73. Schwache Phase
Gegen eins hatte ich eine schwache Phase, sie erwischte mich mitten in einem Gespräch, wenn man es denn so nennen will, was ich mit Basti und Schöpfi da am Laufen hatte, eigentlich stand ich bloß zwischen den beiden und sie klopften sich die ganze Zeit auf die Schulter, Schöpfi ganz der Elder Statesman, Basti der Neue mit dem Hit, so hatte das Schöpfi irgendwann auf Elderstatesmanart genannt und Basti hatte gestrahlt und Schöpfi eine Zeitlang damit vollgeschleimt, wie sehr gerade Hallo Hillu immer schon seine Inspiration gewesen sei, so ging das die ganze Zeit, und immer wenn ich gerade gehen wollte, wandten sie sich mit einer Oder-meinst-du-nicht-auch-dass-Frage an mich, um mich bei der Stange zu halten, sie brauchten mich wohl als Zuhörer, aber sie waren mittlerweile schon so kokainistisch unterwegs, dass für einen, der da nicht mithalten konnte, also für genau und eigentlich nur mich, die Gesprächsluft immer dünner und dünner wurde, und ich war im Laufe der Quatschsonate aus Kompliment und Gegenkompliment, die sie immer weiter und mit wachsender Begeisterung aufführten, immer mehr Richtung Wand und schließlich sogar hinter den Pseudotresen ausgewichen und hatte begonnen, mir da einen Kaffee auf der Maschine klarzumachen, aber sie hinterher und immer schön an mir dran, weiß der Geier, wieso die gerade mich dabeihaben wollten, die gedopten Euphoriezausel, und nun, noch bei ihnen in der Laberzange und drauf konzentriert, dass die Kaffeemaschine ihre Pflicht erfüllte, erwischte mich die schwache Phase, ich war plötzlich todmüde und wusste überhaupt nicht mehr, was ich hier eigentlich tat, Basti, Schöpfi, Bummbumm, Geschrei, Rauch, Bier, was tu ich hier, ich zwinkerte mit den Augen, weil sich ein Schleier vor alles legte und ich versuchte, mir mit einem Finger die Ohren freizubohren, weil das Bummbumm auf einmal nur noch wie durch Watte kam, und ich dachte darüber nach, mir einen Stuhl zu suchen, auf den ich mich mal kurz setzen konnte, denn die Knochen waren wie aus Blei, die Glieder wie zerschlagen, die Muskeln schmerzten, Schlaf, Schlaf, Schlaf, dachte ich, Schlaf oder Koks, nur nicht mehr rauchen und kein Kaffee mehr, aber Wasser, Wasser, und ich suchte unter dem Waschbecken, in dem Sigi gerade Pfandbecher abspülte, eine Flasche Mineralwasser, ich war sicher, dass ich ein paar Flaschen dort für mich gebunkert hatte, aber da war nichts mehr, also nahm ich Sigi einen Becher ab, füllte ihn mit Leitungswasser und trank ihn leer und dann noch einen und Sigi sagte »Alles okay, Charlie?«, und ich sagte »Ja, aber ich brauch mal ‘ne Pause«, und sie sagte »Ich auch!«, und ich nickte und mir fiel das kleine Kabuff ein, für das ich einen Schlüssel bekommen hatte und in dem ich die Bierfässer verstaut hatte, die waren jetzt alle leer, das letzte hatten wir vor einer Viertelstunde angestochen und der Typ von der Event Gastro Essen war nicht mehr wiedergekommen, und wenn ich nicht so müde gewesen wäre, hätte ich mich auf den Weg gemacht, den Mann zu finden, aber jetzt hatte mich die schwache Phase erwischt und ich sah in der Nähe einen Stuhl an der Wand stehen, auf dem ein Haufen Jacken lagen, die warf ich auf den Boden, ging mit dem Stuhl zu dem kleinen Kabuff, schloss es auf, machte das Licht an, stellte den Stuhl zwischen die Bierfässer, schloss die Tür von innen ab und setzte mich hin.
Nur mal kurz ausruhen, dachte ich. Nur mal kurz die Augen schließen!