23. Am Start

Als ich mit Rosa um halb zwei ins Lala kam, saßen da schon alle an einem langen Tisch und löffelten ihre Suppe: Raimund und Ferdi, Anja und Dubi, Holger und Basti, Dave, Schöpft und Sigi, das blonde Gift aus dem alten BummBumm. Als Sigi mich sah, winkte sie und stand auf und breitete die Arme aus und rief: »Karl Schmidt! Das ist ja tollo! Karl Schmidt!«

Sie war klein und zierlich und niedlich, daran hatte sich in den fünf Jahren, in denen ich sie gesehen hatte, nichts geändert, und als ich sie in den Arm nahm, drückte sie mich ordentlich und strahlte mich an.

»Karl Schmidt! Und ich hab mir solche Sorgen gemacht!«

»Weswegen?«

»Wegen dir, Idiot. Lass dich ansehen!« Sie hielt mich prüfend von sich weg und drehte mich nach links und nach rechts wie ein T-Shirt, das sie auf Mottenlöcher untersuchte. »Fett bist du geworden. Noch fetter als ohnehin schon.«

»Das waren die Pillen, das wird schon, ich muss nur noch mehr rauchen!«

Sie lachte. »Immer noch der alte Spaßvogel. Ich dachte, du wärst für immer weg.«

»Ich auch.«

»Du hast mir gefehlt.«

»Du mir auch, Sigi!«

»Ich war zwischendurch sogar mal mit Raimund zusammen, kannst du dir sowas vorstellen?«

»Das stimmt«, sagte Raimund fröhlich. Ferdi stand auf und ruderte mit den Armen, wohl um einen Kellner auf sich aufmerksam zu machen.

»Und jetzt mache ich selber Musik, kannst du dir das vorstellen? Ich leg auch auf und so.«

»Super, Sigi.«

Ich setzte mich und Rosa setzte sich neben mich.

»Wollt ihr beide auch eine Suppe?«, rief Ferdi. »Ich versuch gerade den Kellner herzukriegen!«

»Auf jeden Fall«, sagte ich.

»Ich auch«, sagte Rosa.

»He Charlie«, rief Schöpft, den früher immer alle Frankie genannt hatten, nur ich nicht, bei mir hatte er immer Specht geheißen, weil Frankie bei mir für Frank Lehmann reserviert gewesen war, den aber von den anderen BummBumm-Leuten damals keiner kannte. »He Charlie!«

»Hallo Specht!«

»Ich bin jetzt Schöpfi!«

»Ich weiß! Du bist der mit den Hits, hab ich gehört.«

»Hallo Hillu! Hallo Hillu!«

»Ich weiß, Schöpft. Voll der Megahit!«

»Klar, Charlie. Ist doch klar. Kein Ding, das, Hallo Hillu, hätte ich jetzt gar nicht erwähnt, würde ich jetzt kein Ding draus machen, Hit, nicht Hit, ist doch ganz egal, ich mach da nichts draus!«

»Auf keinen, Specht!« Der Specht sah ein bisschen grau aus, der war jetzt auch schon über vierzig und dabei nicht klüger geworden, die alte Trashkanone. »Und? Freust du dich auf die Tour, Specht?«

»Ja klar, Mann. Du fährst, hab ich gehört.«

»Ich fahre, Specht. Oder soll ich Schöpft sagen?«

»Specht, Schöpft, ist doch ganz egal, Charlie, wie einer heißt, das ist doch ganz egal.«

»Super, Specht.«

»Ich heiße jetzt ja bloß Schöpft bei allen, weil so viele mich erst seit Hallo Hillu kennen, kein Ding, Charlie, echt mal, freut mich auch, wenn einer mal wieder Specht sagt, ehrlich.«

»Dann bleib ich bei Specht, Schöpft, ich bin zu alt, um mich noch umzugewöhnen.«

»Alt, Alter, sowas ist doch total egal, Mann, was hast du denn mit sowas?!«

»Man ist so alt, wie man sich fühlt, Specht.«

»Quatsch, Mann, man ist so alt, wie man ist, Charlie, so sieht’s aus.«

»Auf jeden, Specht.«

»Die anderen sagen alle Schöpft, aber das hat nichts zu bedeuten, mir ist das total egal, und wenn einer …«

»Mach mal den Kopf zu, Schöpft«, sagte Ferdi. »Ich muss mich hier konzentrieren.« Er stand immer noch an seinem Platz und winkte noch immer nach einem Kellner.

»Warum das denn?«, sagte Schöpft. »Warum denn konzentrieren? Seit wann muss man sich konzentrieren und dann müssen alle still sein, wir sind doch nicht in der Schule, Ferdi, ich meine, wir machen hier doch …«

»Damit der hier mal schnell noch eine Suppe für die beiden bringt!«, sagte Ferdi. »Wird Zeit, dass die noch eine Suppe kriegen, wir müssen doch gleich los.«

»Wieso, ich dachte Magical Mystery«, sagte Schöpft. »Da muss man das Ding doch auch mal auf sich zukommen lassen, sonst ist das doch gar nicht Magical Mystery!«

»In Bremen ist Late Check-in«, sagte Dave, »aber da will man doch nach so einer Fahrt auch noch ein bisschen Ghillen!«

»Was soll das denn für eine Magical Mystery sein, wenn man auf Termine achtet«, sagte Schöpft und sah sich empört um. »Wir haben früher nie auf Termine geachtet, ich meine, ich dachte, das geht um Magical Mystery! Wie in den Siebzigern!«

»Sechzigern«, sagte Ferdi. »Wie in den Sechzigern, Schöpft.«

»Sechziger, Siebziger, wie bist du denn drauf, Ferdi, sind wir hier bei den Buchhaltern, ich meine, Hallo Hillu, ich hätte niemals Hallo Hillu machen können, wenn ich so drauf gewesen wäre.«

»Ich krieg die einfach nicht dazu, dass die mal hergucken«, sagte Ferdi. »Da muss sich jetzt mal ein anderer um die Suppen kümmern.«

»Ich mach das«, sagte ich, »Ich mach das schon, Ferdi.«

»Gottseidank haben wir Charlie dabei«, sagte Ferdi und setzte sich wieder hin. »Guter Charlie! Hast du was dagegen, wenn Schöpft während der Fahrt vorne sitzt und so den Beifahrer macht, Charlie?«

»Nein«, sagte ich. »Wie willst du deine Suppe?«, fragte ich Rosa.

»Ich hatte die mit Pilzen«, rief Schöpft herüber. »Ich hatte die mit so Pilze drin. Die sind gut, die Pilze, die müsst ihr mal probieren, die tun da so Pilze rein.«

»Ich nehme auf jeden Fall die ohne Pilze«, sagte Rosa.

»Ich liebe Pilze«, sagte Schöpft. »Die kommen aus dem Wald. Ich habe den Wald immer geliebt, ehrlich mal, den Grunewald, alles. Darum ja auch Frankie der Waldspecht! Eigentlich hieß ich ja gar nicht Waldspecht, sondern nur Specht! Mit Nachnamen!«

»Wir wissen das«, sagte Ferdi sanft. »Ist alles east’, Schöpft. Alles klar.«

»Was heißt schon wissen«, sagte Schöpft, »Wissen ist nicht alles, ich meine, wie bist du denn drauf, Ferdi?!«

Ich stand auf und ging zur anderen Seite des Raums, wo eine Kasse stand, an der ein Mann stand, der woanders hinschaute.

»Zweimal Suppe, einmal mit, einmal ohne Pilze!«, sagte ich zu ihm.

Er zuckte zusammen und nickte.

Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt
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