9

 

Wieder in der Wohnung, holte Abby ein Diktafon aus ihrer Handtasche und sprach ihre ersten Beobachtungen darauf.

»Mittwoch, dreiundzwanzigster März. Kontakt mit Hickle aufgenommen. Er wirkte zwar unbeholfen, verfügt aber über ein gewisses Maß an sozialer Kompetenz schüchtern Frauen gegenüber. Er hat gefragt, ob ich Schauspielerin sei. Die Frage wirkte deplatziert. Er hat behauptet, er arbeite in einem Restaurant in Beverly Hills. Vielleicht wollte er mich beeindrucken. Ein geschickter Lügner ist er nicht. Er hat die Neigung, sich zu verplappern. Es dürfte kein Problem sein, an ihn heranzukommen.

Nach dem Gespräch mit ihm habe ich seiner Nachbarin auf der anderen Seite einen Besuch abgestattet. Hickles Wohnung ist das genaue Spiegelbild von meiner. Unsere Schlafzimmer grenzen aneinander. Sein Wohnzimmer grenzt an das der anderen Nachbarwohnung, Nummer vier zwei zwei. Dort wohnt eine ältere Dame, Alice Finley. Ich habe sie um eine Tasse Mehl gebeten, die sie mir auch bereitwillig gegeben hat. Mrs Finley tratscht offensichtlich gern. Sie hat mir erzählt, dass Hickle nie Besuch bekommt und abends fast nie ausgeht. Meistens ist er leise, aber manchmal hört sie ihn schreien und ein oder zwei Mal hat sie laute dumpfe Schläge gehört, als würde er mit der Faust gegen die Wand hämmern. Sie ist zu dem Schluss gekommen, dass er – ich zitiere – nicht ganz richtig im Kopf ist.

Meine bisherige Einschätzung: Hickle ist sozial isoliert, höchstwahrscheinlich paranoid und voller Aggressionen. In Gegenwart anderer unterdrückt er seine aggressiven Impulse, aber wenn er allein ist, hat er mitunter vehemente Wutausbrüche. Er leidet an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, wahrscheinlich schizotyp. Aber er hat sich gut genug im Griff, um zu arbeiten und seine Miete zu zahlen.«

Diese Aufzeichnungen machte sie nicht nur für sich selbst. Sie sollten im Fall ihres Todes der Polizei dazu dienen nachzuvollziehen, was passiert war. Denn sie konnte sich nicht darauf verlassen, dass Travis der Polizei alles Notwendige erzählen würde. Es ließ sich bei ihrer Arbeit einfach nicht vermeiden, hin und wieder das Gesetz zu brechen, und das wusste Travis. Falls es zu polizeilichen Ermittlungen kam, würde er aus Selbstschutz wahrscheinlich abstreiten, irgendetwas von ihren Aktivitäten gewusst zu haben.

Sie schaltete das Diktafon aus, rief über ihr Handy die Wache in Hollywood an und fragte nach Sergeant Wyatt. »Vic hat heute Abend keinen Dienst«, sagte man ihr. »Sie können ihn zu Hause erreichen.«

Seine Privatnummer kannte sie. Er ging beim dritten Klingeln ran. »Wyatt.«

»Hallo Vic. Raten Sie mal, wer hier ist.«

Es hörte sich an, als würde er in sich hineinlachen. »Es hat ja fast vierundzwanzig Stunden gedauert, bis Sie anrufen. Ich habe schon gedacht, Sie brauchen meine Hilfe vielleicht doch nicht.«

»Doch, ich brauche Sie. Ich bin sehr hilfsbedürftig. Ich muss mit Ihnen über jemanden aus Hollywood sprechen, aber nicht am Telefon.«

»Haben Sie schon zu Abend gegessen?«

»Nein, noch nicht.«

»Es gibt da einen ganz guten Laden auf der Melrose Avenue.« Er gab ihr die Adresse. »In einer halben Stunde?«

»In Ordnung. Danke, Vic.«

»Danken Sie mir lieber noch nicht. Vielleicht kann ich Ihnen ja gar nicht helfen.«

»Sie können mir doch immer helfen.«

»Aber vielleicht will ich gar nicht. Denn ich weiß nicht, ob das wirklich eine so gute Idee ist.« Er legte auf, ohne sich zu verabschieden.

 

Die meisten Menschen konnte Vic Wyatt durchschauen. In zehn Jahren Streife bei der Hollywood Division hatte er alles gelernt, was er über die menschliche Natur wissen musste, und obwohl er nach seiner Beförderung zum Sergeant mehr Zeit am Schreibtisch verbrachte, als ihm lieb war, begegnete er immer noch Nacht für Nacht so vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten, wie ein normaler Mensch sein ganzes Leben lang nicht kennenlernte. Und abgeklärt, wie er war, meinte er, schon alles gesehen zu haben. Oder zumindest glaubte er das, bis er Abby traf.

»Hoffentlich mussten Sie nicht zu lange warten«, sagte sie, als sie sich in der Sitznische auf die Kunstlederbank ihm gegenüber schob.

Er sah auf seine Uhr. »Sie sind pünktlich auf die Minute.«

»Ehrlich? Das wäre das erste Mal.«

Sie trug ein T-Shirt, Jeans und eine PVC-Jacke mit Reißverschluss und dem Emblem der L. A. Dodgers. Eigentlich kein sehr vorteilhaftes Outfit, aber Wyatt hatte vor allem Augen für ihr geschmeidig fallendes Haar und ihren wohlgeformten Nacken. Sie war achtundzwanzig, vier Jahre jünger als er. Das hatte er herausgefunden, indem er, kurz nachdem sie sich kennengelernt hatten, die Zulassung ihres Wagens überprüft hatte.

Er wusste, Abby sah ihn nicht auf diese Weise. Für sie war er nur eine Quelle. Er hatte einfach keine Chance bei ihr.

»Also, was gibt’s denn hier Leckeres?«, fragte sie und nahm sich die Speisekarte.

»Ich nehme das Matterhorn, einen Halbpfünder mit Schweizer Käse und Gurken.«

Sie rümpfte die Nase. »Da bekommt man ja schon vom Zuhören verstopfte Arterien.«

»Sie wollen bestimmt lieber den Garten der Gemüsegenüsse.«

Sie überflog die Speisekarte. »Das scheint nicht ganz so ungesund zu sein wie der Rest.«

»Komisch, dass Sie sich solche Sorgen um Ihre Gesundheit machen.« Er beugte sich vor und sah sie eindringlich an. »Ich habe das Gefühl, dass Sie sonst nicht so risikoscheu sind.«

»Was? Ich scheues Reh? Ich gehe immer auf Nummer sicher«, sagte sie lächelnd.

Dieses Lächeln machte ihn wütend. Warum hatte er sich nur auf dieses Treffen eingelassen? Es lief immer gleich ab. Sie entlockte ihm Informationen und ging dann weiter ihren illegalen Geschäften nach, Überwachung oder verdeckte Ermittlungen oder so was – was genau, hatte er noch nicht herausgefunden. Sie benutzte ihn. Und insgeheim verhöhnte sie ihn mit ihrem süßen Lächeln und ihren ausweichenden Antworten. Sie war zwar immer höflich und charmant, und er war gern mit ihr zusammen, aber trauen konnte er ihr nicht. Sie würde ihm gegenüber niemals vollkommen ehrlich sein.

Nachdem die Bedienung ihre Bestellung aufgenommen hatte, faltete Wyatt die Hände und fragte: »Also, zu wem wollen Sie mich heute befragen?«

»Es geht um einen Mann namens Raymond Hickle. Er wohnt auf der Gainford Avenue. Die genaue Adresse gebe ich Ihnen noch. Ich glaube nicht, dass er Vorstrafen hat, aber vielleicht könnten Sie sich umhören. Möglicherweise hat er ja irgendwann mal mit der Polizei zu tun gehabt oder …« Sie verstummte, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. »Sie wissen etwas über ihn, nicht wahr?«

»Ja.«

»Nun?«

Er zögerte und antwortete mit einer Frage: »Was haben Sie mit Hickle zu tun?«

»Es geht um einen Fall. Mehr kann nicht sagen.«

»Was Sie da machen, ist gefährlich, Abby.«

»Ich recherchiere doch nur …«

»Ach, Unsinn. Ich kann diesen Quatsch nicht mehr hören. Es nervt langsam.«

Sie schwieg. Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, hatte er sie so angefahren.

»Ich kenne Hickle«, sagte Wyatt nach einer Weile. »Als ich noch Streife fuhr, war ich zweimal bei ihm zu Hause. In so einem billigen Mietshaus auf der La Brea Avenue.«

»Das La Brea Palms«, sagte Abby. »Südlich des Hollywood Boulevard. Da hat er von 1989 bis 1993 gewohnt.«

»Hört sich an, als hätten Sie schon Nachforschungen angestellt.«

»Nicht ich. Die Firma, für die ich als Beraterin arbeite. Bisherige Arbeitsstellen, Wohnsitze, so was. Aber Vorstrafen haben sie nicht gefunden.«

»Weil es keine gibt. Hickle ist nie angeklagt worden. Er hat keine Vorstrafen. So weit ist es nie gekommen.«

»Wie weit denn?«

»Wie gesagt, ich war zweimal bei ihm zu Hause. Mit meinem Partner. Man hat uns hingeschickt, damit wir ihm ein bisschen Angst machen. Beim ersten Mal hat es nichts gebracht, also sind wir zwei Wochen später wieder hin und haben noch mal die gleiche Show abgezogen. Hat auch nichts genutzt, aber Hickle ist aus seiner Wohnung geflogen. Sein Hauswirt wollte keinen Mieter, der Ärger mit der Polizei hat.«

»Aber warum mussten Sie ihn denn überhaupt zwischennehmen?«

»Weil er eine Frau belästigt hat, die im gleichen Gebäude wohnte. Er hat sie gestalkt.«

»Wer war die Frau?«

»Sie hieß Dahlbeck. Anfang zwanzig. Sie war aus Wisconsin nach L. A. gezogen und wollte zum Film, wie sollte es anders sein.«

»Eine Schauspielerin«, sagte Abby.

Wyatt hatte das Gefühl, als hätte sie das Wort mit besonderem Nachdruck ausgesprochen, konnte sich aber nicht erklären, warum. »Sie hatte ein paar kleine Rollen im Fernsehen, hat Infomercials gemacht und in billigen Theaterproduktionen mitgespielt. Die übliche Geschichte. Nettes Mädchen. Das war das Problem, sie war zu nett.«

»Wieso?«

»Sie hat den Fehler begangen, Hickle anzulächeln, ihn wie einen Menschen zu behandeln. Das hat er falsch interpretiert. Und er hat offenbar zu viel hineingelesen. Jedenfalls war er der Meinung, dass sie für ihn bestimmt war. Aber sie hat sich null für ihn interessiert. Man sagt, Männer sind vom Mars und Frauen von der Venus. Aber Hickle ist vom Pluto und das hat nichts mit Walt Disney zu tun.«

Abby nickte ernst. Draußen im Dunkeln schlenderte ein Jugendlicher vorbei. Er wippte im Gehen auf den Fersen und hatte einen Gettoblaster geschultert, aus dem eine obszöne Rap-Nummer dröhnte. Abby wartete, bis der Lärm vorüber war, und fragte dann: »Auf welche Weise hat er sie denn belästigt?«

»Er hat sie verfolgt, ihr Briefe geschickt, vor ihrer Wohnung rumgelungert. Schließlich ist sie weggezogen. Aber er hat sie aufgespürt. Er hat nicht locker gelassen und immer wieder gesagt, sie müsse ihm eine Chance geben.«

»Also hat sie sich bei der Polizei beschwert …«

»Ja. Todd Belvedere und ich wurden zu Hickle geschickt, um ein Wörtchen mit ihm zu reden. Wir sollten ihm ein bisschen Angst einjagen, damit er aufhört.«

Abby schüttelte sachte den Kopf.

»Haben wir es falsch angepackt?«, fragte er.

»Ich fürchte, ja.«

»Nun ja, das haben wir dann auch gemerkt. Sie müssen verstehen, dass das alles für uns Neuland war. Die Threat Management Unit war erst im Jahr davor gegründet worden und damals befasste sich die Einheit noch ausschließlich mit Fällen, wo Prominente betroffen waren. Und Jill wollte zwar zum Film, war aber keine Berühmtheit. Deshalb waren wir ziemlich auf uns allein gestellt.«

»Ich mache Ihnen keine Vorwürfe. Es ist nur so, dass eine direkte Konfrontation die Sache meistens noch verschlimmert. Hickle ging es um eine Reaktion von Jill. Und dass Sie bei ihm aufgetaucht sind, deutete er als Reaktion. Nicht die, die er erhofft hatte, aber zumindest bewies es, dass er zu ihr durchgedrungen war. Dass sie an ihn dachte. Es verstärkte die Verbindung zwischen ihnen.«

Wyatt nickte. »Und es machte ihn wütend. Anschließend hat er sie noch viel aggressiver bedrängt. Als wollte er seine Männlichkeit unter Beweis stellen.«

»Darum ging’s wohl auch. Hickle war ein Verlierer ohne berufliche Aussichten und ohne Freunde, der in einem heruntergekommenen Viertel wohnte. Mit seinem Selbstwertgefühl war es sowieso nicht weit her. Und als Sie dann kamen, um ihn einzuschüchtern, da sah er das letzte Quäntchen Würde bedroht, das er noch hatte. Wie Sie schon sagten, es ging um seine Männlichkeit.«

»Hätte ich Sie doch damals schon gekannt! Na ja, jedenfalls sind wir noch mal zu ihm, um uns ein bisschen ernster mit ihm zu unterhalten, aber damit haben wir nur Öl aufs Feuer geschüttet.«

»Und was ist aus Jill Dahlbeck geworden?«

»Wir mussten schließlich eingestehen, dass wir nicht viel ausrichten konnten. Wir konnten sie nicht rund um die Uhr beschützen und wir konnten Hickle kein ernstes Vergehen zur Last legen. Er hat sich immer so gerade im Rahmen des Gesetzes bewegt. Jill blieb nichts anderes übrig, als zu verschwinden. Sie ist wieder nach Wisconsin gezogen.«

Die Bedienung kam mit einem Tablett zurück, darauf ein Cheeseburger und ein Bier für Wyatt und ein großer Salat und eine Flasche Wasser für Abby.

»War Jill attraktiv?«, fragte Abby und nahm einen Bissen.

»Sehr.«

»Blond? Blaue Augen? Nordischer Typ?”

»Wie sind Sie denn jetzt darauf gekommen?«

»Nur so eine Vermutung. Also, wenn das alles um die Zeit passiert ist, als Hickle aus dem La Brea Palms ausgezogen ist, dann muss es 1993 gewesen sein. Da war er siebenundzwanzig.«

»Das dürfte stimmen.«

»Ich bin überrascht, dass Sie sich nach all den Jahren noch so genau an den Fall erinnern.«

»Nun … es ist etwas passiert. Jill wurde überfallen.«

Abby blickte ihn an. Mit einem Mal fiel ihm auf, wie schön ihre Augen waren. Sie waren ruhig und klar und von dem gleichen Goldbraun, wie er es einmal auf einer Reise nach Nebraska gesehen hatte, als die Weizenfelder im Bernsteinlicht der Abendsonne flimmerten.

»Überfallen? Was meinen Sie?«, fragte Abby zögernd.

»Sie war beim Unterricht in so einer kleinen Schauspielschule irgendwo an der Ecke Hollywood Boulevard und Vine Street. Die Schule gibt’s nicht mehr. Jedenfalls, eines Abends geht sie zu ihrem Wagen, da springt jemand hinter einer Hecke hervor und bespritzt sie mit Batteriesäure.«

»Ins Gesicht?«

»Das war vielleicht die Absicht, aber sie konnte sich noch rechtzeitig umdrehen. Das Zeug ist nur auf ihrem Mantel gelandet. Ihre Haut war vollkommen unverletzt. Der Angreifer ist geflohen. Sie hat ihn überhaupt nicht gesehen. Es war dunkel und es ist alles ganz schnell passiert.«

»Aber sie war überzeugt, dass es Hickle war.«

»Ja, klar. Und wir auch. Wir haben ihn in seiner neuen Wohnung aufgespürt, aber er hatte so etwas wie ein Alibi. Er jobbte damals als Regalauffüller in einem Supermarkt und an dem Abend hatte er ziemlich lange gearbeitet. Sehr viele Leute haben ihn gesehen. Und er ist nur wenige Minuten vor dem Anschlag gegangen. Vielleicht hatte er ja genug Zeit, hinzufahren und sich auf die Lauer zu legen, aber das Zeitfenster war sehr knapp.«

»Haben Sie seine Wohnung durchsucht?«

»Ja, er hatte nichts dagegen. Aber wir haben keine Säure gefunden und auch sonst nichts, was ihn mit dem Anschlag in Verbindung gebracht hätte.«

»Trotzdem, er muss es doch gewesen sein.«

»Ich weiß nicht, Abby. Wir sind hier in Hollywood. Hier spielen die Leute so oft scheinbar grundlos verrückt. Hickle ist bei Weitem nicht der einzige Irre, der hier rumläuft. Na ja, jedenfalls war Jill mit den Nerven fertig. Deshalb ist sie auch weggezogen. Schon am nächsten Tag.«

»Sehr vernünftig«, sagte Abby. »Und hatte sie danach keine Probleme mehr?«

»Soviel ich weiß, nicht.«

»Und Hickle ist nicht angeklagt worden?«

Wyatt zuckte mit den Achseln. »Dazu reichte es einfach nicht. Wir konnten ihm nichts beweisen. Aber ob er es nun war oder nicht, er hätte es sein können. Verstehen Sie? Er ist dazu fähig. Verrückt genug ist er.«

Sie schwieg.

»Abby.« Er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Falls sie irgendetwas mit diesem durchgeknallten Mistkerl zu tun haben, gehen Sie ein verdammt großes Risiko ein.«

»Wie kommen Sie darauf, dass ich was mit ihm zu tun hätte? Ich stelle nur …«

»Nachforschungen an, ich weiß. Aber was Sie auch vorhaben, seien Sie bitte vorsichtig.«

»Aber klar, Vic. Machen Sie sich um mich keine Sorgen.«

 

Wyatt übernahm die Rechnung. Abby wollte halbe-halbe machen, aber aus männlichem Stolz bestand er darauf, alles zu zahlen. Draußen bot er an, sie zu ihrem Wagen zu bringen, aber sie sagte, das sei nicht nötig. »Sind Sie sicher?«, fragte er. »Hier treiben sich viele böse Buben herum.«

»Ich kann ganz gut auf mich selbst aufpassen.«

»Den Eindruck habe ich auch. Aber wissen Sie, es gibt einen Grund, warum Streifenpolizisten immer zu zweit arbeiten. Manchmal braucht man einfach Verstärkung.«

»Bis jetzt bin ich auch so ganz gut zurechtgekommen.«

»Vielleicht hatten Sie einfach nur Glück.«

»Na, hoffen wir, dass mein Glück anhält. Bye, Vic. Und danke für alles.«

Er sah ihr hinterher. Seinen Wagen, einen alten Chevrolet Camaro mit Austauschmotor, hatte er um die Ecke geparkt, aber er blieb noch. Er stand im Schatten der Café-Markise, geschützt vor dem grellen Schein der Leuchtreklamen. Abbys Schritte wurden immer leiser. Er hörte das Geräusch der aufgehenden Wagentür, dann, wie sie zugeknallt wurde, und schließlich den aufheulenden Motor.

Abby hatte ihren Wagen wohlbehalten erreicht. Anscheinend konnte sie wirklich auf sich selbst aufpassen. Nicht dass er je daran gezweifelt hätte.

Aber aus irgendeinem Grund blieb er noch eine Weile dort stehen. Er hörte, wie sie losfuhr. Dann sah er Scheinwerferlicht und ein weißer Kleinwagen schoss vorbei. Ganz kurz konnte er Abby hinterm Steuer sehen, ihr Gesicht vom Armaturenbrett beleuchtet. Sie fuhr einen Dodge Colt. Eine kleine eckige Kiste, nicht mehr ganz neu und mit einer Delle auf der Seite. Der Motor hörte sich zwar kräftig an, aber der Wagen hatte sicher über hundertfünfzigtausend Kilometer auf dem Buckel.

Sein Camaro war auch nicht neuer, aber er war in erstklassigem Zustand. Der Wagen war ein Klassiker. Abbys alte Klapperkiste hatte allerdings so gar nichts Klassisches an sich. Seltsam. Am Vorabend hatte sie ihm erzählt, sie wohne im Wilshire Royal, einem Luxuskomplex, in dessen Tiefgarage sich ein Porsche an den anderen reihte. Wenn Abby sich eine so teure Wohnung leisten konnte, wieso fuhr sie dann diesen Schrotthaufen?

Während er davonging, schüttelte er sachte den Kopf. Irgendwie passte hier nicht alles zusammen, und falls doch, verstand er es nicht.

Oder vielleicht wollte er es nicht verstehen.