichts hinzuzufügen.
»Er war ein Jahr jünger als ich«, sagte Harry und verzog das Gesicht. »Hin und wieder sind wir zusammen etwas trinken gegangen. Als Rose noch lebte, haben wir manchmal eine Runde Golf gespielt. Aber deinen Bruder so lange allein zu lassen, wie man für achtzehn Löcher braucht, das schien ihm dann doch zu riskant.«
»Und ein Golf-Ass war er ja auch nicht gerade«, sagte ich.
Harry lächelte betrübt. »Ich will nicht lügen. Beim Putten war er gar nicht schlecht, aber seine Drives waren schlicht Scheiße.«
Ich lachte. »Stimmt.«
»Aber als Rose dann nicht mehr war, hatte dein Vater nicht einmal mehr Zeit, einen Eimer Bälle auf dem Übungsplatz zu verschlagen.«
»Er hat immer in den höchsten Tönen von Ihnen gesprochen«, sagte ich. »Sie waren vor allem ein Freund, der Anwalt kam erst an zweiter Stelle.« Die beiden hatten sich fast ein Vierteljahrhundert gekannt. Seit damals, als Harry seine Scheidung durchgefochten hatte. Nachdem er seiner Ex-Frau das Haus überlassen hatte, wohnte er eine Zeitlang oberhalb eines Schuhgeschäfts hier im Zentrum von Promise Falls. Harry witzelte oft darüber, dass es ganz schön dreist von ihm sei, seine Dienste als Scheidungsanwalt anzubieten, nachdem er sich bei seiner eigenen so über den Tisch hatte ziehen lassen.
Harrys Handy gab einen Ton von sich, der den Eingang einer E-Mail verkündete, doch er würdigte es keines Blickes.
»Als ich das letzte Mal mit Dad telefoniert habe«, sagte ich mit einer Kopfbewegung Richtung Handy, »war er gerade am Überlegen, sich auch so ein Ding zuzulegen. Er hatte zwar eines, mit dem man fotografieren konnte, aber das war nicht mehr ganz neu, und die Fotos waren nicht besonders. Außerdem wollte er ein Handy, mit dem das Versenden von E-Mails keine Hexerei ist.«
»Adam hatte keine Berührungsängste mit diesem High-tech-Kram«, sagte Harry. Dann klatschte er in die Hände. Zeit, zum eigentlichen Grund meines Besuchs zu kommen. »Bei der Beerdigung hast du gesagt, dass du noch dein Studio hast. In Burlington, oder?«
Ich wohnte jenseits der Grenze des Staates New York, in dem Promise Falls liegt, in Vermont.
»Stimmt.«
»Beruflich läuft’s gut?«
»Kann nicht klagen. Die Branche ist im Umbruch.«
»Ich habe was von dir gesehen, eine deiner – wie nennt man das – Zeichnungen?«
»Genau«, sagte ich. »Illustrationen. Karikaturen.«
»Vor ein paar Wochen habe ich in der Literaturbeilage der New York Times eine gesehen. Deinen Stil erkenne ich überall. Deine Figuren haben alle diese Riesenschädel und winzigen Körper, dass man glaubt, sie müssen jeden Moment umkippen. Und diese abgerundeten Ecken. Wie du die verschiedenen Hautfarben schattierst und alles, das gefällt mir sehr. Wie machst du das eigentlich?«
»Mit Airbrush.«
»Zeichnest du viel für die Times?«
»Nicht mehr so viel wie früher. Es ist ja viel einfacher, sich ein Bild aus dem Internet zu holen, als jemanden mit einer aufwendigen Neuillustration zu beauftragen. Von Zeitungen und Zeitschriften kommt immer weniger. Inzwischen mache ich mehr Webseiten.«
»Du gestaltest Webseiten?«
»Nein, ich mache nur den grafischen Teil und gebe das dann an die Webdesigner weiter.«
»Ich hätte gedacht, wenn man für Magazine und Zeitungen in New York und Washington arbeitet, muss man vor Ort wohnen, aber wahrscheinlich spielt das heutzutage keine Rolle mehr.«
»Was man nicht scannen und mailen kann, kann man mit FedEx verschicken«, sagte ich. Harry wartete, ob ich noch etwas hinzufügen wollte, dann schlug er den Ordner auf seinem Schreibtisch auf und studierte die Papiere darin.
»Ray, ich gehe davon aus, dass du das Testament, das dein Vater aufgesetzt hat, schon gesehen hast.«
»Ja.«
»Es ist schon lange her, dass er es aktualisiert hat. Die letzten Änderungen hat er nach dem Tod deiner Mutter vorgenommen. Einmal habe ich ihn zufällig bei Kelly’s getroffen, und er hat mich auf einen Kaffee eingeladen. Er saß ganz allein in einer Nische am Fenster und schaute abwechselnd auf die Straße hinaus und in den Standard, aber ohne wirklich zu lesen. Ich habe ihn häufiger da gesehen. Ich glaube, er brauchte Zeit für sich, weg von zu Hause. Jedenfalls winkte er mich zu sich und sagte, er denke über eine Ergänzung nach, von seinem Testament, meine ich. Er müsse vielleicht die eine oder andere Sonderklausel hinzufügen. Aber dann ist er nicht mehr dazu gekommen.«
»Davon hatte ich zwar keine Ahnung«, sagte ich, »aber ganz unerwartet kommt es nicht. So, wie’s um meinen Bruder steht, kann ich mir gut vorstellen, dass er dem einen mehr hinterlassen wollte als dem anderen.«
»Also, um ehrlich zu sein, wenn Adam gekommen wäre, um das Testament in diese Richtung zu ändern, hätte ich vielleicht versucht, ihm das auszureden. Ich hätte ihm gesagt, dass es am besten sei, alle Kinder gleich zu behandeln. Sonst gibt es nur böses Blut zwischen den Hinterbliebenen. Natürlich wäre es noch immer seine Entscheidung gewesen. Das aktuelle Testament ist zwar ziemlich eindeutig, aber es gibt da ein, zwei Dinge, über die du dir Gedanken machen solltest.«
Ich stellte mir meinen Vater vor, wie er allein da an dem Vierertisch gesessen hatte. Selbst wenn er, genau genommen, nicht der einzige Bewohner war, hatte er seit Moms Tod das Haus praktisch für sich. Er musste nirgendwo anders hingehen, um allein zu sein. Aber ich konnte verstehen, dass er das Bedürfnis hatte rauszukommen. Manchmal musste man sich einfach ganz sicher sein, dass einen niemand überraschen konnte. Man brauchte Tapetenwechsel. Der Gedanke, dass mein Vater womöglich in dieser Gemütsverfassung gewesen war, machte mich traurig.
»Das heißt dann also fifty-fifty«, sagte ich. »Wenn der Nachlass liquidiert ist, geht eine Hälfte an mich und die andere an meinen Bruder.«
»Ja. Immobilien und Kapital.«
»Das sind so um die hunderttausend«, sagte ich. »Alles, was er und Mom für die Rente zusammengekratzt haben. Sie haben jahrelang gespart. Nie einen Cent für sich ausgegeben. Mit diesen hundert Riesen wäre er bis zu seinem Tod ausgekommen.« Ich stockte. »Auch wenn er noch zwanzig, dreißig Jahre gelebt hätte, meine ich. Und soweit ich weiß, gibt’s auch noch eine Lebensversicherung, eine relativ kleine.«
Harry Peyton nickte und lehnte sich zurück, die Finger hinter dem Kopf ineinander verflochten. Er zog ein wenig Luft durch die Zähne. »Du wirst dir überlegen müssen, was du mit dem Haus tun willst. Nichts spricht dagegen, dass du es verkaufst und den Erlös mit deinem Bruder teilst. Es liegt keine Hypothek drauf, und ich würde schätzen, drei-, vierhunderttausend könntest du schon dafür kriegen.«
»So um den Dreh. Es sind fast sechseinhalb Hektar Grund.«
»Wenn ihr so viel bekommt, dann stünde jeder von euch mit plus/minus einer Viertelmillion da. Alles in allem ein schöner Batzen Geld. Wie alt bist du, Ray?«
»Siebenunddreißig.«
»Und dein Bruder ist zwei Jahre jünger, stimmt’s?«
»Ja.«
Peyton nickte langsam. »Wenn er klug investiert, könnte er einige Jährchen davon zehren, aber er ist noch jung. Und bis er Rente beantragen kann, ist es noch eine Weile hin. Nach allem, was ich von deinem Vater gehört habe, ist er ja eigentlich nicht arbeitsfähig.«
Ich zögerte. »Kann man wohl so sagen.«
»Für dich sieht das schon anders aus. Du könntest das Geld anlegen, dir ein größeres Haus anschaffen, für den Tag – ich weiß, du bist nicht verheiratet, Ray, aber eines Tages lernst du jemanden kennen, bekommst Kinder –«
»Schon klar.« Bevor ich dreißig wurde, war ich schon ein, zwei Male nahe dran gewesen, den Bund fürs Leben zu schließen, doch dann war nichts daraus geworden. »Aber Kinder seh ich weit und breit nicht.«
»Das weiß man nie.« Wieder winkte er ab. »Geht mich aber auch nichts an, wenigstens nicht in meiner amtlichen Funktion. Aber ich glaube, euer Vater hätte es gern gesehen, dass ich mich ein bisschen um euch kümmere, euch gegebenenfalls mit meinem Rat zur Seite stehe.« Er lachte. »Aber ihr seid natürlich keine Kinder mehr. Das ist schon lange vorbei.«
»Ich weiß das zu schätzen, Harry.«
»Worauf ich hinaus will, Ray: Für dich ist das ein warmer Regen, sicher, aber du kommst auch ohne gut zurecht. Du verdienst nicht schlecht, und wenn das, was du jetzt machst, nicht mehr genug einbringt, dann wirst du etwas Neues finden. Du wirst immer auf die Füße fallen. Aber für deinen Bruder ist diese Erbschaft alles, was er je haben wird. Gut möglich, dass er seinen Anteil am Erlös des Hausverkaufs braucht, um sich über Wasser zu halten, vorausgesetzt, er findet eine passende Bleibe. Eine Wohnung in einem Heim oder was in der Art.«
»Darüber hab ich auch schon nachgedacht.«
»Die Frage ist, wirst du es schaffen, ihn aus dem Haus zu bringen? Du weißt schon, nicht nur einen Nachmittag lang, sondern ein für alle Mal?«
Ich blickte mich um, als könnte ich die Antwort darauf irgendwo in Harrys Büro finden. »Keine Ahnung. Er leidet ja nicht an – wie heißt das? – Agoraphobie. Dad hat ihn schon hin und wieder aus dem Haus gebracht. Im Wesentlichen, wenn er zum Arzt musste.« Ich hatte Schwierigkeiten mit dem Wort »Psychiater«, aber Harry wusste ja Bescheid. »Ihn zu überzeugen, aus dem Haus zu gehen, ist nicht das Problem. Ihn vom Computer loszueisen, daran beißt man sich die Zähne aus. Jedes Mal, wenn Dad und er unterwegs waren, kamen sie auf dem Zahnfleisch wieder zurück. Ihn dazu zu bringen, aus diesem Haus aus- und woanders einzuziehen, sich dort einzugewöhnen, das ist, wovor mir graut.«
»Diesen Stein werde ich ins Rollen bringen«, sagte Harry. »Für dich als Nachlassverwalter gibt’s eigentlich nicht viel zu tun, außer gelegentlich mal vorbeizuschauen und was zu unterschreiben. Bei dem einen oder anderen, wenn ich deine Meinung brauchen, dann wird Alice dich anrufen. Vielleicht willst du das Anwesen ja schätzen lassen, um eine Vorstellung zu bekommen, was du dafür verlangen kannst.« Er blätterte sich durch die Akte. »Deine Telefonnummern, E-Mail-Adresse – das steht alles hier drin, glaube ich.«
»Bestimmt.«
»Und hier habe ich eine Kopie der Lebensversicherung, die hat dein Vater mir mal geschickt. Dass er eine Unfallklausel hatte, wusstest du ja?«
»Ich hatte keine Ahnung.«
»Noch mal fünfzigtausend. Ein kleines Zubrot.« Harry ließ mir Zeit, die Neuigkeit zu verdauen. »Du wirst also nicht so bald nach Burlington zurückfahren?«
»Erst, wenn ich alles geregelt habe.«
Das war es dann. Zumindest für heute. Harry begleitete mich hinaus. Er legte mir die Hand auf den Arm.
»Ray«, fragte er zögernd, »meinst du, es hätte was geändert, wenn dein Bruder gemerkt hätte, dass euer Vater schon so lange weg war? Wenn er sich früher auf die Suche nach ihm gemacht hätte?«
Diese Frage hatte ich mir auch schon gestellt. Dad, mehr oder weniger in Rufweite, unter dem Traktor eingeklemmt, wahrscheinlich mehrere Stunden, bevor mein Bruder ihn fand. Es musste doch einen ziemlichen Lärm gegeben haben, als es passierte. Das Umkippen des Traktors, das Jaulen der rotierenden Schneidmesser.
Hat Dad geschrien? Und wenn, hätte man ihn bei dem Getöse, das der Rasenmäher machte, hören können? Wären überhaupt irgendwelche Geräusche bis nach oben zum Haus gedrungen?
Mein Bruder hat wahrscheinlich nichts davon mitbekommen.
»Ich rede mir ein, dass es nichts geändert hätte«, sagte ich. »Alles andere hat keinen Sinn.«
Harry nickte verständnisvoll. »Ja, das ist wahrscheinlich das Beste. Was geschehen ist, ist geschehen. Man kann die Uhr nicht zurückdrehen.« Ich wartete, ob Harry noch einen Gemeinplatz auf Lager hatte, doch er meinte: »Er lebt wirklich in seiner eigenen kleinen Welt, was?«
»Sie ahnen nicht, wie sehr«, sagte ich.