Rouen, Mai 1064

»Es kann nicht mehr lange dauern«, sagte Etienne, holte aus und warf einen flachen Stein ins Wasser. Er setzte dreimal auf. »Conan de Bretagne ist mit fliegenden Fahnen aus Dol geflohen, hat der Bote meinem Vater berichtet. Und jetzt wird der Herzog ihm das Schwert an die Kehle setzen und ihm seine Bedingungen diktieren.«

Etiennes Vaters war Guillaume fitz Osbern, ein entfernter Cousin des Herzogs und sein Steward oder »Seneschall«, wie man hier sagte, der in Rouen zurückgeblieben war, um Reich und Burg in der Abwesenheit des Landesherrn zu verwalten. Er war einer der engsten Vertrauten des Herzogs und genoß hohes Ansehen am Hof. Cædmon fand ihn hochnäsig und aufbrausend, und er hatte festgestellt, daß Etienne, fitz Osberns drittältester Sohn, seinem Vater möglichst aus dem Weg ging. Jedenfalls versuchte er nie, aus der Verbindung Kapital zu schlagen. Cædmon warf ebenfalls einen Stein. Er brachte es auf fünf Mal. »Aber Roland hat gesagt, der König von Frankreich unterstützt Conan.«

»Wieso bist du immer besser als ich? Zeig mir noch mal, wie du es machst … Ja, der König unterstützt Conan. Aber was heißt das schon? Das Reich, das der König regiert, ist nicht einmal halb so groß wie die Normandie.«

Cædmon starrte ihn mit offenem Munde an. »Aber ist nicht der König der oberste Herrscher über ganz Frankreich? Ich meine, der Earl of Wessex besitzt auch das meiste Land in England, aber er könnte sich niemals gegen den König auflehnen.«

Etienne kniete sich ins Ufergras und suchte nach neuen Steinen. »Nein, das ist hier anders. Der Herzog würde nie offen gegen den König ins Feld ziehen, weil er ihm einen Lehnseid geleistet hat, den er nicht brechen will. Aber davon abgesehen hat der König keinerlei Macht über ihn oder die anderen Herzöge. Jeder herrscht über sein Herzogtum wie über ein eigenes Königreich.«

»Aber wenn niemand das Sagen über alle anderen hat, führen sie nicht immerzu Krieg gegeneinander?«

»Doch. Oft.«

Cædmon schüttelte den Kopf. »Und da sagst du, wir seien Barbaren.« Etienne lachte, und plötzlich war seinem blassen, schmalen Gesicht anzusehen, daß er erst fünfzehn Jahre alt war. Meistens ließen seine ernste Miene und die versonnenen, dunklen Augen ihn älter wirken. Er war groß und schlaksig wie Cædmon, aber er hatte eine beherrschte, selbstsichere Art, sich zu bewegen. Sein Gesicht war ebenmäßig, mit einer hohen Stirn und einer edlen, geraden Nase, und Cædmon hatte beobachtet, daß die Mägde in der Halle sich immer allerhand einfallen ließen, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, wenn Etienne sich gelegentlich dort aufhielt. Obwohl er noch relativ jung war, gehörte er zu Jehans besten Schülern, und Cædmon hätte nicht zu sagen vermocht, wie er die letzten Wochen ohne Etiennes Heiterkeit und seine natürliche Freundlichkeit überstanden hätte.

»Hier, paß auf«, sagte Cædmon und nahm seitlich hinter seinem Freund Aufstellung. »Du mußt ihn mehr aus dem Handgelenk werfen, damit er sich schneller dreht, dann fliegt er praktisch übers Wasser.« Er vollführte mehrmals eine langsame Pantomime der Wurfbewegung, um Etienne deutlich zu machen, was er meinte, ehe er ihm den Stein aus der Hand stahl und warf. Acht Mal.

»Das glaub’ ich einfach nicht …«, murmelte Etienne.

»Na ja«, brummte Cædmon. »Zwölf ist wirklich gut.«

Etienne verschränkte die Arme und betrachtete ihn kopfschüttelnd. »Oh, Cædmon. Was für ein Aufschneider du bist. Das kannst du mir nicht weismachen. Es ist unmöglich.«

Cædmon strich sich die langen Haare hinters Ohr und suchte mit den Augen den Boden nach einem geeigneten Stein ab. »Wollen wir wetten?«

»Einverstanden. Wenn du es schaffst, übernehme ich heute abend deinen Stalldienst, und du kannst dich zu deinem schwermütigen Landsmann schleichen und auf deiner geliebten Laute üben.«

»Wie großmütig du bist, Etienne …«

»Das ist nicht weiter schwierig, wenn man sicher sein kann, daß man seine Großmut nicht unter Beweis stellen muß. Du hast drei Versuche.« Cædmon hatte den richtigen Stein gefunden. Mit geschlossenen Augen befühlte er ihn zwischen Daumen und Fingern der Rechten und schüttelte den Kopf. »Ein Versuch reicht. Und du übernimmst meinen Stalldienst die ganze Woche. Wenn ich es nicht schaffe, nehme ich dir deinen eine Woche lang ab, wenn du das nächste Mal an der Reihe bist.«

Etienne atmete mit einem Lächeln tief durch. »Oh, seliger Müßiggang. Welch wunderbare Zeiten kommen auf mich zu.«

»Wenn du dich da nur nicht irrst …«

»Halt keine Reden. Laß sehen.«

Cædmon trat hinkend ans Ufer und betrachtete das Wasser mit leicht zusammengekniffenen Augen. Er lauschte dem Plätschern, dem Rhythmus, mit dem die kleinen Wellen ans grasbewachsene Ufer schwappten. Er konzentrierte sich nur auf diese Laute und wog den Stein in der Hand, der inzwischen ganz warm geworden war. Dann ging er leicht in die Knie, holte aus und ließ den flachen Kiesel aus dem Handgelenk vorschnellen. Er flog wenigstens zehn Ellen weit aufs Wasser hinaus, ehe er zum erstenmal aufsetzte. Dann wieder und wieder und wieder. Bei jedem Aufschlag war ein schwaches, helles »Plitsch« zu vernehmen, und eine winzige Fontäne glitzerte in der hellen Morgensonne. »Zehn … elf … zwölf … dreizehn … vierzehn. Oh, ich hasse dich, Cædmon of Helmsby!« Etienne ließ sich ins Gras fallen. »Eine Woche Stalldienst und Frühwache«, jammerte er. »Ich bin ein toter Mann.« »Und ein schlechter Verlierer«, bemerkte Cædmon spitz.

Etienne lachte und stöhnte gleichzeitig. »Das kann ich einfach nicht glauben. Gott hat nicht gewollt, daß Steine fliegen. Wie machst du das?«

»Das habe ich dir doch gezeigt.«

»Nein, nein. Es muß ein Geheimnis geben, das du hütest, ich bin sicher. Du hast nicht fair gespielt. Ich hoffe, du denkst daran, wenn du das nächste Mal zur Beichte gehst, Cædmon.«

Cædmon sah zur Sonne auf. »Ich schätze, jetzt sollten wir erst einmal zum Hochamt gehen, sonst kommen wir zu spät, und dann ist es aus mit dem Sonntagsfrieden.«

Etienne wurde schlagartig ernst. »Du hast recht. Für diese Woche hatten wir wirklich genug Ärger.«

»Allerdings. Und wem haben wir das zu verdanken«, grollte Cædmon leise, während sie nebeneinander zur Burg zurückeilten.

Etienne antwortete nicht, aber er teilte Cædmons Verdacht.

Mochte Cædmon auch unbestreitbar Jehan de Bellêmes bevorzugtes Opfer sein, schien es dennoch so, als lebe Lucien de Ponthieu sich noch schlechter auf der Burg von Rouen ein. Dabei hatte er es vergleichsweise leicht. Er war gut geschult im Umgang mit Lanze und Schwert, so daß er Jehans Unmut nicht in dem Maße auf sich zog wie Cædmon. Außerdem hatte er seine Zwillingsschwester hier bei Hofe. Natürlich sah er sie nicht oft. Sie war als Hofdame zu Herzogin Matilda gekommen, verbrachte die Tage mit ihr und den anderen jungen Damen am Hof, während Luciens Alltag sich meist fernab der Halle abspielte, auf dem Sandplatz, in Waffenkammern und Pferdeställen, bei der Wache oder in ihrem Quartier. Aber immerhin hatte er hier noch jemanden, der ihm nahestand, nachdem sein Vater heimgeritten war. Doch er fügte sich nur unwillig in seinen neuen Alltag und fand im Gegensatz zu Cædmon keinen Anschluß an seine neuen Kameraden. Etienne hatte sich jede erdenkliche Mühe gegeben, und Roland Baynard, der älteste von allen, hatte ebenfalls alles getan, um Lucien die harte Eingewöhnungszeit zu erleichtern. Aber der Junge schloß sich niemandem an, blieb zu allen hochmütig und kühl, und sein Versprechen war keine leere Drohung gewesen: Er ließ keine Gelegenheit verstreichen, um Cædmon das Leben schwerzumachen.

»Ich kann nicht begreifen, was mit dem Kerl los ist«, murmelte Etienne kopfschüttelnd. »Er benimmt sich, als hätten alle sich gegen ihn verschworen.«

Unerwartet nahm Cædmon Lucien in Schutz. »Auf die Idee kann man ohne weiteres kommen, wenn man hier fremd und neu ist.«

»Ja, ich weiß. Trotzdem. Er tut sich selbst keinen Gefallen, wenn er so weitermacht. Komm, laß uns einen Schritt zulegen. Hörst du? Es läutet schon.«

 

Die Glocke der Kapelle erschien Cædmon nach wie vor wie ein Wunder. Natürlich hatte er schon von Kirchenglocken gehört. Es gab sie auch in England. In London, Winchester und den reicheren Städten und Klöstern. Guthric hatte gar einmal behauptet, wenn der Wind günstig stehe, könne man in Helmsby die Glocke des Klosters von Ely hören. Heute war Cædmon der Überzeugung, sein Bruder hatte sich das wieder einmal nur in seiner blühenden Phantasie erdacht, ohne zu ahnen, wie eine Glocke sich wirklich anhörte. Denn diesen Klang, da war er sicher, hätte er auch aus weiter Ferne noch verwundert wahrgenommen. Es war ein heller, reiner Ton, der die Burgbewohner zur Messe rief, weithin hörbar bis in die entlegensten Ställe und auch jenseits der Palisaden in der Stadt. Die tieferen Glocken der großen Kathedrale, wo der Erzbischof das Hochamt hielt, machten ihr Konkurrenz, aber Cædmon zog den fröhlichen Klang der Glocke hier oben vor.

Sie schlüpfen mit den letzten in die kleine Kirche, glitten unauffällig an ihre üblichen Plätze, und als Jehan stirnrunzelnd zu ihnen hinübersah, senkten sie schleunigst die Köpfe und beteten voller Inbrunst.

 

Der Rest des Sonntags stand Cædmon zur freien Verfügung. Bis zur Vesper konnte er tun, was er wollte, und die Pläne für den heutigen Tag standen schon lange fest. Nach der Messe wartete er nahe des Burgtors in einem stillen Winkel hinter einem Vorratshaus. Der Innenhof leerte sich langsam, und Cædmon trat nervös von einem Fuß auf den anderen.

»Herrgott noch mal, Wulfnoth. Wo bleibst du?«

»Hier bin ich schon«, raunte die vertraute Stimme in der noch vertrauteren Sprache hinter ihm. »Was kann ich dafür, wenn Guillaume fitz Osbern nach der Messe plötzlich auf die Idee verfällt, mich in ein Gespräch zu verwickeln? Ich kann ihn schwerlich mit einer Ausrede abspeisen und stehenlassen, oder?«

Cædmon nickte ungeduldig und reichte ihm einen grauen, zerlumpten Mantel. »Hier. Zieh ihn über und setz die Kapuze auf. Mach dich klein, halt dich gekrümmt, paß auf, daß niemand deine Haare sieht. Da, beeil dich, die Bettler kommen zum Tor.«

Jeden Sonntag fanden sich arme Leute aus der Stadt und der Umgebung auf der Burg ein und bettelten nach der Messe um Almosen. Männer und Frauen, die durch Alter, Krankheit oder ein sonstiges Unglück in Not geraten waren, oft auch Kinder. Niemand wurde abgewiesen. Herzog William nahm seine Christenpflichten bekanntlich sehr ernst, auch was den Schutz der Schwachen und Bedürftigen betraf.

Das armselige Häuflein bewegte sich langsam zum Tor. Cædmon entging nicht, wie viele von ihnen hinkten. Ich hätte bessere Chancen, mich unbemerkt darunter zu mischen als Wulfnoth, dachte er grimmig. Aber auch Wulfnoth wurde so gut wie unsichtbar in der jammervollen Schar. Cædmon verfolgte seinen Weg durchs Tor und über die Zugbrücke. Wulfnoth hielt sich gekrümmt und zog so glaubhaft das linke Bein nach, daß der Junge sich verdrießlich fragte, ob er ihn vielleicht heimlich beobachtet und studiert hatte.

Als die Bettler zwischen den ersten Häusern der Stadt verschwunden waren, folgte Cædmon zur Brücke.

»Wo soll’s denn hingehen?« fragte eine der Wachen.

Cædmon wandte sich zu ihm um und ging rückwärts weiter. »Ein Apotheker in der Rue Boulanger hat eine neue Salbe gegen lahme Glieder, hat mir einer erzählt«, erklärte er. »Aus Sizilien.« Das war immer ein gutes Stichwort, schien hier beinah gleichbedeutend mit »neuartig« und »wundersam«.

Aber der Wachsoldat war skeptisch. »Du verschwendest dein Geld, Junge«, rief er ihm nach.

Cædmon winkte ab. »Und du versäufst deines, Gilbert.«

 

Er traf Wulfnoth auf einem kleinen Platz im Tuchhändlerviertel. Cædmon war noch nicht sehr vertraut mit der Stadt, und Wulfnoth kannte sie überhaupt nicht, aber auf dem Platz gab es eine steinerne St.-Martinus-Kirche, die die Tuchhändler gestiftet hatten, und weil steinerne Kirchen eine solche Seltenheit waren, war sie nicht zu verfehlen.

Wulfnoth hatte an dem öffentlichen Brunnen gleich vor der Kirche haltgemacht. Er saß auf dem gemauerten Brunnenrand, die Hände lose auf den Knien, und sah staunend an der grauen Steinfassade hinauf. »Mein Gott … So etwas habe ich noch nie gesehen …«, murmelte er verwundert.

Cædmon lächelte zufrieden. »Was möchtest du tun? Die Stadt erkunden? Die Kathedrale besuchen? Oder vielleicht einen Ort eher irdischer Freuden? Etienne hat mir versichert, hier gibt es alles.«

Wulfnoth atmete tief durch. »Ja. All das will ich tun. Aber ich glaube, am allerliebsten möchte ich in den Wald. Es ist Frühling. Fast schon Sommer. Ich habe seit meiner Jugend keinen Wald mehr gesehen.« Cædmon nickte. Er brachte keinen Ton heraus. Gott, was für ein Leben, dachte er niedergeschlagen. Wie hältst du das nur aus, Wulfnoth? Ausgerechnet du, dessen Seele so frei wie ein Vogel ist? Was haben sie dir nur angetan, dein Vater, Earl Harold, der König und Herzog William?

Er verbarg seine Beklommenheit hinter einem verwegenen Grinsen. »Komm.« Er winkte seinen Freund eine abschüssige Gasse hinab. »Ich weiß den Weg.«

Sie verbrachten einen wundervollen Tag zwischen Bäumen und Sträuchern in leuchtendem Frühlingsgrün. Wenigstens drei Meilen drangen sie in den dichten Wald vor, und als Cædmon schließlich nicht mehr weiterkonnte, machten sie auf einer Lichtung halt. Wulfnoth war wie trunken vor Glückseligkeit. Er wälzte sich im jungen Gras, sog den Duft von Erde und Blumen tief ein und lachte selig, wann immer er einen Vogel hörte. Einmal weinte er auch. Cædmon wandte ihm den Rücken zu und tat, als bemerke er es nicht, beging statt dessen ein schweres Vergehen und holte mit der Schleuder eine fette Taube aus einem der Bäume. Sie brieten die Taube über einem kleinen Feuer, aßen sie mit ein paar frühen Wildkräutern, die Wulfnoth am Rande der Lichtung entdeckt hatte, leckten sich den Bratensaft von den Fingern, und dann holten sie die Laute aus ihrem Beutel.

Als die Schatten schließlich länger wurden, brach Wulfnoth den Zauber. »Es wird Zeit, Cædmon. Wir haben noch einen ziemlich langen Rückweg vor uns.«

Der Junge nahm die Hand von den Saiten, ließ sie auf dem birnenförmigen Korpus ruhen und nickte widerstrebend. »Ich wünschte, wir könnten hierbleiben. Gott, ich wünschte, das hier wäre ein englischer Wald.«

Wulfnoth verzog das Gesicht zu einem melancholischen Lächeln. »Wenn man so jung ist wie du, hat man ehrgeizige Wünsche. Aber ich bin zufrieden, weißt du. Du hast mir einen langgehegten Traum erfüllt.« »Ich bin froh, Wulfnoth.«

»Komm. Laß uns aufbrechen. Mir geht es wie einem Vogel nach langer Gefangenschaft; ich sehne mich nach der sicheren Vertrautheit meines Käfigs.«

Cædmon steckte das Instrument in die Hülle, die Wulfnoth ihm entgegenhielt. »Das kann ich kaum glauben.«

Wulfnoth zog die Lederschnur der Hülle zusammen und sah versonnen in die hellgrünen Wipfel hinauf. »Nein, du hast recht. Ich könnte ewig hierbleiben. Hör nur, die Vögel …«

»Ja. Wunderschön. Ich möchte auch hierbleiben. Vielleicht sollten wir’s tun, weißt du. Die Gesetzlosen daheim hausen schließlich auch in den Wäldern.«

Wulfnoth schüttelte lächelnd den Kopf. »Du würdest anders darüber denken, wenn Winter wäre.«

»Mag sein. Ich bin nicht sicher.«

Wulfnoth stand auf. »Komm. Ich will nicht undankbar sein. Es war ein herrlicher Tag. Und das ist genug.«

Dir vielleicht, dachte Cædmon hitzig, aber was ist mit mir? Doch natürlich folgte er Wulfnoth zum Pfad zurück Richtung Stadt.

Auch der Rückweg auf die Burg war genau geplant, wenn auch ein bißchen riskanter als das Manöver am Morgen. Cædmon hatte beschlossen, daß es das sicherste war, die Vesper zu versäumen. Kurz nach der Andacht wurde die Tagwache am Tor abgelöst, und die Leute aus der Stadt, die ein Anliegen an Guillaume fitz Osbern hatten oder mit einer Einladung zum Essen in der Halle geehrt wurden, fanden sich ein. Es war keine so dichtgedrängte Menge wie die Bettler am Morgen, aber doch genug Bewegung am Tor, hoffte Cædmon, daß die Wachen, die ohnehin mit der Ablösung beschäftigt waren, die zwei heimkehrenden Ausreißer nicht bemerkten.

Tatsächlich kamen sie unbemerkt durchs Tor, und Cædmon verspürte Erleichterung und auch Genugtuung, daß er und Wulfnoth den Normannen ein Schnippchen geschlagen hatten. Der Gedanke bereitete ihm solches Vergnügen, daß er Guillaume fitz Osbern kaum zur Kenntnis nahm, der ihnen mit zwei Wachen entgegenkam. Vermutlich wollte der Seneschall irgendeinen der Ankömmlinge am Tor begrüßen. Erst als er genau auf sie zuhielt und dann vor ihnen stehenblieb, erkannte Cædmon, daß irgend etwas schiefgelaufen war. Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen.

Fitz Osbern stemmte die Hände in die Seiten, und sein kostbarer, dunkelblauer Umhang bauschte sich hinter ihm auf wie ein Segel. »Mir wurde gemeldet, Ihr habet die Burg verlassen, Wulfnoth.«

Wulfnoth sah ihm in die Augen; wenn der eisige Blick und die schneidende Stimme ihm Angst einjagten, war sie ihm jedenfalls nicht anzumerken. »Und bin wieder zurückgekommen, ja.«

Fitz Osbern hob gebieterisch die Hand und schüttelte den Kopf. »Trotzdem habt ihr gegen vereinbarte Regeln verstoßen.«

»Ich kann mich nicht erinnern, je einer Vereinbarung zugestimmt zu haben«, entgegnete Wulfnoth sarkastisch.

»Sie wurde in Eurem Namen getroffen und bindet Euch. Ihr habt Euch als nicht vertrauenswürdig erwiesen, und darum stelle ich Euch unter Arrest, bis der Herzog zurückkommt und selbst entscheiden kann. Vorläufig in Eurem Quartier, aber solltet Ihr Euch weiterhin unwillig zeigen, Anweisungen zu befolgen, geht es auch anders. Und jeder weitere Kontakt mit Eurem Landsmann hier wird unterbleiben …«

»Nein!« widersprach Cædmon impulsiv.

Wulfnoth legte ihm schnell die Hand auf den Arm. »Es ist schon gut, Cædmon.«

»Du«, sagte fitz Osbern zu Cædmon, und die beiden Engländer fragten sich flüchtig, wo man lernte, in ein einziges Wort soviel Herablassung zu legen. »Du gehst in dein Quartier. Ich bin sicher, Jehan wartet schon sehnsüchtig auf dich.«

Cædmon unterdrückte ein Schaudern und nickte. Er konnte seiner Stimme nicht trauen. Fitz Osbern gab den Wachen ein Zeichen, und sie führten Wulfnoth höflich, aber bestimmt zum Hauptgebäude. Cædmon folgte, und sein Herz fühlte sich wie ein heißer Stein in seiner Brust an.

 

Jehan wartete nicht auf Cædmon, aber all seine Schüler hockten beklommen in ihrem Quartier um den schweren Eichentisch herum. Sie sahen auf, als Cædmon eintrat, und niemand sagte ein Wort. Etienne saß mit dem Rücken zum Tisch, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und drückte ein feuchtes Tuch auf sein linkes Auge. Als er die Hand mit dem Lappen sinken ließ, erkannte Cædmon, daß das Auge fast zugeschwollen war.

Etienne rang sich ein Lächeln ab. »Du hast hier einen ziemlichen Aufruhr ausgelöst, weißt du. Mein Vater war alles andere als erfreut und wollte wissen, ob ich irgend etwas mit diesem ›verräterischen Akt‹, wie er es nannte, zu tun habe.«

Cædmon trat kopfschüttelnd näher. »Oh, Etienne. Es tut mir leid. Ich habe dir absichtlich nichts gesagt, um dich nicht in Zwiespalt zu bringen.«

»Ich weiß. Genau das habe ich ihm erklärt, und er hat mir wohl auch geglaubt. Darum bin ich mit einem blauen Auge davongekommen.« Ein verwegenes Grinsen stahl sich auf sein Gesicht, aber es geriet sofort wieder ins Wanken, als krachend die Tür aufflog.

Jehan de Bellême füllte die Öffnung fast gänzlich aus. Er stand breitbeinig auf der Schwelle, die Peitsche lag lose in seiner rechten Pranke, und er tippte damit leicht gegen sein Bein.

Cædmon starrte unverwandt darauf. Er konnte die Augen einfach nicht abwenden. Er schluckte trocken, machte einen hinkenden Schritt Richtung Tür und betete um Mut.

Aber Jehan schüttelte den Kopf. »Zu dir komme ich später. Erst will ich den Judas.«

 

Sie wußten nicht, wohin er Lucien gebracht hatte, aber es mußte irgendwo in der Nähe sein, denn sie hörten die Schreie.

»Gott, sei doch still«, murmelte Roland in das bleierne Schweigen. »Vorher wird er bestimmt nicht aufhören.«

Das Essen stand unberührt auf dem Tisch und wurde kalt. Keiner verspürte Appetit. Dieser Tag und seine Folgen lagen ihnen allen schwer im Magen. Cædmon war speiübel vor Angst. Was er hörte, entsetzte ihn, und er wußte, daß genau das Jehans Absicht gewesen war. Deswegen hatte er sich Lucien als ersten geholt.

»Was ist denn eigentlich passiert?« fragte er und fuhr sich mit einer klammen Hand über die Stirn.

»Wie es scheint, hat Lucien dich hinter dem Vorratshaus verschwinden sehen und sich gedacht, daß du irgendwas im Schilde führst«, sagte Roland. »Also hat er dich beobachtet, und als Wulfnoth mit den Bettlern über die Brücke verschwand, hat er die Torwache alarmiert. Sie haben ihm nicht geglaubt, und das ist ja nicht weiter verwunderlich. Ich meine, Wulfnoth hat noch nie versucht, sich davonzumachen, also wieso plötzlich heute? Als sich dann herausstellte, daß er wirklich verschwunden war, standen die Wachen schön dumm da. Etiennes Vater hat ihnen unmißverständlich klargemacht, was er von ihrer Nachlässigkeit hält. Und wie du dir denken kannst, sind die Wachen jetzt auch nicht besonders gut auf dich zu sprechen.«

Cædmon verzog das Gesicht. »Großartig …« Aber das war im Moment wirklich seine geringste Sorge. Ein besonders markerschütternder Schrei ließ ihn zusammenfahren.

»Gott, er wird ihn umbringen«, murmelte Philip.

Und tatsächlich wurde es auf einmal unheimlich still. Niemand sprach mehr. Niemand schien sich mehr rühren zu können. Und als auf dem Flur draußen der vertraute, schwere Schritt erklang, war Cædmon sicher, er müsse sich übergeben.

Mit dem gewohnten Übermaß an Kraft stieß Jehan die Tür auf. »Nun zu dir, Cædmon of Helmsby.«

Der rechte Fuß erschien Cædmon mit einemmal ebenso taub wie der linke. Es war, als berührten sie die strohbedeckten Steinfliesen gar nicht, als er zur Tür hinkte. Kaum in Reichweite, packte Jehan ihn rüde am Arm, schleuderte ihn nach draußen und zog die Tür zu. Dann zerrte er den Jungen den Gang entlang, die Treppe hinunter und hinaus ins Freie. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne tauchten den Burghof in weiches, kupferfarbenes Licht. Noch wenigstens eine Stunde würde bis Einbruch der Dunkelheit vergehen. Lichter und fernes Stimmengewirr drangen aus den Fenstern der Halle, das Haupttor war noch nicht geschlossen.

»Der Seneschall hat mich angewiesen, dich für dein ungehöriges, eigenmächtiges Betragen angemessen zu bestrafen«, erklärte Jehan.

»Und muß das unbedingt hier vor den Augen der Welt sein?«

»Halt den Mund und hör mir zu, Söhnchen. Ich sage dir, was du jetzt tun wirst: Geh in die Wachkammer am Tor. Dort findest du zwei Beutel mit Sand. Die hängst du dir über die Schultern. Dann kommst du wieder in den Hof, steigst die erste Treppe an den Palisaden hinauf, gehst die Brustwehr entlang bis zur nächsten Treppe, steigst wieder herunter. Dann weiter in dieselbe Richtung bis zur Treppe an der südöstlichen Ecke. Da wieder hinauf. Und immer so weiter. Verstehst du, worauf ich hinauswill?«

Cædmon sah ihn fassungslos an. »Ein Gepäckmarsch über die Brustwehr?« fragte er ungläubig. »Das ist alles?«

»Das ist alles«, bestätigte Jehan mit einem hinterhältigen Grinsen. »Ein Gepäckmarsch über die Brustwehr unter Ausnutzung jeder Treppe, an der du vorbeikommst.«

»Wie lange?« fragte Cædmon argwöhnisch.

Jehans Grinsen wurde noch ein wenig breiter. »Bis Sonnenaufgang.« Cædmon konnte ein Schnauben nicht unterdrücken. »Das schaffe ich niemals. Ich bin heute schon sieben oder acht Meilen gelaufen.«

»Weißt du, es ist letzten Endes eine reine Willensfrage, was man schafft und was nicht. Du weißt, was die Alternative ist. Geh, frag Lucien, wie es ihm gefallen hat.«

»Ich habe gehört, wie es ihm gefallen hat.«

»Tja. Der Junge kann sich nicht beherrschen, aber er wird es schon noch lernen. Also, wie steht es, Cædmon? Was wählst du?«

»Die Brustwehr.«

Jehan nickte zufrieden. »Hab ich’s doch geahnt. Oh, und beinah hätt’ ich es vergessen: Die Nachtwache wird dir eine Fackel geben, die du bei dir trägst, so daß sie dein Fortkommen mitverfolgen können. Ich werde mich jetzt zur Ruhe begeben, aber sollte ich morgen früh hören, daß du gar zu langsam warst oder vor Sonnenaufgang schlappgemacht hast … na ja, du kannst dir vorstellen, wie es dann aussieht.«

Cædmon nickte und betrachtete seinen Lehrer verständnislos. »Warum?«

»Wenn du es nicht verstehst, kann ich es dir nicht erklären, Cædmon. Und nun wünsche ich dir viel Erfolg auf deiner kleinen Wanderung. Gute Nacht.«

 

Bis Mitternacht war es relativ leicht. Cædmon war überhaupt nicht bewußt, in welchem Maße seine Kräfte und seine Ausdauer zugenommen hatten, seit er das zweifelhafte Privileg genoß, zu Jehan de Bellêmes handverlesenen Zöglingen zu zählen. Bei seiner unfreiwilligen Landung im Ponthieu hatte er sich während seines heftigen, aber doch recht kurzen Kampfes mit den Fluten vollkommen verausgabt. Heute marschierte er drei Stunden ohne besondere Mühe, obwohl die Riemen der Sandbeutel schmerzhaft in seine Schultern schnitten und die Beutel selbst bei jedem Schritt gegen seine Hüftknochen schlugen. Fünf Treppen führten auf die Brustwehr hinauf, jede hatte etwa zwanzig Stufen. Er beschäftigte seine Gedanken ziemlich lange damit auszurechnen, daß es alles in allem also hundert Stufen pro Runde waren. Die Palisaden, die die Burg umgaben, bildeten nahezu ein Quadrat, und jede Seite, hatte Cædmon bis Mitternacht herausgefunden, war etwa zehn Dutzend Schritte lang.

Das erste Ziehen in den Oberschenkeln bemerkte er beim Erklimmen einer der Treppen. Es verteilte sich gleichmäßig, das lahme Bein zog weder stärker noch schwächer als das gesunde. Er nahm die Fackel in die linke Hand und legte die rechte auf das rohe Holzgeländer, um sich den Aufstieg ein wenig zu erleichtern. Die Nacht hatte sich merklich abgekühlt, aber das war ihm nur recht. Die schwache Brise war wohltuend auf seinem heißen Gesicht und trocknete die ersten Schweißtropfen, die sich auf seiner Stirn bildeten. Er kam wieder an eine Treppe. Abwärts. Das ging leicht. Abwärts war fast noch besser als geradeaus. Als er unten ankam, spürte er das kühle, federnde Gras durch die dünnen Sohlen, ein angenehmes Gefühl. Er wußte, daß jetzt der Burgturm zwischen ihm und den Wachen lag, hielt kurz an, nahm für einen Augenblick das Gepäck ab und massierte seine steinharten Schultern. Dann lud er sich die Beutel wieder auf und nahm die nächste Treppe in Angriff. Auf den letzten Stufen ächzte er. Das Ziehen in den Oberschenkeln hatte sich besorgniserregend verstärkt.

Eine Stunde nach Mitternacht knickte das lahme Bein zum erstenmal weg. Es passierte auf der Treppe, ohne jede Vorwarnung. Cædmon ließ die Fackel instinktiv fallen und griff haltsuchend mit beiden Händen nach dem Geländer. Fluchend zog er sich weiter nach oben, hinkte die schmale Brustwehr entlang, wobei er sich mit der Hand an den Palisaden abstützte, dann wieder eine Treppe hinunter. Abwärts erschien ihm inzwischen fast ebenso schlimm wie aufwärts. Seine Knie wollten sich nicht mehr beugen. Und das taube Bein wurde zusehends unzuverlässiger. Er nutzte die Gunst der Dunkelheit und überschlug die nächsten beiden Treppen. Erst kurz vor dem Tor hangelte er sich wieder auf die Brustwehr hinauf.

Ein Wachsoldat hatte dort oben Stellung bezogen und erwartete ihn. »Ich dachte schon, du hättest ein Nickerchen eingelegt. Ich seh’ deine Fackel nicht mehr«, sagte er.

Cædmon hinkte an ihm vorbei. »Ich hab sie verloren. Sie ist hingefallen und erloschen.« Er klang kurzatmig.

»Wenn du das nächste Mal vorbeikommst, gebe ich dir eine neue«, versprach der Soldat.

Ich weiß nicht, ob ich noch mal vorbeikomme, dachte Cædmon düster. Er war müde. Seine Augen brannten, und die Muskeln in Schultern und Beinen schmerzten, als habe er sauren Essig statt Blut in den Adern. Dieses Mal mogelte er bei allen Treppen. Er schleppte sich die Brustwehr entlang, sah manchmal aus dem Augenwinkel das schwarze, samtige Band des Flusses unter sich schimmern oder den Sternenhimmel über sich, aber er hatte keinen Blick mehr für ihre Schönheit.

»Hier«, sagte der Soldat, als Cædmon zu ihm zurückkam. »Trink einen Schluck.« Er streckte ihm einen Becher entgegen.

Cædmon griff danach und trank gierig. Es war kühles Wasser, und es belebte ihn so sehr, daß er sich für ein paar Augenblicke einredete, er könne vielleicht doch bis Sonnenaufgang durchhalten. Aber die erfrischende Wirkung ließ nur zu bald wieder nach. Auf der Treppe an der Westwand strauchelte er beim Aufstieg und schlitterte vier oder fünf Stufen abwärts. Er griff verzweifelt um sich auf der Suche nach einem Halt, bekam einen Längsbalken zu fassen und trieb sich ein paar große Splitter in die Hand. Es war nichts, brannte nur ein wenig. Aber Cædmon weinte. Er war völlig am Ende.

 

»Komm schon, Junge. Es ist nicht mehr lange. Siehst du den Schimmer da drüben? Noch eine Runde, höchstens zwei, dann geht die Sonne auf.«

»Nicht für mich«, keuchte Cædmon und wankte an ihm vorbei.

Der Mann folgte ihm mit dem Wasserbecher. »Hier, trink.«

Cædmon nahm das Wasser, aber er hielt nicht an. Wenn er jetzt stehenblieb, würde er sich nie wieder in Bewegung setzen, das wußte er genau. Seine unnütze Last hatte er schon vor langer Zeit abgelegt. Er hatte mehr als genug damit zu tun, sein eigenes Gewicht zu tragen. Er taumelte wie im Fieber, und seit einiger Zeit hatte er Mühe, klar zu denken. Auf den Treppen betete er das Pater Noster, und bei jedem Wort nahm er eine Stufe in Angriff. Es war der einzige Weg, der ihm einfiel, um überhaupt noch einen Fuß vor den anderen zu setzen. Er konzentrierte sich auf die Worte, die er murmelte, statt auf das Reißen in seinen Beinen, und sie gehorchten ihm, als sei es eine äußere Kraft, die sie lenkte.

Als er die nächste Runde absolviert hatte, konnte auch Cædmon einen schwachen rosa Schimmer am östlichen Himmel ausmachen, aber als er hinübersah, überkam ihn ein heimtückischer Schwindel, und er fiel auf Hände und Knie nieder. Ein Brausen wie das Rauschen der See war in seinen Ohren. Er kroch weiter.

»Steh wieder auf«, herrschte der Soldat ihn an. »Na los, komm auf die Füße. Ich habe mir hier nicht die Nacht mit dir um die Ohren geschlagen, damit du jetzt so kurz vor dem Ziel schlappmachst. Steh auf!«

»Kann nicht mehr … die Treppen …«

Der Mann zerrte ihn hoch, legte ihm von hinten die Hände auf die Schultern und schob ihn vorwärts. »Es sind einhundertundzwölf Stufen, Cædmon. Kannst du so weit zählen?«

»Ja.«

»Dann zähl jetzt rückwärts. Denn das hier ist die letzte Runde, ehrlich, Junge, das ist nicht gelogen. Komm schon. Ich gehe ein Stück mit. Und hier haben wir die erste Treppe. Zähle.«

Es wirkte so ähnlich wie das Beten, die Zahlen waren wie ein Seil, das ihn weiterzog. »Hundertacht … hundertsieben … hundertsechs …« Er wankte gefährlich auf das viel zu niedrige Geländer zu, und der Wachsoldat beschloß, den Jungen auf dem Rest des Weges zu begleiten, damit er nicht so kurz vor dem Ziel von der Brustwehr stürzte. »Verflucht sei Jehan de Bellême, dieser Teufel«, murmelte der Mann.

Cædmon spürte ein irres Kichern in seiner Brust aufsteigen und drängte es erschrocken zurück. »Wie heißt du?«

»Michel«, antwortete der Soldat. »Wie der Erzengel, dem das Kloster auf der Felseninsel geweiht ist.«

Cædmon kannte kein Kloster auf einer Felseninsel. Aber er dachte an Ely, das auf einer Insel inmitten eines tückischen Moores lag, und an Guthric, der so gern dorthin wollte, an Dunstan, Hyld und Eadwig, und er lächelte ein wenig.

»So ist gut, Cædmon. Zeig die Zähne. Und hier kommt wieder eine Treppe …«

Cædmon schwankte inzwischen wie ein Schiff auf rauher See. Er klammerte sich mit beiden Händen an das rohe Holzgeländer, spürte die Splitter in der Hand nicht mehr. Michel folgte dicht hinter ihm, bereit, den Jungen jeden Augenblick vor einem tödlichen Sturz zu bewahren. »Siebzehn … sechzehn … fünfzehn … dreizehn … zwölf …«

»Du hast eine vergessen, Junge, aber das macht nichts.«

»Was?«

»Die Sonne geht auf.«

Cædmon hatte den Fuß der Treppe fast erreicht. Seine Hände glitten vom Geländer, und er ließ sich fallen, spürte eine kantige Holzstufe auf der Schulter, und dann rollte er durch weiches Gras. Mit geschlossenen Augen saugte er an den Halmen, die in seinen Mund geraten waren, rührte sich nicht mehr, spürte mit einer Art entrückter Verzückung das Pochen in den Fußsohlen und schlief ein.

»… selten einen Jungen von so grimmiger Entschlossenheit gesehen«, hörte er Michels Stimme sagen.

Dann das vertraute, verhaßte, heisere Lachen. »Ja. Er ist ein gottverfluchter Dickschädel. Also willst du sagen, es hat funktioniert, ja?« »Ich sage, er ist neun Stunden ohne Pause gelaufen, und als er wirklich am Ende war, hat er aufgehört zu hinken.«

Es war einen Moment still. Dann Jehans Stimme: »Ich danke dir, Michel. Du hast mir einen großen Dienst erwiesen.«

Die Stimmen entfernten sich, und Cædmon schlief wieder. Das Gehörte stahl sich in seine Träume und vermischte sich mit den wirren Bildern, die er dort sah, von Wulfnoth und Luciens Zwillingsschwester, die gemeinsam mit einem Sperber im Wald von Rouen Tauben jagten, Etienne, der mit sandgefüllten Leinensäcken beladen am Ufer des Ouse stand und Steine übers Wasser hüpfen ließ, und jedesmal, wenn der Stein aufsetzte, stieg aus dem Wasser ein Schrei auf, und der Fluß hatte Luciens Stimme.

 

Es war schon fast Mittag, als Cædmon zum erstenmal richtig wach wurde. Er schlug die Augen auf und starrte auf die inzwischen vertraute, graue Mauer neben seinem Strohbett, aber er rührte sich nicht. Für den Augenblick wollte er nicht mehr spüren als die wohlige Wärme unter seiner Decke, die bleierne Schwere seiner Glieder. Doch er war nicht mehr müde genug, um wieder einzuschlafen. Bald wurde der Anblick der Mauer ihm eintönig, er schlug die Decke zurück und setzte sich stöhnend auf. »Gott … Ich bin ein alter Mann.«

Ohne jede Eile stand er auf, reckte sich versuchsweise und hinkte zum Tisch hinüber. Bei jedem Schritt protestierte jeder Muskel seines Körpers, aber das machte weiter nichts. Er ließ die Schultern kreisen, setzte sich auf seinen Platz und fiel über die Hafergrütze her, die sie ihm übriggelassen hatten.

Als er wenig später auf den Gang hinaustrat, stieß er mit Aliesa de Ponthieu zusammen. Oder genauer gesagt, sie rannte ihn über den Haufen. Cædmon taumelte zurück gegen die Tür, stolperte über die eigenen Füße und landete unsanft am Boden.

»Oh … Ich bitte vielmals um Verzeihung«, rief sie erschrocken. Im nächsten Moment lag ihre schmale Hand auf seinem Arm. »Seid Ihr verletzt?«

Cædmon kam hastig auf die Füße. »Nein …« Er verfluchte seine Neigung zum Erröten. »Ich muß mich entschuldigen.«

Das besorgte Stirnrunzeln verschwand, und sie lächelte. Die Ähnlichkeit mit ihrem Bruder war verblüffend. Lucien und Aliesa glichen einander, wie es bei zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts nur möglich war. Sie hatten die gleichen rabenschwarzen Haare, große, graugrüne Augen und eine Spur zu breite Münder mit vollen Lippen. Aliesas Nase war höchstens einen Hauch zierlicher. Ihr Kinn hatte das gleiche Grübchen, doch vom Hals an endete alle Ähnlichkeit. Die Zwillinge waren ein Jahr jünger als er, wußte Cædmon, aber während Luciens Körper noch genauso knabenhaft und ungelenk war wie seiner, hatte Aliesa schon die Proportionen und feingeschwungenen Formen einer erwachsenen Frau. Das konnte er mühelos erkennen, denn die Kleider normannischer Frauen lagen eng an Schultern, Brust und Hüften, statt in weiten Falten zu fallen, wie es bei Engländerinnen üblich war. Aliesa trug ein schlichtes Kleid aus gelblich weißem Leinen, auf den Hüften mit einem geflochtenen Lederband gegürtet. Unter den kurzen, bestickten Ärmeln schauten die langen des Unterkleides hervor, das einen Ton dunkler gefärbt war. Cædmon mußte sich zwingen, nicht auf die Wölbung zu starren, die sich unterhalb des runden, vorn geschlitzten Halsausschnitts abzeichnete. Die Haare hingen ihr in glänzenden Flechten bis auf die Hüften, und als sie den Kopf neigte, schwangen sie wie ein dichter Schleier mit.

Cædmon fand die Sprache wieder. »Laßt mich Euren Korb tragen.« Sie reichte ihm den leeren Weidenkorb mit einem bezaubernden, kleinen Knicks. »Das ist sehr freundlich. Ich wollte ein paar Rosen holen.« Nebeneinander gingen sie zur Treppe, doch nach wenigen Schritten blieb Aliesa stehen. »Ihr habt Euch doch verletzt. Ihr hinkt ja.«

Cædmon schüttelte den Kopf. »Das tu’ ich immer, Madame.«

»Oh …«, sagte sie leise. »Jetzt weiß ich, wer Ihr seid.«

Cædmon fürchtete, sie werde ihm den Korb aus den Händen reißen und ihn mit ein paar scharfen Worten davonjagen. Aber sie ging weiter neben ihm her, ihre Miene eher bekümmert als zornig, und sie sprachen nicht mehr, bis sie in den kleinen Garten hinter der Kapelle kamen, der auf den Wunsch der Herzogin dort angelegt worden war. Rosen kletterten die Rückwand des kleinen Gotteshauses hinauf und standen in üppigen Sträuchern auf dem Rasen.

Aliesa nahm ein kurzes Messer von ihrem Gürtel und sah über die Schulter. Nur ein kleiner Ausschnitt des Hofes war von hier aus einsehbar. »Vermutlich wäre es nicht gut, wenn man uns hier zusammen sieht«, murmelte sie.

Cædmon hielt ihr den Korb hin, und die erste, langstielige Blume wanderte hinein. »Nein. Ich kann durchaus verstehen, wenn Ihr nichts mit mir zu schaffen haben wollt.«

Sie warf ihm unter halbgeschlossenen Lidern hervor einen rätselhaften Blick zu. »Das meinte ich nicht. Ich dachte eher an meinen Ruf.« Sie lachte leise vor sich hin. Es war kein mädchenhaftes Kichern, sondern ein sanfter, wohlklingender Laut, und Cædmon spürte voller Verwirrung, wie sein Glied sich regte. Er lief schon wieder rot an und wandte hastig den Kopf ab.

»Ich kann den Zorn meines Bruders auf Euch nicht teilen, wißt Ihr«, fuhr sie fort. »Es war nicht recht von meinem Vater, den englischen Earl und sein Gefolge festzusetzen. Ihr wart Schiffbrüchige und hättet Anrecht auf seine Hilfe gehabt. Wäre die Situation umgekehrt gewesen, hätte ich das gleiche getan wie Ihr. Um ehrlich zu sein, ich habe Eure Tat bewundert. Und Lucien hat sein Pferd zurückbekommen. Wozu also der Groll?«

Sie weiß noch nicht, was gestern passiert ist, ging ihm auf. »Um es mit Euren Worten auszudrücken, Madame, wäre die Situation umgekehrt gewesen, wäre mein Zorn auf ihn sicher ebenso groß.«

»Ja, zweifellos. Und weil ihr Männer so seid, zieht ihr fortwährend in den Krieg und macht uns Frauen zu Witwen und unsere Kinder zu Waisen, nur für eure Eitelkeit.«

Cædmon war sprachlos. So etwas Merkwürdiges hatte er noch nie gehört. Er dachte darüber nach und schüttelte schließlich den Kopf. »Ich denke, die meisten Kriege werden geführt, um das Land gegen Feinde zu verteidigen. Das Land, das auch die Frauen und Kinder ernährt.« »Das ist genau die Ausrede, mit der ihr euren liebsten Zeitvertreib rechtfertigt. Und dabei vergeßt ihr, daß Gott gesagt hat, ›Du sollst nicht töten‹. Darum ist Krieg Gott nicht gefällig, ihr alle lebt also in Sünde. Was, denkt Ihr, wird aus den Seelen derer, die fallen, ohne zuvor Gelegenheit zur Beichte zu finden?«

Cædmon hob abwehrend die Hände. »Ich weiß es nicht. Was Ihr sagt, verwirrt mich. Ich muß darüber nachdenken, ich bin sicher, es gibt eine kluge Antwort, die Euch widerlegt, aber natürlich fällt sie mir jetzt nicht ein. Wie kommt Ihr auf solche Gedanken?«

»Ich habe etwas in einem Buch darüber gelesen.«

Er starrte sie schon wieder an. »Ihr könnt lesen

Sie nickte und schnitt eine weitere Rose. Der Korb war schon zur Hälfte gefüllt. »Ich war ein paar Jahre in Caen im Kloster.« Und sie wäre für ihr Leben gerne dort geblieben, denn es war der einzige Ort der Welt, wo es einer Frau erlaubt war, ihren Kopf zu gebrauchen. Aber sie war viel zu gut erzogen, um einen so ungehörigen Gedanken zu äußern. »Kann Euer Bruder etwa auch lesen?« fragte er weiter.

»Natürlich nicht«, gab sie lachend zurück. »Das ist nur etwas für Mädchen und fromme Männer.«

Er nickte. »Dann ist wenigstens das in diesem seltsamen Land genauso wie bei mir zu Hause.«

Sie betrachtete ihn einen Moment neugierig. »Ist Euer England sehr anders?«

Er hob die Schultern. »Die Landschaft unterscheidet sich nicht so sehr von dieser hier. Grüne Hügel, große Wälder, und nirgendwo ist man wirklich weit vom Meer entfernt. Es regnet genauso viel wie hier, und ebenso plötzlich kommt die Sonne hervor. Aber bei uns hat nur Gott Häuser aus Stein, nicht die Menschen. Man legt nicht so großen Wert auf Etikette wie hier, ich glaube, die Menschen fürchten sich weniger voreinander. Wenn ein Mann einem anderen ein Unrecht zufügt, wird er in der Regel nicht verstümmelt, sondern muß dem Geschädigten oder dessen Hinterbliebenen ein Wergeld bezahlen. Und die Thanes und Earls schicken ihre Söhne nicht fort, um sie von einem Ungeheuer in wütende Krieger verwandeln zu lassen.«

»Ihr meint also, Euer Land sei glücklicher als dieses hier?«

»Nein. Wir haben die Dänen, um uns das Leben bitter zu machen. Sie haben England ausgeblutet, wir haben ihnen seit Generationen immer größere Summen Geld bezahlt, damit sie uns zufriedenließen. Darum leben bei uns mehr Menschen im Elend als hier.«

»Und habt Ihr Heimweh?«

Er nickte seufzend. »Schrecklich.«

Sie lachte ihr sanftes, warmes Lachen. »Armer Cædmon.« Es klang wunderschön, wie sie seinen Namen aussprach.

Er mußte selbst grinsen. »Ja, der werde ich sein, wenn ich nicht bald zum Unterricht gehe.« Er stellte den Korb neben ihr ins Gras.

»Dann will ich Euch nicht aufhalten. Au!« Erschrocken ließ sie die Blüte los, die sie gehalten hatte, und steckte den Finger in den Mund. Cædmon trat einen Schritt näher. »Laßt sehen.«

Er nahm ihre Linke in seine beiden schwieligen Hände, die neben ihrer groß wie Bärentatzen wirkten. Zögernd ließ sie zu, daß er ihre Finger geradebog. Er hatte geglaubt, sie habe sich an einer Rose gestochen, aber tatsächlich hatte sie sich mit der scharfen Klinge ihres Messers in den Finger geschnitten. Es blutete heftig.

»Augenblick. Das haben wir gleich.« Behutsam tupfte er mit seinem Ärmel das Blut ab, rupfte ein wenig Moos aus der Wiese und drückte es vorsichtig auf die Schnittwunde. »Das stillt die Blutung. Ihr werdet sehen, gleich hört es auf.«

Sie sah verblüfft auf ihren grünen Verband. »Woher wißt Ihr das?« »Meine Mutter hat’s mir beigebracht. Aber Ihr könnt es getrost glauben, sie ist Normannin, wißt Ihr.« Er verneigte sich mit einem Lächeln. »Und jetzt muß ich wirklich gehen.«

Sie schlug die Augen nieder. »Danke für Eure Hilfe.«

Verzückt betrachtete er die langen, dichten Wimpern, riß sich mühsam von ihrem Anblick los und wandte sich ab. Auf dem Weg zum Sandplatz legte er unbewußt die Hände zusammen. Fast war es, als könne er ihre weichen, schmalen Finger immer noch spüren.

 

Jehan hatte zu seiner mehrstündigen Verspätung keinen Kommentar abgegeben, aber er nahm Cædmon gleich wieder hart an die Kandare, hetzte ihn über den Sandplatz und ließ ihn seine neuerworbene Geschicklichkeit im Schwertkampf gegen die schwierigsten Gegner erproben. Cædmon erbrachte heute nur höchst mäßige Leistungen, denn ihm taten immer noch alle Knochen weh, und langsam stellte sich in den Beinen ein mörderischer Muskelkater ein. Trotzdem ließ Jehan ihn auch heute immer laufen, während er die anderen reiten ließ, wie so oft in den vergangenen Wochen. Cædmon erduldete die schikanöse Routine mit zusammengebissenen Zähnen. So erbärmlich er sich auch fühlte, es gab jemanden, dem es heute noch viel schlechter ging als ihm. Am Ende des langen Nachmittags teilte Jehan Cædmon und Lucien zusammen ein, die Ausrüstung in die Waffenkammer zurückzubringen, was immer den Verlierern des Tages vorbehalten war.

Die Arme voller Wurfspieße folgte Cædmon Lucien zu der bewachten Holzbaracke neben dem Pferdestall, wo die Ausrüstungsgegenstände verwahrt wurden. Schweigend räumten sie alles zurück an den richtigen Platz. Auch bei dieser Aufgabe war man gut beraten, besondere Sorgfalt walten zu lassen.

»Lucien, kann ich mit dir reden?«

Der junge Normanne wandte sich langsam zu ihm um. »Ich wüßte wirklich nicht, was du und ich zu bereden hätten.«

Cædmon plagte ein schlechtes Gewissen. Er hatte überhaupt nichts gegen diesen Jungen, im Gegenteil, als er ihn zum erstenmal mit seiner Schwester im Hof der Burg ihres Vaters beobachtet hatte, hatte er gedacht, was für ein vornehmer, junger Edelmann er doch war. Er hatte sich gewünscht, er könne genauso sein, zur Falkenjagd reiten und mit größter Selbstsicherheit einer jungen Dame aus dem Sattel helfen.

Er atmete tief durch. »Es tut mir leid. Alles, was passiert ist.« Er schüttelte ratlos den Kopf. »Und was du gestern getan hast, hätte ich im umgekehrten Fall vermutlich auch getan. Ganz gleich, wie Jehan dich genannt hat, es war nicht …«

»Was, glaubst du, kümmert mich deine Meinung?« unterbrach Lucien schneidend.

Cædmon seufzte und nickte. »Einen Dreck.«

»So ist es.« Lucien stellte die Schilde auf ihre hölzernen Gestelle. Alles, was er heute tat, machte er mit langsamen Bewegungen, und er ließ Cædmon sein Gesicht nicht sehen.

»Ich weiß nicht, warum ich dir immer nur Unglück bringe«, sagte Cædmon leise zu seinem Rücken. »Das will ich gar nicht. Ich meine … Gott, es ist schwierig, die richtigen Worte zu finden. Ich schätze, was ich eigentlich sagen will, ist, daß ich dich um Verzeihung bitte. Es tut mir leid.« Er stieß erleichtert die Luft aus. Sich zu entschuldigen gehörte wirklich nicht zu seinen Stärken. Er war ein bißchen stolz, daß er es zustande gebracht hatte, auch wenn er wußte, daß er es vor allem für Luciens Schwester getan hatte.

Der Junge wandte sich zu ihm um und richtete sich kerzengerade auf. »Das sieht dir wirklich ähnlich«, stieß er wütend hervor. »Jetzt beschämst du mich obendrein auch noch. Natürlich akzeptiere ich deine Entschuldigung, Cædmon. In gewisser Weise weiß ich sie vielleicht sogar zu schätzen. Aber ich bete trotzdem, daß Gott den Herzog bald siegreich heimkehren läßt und du mit eurem Earl nach England zurückkehrst und ich dich nie im Leben wiedersehen muß.«

Cædmon nickte langsam. »Weißt du … dagegen hätte ich auch nichts.«

Das zweite Königreich
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