Caen, Juni 1079

»Mein Name ist Cædmon of Helmsby, ehrwürdige Mutter, ich bin …« »Ich weiß, wer Ihr seid«, unterbrach die Äbtissin ihn schneidend. Sie war eine ungewöhnlich hochgewachsene Frau um die Fünfzig. Die kerzengerade Haltung unterstrich ihre Größe und flößte jedem Besucher wie auch den Schwestern ihres Klosters Respekt und Ehrfurcht ein. Das Gesicht mit den ausgeprägten, hohen Wangenknochen wirkte ebenso nobel wie asketisch, die dunklen Augen intelligent und jetzt abweisend und kühl.

Er bemühte sich nach Kräften, sich nicht einschüchtern zu lassen. »Wenn ich recht informiert bin, hat der Bischof von Bayeux Euch geschrieben?«

Sie nickte knapp. »Er und die Königin ebenfalls«, erwiderte sie. Ihr Mißfallen ob des Inhalts dieser Briefe war nicht zu überhören. Aber zumindest was diesen Fall anging, war sie an die Weisungen des Bischofs von Bayeux gebunden – auch wenn der lasterhafte Odo hier ansonsten glücklicherweise nicht zuständig war –, und der Königin eine Bitte abzuschlagen war so gut wie unmöglich, denn Matilda hatte dieses Kloster gestiftet.

»Dann wäre ich dankbar, wenn ich Aliesa de Ponthieu jetzt sprechen könnte, Madame, vorausgesetzt, ich komme nicht ungelegen.«

Es war früher Morgen, der Tau im grasbewachsenen Innenhof des Kreuzgangs kaum getrocknet. Er wußte so gut wie sie, daß es die beste Zeit war, ein Kloster zu besuchen.

Sie deutete ein Nicken an. »Wartet hier.«

Er wartete vielleicht eine Viertelstunde, und seine Nervosität und die bohrende Angst steigerten sich mit jeder Minute. Er wußte ja nicht einmal, ob sie ihn sehen wollte.

Als er schon im Begriff war, die Flucht zu ergreifen und in der nahegelegenen Benediktinerabtei von St. Etienne, wo er die letzten Wochen verbracht hatte, um Aufnahme als spät entschlossener Novize zu ersuchen, traten zwei dunkel gekleidete Frauen lautlos durch eine schmale Tür in der Südwand des Kreuzganges. Die jüngere und kleinere war Cecile, die Tochter des Königs, die sich hier durch so hervorragende Qualitäten und so tiefe Demut und Frömmigkeit hervorgetan hatte, daß schon jetzt festzustehen schien, daß sie die nächste Äbtissin dieses Hauses werden würde. An ihrer Seite ging Aliesa.

Er trat ihnen mit weichen Knien entgegen und verneigte sich, ohne die Prinzessin wirklich wahrzunehmen. Einen Moment mußte er um Mut ringen, ehe er Aliesa in die Augen sehen konnte, und beschränkte sich darauf, sie aus dem Augenwinkel zu betrachten. Die dunkle Nonnentracht unterstrich das Lilienweiß ihrer Haut prägnanter, als all die kostbaren Kleider es je vermocht hatten, das Fehlen von jedwedem Schmuck ihre natürliche Schönheit. Sie schien ihm fremd und gleichzeitig vollkommen vertraut. Alle Einzelheiten waren genau so, wie er sie in Erinnerung gehabt hatte, nur das Gesamtbild hatte er vergessen. Es traf ihn unvorbereitet, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, fast wie beim allerersten Mal. Er spürte sein Herz in der Kehle rasen und war keineswegs sicher, ob er einen Ton herausbringen würde.

Dann hob er endlich den Kopf und sah sie an.

Die graugrünen Augen schienen größer, vielleicht weil ihr Gesicht eine Spur schmaler geworden war, und kummervoll. Die Heiterkeit ihres Wesens, die diese Augen immer hatte erstrahlen lassen, war von Trauer und Schmerz überlagert. Und doch war ihr Ausdruck im Grunde unverändert. Cædmon war versucht, in diesen Augen zu ertrinken.

Dann lächelte sie und streckte ihm die Hände entgegen. »Cædmon. Mein armer Cædmon.«

Er ergriff die Hände, und da sie nicht allein waren, beschränkte er sich darauf, die rechte an die Lippen zu führen. »Ich bin alles andere«, entgegnete er leise. »Kommst du mit mir?«

»Wie kannst du fragen?«

»Ich denke, ich habe alles, was wir brauchen. Mußt du packen?«

Sie schüttelte den Kopf und wies auf den kleinen Beutel an ihrem Gürtel. »Das ist alles.« Dann ließ sie ihn los, wandte sich an Cecile, schloß sie in die Arme, und die beiden jungen Frauen sprachen leise ein paar Sätze.

Als Aliesa sich löste, verneigte Cædmon sich hastig vor der Prinzessin. »Lebt wohl, Cecile. Gott sei mit Euch.«

»Oh, ich denke, das ist er. Was Euch betrifft, bin ich mir hingegen nicht so sicher«, erwiderte die Tochter ihres Vaters, aber ihr Lächeln milderte die Schärfe ihrer Worte.

Cædmon ergriff Aliesas Hand und führte sie zum Portal und auf die stille Straße hinaus.

»Keine Pferde?« fragte sie verwundert. »Und bis wohin soll ich laufen?« Er lächelte über diese so typisch normannische Art von Entrüstung, und seine Befangenheit ließ ein wenig nach. »Nur bis zum Fluß. Es ist nicht weit.«

»Oh. Bist du ein Seemann geworden, Cædmon?«

»Ich glaube, ich bin immer das, was ich gerade sein muß.«

 

Jeder, der zwischen Yare und Ouse aufwuchs, lernte zu segeln und einen Flußkahn zu führen. Cædmon brachte sie zu dem kleinen, aber stabilen und wendigen Boot, das er einem der Flußfischer von Caen abgekauft hatte, und half ihr an Bord.

Aliesa ließ sich auf der schmalen Sitzbank im Heck nieder und kreuzte unbehaglich die Arme. »Wohin fahren wir?«

»Das verrate ich nicht. Es ist nicht weit. Heute mittag sind wir da.« Das hoffte er jedenfalls. Er stieß das Boot einigermaßen geschickt ab, tauchte die Ruder ins Wasser und steuerte in die Mitte des Stroms. Dann legte er sich ohne allzugroßen Elan in die Riemen. Er wußte, die Strömung würde sie in Windeseile zum Meer bringen.

Sie saßen sich gegenüber und wechselten unsichere Blicke und das ein oder andere nervöse Lächeln.

»Laß uns nicht in Sprachlosigkeit sinken, Cædmon«, sagte sie schließlich kopfschüttelnd. »Erzähl mir von …«

»Nein, du zuerst. Bitte.« Er ruderte mit mehr Schwung, spürte die Morgensonne auf der rechten Wange, roch den Fluß und hörte sein Plätschern, und er hätte nichts dagegen gehabt, noch ein paar Stunden zu schweigen und sie einfach anzusehen. Sich langsam wieder an sie zu gewöhnen. Aber wenn sie es anders haben wollte, war es ihm auch recht.

Sie ließ die schmale, zarte Linke durchs Wasser gleiten und sah darauf hinab. An der Klosterpforte hatte sie den züchtigen Nonnenschleier abgelegt; die langen, schwarzen Haare waren offen und fielen vor ihr Gesicht, so daß er nichts als ihre Nasenspitze sah.

»Ich habe nicht viel zu erzählen«, gestand sie. »Die Zeit im Kloster vergeht langsam und beschaulich und fliegt doch dahin. Ein Tag ist wie der andere. Es war friedvoll und erbaulich. Die meisten Schwestern waren sehr gut zu mir. Ich habe viele neue Dinge gelernt.« Sie atmete tief durch, hob den Kopf und warf die schwarze Haarflut über die Schulter zurück. »Ich war eingesperrt und unfrei, aber das war schließlich nichts Neues, in gewisser Weise war ich das mein Leben lang. Ich hatte es auf jeden Fall besser als du. Als Lucien mir am Tag meiner Abreise gestand, was er mit dir getan hatte, habe ich mir gewünscht, ich wäre tot.«

Ja, dachte er, ich auch. »Ach … Das ist so lange her, weißt du.«

Sie betrachtete ihn versonnen. »Du bist distanziert.«

»Nein. Ich bin verlegen. Ganz sicher nicht distanziert.«

»Aber verändert.«

»Was hast du erwartet? Es waren drei Jahre. Viel ist passiert. Ich habe lesen gelernt, ob du’s glaubst oder nicht.«

Ihr Gesicht erstrahlte in einem Lächeln purer Freude. »Ist das wahr?« »So wahr ich hier sitze und mir die Hände schwielig rudere.«

Sie schüttelte verwundert den Kopf. »Erzähl der Reihe nach.«

»Erst will ich mehr über dich hören.«

»Nein, jetzt bist du am Zug, würde ich sagen.«

Also berichteten sie abwechselnd. Nach einer guten Stunde erreichten sie die Flußmündung, und Cædmon richtete den Mast auf, setzte nach einigen Fehlversuchen das kleine Segel und steuerte nach Osten. Es wehte ein stetiger ablandiger Wind, der sie gut voranbrachte, ohne seine bescheidenen Seemannskünste zu überfordern. Nahe der Küste trieben sie durch den Ärmelkanal, und die stockende Unterhaltung wurde bald flüssig, während sie die eigentümliche Scheu nach der langen Trennung überwanden. Bald redeten sie wie früher, vertraut und offen, berichteten von den frohen und den finsteren Stunden der letzten drei Jahre und überschütteten einander begierig mit Fragen.

»Hat die Königin dir geschrieben?« wollte Cædmon wissen. »Irgendwann letzten Winter?«

Aliesa nickte und klopfte auf ihren kleinen Beutel. »Ein wundervoller Brief. Du kannst dir nicht vorstellen, welchen Trost er mir gespendet hat. Sie schrieb mit solcher Wärme von dir. Es war das erstemal, daß ich wirklich Hoffnung geschöpft habe.«

Und als die Sonne schon hoch stand und Cædmon begann, nach seinem Ziel Ausschau zu halten, sagte sie schließlich: »Erzähl mir von Etienne, Cædmon.«

Er wandte sich ab, überprüfte unnötigerweise ein paar Leinen, lehnte sich schließlich mit dem Rücken an die niedrige Backbordwand und winkte sie zu sich. »Komm her.«

Sie erhob sich unsicher, machte zwei wankende Schritte, die die Nußschale bedenklich ins Schaukeln versetzten, und ließ sich dann neben ihm auf den Planken nieder.

Cædmon legte den Arm um ihre Schultern und sah ihr einen Moment in die Augen. Dann strich er mit den Lippen über ihre Schläfe und berichtete ihr in allen Einzelheiten, was sich ereignet hatte.

Aliesa vergrub den Kopf an seiner Schulter und weinte.

»Und was geschah dann?« fragte sie schließlich, wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und sah ihn an.

Er hob kurz die Schultern. »An die Nacht kann ich mich nicht erinnern. Irgendwann kamen Menschen. Wachen. Dann ein Offizier. Ein Mönch, der Vater Maurice war, dann Wulfnoth, mein Bruder und schließlich der König. Erst da kam ich wieder halbwegs zu mir und verstand, daß sie alle wollten, daß ich Etienne losließ, damit sie ihn begraben konnten. Und sie haben mich beschimpft und auf mich eingeredet. Sie haben mich pausenlos irgendwelche Dinge gefragt, und ich habe geantwortet. Aber ich kann mich an kein Wort entsinnen. Es ist alles … verschwommen. Ich wollte ihn nicht hergeben. Ich war so glücklich, daß er uns vergeben hatte, ich … wollte ihn nicht hergeben. Wulfnoth hat ihn mir schließlich aus den Armen genommen, glaube ich. Und dann war ich ein paar Stunden oder Tage eingesperrt, bis Vater Maurice alles erklärt hatte. Dem König Etiennes Testament gezeigt und vorgelesen hatte.«

In Wirklichkeit, so wußte er inzwischen, war es eine ganze Woche gewesen, doch auch diese Zeit war ihm nicht im Gedächtnis. Er entsann sich nur bruchstückhaft. Vater Maurice, der sich um ihn gekümmert hatte wie zuvor um Etienne, hatte ihm später erklärt, daß Gott die Menschen manchmal in diesen Zustand des Vergessens versetze, damit Geist und Seele einen großen Schock überwinden konnten.

»Ich könnte mir vorstellen, daß der König nur wenig besänftigt war, als er die Umstände erfuhr«, murmelte Aliesa.

Cædmon sah blinzelnd zur Sonne. »Du kennst ihn wirklich gut. Nein, er war vielleicht noch wütender auf mich als vorher. Er glaubte, Gott habe Etienne seine Krankheit geschickt, um ihn für seinen angeblichen Verrat zu strafen, und ich hätte mir angemaßt, Gottes Plan zu durchkreuzen.«

»William kennt wirklich kein Erbarmen.«

»Nein.«

»Und wie ging es weiter?« fragte sie.

»Na ja. Er hat ein paar Tage getobt und mir lebenslange Kerkerhaft angedroht und ewiges Höllenfeuer prophezeit, und schließlich hat er sich beruhigt. Die Königin hat ihm ins Gewissen geredet, erzählt Wulfnoth, und ihm gesagt, er dürfe Etiennes letzten Willen nicht mißachten. Schließlich ließ er mich zu sich kommen und gab mir die Erlaubnis, dich aus dem Kloster zu holen und zu heiraten und nach England zu bringen, wohin er bald zurückkehren wird. Vater Maurice legte mir als Buße auf, vierzig Tage ins Kloster zu gehen und zu schweigen und zu fasten und so weiter. Er sagte, das werde eine heilsame Wirkung haben. Und er hatte recht, weißt du. Ich bin nach Caen geritten, um meine Buße zu erfüllen, weil ich in deiner Nähe sein wollte. Da kam ich langsam wieder zu Verstand. Und ich erhielt einen Brief von Odo, in dem er sagte, alles sei arrangiert und ich könne dich holen, falls du gewillt seiest, mit mir zu gehen. Gestern waren die vierzig Tage um. Ich habe das Boot gekauft und ein paar andere Kleinigkeiten und die Nacht vor eurer Klosterpforte verbracht.«

»Mir hat Bischof Odo auch geschrieben«, sagte sie. »Es war ein sehr offener und freundschaftlicher Brief. Er schrieb, wenn ich dich heirate, müsse ich damit rechnen, daß viele sich endgültig von mir abwenden. Daß alle sich nur daran erinnern werden, daß du Etienne getötet hast, nicht daran, wieso und unter welchen Umständen.«

»Er hat sicher recht. Genau so wird es kommen.«

Er sah sie an. Ihre Augen waren voller Furcht und Zweifel, und davon wurde ihm himmelangst. Er strich mit dem Zeigefinger über ihre leicht gerunzelte Stirn und wollte irgend etwas sagen, um die Zweifel zu zerstreuen, aber sie fuhr fort:

»Er schrieb, der einzig ehrenvolle Ausweg für mich sei, im Kloster zu bleiben, und das gleiche gelte für dich. Hört auf die Stimme Eures Herzens, riet er mir, aber seid Euch darüber im klaren, daß Ihr kein unbeschwertes Glück und keinen Frieden finden werdet, wenn Ihr Cædmon of Helmsby heiratet.«

Er senkte den Blick. »Und? Bist du gewillt, darauf zu verzichten?«

Sie legte beide Hände auf sein Gesicht und sah ihm in die Augen. »Unbeschwertes Glück, falls es so etwas gibt, war uns nie beschieden, und das haben wir immer gewußt. Ich konnte bislang darauf verzichten, und das kann ich wohl auch in Zukunft. Die Frage ist, kannst du ohne Ehre leben, Cædmon? Denk darüber nach, ehe du antwortest. Es wäre bitter, wenn du eines Morgens aufwachst und feststellst, daß der Preis zu hoch war.«

Er schnaubte, es war fast ein kleines Lachen. »Meine Ehre hängt nicht mehr so sehr davon ab, wie andere Menschen meine Taten beurteilen. Was in den Augen der Normannen ehrenvoll ist, betrachten die Engländer vielleicht als schändlich, und umgekehrt. Ich habe den Versuch schon vor langer Zeit aufgegeben, es allen recht machen zu wollen, es ist einfach unmöglich. Ich glaube inzwischen, daß Ehre eine sehr persönliche Sache ist, weißt du.« Er umfaßte ihre Oberarme, zog sie näher an sich und sagte leise: »Heirate mich, und die Welt soll zum Teufel gehen.«

 

Es war ein herrlich warmer Sommertag, und die Mittagssonne glitzerte und funkelte auf der tiefblauen See. Zu ihrer Rechten erhob sich eine gewaltige Steilküste aus weißem Kalkstein, die Cædmon immer so sehr an die Südküste Englands erinnerte.

Als sie dem Verlauf der Klippen um eine sanfte, südöstliche Biegung folgten, eröffnete sich ihnen plötzlich ein Blick auf das monumentalste Wunder der Schöpfung, das Cædmon je gesehen hatte. Er atmete tief durch, luvte an und steuerte hart am Wind darauf zu.

Er hörte Aliesa scharf die Luft einziehen. »Heilige Jungfrau … was ist das?«

Vor ihnen lag ein weißer Felsen, der aus der Steilküste weit aufs Meer hinausragte. Doch war diese Klippe nicht massiv, sondern von einem gewaltigen Rundbogentor durchbrochen, zehnmal so hoch wie jedes von Menschen geschaffene Tor – ein Portal mitten im Meer.

Er sah sie lächelnd an. »Du kennst es nicht?«

Sie schüttelte den Kopf und blickte mit leuchtenden Augen zu dem mächtigen Bogen auf. »Oh, Cædmon. Ich habe nicht geahnt, daß Gott ein solches Wunder in der Normandie geschaffen hat.«

Er hielt genau auf das Tor zu. »Ich habe es zum erstenmal gesehen, als im Sommer vor der Eroberung die Flotte von der Divesmündung nach St. Valéry verlegt wurde. Und als ich es sah, habe ich davon geträumt, dich eines Tages hierher zu bringen.«

Mit der Strömung schossen sie unter dem hohen, weiten Bogen hindurch in eine langgezogene Bucht mit einem schmalen Strand aus graugelbem Sand, an deren Ende sich eine weitere Klippe erhob, durchbrochen von einem ganz ähnlichen Bogen. Ein weißer Fels in Form einer gewaltigen Pfeilspitze ragte unmittelbar davor aus dem Wasser auf.

Cædmon ließ das Boot auf den Strand auflaufen, sprang an Land und streckte ihr beide Hände entgegen.

»Komm. Ich helfe dir. Gib acht, daß du nicht fällst.«

Sie nahm seine Hand und kletterte von Bord, ohne darauf zu achten, wohin ihre Füße traten, drehte den Kopf bald nach links, bald nach rechts, legte ihn in den Nacken, um zu den hohen Klippen und dem makellos blauen Himmel aufzuschauen, und dann breitete sie die Arme aus.

»Es ist der schönste Ort, den ich in meinem Leben je gesehen habe.« »Gut«, sagte er zufrieden. »Dann hast du wohl nichts dagegen, wenn ich uns hier ein Zelt aufschlage?«

Sie betrachtete ihn mit leuchtenden Augen und einem fassungslosen Kopfschütteln. »Cædmon, auf was für Ideen du kommst.«

»Also?«

Sie lachte leise. »Von mir aus laß uns für den Rest unserer Tage hierbleiben.«

Er lud das Gepäck aus dem Boot, und sie setzte sich in den Sand, verschränkte die Arme auf den angezogenen Knien und kam nicht im Traum darauf, ihm zu helfen. Er grinste verstohlen vor sich hin, ließ ein Bündel Zeltplane neben ihr fallen und hielt ihr einen grauen Leinenbeutel hin. »Hier. Brot, Rettich und Käse. Und ich habe einen Schlauch Cidre. Du mußt hungrig sein.«

Sie nickte, öffnete den Knoten in der Kordel und förderte den Inhalt des Brotbeutels zu Tage. »Sehr weit werden wir nicht damit kommen«, bemerkte sie.

Er holte den Cidre vom Boot und setzte sich neben sie. »Nein.« Dann wies er mit der Linken auf den Felsen an der Ostseite der Bucht. »Dahinter liegt ein kleines Fischerdorf. Dort bekommen wir sicher Proviant. Aber ich will nicht eher hingehen als nötig. Sicher werden die Leute neugierig und kommen her.«

Sie lächelte flüchtig. »Was sie wohl denken werden, wenn sie uns sehen …«

»Hm. Sie werden noch ihren Enkeln davon erzählen.«

»Wie heißt dieses Dorf?« wollte sie wissen.

»Etretat.«

»Die Menschen von Etretat können sich glücklich preisen, an einem Ort wie diesem geboren zu sein.«

»Ja. Und ich wette, sie wissen es nicht zu schätzen.«

Sie aßen schweigend, und dann machten sie sich auf und folgten einem schmalen Pfad, der auf der Westseite in die Klippen hinaufführte. Sie fanden Hufabdrücke und Schafdung, aber jetzt waren weder Mensch noch Tier zu entdecken. Als sie die Anhöhe erklommen hatten, erstreckten sich hügelige Wiesen landeinwärts, so weit das Auge reichte. Große aufrechte Gesteinsfinger ragten aus den zerklüfteten Klippen, die steil abgestuft zum Meer hin abfielen. Ein paar Möwen flatterten unter entrüstetem Gekreisch davon, als sie zwischen den Felsen umherstreiften und über den Abgrund spähten. Bienen summten im Mohn und den kerzenförmigen, violetten Blüten einer Blume, die sie nicht kannten, und das gleichmäßige Rauschen der See weit unter ihnen überlagerte alles mit seinem einzigartigen Zauber.

Cædmon lehnte an einem der Felsen, der ihn ein gutes Stück überragte, hatte die Arme verschränkt und beobachtete Aliesa, während sie eine kleine Höhle erkundete. Sie hatte sich ein wenig vorgebeugt, um in den niedrigen Einlaß sehen zu können, und er legte den Kopf schräg und betrachtete ihr Profil. Sie hob eine ihrer langfingrigen Hände, strich sich die Haare aus dem Gesicht, machte mit den Fingern einen Kamm und hielt sie hinter der Schläfe zurück, so daß ihr winziges Ohr freilag. Dann kniete sie sich hin, um ein verlassenes Möwennest am Eingang der Höhle in Augenschein zu nehmen, und es schnürte ihm die Luft ab, sie so im Gras knien zu sehen, vollkommen selbstvergessen, die Haare immer noch mit der Linken zurückgehalten.

Er stieß sich von seinem Felsen ab und trat zu ihr, nahm behutsam ihren Arm und zog sie zu sich hoch.

Sie sah auf.

Cædmon legte die Rechte in ihren Nacken, den linken Arm um ihre Taille und zog sie an sich. Ihre Lippen trafen sich, und es wurde ein sanfter, beschaulicher Kuß, beinah so behutsam als wäre es der allererste, als wären die Lippen des anderen ihnen nicht auch nach drei Jahren noch in jeder Einzelheit vertraut. Sie hielten einander eng umschlungen, aber nicht mehr verzweifelt wie Ertrinkende. Er hätte nichts dagegen gehabt, sie ins kurze, federnde Gras hinabzuziehen und es hier und jetzt zu tun, doch das hatte keine Eile. Zum ersten Mal hatten sie Zeit. Und in diesem Luxus wollte er schwelgen. Er spürte eine tiefe, innere Ausgeglichenheit, die ihm vollkommen fremd war, und erkannte erstaunt, was es bedeutete, wunschlos zu sein. Es war wie ein sanfter Rausch, erfüllte ihn mit einer wohligen Ruhe und gleichzeitig mit Übermut. Als eine Bö Aliesas schwarze Haarflut erfaßte und ihm um den Kopf wehte, lachte er, und alle Trauer fiel von ihm ab.

 

Sie verbrachten den Nachmittag im Schatten der steilen Klippen am Strand. Cædmon errichtete das kleine Zelt aus einem vorgefertigten Holzgestänge, über welches die Zeltbahnen gebreitet wurden, die er anschließend mit hölzernen Pflöcken im Boden befestigte.

»Der Sand ist kein idealer Untergrund«, bemerkte er. »Ich hoffe, das Zelt wird uns nicht über den Köpfen weggeweht. Dann müßten wir bei den Fischern um Obdach bitten.«

Aliesa hockte auf dem Rand des Bootes, das er bis oben auf den Strand gezogen hatte, und rümpfte die Nase. »Schlag lieber noch ein paar Pflöcke ein. Ich hoffe, du verzeihst meine Offenheit, aber die ganze Konstruktion sieht ein wenig merkwürdig aus. Eher wie ein Dach ohne Haus als wie ein Zelt.«

Er nickte. »Es ist ein englisches Zelt, Madame.«

»Oh. In dem Fall bitte ich um Vergebung für meine Taktlosigkeit und kann nur hoffen, daß englische Zelte stabiler sind als englische Häuser.«

Sie lachten.

Die Sonne stand schon schräg, tauchte das Meer in ein beinah goldenes Licht und wollte bald hinter den Klippen im Westen verschwinden. »Sobald es dunkel ist, wird es kühl«, prophezeite er.

»Haben wir Feuerholz?« fragte sie. »Hier wächst weit und breit kein Baum.«

»Wir könnten noch mal nach oben klettern und trockenen Schafmist sammeln. Der eignet sich hervorragend für ein Feuer.« Er erfreute sich einen Moment an ihrem nur unzureichend verborgenen Schrecken, ehe er lachend sagte: »Nein, keine Bange. Wir haben einen Sack Holzkohle.«

Sie stieß ihn mit den flachen Händen vor die Brust. »Flegel …«

Er zog sie an sich und legte das Kinn auf ihren Scheitel. »Sag mir einfach, wenn dir das einfache Leben hier nicht geheuer ist, und ich bringe dich sofort irgendwohin, wo es eine Halle mit zivilisierten Christenmenschen und Dienern und Köchen und Mägden gibt, die nichts als nur deine Bequemlichkeit im Sinn haben.«

Sie schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Ich war noch nie im Paradies, darum muß ich mich erst daran gewöhnen. Aber ich will nicht fort. Die Welt da draußen ist mir fremd geworden. Und sie macht mir angst, weil sie mir feindlich gesinnt ist.«

»Dann bleiben wir einfach hier«, versprach er.

Sie lachte leise. »Bis wir es nicht mehr ertragen und genau wie Adam und Eva alles tun, um vertrieben zu werden.«

 

Als die Nacht hereinbrach, schaufelte Cædmon gleich vor dem Zelteingang eine kleine, flache Grube im Sand und machte Feuer. Dann rollte er ihre Decken aus, halb drinnen, halb unter freien Himmel, und als Aliesa sich neben ihn kniete, begann er, sie auszuziehen. Er tat es mit beinah quälender Langsamkeit, betrachtete eingehend jedes Detail, das er enthüllte, hob einen ihrer Arme und strich mit der Wange darüber, um die kleinen, goldenen Härchen darauf zu spüren. Er nahm sich Zeit, sie in aller Ruhe wiederzuentdecken. Und Aliesa, die ihn früher mit ihrer Ungeduld so oft erregt und erheitert hatte, ließ seine gemächliche Erkundung widerspruchslos über sich ergehen und vertraute sich ihm einfach an. Als sie schließlich nackt war, wollte er seine eigenen Sachen abstreifen, aber sie nahm kopfschüttelnd seine Hände, hob dann die Arme, die rötlich golden im Schein des kleinen Kohlefeuers schimmerten, umfaßte den Saum seines Übergewands und zog es ihm über den Kopf, entkleidete ihn ebenso bedächtig wie er sie.

Er sah sie frösteln und wollte ihr die Decke um die Schultern legen, als sie die Arme um seinen Hals schlang und sich an ihn preßte. Er spürte die Weichheit ihrer Brüste, atmete tief durch und rieb sich sacht daran. Seine Hände wanderten über ihre Seiten abwärts. Ihre Haut war so seidenglatt und warm. Als er die Rechte in das dunkle, buschige Dreieck ihrer Schamhaare gleiten ließ, gab sie ein wunderbares kleines Stöhnen von sich, preßte die Lippen auf seinen Mund und küßte ihn gierig. Dann ließ sie sich zurücksinken und zog ihn mit. Ihre Augen waren geschlossen, und er ergötzte sich an den winzigen, gebogenen Schatten, die die langen Wimpern auf ihre Wangen warfen, während er langsam in sie eindrang.

 

Die Frühsommertage brachen kühl an, und noch ehe es ganz hell war, fuhr Cædmon zum Fischen hinaus. Aliesa begleitete ihn und lachte über seine Ungeschicklichkeit, doch er fing immerhin genug, daß sie keinen Hunger litten. Sobald die Morgensonne zu klettern begann, wurde es heiß. Am zweiten Tag überredete Cædmon Aliesa, mit ihm im Meer zu baden, und versuchte ohne besonders großen Erfolg, ihr das Schwimmen beizubringen. Sie bewies mehr Mut als Geschick, und als sie unterging und prustend wieder auftauchte, war er an der Reihe, sie auszulachen. Mit funkelnden Augen schaufelte sie Wasser in seine Richtung, um ihn naßzuspritzen. Er hatte noch nie eine nackte, wütende Frau im Meer gesehen, und das Lachen verstummte, als ihm der Atem stockte. Er zog sie zurück ins seichtere Wasser, wo sie ihm schließlich verzieh und die Beine um seine Hüften schlang, und sie liebten sich im Meer, beinah schwerelos.

Sie unternahmen lange Streifzüge durch die Klippen oder bei Ebbe auch unten am Wasser entlang, und Aliesa konnte an keiner Muschel vorbeigehen, ohne sie aufzuheben und anzuschauen und Cædmon zu zeigen, der sie gebührend bewunderte. Die schönsten steckte sie in ihren Beutel.

Es dauerte nicht lange, bis die Fischer von Etretat das merkwürdige Zelt und seine Bewohner in der Nachbarbucht entdeckten und kamen, um die eigenartigen Fremden in Augenschein zu nehmen. Cædmon trat ihnen mit finsterer Miene und bis an die Zähne bewaffnet entgegen, »mimte den wilden Angelsachsen«, wie Aliesa es ausdrückte, und sie zogen schleunigst wieder ab, nachdem sie eingewilligt hatten, dem grimmigen Krieger frisches Brot und Käse und Cidre zu verkaufen.

So blieben sie unbehelligt, widmeten sich mit großer Hingabe diesem ungewohnten, schlichten Leben und vor allem einander. Cædmon sah Aliesa zu, während sie die Fische ausnahm und mit den Kräutern füllte, die sie auf ihren Wanderungen gepflückt hatte, er kümmerte sich ums Feuer, über dem sie den so vortrefflich zubereiteten Tagesfang schließlich brieten, und sie stellten sich vor, sie seien einfache Fischer aus einem Dorf wie Etretat, auf einer Fahrt in einen Sturm geraten und in einer einsamen Bucht gestrandet. Und sie lachten über ihre törichte Phantasterei. Von allen möglichen Dingen sprachen sie, entlockten einander verrückte Träume und nie gestandene Geheimnisse, doch sie redeten weder über die Vergangenheit noch die Zukunft.

Der Nordseesommer zeigte sich von seiner besten Seite; sonnige, windige Tage folgten auf kühle, sternklare Nächte, und als Cædmon eines Abends das gewaltige Felsentor im Meer bewunderte und zum Mond aufschaute, der es mit seinem silbrigen Licht anstrahlte, stellte er verblüfft fest, daß dieser Mond fast voll war.

Aliesa war seinem Blick gefolgt. »Wir müssen seit wenigstens zehn Tagen hier sein«, bemerkte sie und legte den Kopf in den Nacken, um möglichst viel vom tiefblauen Nachthimmel zu sehen.

»Nicht zu fassen«, murmelte er und seufzte.

»Denkst du, es wird Zeit, daß wir aufbrechen?« fragte sie vorsichtig. »Tja … Irgendwann wird irgendwer anfangen, sich zu fragen, wo wir stecken. Ich hatte die Absicht, dich nach Fécamp zu bringen und nach England überzusetzen, und es sollte nach Möglichkeit so aussehen, als kämen wir unmittelbar aus Caen.«

»Ja«, stimmte sie zu. »Nicht nötig, daß irgendwer von diesem kleinen Aufenthalt hier auch nur etwas ahnt. Der Skandal wird so schon groß genug sein, wenn wir so bald nach Etiennes Tod heiraten.«

Er wandte den Kopf und sah sie an. Es war das erste Mal, daß Etiennes Name gefallen war, seit sie hier waren, und er war erstaunt, wie beiläufig es passiert war. Und daß er nicht zusammengezuckt war, keinen heißen Stein im Magen fühlte.

»Du willst keine Trauerzeit einhalten?« fragte er und bemühte sich, die bange Hoffnung aus seiner Stimme herauszuhalten.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe drei Jahre lang getrauert. Um euch beide. Das reicht. Für wen soll ich heucheln? Sie werden uns so oder so nicht vergeben, ganz gleich, wie lange wir warten. Außerdem wäre es ein Wunder, wenn ich nicht schwanger wäre, bedenkt man, wie oft wir in den letzten Tagen … Das ist nicht komisch, Cædmon«, schloß sie spitz.

»Nein«, räumte er ein, bemühte sich um eine ernste, würdevolle Miene und nahm ihre Hand. »Ich bin erleichtert, das ist alles. Ich war sicher, du würdest warten wollen.«

»Ich hoffe nur, wir finden einen Priester, der uns traut«, murmelte sie unbehaglich.

»Odo wird es tun«, sagte er zuversichtlich. »Er wird knurren und sich ein wenig zieren, aber er wird es tun. Für dich.«

»Glaubst du wirklich?«

Er nickte.

Einen Moment schwiegen sie nachdenklich, und sogleich zogen die Wellen Cædmon wieder in ihren Bann. Er lauschte ihrem feierlichen, uralten Rhythmus, betrachtete die blauweißen Schaumkronen im Mondlicht und wünschte, er müßte noch nicht fort.

»Und was dann?« fragte sie schließlich.

Er hob leicht die Schultern. »Das hängt von den Wünschen des Königs ab.«

Sie sah ihm in die Augen und nickte mit einem eigentümlichen, kleinen Lächeln. »In der Hinsicht hat sich nichts geändert. Alles hängt immer von den Wünschen des Königs ab. Dein Leben, Etiennes, meins.«

»Ja. Und wenn er nach England zurückkehrt, wird es nicht viel Ruhe und Frieden geben. Aber erst einmal gehen wir nach Helmsby, wenn du einverstanden bist.«

»Mein Gott, du warst drei Jahre nicht dort«, ging ihr auf.

Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Es kommt mir vor wie zehn.« Er gestand ihr sein Heimweh, seine Sehnsucht nach den Söhnen und seine Sorge über die schwelenden Nachbarschaftsstreitigkeiten mit ihrem Bruder.

Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und sah genau wie er auf das weißschimmernde Felsentor im Meer hinaus. »Dann laß uns nach Helmsby gehen, Cædmon. Ich habe mir so oft vorgestellt, wie es wäre, als deine Frau dorthin zu kommen. Laß uns morgen aufbrechen. Ich glaube, es wird Zeit, daß wir das Paradies aufgeben.«

»Bist du sicher?«

»Ja.«

»In dem Falle … hier.« Er zog einen Apfel aus seinem Beutel und drückte ihn ihr in die Hand.

 

Der Abschied von Etretat wurde ihnen leicht gemacht, denn über Nacht schlug das Wetter um. Das Prasseln des Regens auf dem Zelt und die donnernde Brandung rissen sie vor Sonnenaufgang aus dem Schlaf. Cædmon warf einen kurzen Blick aufs Meer und verkündete, daß er bei diesen Windverhältnissen lieber nicht mit der Nußschale nach Fécamp segeln wolle.

Also tauschten sie ihr Boot im Dorf gegen ein altersschwaches, dürres Maultier ein. Cædmon wußte, daß er betrogen wurde, aber er feilschte nicht lange. Jetzt da sie sich einmal entschlossen hatten zurückzukehren, konnte er sein Heimweh kaum noch zügeln.

Sie ließen alles zurück, was sie entbehren konnten, dann half Cædmon Aliesa in den hölzernen Sattel des bedauernswerten Maultiers, nahm den Zügel und führte es einen gewundenen Pfad zwischen den ausgedehnten Weiden hinauf. Ehe sie die Straße nach Westen einschlugen, hielten sie an und sahen ein letztes Mal auf die weißen Felsentore weit unten im Meer hinab.

 

Sie wurden naß bis auf die Haut, aber es war nicht kalt und ihr Weg nicht sehr weit. Am späten Vormittag erreichten sie Fécamp und fanden ein dänisches Schiff, das französischen Wein, Pfeffer und andere Luxusgüter nach Dover bringen sollte, und dessen Kapitän gewillt war, zwei Passagiere an Bord zu nehmen, ohne Fragen zu stellen. Sie liefen trotz schwerer See mit der Abendflut aus. Aliesa fürchtete sich vor der nächtlichen Überfahrt in diesem Wetter, und die anzüglichen Pfiffe und unverschämten Blicke der Besatzung erregten ihren Zorn, aber sie beklagte sich mit keinem Wort. Cædmon wich die ganze Nacht keinen Schritt von ihrer Seite. Erschöpft, aber wohlbehalten erreichten sie am nächsten Morgen den Hafen von Dover, bezahlten dem dänischen Kapitän den vereinbarten Preis und begaben sich auf kürzestem Wege zur Burg hinauf.

»Es tut mir leid, Thane, aber der Bischof ist nicht hier«, eröffnete ihm der Steward, der sie in der Halle begrüßte und es geflissentlich vermied, Aliesa anzusehen. Die Neuigkeiten haben vor uns den Kanal überquert, erkannte Cædmon resigniert.

»Wann erwartet Ihr ihn zurück?« fragte er enttäuscht.

»Das kann ich nicht sagen.«

»Wo ist er denn?«

Der Steward nestelte unbehaglich am Ärmel seines Gewandes. »In Helmsby, Thane.« Er erwiderte Cædmons bangen Blick und nickte betrübt. »Eure Mutter hat nach ihm geschickt. Der Bote sagte, sie liege im Sterben.«

Das zweite Königreich
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