69
Jeremiah
Oktober 1770
Roger ritt zusammen mit Claire und Fergus neben dem Wagen her. Jamie, der Brianna nicht mit der Lenkung eines Fahrzeugs betrauen wollte, das seinen Enkelsohn enthielt, bestand darauf, zu fahren. Lizzie und Marsali saßen auf der Ladefläche und Brianna auf dem Sitz neben ihm.
Vom Sattel aus fing Roger Bruchstücke der Diskussion auf, die seit seiner Ankunft ein Dauerthema gewesen war.
»John auf jeden Fall«, sagte Brianna mit einem stirnrunzelnden Blick auf ihren Sohn, der energisch unter ihrem Schultertuch herumwühlte. »Aber ich weiß nicht, ob das sein Rufname sein sollte. Und wenn - sollten wir dann nicht vielleicht Ian nehmen? Das ist die gälische Form von John - und ich würde ihn gern so nennen, aber wäre das zu verwirrend, wo wir doch schon Onkel Ian und unseren Ian haben?«
»Da keiner von ihnen hier ist, wäre es, glaube ich, keine große Schwierigkeit«, warf Marsali ein. Sie sah zum Rücken ihres Stiefvaters hoch. »Hast du nicht gesagt, du wolltest auch einen von Pas Namen nehmen?«
»Ja, aber welchen?« Brianna verdrehte den Oberkörper, um mit Marsali zu sprechen. »Nicht James, das wäre verwirrend. Und ich glaube nicht, daß mir Malcolm besser gefällt. MacKenzie heißt er sowieso, also vielleicht -« Sie fing Rogers Blick auf und lächelte ihn an.
»Was ist mit Jeremiah?«
»John Jeremiah Alexander Fraser MacKenzie?« Marsali runzelte die Stirn, während sie die Namen aufsagte, um ihren Geschmack auszuprobieren.
»Ich finde Jeremiah sehr schön,« fiel Claire ein. »Erinnert ans Alte Testament. Es ist einer von deinen Namen, nicht wahr, Roger?« Sie lächelte ihn an, lenkte ihr Pferd näher an den Wagen heran und beugte sich zur Seite, um mit Brianna zu sprechen.
»Außerdem kannst du ihn Jemmy nennen, wenn dir Jeremiah zu steif ist«, sagte sie. »Oder klingt das zu sehr wie Jamie?«
Roger spürte, wie ihm ein leiser Schauer den Rücken herunterlief, als ihm plötzlich ein anderes Kind in den Sinn kam, das von seiner Mutter Jemmy genannt worden war - ein Kind, dessen Vater blonde Haare hatte, und Augen so grün wie Rogers.
Er wartete, bis Brianna sich umdrehte, um ihre Tasche nach einer frischen Windel zu durchforsten, nachdem sie Lizzie das quengelnde Baby zum Aufpassen gereicht hatte. Er trieb sein Pferd an und drängte es neben Claires Stute.
»Kannst du dich noch an etwas erinnern?« fragte er leise. »Als du mich in Inverness das erste Mal mit Brianna besucht hast - da hattest du vorher Nachforschungen über meinen Stammbaum angestellt.«
»Ja?« Sie sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an.
»Es ist schon einige Zeit her, und wahrscheinlich ist es dir sowieso nicht aufgefallen…« Er zögerte, doch er mußte es herausfinden, wenn es denn herauszufinden war. »Du hast mir die Stelle in meinem Stammbaum gezeigt, wo der Tausch stattgefunden hat; wo Geillis Duncans und Dougals Kind anstelle eines anderen, toten Kindes adoptiert worden war und dessen Namen bekommen hatte.«
»William Buccleigh MacKenzie«, sagte sie prompt und lächelte über seinen überraschten Blick. »Ich habe mich mit dieser Ahnenreihe ziemlich intensiv beschäftigt«, sagte sie trocken. »Ich könnte dir wahrscheinlich jeden Namen darin nennen.«
Er holte tief Luft, und Beklommenheit saß ihm im Nacken.
»Ja? Was ich mich frage - weißt du den Namen der Frau des ausgetauschten Kindes - meiner Urahnin? Ihr Name hat nicht auf meinem Stammbaum gestanden, nur der von William Buccleigh.«
Ihre Wimpern senkten sich über die goldenen Augen, als sie mit gespitzten Lippen überlegte.
»Ja«, sagte sie schließlich und sah ihn an. »Morag. Ihr Name war Morag Gunn. Wieso?«
Er schüttelte nur den Kopf, zu erschüttert, um zu antworten. Er warf einen Blick zu Brianna hinüber; das Baby lag halbnackt auf ihrem Schoß, die durchweichte Windel in einem Haufen neben ihr auf dem Sitz - und er erinnerte sich an die glatte, feuchte Haut und das nasse Lendentuch des kleinen Jungen namens Jemmy.
»Und ihr Sohn hieß Jeremiah«, sagte er schließlich so leise, daß Claire sich zu ihm hinüberbeugen mußte, um es zu hören.
»Ja.« Sie beobachtete ihn neugierig, dann drehte sie den Kopf, um auf die gewundene Straße zu blicken, die zwischen den schwarzen Kiefern verschwand.
»Ich habe Geillis gefragt«, sagte Claire plötzlich. »Ich habe sie gefragt, warum. Warum wir die Fähigkeit haben.«
»Und hat sie darauf eine Antwort gehabt?« Roger starrte eine Bremse auf seinem Handgelenk an, ohne sie zu sehen.
»Sie hat gesagt - ›Um die Dinge zu ändern.‹« Claire lächelte ihn an, den Mund ironisch verzogen. »Ich weiß nicht, ob das eine Antwort ist oder nicht.«
Der Ruf Der Trommel
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