76. Rosa
Als ich schließlich oben ankam, war es etwa drei Uhr und die BummBumm-Lounge nicht die einzige, der das Bier ausgegangen war, die Magnetic-Lounge war so voll, dass ich die Leute beiseite schieben musste, um hineinzukommen. Ich entdeckte Werner und Schöpfi und Raimund und Ferdi und winkte ihnen zu, während ich mich durch das Gedränge schob und dabei mit Bier bekleckert wurde, denn es war so voll, dass die Leute ihre Becher oft hoch über den Köpfen hielten, wodurch es unaufhörlich Bier regnete, wenn man durch sie hindurchpflügte. Ich fand Rosa in einer hinteren Ecke, sie stand dort mit einem Bier und nippte daran, und als sie mich kommen sah, lächelte sie und winkte mit einer Hand.
»Du hast nichts zu trinken«, sagte sie, als ich bei ihr war.
»Nein«, sagte ich. »Kein Bier für mich. Ich darf doch keins.«
»Das hier ist mit Koks, sagt Ferdi«, sagte sie und zeigte auf ihren Becher. »Hat er mir geschenkt. Da glaub ich aber kein Wort von.«
»Ja, das ist Ferdis Ding« sagte ich. »Das hat er früher schon immer gemacht.«
»Ich bin erst um sechs Uhr mit Auflegen dran. Ich wollte mich eigentlich vorher nochmal hinlegen, aber irgendwie geht das nicht«, sagte sie. »Ich kann hier irgendwie nicht weggehen.«
»Ich weiß«, sagte ich. »Ich war gerade im Hotel, aber ich konnte nicht schlafen. Das geht nicht, wenn man die Musik noch durch die Wände hört. Nicht weil sie so laut ist, sondern weil sie da ist und man das hört und dann will man dabei sein!«
»Irgend sowas«, sagte sie.
»Wo sollst du denn um sechs Uhr auflegen?«, fragte ich.
»Halle 4«, sagte sie. »Keine Ahnung, wo das ist.«
»Ich weiß das«, sagte ich. »Ich war da schon mit Anja und Dubi. Ich kann dich hinbringen.«
»Das ist aber noch ein paar Stunden hin«, sagte sie. »Wie sollen wir das so lange durchhalten?«
»Keine Ahnung!«
Hinter mir war die Fensterfront und Rosa schaute jetzt an mir vorbei und hinaus in die Halle.
»Das sieht toll aus«, sagte sie.
»Ja«, sagte ich.
Sie schob eins von den Fenstern auf und wir stellten uns nebeneinander und schauten zusammen raus. Das Bummbumm, das hereinkam, wehte uns die Haare zurück.
»Ich muss dich mal was fragen!«, rief ich in ihr Ohr.
Sie nickte.
»Ich muss mir jetzt überlegen, ob ich in Hamburg bleibe oder nach Berlin ziehen soll. Okay?«
»Ja klar. Und das ist die Frage?«
»Ja, nein, also die Frage ist …« Ich wusste nicht, wie ich’s sagen sollte. »Die Frage ist …« Rosa guckte mich neugierig an, sagte aber nichts. »Die Frage ist …«, rief ich hilflos gegen das Bummbumm an.
Rosa schob das Fenster zu. »Ich finde, jetzt solltest du aber schon mal sagen, was die Frage ist«, sagte sie.
»Also die Frage ist: Wenn ich nach Berlin gehen würde, würdest du das gut finden?«
»Ja.«
»Also du würdest da nicht etwa denken, dass …«
»Nein!« Rosa steckte sich eine Zigarette an, zog einmal daran und hielt sie mir hin. »Hier! Rauchen darfst du ja wohl!«
»Ja, danke!«
Sie steckte sich eine für sich selbst an.
»Ich meine …«, fing ich wieder an.
»Schon klar«, sagte sie. »Alles okay.«
Wir rauchten eine Zeitlang und dann sagte sie: »Vielleicht sollten wir noch ein bisschen ins Hotel gehen«, sagte sie. »Sechs Uhr ist noch so lange hin.«
»Ja klar«, sagte ich.
»Weißt du den Weg zum Hotel? Ich habe ihn vergessen.«
»Ja, erstmal müssen wir raus hier!«
»Das hätte ich auch noch gewusst!«
Wir gingen hinaus und auf der Treppe nach unten nahm sie mich an der Hand. »Ich hab Angst vor dem Gewühl da«, sagte sie und zeigte auf den Ringstrom. »Dass ich dich da verliere. Ich weiß ja den Weg nicht.«
»Eigentlich wäre es nur ein Stück rechts herum und dann gleich in den rosa Tunnel«, sagte ich, »aber einfacher ist es wahrscheinlich mit dem Strom, also links herum und einmal fast ganz um die Halle.«
»Das kommt mir bescheuert vor«, sagte sie. Wir waren unten angekommen und sie preschte vor und zog mich rechts herum und gegen den Strom der Leute und drängelte sich mit mir im Schlepptau da durch, aber niemand schimpfte oder wehrte sich, als er von Rosa beiseitegeschoben wurde, die meisten Leute machten sogar von selber Platz.
»Mit dir macht das Spaß«, sagte sie und drehte sich dabei zu mir um. »Du bist so groß und stark, da haben die alle Angst vor!«
»Glaube ich nicht«, sagte ich, »ich sehe doch so harmlos aus!«
»Harmlos am Arsch«, sagte sie, und dann kamen wir an den Tunnel.
»Hier geht’s zum Fluxi«, sagte ich, und wir machten eine kurze Pause, in der sie mich gegen die rosagestrichene Fluxitunnelwand schob und küsste.
»Gehen wir zu dir oder zu mir?«, fragte sie.
»Die Zimmer im Fluxi sind alle gleich gut«, sagte ich.
»Dann gehen wir zu mir«, sagte sie. »Ich habe einen Wecker dabei!«