71
Der Kreis ist geschlossen
»Ich habe Euch etwas zu sagen«, sagte Roger. Er
wartete schon seit einiger Zeit darauf, Jamie Fraser allein zu
erwischen. Fraser war sehr begehrt; jeder wollte für einen Moment
seine Aufmerksamkeit. Doch im Augenblick war er allein und saß auf
dem umgestürzten Baumstamm, von dem aus er hofhielt. Er blickte mit
hochgezogenen Augenbrauen zu Roger auf, wies aber einladend auf den
Baumstamm als Sitz.
Roger setzte sich. Er hatte das Baby dabei; Brianna
und Lizzie bereiteten das Essen vor, und Claire war bei den
Camerons von der Isle Fleur zu Besuch, deren Lagerfeuer sich in der
Nähe befand. Statt Torffeuern lag dichter Holzrauch in der
Nachtluft, doch es hätte in vielfacher Hinsicht Schottland sein
können, dachte er.
Jamies Blick erfaßte Klein Jemmys runden Schädel,
der mit einem Kupferflaum überzogen war und im Schein des Feuers
leuchtete. Er streckte die Arme aus, und nach kurzem Zögern übergab
Roger ihm vorsichtig das schlafende Baby.
»Balach boidheach«, murmelte Jamie, als sich
das Baby an seinem Körper regte. »Ja, so ist’s gut.« Er blickte zu
Roger hinüber. »Ihr habt mir etwas zu sagen?«
Roger nickte.
»Das habe ich, aber nicht in eigener Sache. Man
könnte sagen, es ist eine Botschaft, die ich für jemand anderen
überbringe.«
Jamie hob fragend die Augenbraue, eine Geste, die
ihn so sehr an Brianna erinnerte, daß Roger innerlich
zusammenschrak. Er hustete, um es sich nicht anmerken zu
lassen.
»Ich - äh - als Brianna zu den Steinen von Craigh
na Dun gegangen ist, war ich gezwungen, ein paar Wochen zu warten,
bevor ich ihr folgen konnte.«
»Aye?« Jamie machte ein argwöhnisches Gesicht, wie
immer, wenn von Steinkreisen die Rede war.
»Ich bin nach Inverness gefahren«, fuhr Roger fort
und hielt den Blick auf seinen Schwiegervater gerichtet. »Ich habe
in dem Haus gewohnt,
in dem mein Vater gelebt hat, und ich habe einen Teil der Zeit
damit verbracht, seine Papiere durchzusehen; er hat jede Menge
Briefe und alten Kram verwahrt.«
Jamie nickte. Er fragte sich sichtlich, worauf
Roger hinauswollte, war aber zu höflich, um ihn zu
unterbrechen.
»Ich habe einen Brief gefunden.« Roger holte tief
Luft und spürte sein Herz in seiner Brust schlagen. »Ich habe ihn
auswendig gelernt, weil ich dachte, ich würde Claire davon
erzählen, falls ich sie fand. Aber als ich sie dann gefunden habe«
- er zuckte mit den Achseln -, »da war ich mir nicht mehr sicher,
ob ich es ihr sagen sollte - oder es Brianna sagen sollte.«
»Und jetzt fragt Ihr mich, ob Ihr es ihnen sagen
sollt?« Frasers Augenbrauen hoben sich, dicht und rot, Anzeichen
seiner Verwunderung.
»Vielleicht. Aber als ich darüber nachgedacht habe,
kam mir der Gedanke, daß der Brief Euch vielleicht mehr betrifft
als sie.« Jetzt, wo der Augenblick gekommen war, stellte Roger
fest, daß er Mitgefühl für Fraser empfand.
»Ihr wißt, daß mein Vater Priester war? Der Brief
war an ihn gerichtet. Ich nehme an, daß er sozusagen unter dem
Siegel der Beichte geschrieben wurde - aber ich denke mir, daß der
Tod dieses Siegel aufgelöst hat.«
Roger holte tief Luft, schloß die Augen und sah die
schwarzen Buchstaben, die schräggestellt über die Seite liefen,
eine ordentliche, kantige Handschrift. Er hatte ihn über hundertmal
gelesen; er war sich jedes Wortes sicher.
Lieber Reg (stand darin);
Ich habe etwas am Herzen. Abgesehen von Claire,
meine ich (sagt er voll Ironie). Der Arzt sagt, wenn ich vorsichtig
bin, kann es noch Jahre dauern, und ich hoffe es - aber es könnte
ja anders kommen. Die Nonnen in Briannas Schule haben den Kindern
immer einen Mordsschrecken eingejagt mit dem fürchterlichen
Schicksal, das Sünder erwartet, die ohne Beichte und Vergebung
sterben; ich will verdammt sein (bitte verzeih mir den Ausdruck),
wenn ich Angst vor dem habe, was danach kommt - falls überhaupt.
Aber auch hier könnte es ja anders kommen, nicht wahr?
Dies ist etwas, das ich unserem Gemeindepfarrer
aus naheliegenden Gründen nicht erzählen könnte. Ich bezweifle, daß
er die Sünde darin erkennen würde, selbst wenn er nicht
hinausschlüpfen würde, um diskret am Telefon psychiatrische Hilfe
anzufordern!
Aber Du bist Priester, Reg, wenn auch kein
Katholik - und was wichtiger ist, Du bist mein Freund. Du brauchst
diesen Brief nicht zu beantworten; ich glaube nicht, daß man ihn
beantworten kann. Aber Du kannst es Dir anhören. Eines Deiner
großen Talente, das Zuhören. Hatte ich Dir das schon
gesagt?
Ich schiebe es auf die lange Bank, obwohl ich
nicht weiß, warum. Am besten heraus damit.
Du erinnerst Dich sicher an den Gefallen, um den
ich Dich vor ein paar Jahren gebeten habe - wegen der Grabsteine
auf dem Friedhof von St. Kilda? Lieber Freund, der Du bist, hast Du
nie danach gefragt, doch es ist an der Zeit, daß ich Dir den Grund
erzähle.
Weiß Gott, warum man den alten Black Jack
Randall da draußen auf einem schottischen Hügel zurückgelassen hat,
anstatt ihn zur Beerdigung nach Sussex heimzuholen. Vielleicht hat
niemandem genug an ihm gelegen, um ihn heimzuholen. Eine traurige
Vorstellung; ich hoffe sehr, daß es nicht so war.
Doch da liegt er nun einmal. Falls Brianna sich
je für ihre Geschichte interessiert - für meine Geschichte -
dann wird sie dort nachsehen, und sie wird ihn dort finden; der
Standort des Grabes ist in den Familienunterlagen notiert. Das ist
der Grund, warum ich Dich gebeten habe, den anderen Stein daneben
aufstellen zu lassen. Er wird hervorstechen - alle anderen Steine
auf diesem Kirchhof sind so alt, daß sie schon
zerbröckeln.
Claire wird sie eines Tages mit nach Schottland
nehmen; dessen bin ich mir sicher. Wenn sie nach St. Kilda kommt,
dann wird sie ihn sehen - niemand geht auf einen alten Friedhof,
ohne sich die Grabsteine anzusehen. Wenn sie sich fragt, wenn sie
mehr wissen will - wenn sie Claire fragt -, nun, soweit bin ich
bereit zu gehen. Ich habe die Geste gemacht; ich werde es dem
Zufall überlassen, was geschieht, wenn ich fort bin.
Du weißt von all dem dummen Zeug, das Claire bei
ihrer Rückkehr geredet hat. Ich habe alles getan, was ich konnte,
damit sie es sich aus dem Kopf schlug, doch sie war nicht davon
abzubringen; Himmel, was für eine sture Frau!
Du wirst das vielleicht nicht gutheißen, doch
als ich Dich letztes Mal besucht habe, da habe ich ein Auto
gemietet und bin zu diesem verfluchten Hügel gefahren - Craigh na
Dun. Ich habe Dir von dem Hexentanz in dem Kreis erzählt, kurz
bevor Claire verschwand. Als ich mit diesem gespenstischen Anblick
im Hinterkopf im Morgenlicht zwischen diesen Steinen stand - da
konnte ich ihr beinahe glauben. Ich habe einen davon berührt.
Natürlich ist nichts passiert.
Und dennoch. Ich habe Ausschau gehalten.
Ausschau gehalten nach dem Mann - nach Fraser. Und vielleicht habe
ich ihn gefunden. Zumindest habe ich einen Mann dieses Namens
gefunden, und die Verbindungen, die ich zutage fördern konnte,
entsprachen dem, was Claire mir von ihm erzählt hatte. Ob sie die
Wahrheit gesagt hat oder ob sie einer wirklichen Erfahrung eine
Wahnvorstellung aufgepfropft hat… nun, es hat einen Mann gegeben,
dessen bin ich mir sicher!
Du wirst das kaum gutheißen, doch ich habe mit
meiner Hand auf dem verdammten Stein dagestanden und mir nichts
mehr gewünscht, als daß er sich öffnen und mich James Fraser von
Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen lassen würde. Wer er auch
immer gewesen ist, wann er auch immer gewesen ist, ich habe
mir nichts in meinem Leben so sehr gewünscht, wie ihn zu sehen -
und ihn umzubringen.
Ich bin ihm nie begegnet - ich weiß nicht
einmal, ob er wirklich existiert hat! - und doch hasse ich diesen
Mann, wie ich noch nie zuvor jemanden gehaßt habe. Wenn es stimmt,
was Claire sagt und was ich herausgefunden habe - dann habe ich sie
ihm weggenommen und sie all diese Jahre mittels einer Lüge bei mir
behalten. Vielleicht nur eine Unterlassungslüge, aber dennoch eine
Lüge. Ich nehme an, ich könnte es Rache nennen.
Priester und Dichter nennen die Rache ein
zweischneidiges Schwert; und die Kehrseite ist, daß ich es niemals
wissen werde - wenn ich sie vor die Wahl gestellt hätte, wäre sie
bei mir geblieben? Oder hätte sie sich wie der Blitz nach
Schottland aufgemacht, wenn ich ihr gesagt hätte, daß ihr Jamie
Culloden überlebt hat?
Ich kann mir nicht vorstellen, daß Claire ihre
Tochter allein lassen würde. Ich hoffe, daß sie mich ebenfalls
nicht verlassen würde… aber… wenn ich mir dessen auch nur irgendwie
sicher sein könnte, dann schwöre ich, daß ich es ihr gesagt hätte,
doch das kann ich nicht, so ist es nun einmal.
Fraser - soll ich ihn verfluchen, weil er mir
meine Frau gestohlen hat, oder ihm danken, weil er mir meine
Tochter geschenkt hat? Ich denke über diese Dinge nach, und dann
halte ich inne, angewidert, daß ich solch einer absurden Theorie
auch nur einen Moment lang Glauben schenke. Und doch… ich habe ein
merkwürdiges Gefühl in bezug auf James Fraser, beinahe
eine Erinnerung, so als hätte ich ihn irgendwo einmal
gesehen. Obwohl das wahrscheinlich nur das Produkt meiner
Eifersucht und meiner Phantasie ist - ich weiß ja, wie der Mistkerl
aussieht, viel zu gut; ich sehe sein Gesicht an meiner Tochter; Tag
für Tag!
Doch das ist die merkwürdige Seite daran - ein
Gefühl der Verpflichtung.
Nicht nur Brianna gegenüber, obwohl ich der Meinung bin, daß sie
ein Recht hat, es zu erfahren - später. Ich habe Dir gesagt, daß
ich so ein Gefühl in bezug auf den Mistkerl habe? Manchmal kann ich
ihn fast spüren, wie er mir über die Schulter blickt, am anderen
Ende des Zimmers steht.
Der Gedanke war mir noch gar nicht gekommen -
meinst Du, ich werde ihm im Jenseits begegnen, falls es existiert?
Merkwürdiger Gedanke. Ob wir uns wohl als Freunde begegnen, frage
ich mich, jenseits der Sünden des Leibes? Oder für immer in eine
keltische Hölle gesperrt enden, unsere Hände um die Kehle des
anderen geschlungen?
Ich habe Claire schlecht behandelt - oder auch
gut, je nachdem, wie man es betrachtet. Ich werde nicht ins
schmutzige Detail gehen; belassen wir es dabei, daß es mir leid
tut.
Das ist es also, Reg. Haß, Eifersucht, Lüge,
Diebstahl, Treulosigkeit, alles. Ich habe nicht viel in die
Waagschale zu legen, außer der Liebe. Ich liebe sie - beide. Meine
Frauen. Vielleicht ist es nicht die richtige Art von Liebe - oder
nicht genug. Aber es ist alles, was ich habe.
Immerhin werde ich nicht ohne Beichte sterben -
und ich vertraue darauf, daß Du mir zumindest die eingeschränkte
Absolution erteilst. Ich habe Brianna als Katholikin erzogen;
meinst Du, es gibt irgendeine geringe Hoffnung, daß sie für mich
beten wird?
»Natürlich war er mit ›Frank‹ unterschrieben«,
sagte Roger.
»Natürlich«, wiederholte Jamie leise. Er saß völlig
still, und sein Gesicht war unergründlich.
Roger brauchte es nicht zu ergründen; er wußte gut
genug, welche Gedanken dem anderen durch den Kopf gingen. Dieselben
Gedanken, mit denen auch er gerungen hatte, während jener Wochen
zwischen Beltane und der Mittsommernacht, während er jenseits des
Ozeans nach Brianna gesucht hatte, während seiner Gefangenschaft -
und schließlich, als er in dem Kreis im Rhododendrondickicht dem
Gesang der hochragenden Steine lauschte.
Hätte Frank Randall sich entschlossen,
geheimzuhalten, was er herausgefunden hatte, hätte er jenen Stein
niemals in St. Kilda aufgestellt - hätte Claire die Wahrheit
trotzdem herausgefunden? Vielleicht; vielleicht auch nicht. Doch es
war der Anblick jenes falschen Grabes gewesen, der sie dazu
gebracht hatte, ihrer Tochter die Geschichte von Jamie Fraser zu
erzählen und Roger auf die Spur jener Entdeckungen gebracht hatte,
die sie alle an diesen Ort, in diese Zeit geführt hatten.
Es war dieser Stein gewesen, der Claire
augenblicklich in die Arme ihres schottischen Geliebten
zurückgesandt hatte - und möglicherweise ihrem Tod in dessen Armen
entgegen. Der Frank Randalls Tochter ihrem anderen Vater
zurückgegeben und sie gleichzeitig dazu verurteilt hatte, in einer
Zeit zu leben, die nicht die ihre war; der in der Geburt eines
rothaarigen Jungen resultiert hatte, den es sonst vielleicht nie
gegeben hätte - der Jamie Frasers Blut weiterleben ließ. Zinsen
seiner Schuld? fragte sich Roger.
Schließlich regte sich Jamie Fraser, obwohl sein
Blick auf das Feuer gerichtet blieb.
»Engländer« sagte er ganz leise, und es war eine
Beschwörung. Rogers Nackenhaare sträubten sich sacht; er hätte
glauben mögen, daß er sah, wie sich etwas in den Flammen
bewegte.
Jamies große Hände breiteten sich aus und wiegten
seinen Enkel. Sein Gesicht war abwesend, die Flammen schlugen
Funken in seinen Haaren und Augenbrauen.
»Engländer«, sagte er an das gerichtet, was er
jenseits der Flammen sah. »Ich wünsche mir fast, daß wir uns eines
Tages begegnen. Und ich hoffe fast, wir werden es nicht.«
Roger wartete, die Hände lose auf den Knien.
Frasers Augen lagen im Schatten, sein Gesicht war maskiert vom
Flackern des tanzenden Feuers. Schließlich schien so etwas wie ein
Schauer den kräftigen Körper zu durchlaufen; er schüttelte den
Kopf, wie um ihn freizubekommen, und schien zum ersten Mal zu
bemerken, daß Roger immer noch da war.
»Sage ich es ihr?« sagte Roger. »Claire?«
Der Blick des großen Highlanders verschärfte
sich.
»Habt Ihr es Brianna gesagt?«
»Noch nicht; aber ich werde es tun.« Er erwiderte
Frasers Blick, Auge um Auge. »Sie ist meine Frau.«
»Für den Augenblick.«
»Für immer - wenn sie es will.«
Fraser blickte zum Feuer der Camerons. Claires
schlanke Gestalt erschien dunkel im Gegenlicht.
»Ich habe ihr Aufrichtigkeit versprochen«, sagte er
schließlich leise. »Aye, sagt es ihr.«
Am vierten Tag waren die Hänge des Berges mit
Neuankömmlingen übersät. Kurz vor der Abenddämmerung begannen die
Männer, Holz herbeizutragen und es an der Brandstelle am Fuß des
Berges aufzuschichten. Jede Familie hatte ihr Lagerfeuer, doch hier
war das große
Feuer, um das sich jedermann am Abend versammelte, um zu sehen,
wer im Lauf des Tages angekommen war.
Als die Dunkelheit heraufzog, entzündeten sich die
Feuer am Berg, leuchtende Punkte, die hier und dort zwischen den
flachen Felsen und sandigen Gruben auftauchten. Einen Augenblick
lang sah ich das Clanssymbol der MacKenzies vor mir - einen
»brennenden Berg« - und begriff plötzlich, was es darstellte.
Keinen Vulkan, wie ich angenommen hatte. Nein, es war das Abbild
einer Zusammenkunft wie dieser hier, der Feuer der Familien, die im
Dunkeln brannten, ein Signal für alle Welt, daß der Clan anwesend
war - und vereint. Und zum ersten Mal verstand ich das Motto, das
zu dem Bild gehörte: Luceo non uro; ich leuchte, ich verbrenne
nicht.
Bald wimmelte es auf dem Berghang von Feuern. Hier
und dort sah man kleinere Flammen, die sich bewegten, wenn die
Oberhäupter der einzelnen Familien und Plantagen einen Ast in ihr
Feuer hielten und ihn dann den Hügel heruntertrugen, um ihn in den
flammenden Scheiterhaufen an dessen Fuß zu werfen. Von unserem
Aussichtspunkt hoch oben auf dem Berg waren die Gestalten der
Männer als kleine, schwarze Umrisse vor dem Feuer zu sehen.
Ein Dutzend Familien hatten bereits ihre
Anwesenheit verkündet, als Jamie sein Gespräch mit Gerald Forbes
beendete und sich ebenfalls erhob. Er reichte mir das Baby, das
trotz des ganzen Getümmels fest schlief, und bückte sich, um einen
Ast an unserem Feuer zu entzünden. Die Rufe kamen von weit unten,
dünn, aber gut hörbar in der klaren Herbstluft.
»Die MacNeills aus Barra sind hier!«
»Die MacLachlans aus Glen Linnhe sind hier!«
Und nach einer Weile Jamies Stimme, laut und stark
in der dunklen Luft.
»Die Frasers vom Berg sind hier!« Es erscholl ein
kurzer Applaus in meiner Nähe - Beifallsrufe und Gejohle der
Pächter, die uns begleitet hatten, genau wie es beim Gefolge der
anderen Familienoberhäupter gewesen war.
Ich saß still da und genoß das Gefühl des
schlaffen, schweren, kleinen Körpers in meinen Armen.
Er schlief mit der Hingabe völligen Vertrauens,
sein winziger, roter Mund war halb geöffnet, sein Atem warm und
feucht an der Rundung meiner Brust.
Jamie brachte den Geruch von Holzrauch und Whisky
mit zurück und setzte sich auf den Baumstamm hinter mir. Er nahm
mich bei den Schultern, und ich lehnte mich an ihn und genoß es,
ihn hinter mir zu
spüren. Auf der anderen Seite des Feuers führten Roger und Brianna
ein ernstes Gespräch, die Köpfe dicht beieinander. Ihre Gesichter
leuchteten im Feuerschein, und eins reflektierte das andere.
»Du meinst doch nicht, daß sie seinen Namen noch
einmal ändern, oder?« sagte Jamie, während er sie leicht
stirnrunzelnd ansah.
»Ich glaube nicht«, sagte ich. »Pastoren haben
außer Taufen auch noch andere Dinge zu tun, weißt du?«
«Oh, aye?«
»Der dritte September ist schon lange vorbei«,
sagte ich und neigte den Kopf zurück, so daß ich ihn ansehen
konnte. »Du hast ihr gesagt, sie sollte sich bis dahin
entscheiden.«
»Das habe ich.« Ein schiefer Mond schwebte tief am
Himmel und tauchte sein Gesicht in ein sanftes Licht. Er beugte
sich vor und küßte mich auf die Stirn.
Dann griff er herab und nahm meine freie Hand in
die seine.
»Und willst du dich auch entscheiden?« fragte er
leise. Er öffnete die Hand, und ich sah es golden aufblitzen.
»Willst du ihn zurück?«
Ich hielt inne und sah in sein Gesicht hinauf,
suchte darin nach Zweifeln. Ich sah keine, dafür aber etwas
anderes; Abwarten, eine tiefe Neugier darauf, was ich tun oder
sagen würde.
»Es ist lange her«, sagte ich.
»Und es war eine lange Zeit«, sagte er. »Ich bin
ein eifersüchtiger Mann, aber kein rachsüchtiger. Ich würde dich
ihm wegnehmen, Sassenach - aber ich würde ihn dir niemals
wegnehmen.«
Er hielt einen Augenblick inne, und das Feuer
spiegelte sich sanft glitzernd in dem Ring in seiner Hand. »Es war
dein Leben, nicht wahr?«
Und er fragte noch einmal. »Willst du ihn
zurück?«
Ich hielt zur Antwort die Hand hoch, und er steckte
mir den Goldring an den Finger, das Metall von seinem Körper
gewärmt.
Von F. für C. in Liebe. Immer.
»Was hast du gesagt?« fragte ich. Er hatte über mir
etwas auf Gälisch gemurmelt, zu leise, als daß ich es hätte
verstehen können.
»Ich habe gesagt, ›Geh in Frieden‹«, antwortete er.
»Aber ich habe nicht mit dir geredet, Sassenach.«
Auf der anderen Seite des Feuers blinkte etwas rot
auf. Ich blickte hinüber und sah gerade noch, wie Roger Briannas
Hand an seine Lippen hob; Jamies Rubin leuchtete dunkel an ihrem
Finger und fing das Licht von Mond und Feuer auf.
»Wie ich sehe, hat sie sich also entschieden«,
sagte Jamie leise.
Brianna lächelte, den Blick auf Rogers Gesicht
gerichtet, und
beugte sich vor, um ihn zu küssen. Dann stand sie auf, strich sich
den Sand aus den Röcken und bückte sich, um eine Fackel aus dem
Lagerfeuer zu ziehen. Sie drehte sich um, hielt sie ihm hin und
sprach so laut, daß wir es auf der anderen Seite des Feuers hören
konnten.
»Geh nach unten«, sagte sie, »und sag ihnen, die
MacKenzies sind hier.«