13

Lena bog in ihre Auffahrt ein, griff nach ihrem Aktenkoffer und steuerte durch die Dunkelheit auf ihre Haustür zu. Es war ein langer Tag gewesen, einer von der Sorte, die zwar mit einer Autopsie begannen, aber durch einen Zeugen wieder Schwung bekamen. Allerdings hatte dieser Tag mit der Überbringung einer Todesnachricht geendet, deren makabere Note wohl nicht mehr zu überbieten war, sodass Lena sie ihr Lebtag nicht mehr vergessen würde. Ein Tag, vollgestopft mit Höhen und Tiefen, alles so dicht gedrängt, dass an Essenspausen gar nicht zu denken gewesen war. Als sie den richtigen Schlüssel heraussuchte und aufschloss, dachte sie jedoch nicht an die Einzelheiten des Falles oder die Menschen, denen sie heute begegnet war.

Sie dachte an Jane Doe. Die Frau, die die Identität einer Toten gestohlen und Sexanzeigen in der L.A. Weekly aufgegeben hatte.

Die Frau, die die Männer verzauberte.

Lena machte Licht und warf einen Blick auf das Telefon, das auf dem Tresen zwischen Wohnzimmer und Küche stand. Als sie das blinkende Lämpchen bemerkte, drückte sie auf Play und hörte Rhodes Stimme. Er erklärte ihr, was er ihr heute Nachmittag bereits im Auto gesagt hatte, nämlich dass er morgen Abend nach Oxnard fahren würde, um seine Schwester zu besuchen. Obwohl sie den Inhalt der Nachricht kannte, lauschte sie ihr bis zum Ende. Sie mochte den Klang seiner Stimme, und ihr gefiel die Vorstellung, sie auf ihrem Anrufbeantworter zu haben.

Nachdem es endlich still im Haus geworden war, drehte sie die Heizung höher, sah auf die Uhr und nahm die Fernbedienung vom Couchtisch. Während sie sich auf dem Sofa niederließ und die Schuhe auszog, schaltete sie den Fernseher auf Channel 4 und dämpfte die Lautstärke. Die Nachrichten würden erst in einigen Minuten beginnen. Ein wenig Zeit zum Überlegen also.

Etwas an Jane Doe wollte ihr nicht aus dem Kopf. Es war ein Gefühl, das sie nicht zu fassen bekam. Eine Mischung aus Neugier und Faszination, die sie nicht mehr losließ, seit sie den ersten Fuß in die Wohnung der Toten gesetzt, ihre Reisetasche durchwühlt und ihre Stimme auf dem Anrufbeantworter gehört hatte. Es gab da einen Zusammenhang, unerklärlich zwar, aber dennoch vorhanden. Er war so dunkel und flüchtig wie das Foto des Mannes, den sie jagten. Das Foto ihres Mörders.

Als Lena weiter über diese Frage nachgrübelte, wurde ihr klar, wie viele persönliche Erinnerungen die Ermordete in ihr ausgelöst hatte. An ihre Mutter, die kurz nach der Geburt ihres Bruders verschwunden war. An den frühen Tod ihres Vaters und daran, was es bedeutete, mit sechzehn eine Waise zu sein. Daran, wie sie ihren Bruder an der Hand gepackt hatte und mit ihm aus Colorado geflohen war, um nicht in die Mühlen des Jugendamtes zu geraten. An ihre Ankunft in Los Angeles. An das Leben im Auto ihres Vaters, bis Lena eine Stelle gefunden hatte und genug verdiente, um eine möblierte Wohnung zu mieten, die noch kleiner gewesen war als die von Jane Doe. Daran, ein oder zwei Mal pro Woche hungrig schlafen zu gehen, und das in einer Stadt, wo die Straßen mit Gold gepflastert waren.

Lena blickte durch die Schiebetür hinaus auf das riesige Tal unterhalb der Hollywood Hills. Dank der klaren Nacht konnte sie die Lichter von der Innenstadt bis zum Pazifik funkeln sehen. In der Ferne erkannte sie den Santa Monica Freeway. Der Verkehr war so dicht, dass die ständig weitergleitenden Scheinwerfer wirkten wie ein zwanzig Kilometer langer Strom aus Lava.

Lena kam zu dem Schluss, dass es die Einsamkeit war, die sie mit dem Opfer verband. Alleine zu leben. Auf einem Floß durch die Zeit zu gleiten. Die Haie im Wasser zu sehen und ums Überleben zu kämpfen. Sie hatte ihre Probleme anders gemeistert als Jane Doe. Sie hatte sich anders entschieden, und ihre Erinnerungen-ganz gleich, wie trostlos sie auf den ersten Blick erscheinen mochten – waren gut. Und dennoch hatten sie etwas gemeinsam, so, als hätten sie dieselben Startbedingungen gehabt und seien mit demselben leeren Fläschchen großgezogen worden. Lena begriff zwar noch immer nicht, warum der Polizeichef ihr diesen Fall zugeteilt hatte, wusste aber tief in ihrem Innersten, dass sie nicht lockerlassen würde, ganz gleich, wie nachteilig die Dinge sich auch entwickeln und wie kalt die Spur auch werden mochte. Die Frau, die da auf einer Bahre im Leichenschauhaus lag, war ihre Klientin. Ihr Beruf spielte keine Rolle. Das Band zwischen ihnen war unzertrennlich, und Lena würde nicht aufgeben.

Sie riss sich aus ihren Grübeleien und wandte sich dem Fernseher zu, wo gerade die Nachrichten angefangen hatten. Obwohl sie wusste, dass der Mord an Jane Doe nicht die erste Meldung sein würde, brauchte sie einen Moment, um den Bericht zu verstehen. Es wurde live irgendwo her aus dem Westend gesendet. Soweit Lena feststellen konnte, hatte ein Mann seiner Frau einen neuen Lexus zu Weihnachten schenken wollen. Er hatte den Wagen in seiner Auffahrt abgestellt und die große rote Schleife, die das Autohaus ihm mitgegeben hatte, am Dach angebracht. Während er das Band vom Wageninneren aus zurechtgerückt hatte, war ein basketballgroßer Eisklumpen vom Himmel gefallen und hatte Wagen und Besitzer zermalmt. Bis auf die rote Schleife war nichts übrig geblieben, eine Meldung, die im Laufe des Abends wohl noch öfter wiederholt werden würde. Haus und Einfahrt waren in das Flutlicht von Kamerascheinwerfern getaucht. Die Reporter, die in besagte Kameras sprachen, mussten ein Grinsen unterdrücken und waren sichtlich um eine ernste Miene bemüht.

Lena machte den Fernseher lauter. Ein Professor von der Technischen Universität wurde in seinem Büro in Pasadena interviewt. Dazwischen waren immer wieder Aufnahmen von Absperrbändern und der Trümmerhaufen in der Einfahrt zu sehen. Der Wissenschaftler erklärte, der Eisklumpen stamme entweder von einem Flugzeug oder – was wahrscheinlicher sei – von einem atmosphärischen Meteoriten, eine tragische Folge der Erderwärmung also.

Weihnachten in Palisades …

Falls der Sender überhaupt noch etwas über den Mord bringen würde, dann höchstens in einer Kurzmeldung am Rande.

Lena warf die Fernbedienung aufs Sofa und ging um den Tresen herum in die Küche. Sie sah nur selten fern, insbesondere seit sich die Pharmaindustrie der Sender bemächtigt hatte und die Zuschauer mit schwachsinnigen Werbebotschaften traktierte, wie es auch die Hersteller von Süßigkeiten, Frühstücksflocken und Fertiggerichten taten, um den Kindern das Hirn zu vernebeln. Heutzutage war der Fernsehkonsum mit unkalkulierbaren Risiken behaftet. Doch offenbar fühlte sich niemand verpflichtet, dagegen aufzubegehren.

Lena öffnete den Kühlschrank und spähte hinein, fühlte sich aber zu aufgewühlt, um etwas zu essen. In der Speisekammer entdeckte sie eine Kiste Wein auf dem Boden und griff nach einer Flasche. Während sie sie auf dem Tresen öffnete und sich ein Glas einschenkte, stiegen wieder Erinnerungen in ihr hoch, diesmal jedoch gute. Es war eine Flasche Pinot Noir vom Weingut Hirsh und preislich eigentlich eine Nummer zu groß für sie. Der Wein war ein Geschenk von jemandem, dem sie in einem Restaurant in der Innenstadt begegnet war, einem Fremden, mit dem sie letzten Monat am Tisch des Küchenchefs in der Küche eine Mahlzeit geteilt hatte. Genau ein Jahr nach ihrer Ankunft in Los Angeles hatte Lena sich mit dem Küchenchef des Patina angefreundet, denn so lange hatte sie gebraucht, um zu begreifen, dass eine Stelle in einem Restaurant der einfachste Weg zu einem vollen Magen war. Der Job war ein wahrer Glücksgriff gewesen. Und seit ihrem Abschluss an der University of California in Los Angeles bat der Küchenchef sie immer wieder in seine Küche und ließ sie von den wohl leckersten Gerichten kosten, die sie je gegessen hatte. Die Einladungen erfolgten ein-oder zweimal im Jahr, und zwar in regelmäßigen Abständen. Vor einem Monat hatte sie mit einem Bauunternehmer am Tisch gesessen, den sie nur aus der Presse kannte und der als der Mann galt, der die Stadt der Engel von Grund auf umgestalten würde. Da Lena auch einen Abschluss in Architektur in der Tasche hatte, war ihnen der Gesprächsstoff nicht ausgegangen. Nach dem Abendessen hatte der Mann sie gebeten, ihren Wagen an die Küchentür zu fahren, und ihr die Weinkiste in den Kofferraum gestellt. Als sie protestieren wollte, hatte er nur gelacht und ihr erzählt, er sei gerade Großvater von Zwillingen geworden. Seine Frau helfe seinem Sohn und seiner Schwiegertochter im Haushalt. Und da er das Zigarrenrauchen – eigentlich Sitte bei der Geburt eines Kindes – aufgegeben habe, müsse sie sich stattdessen eben mit ein paar Flaschen Wein begnügen.

Es war ein großzügiges Geschenk gewesen, und zwar von einem Menschen, der diese Stadt ebenso liebte wie sie. Solche Gesten erlebte man heutzutage nur noch selten. Als Lena genüsslich den Rotwein trank und seinen frischen, milden Geschmack auf der Zunge zergehen ließ, wurde sie allmählich lockerer. Nach dem zweiten Schluck kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und öffnete ihren Aktenkoffer.

Vor ihrem Aufbruch aus dem Parker Center hatte sie der Kriminaltechnik einen Besuch abgestattet und sich eine zweite Kopie des Fotos besorgt, das aus dem Führerschein des Opfers stammte. Morgen Vormittag war Lena mit Steve Avadar von der Wells-Fargo-Bank verabredet. Außerdem wollte sie Pamela McBride das Foto zeigen, nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass ihre Tochter und Jane Doe einander gekannt haben könnten. Obwohl Jane Doe eindeutig einiges über die Frau gewusst hatte, in deren Identität sie geschlüpft war, glaubte Lena jedoch nicht an eine persönliche Verbindung. Bei der Datendiebin handelte es sich eindeutig um eine Person, die wahllos Menschen ausbeutete, die sich nicht mehr wehren konnten. Das Gesetz des technologischen Dschungels. Des iDschungels. Des Ich-zuerst-Dschungels. Des Leckt-mich-am-Arsch-Dschungels. Ein Blick in das Sammelalbum der Mutter hatte Lena verraten, dass mehr als genug Informationen in den Medien erschienen waren, um Jane Doe eine gute Grundlage zu bieten. Wenn sie auch nur die Spur von Computerkenntnissen besessen hatte, war es ein Leichtes für sie gewesen, die Lücken mit Hilfe des Internets zu füllen. Dennoch war es ein weiterer Punkt, dem sie nachgehen musste, bevor sie ihn abhaken konnte.

Lena nahm noch einen Schluck Wein und betrachtete den Fernseher. Ein Werbespot war gerade zu Ende, und es wurde zu der Nachrichtensendung zurückgeschaltet. Als das Bild erschien, erkannte sie das Foto von Jane Doe und die Nummer der Hotline.

Also wurde die Meldung doch noch gebracht.

Während der Nachrichtensprecher den Fall zusammenfasste, wurde Lena klar, warum sich der Sender mit dem Foto so viel Zeit gelassen hatte. Man hatte eine weitere Live-Reportage vor Ort vorbereitet, diesmal nicht in der Westside mit Bildern eines zerschmetterten Lexus, sondern in einer Seitengasse das Hollywood Boulevard. Nicht der Hauch eines Lächelns malte sich auf dem Gesicht des Reporters, der mit ernster Miene neben dem Müllcontainer, dem Fundort von Jane Does Leiche, stand.

Der Sender hatte seine Hausaufgaben gemacht. Obwohl noch keine Einzelheiten bekannt gegeben worden waren, war man über den Zustand der Leiche informiert. Einige Aufnahmen aus der vergangenen Nacht wurden eingeblendet. Offenbar hatte der Kameramann jemanden bestochen, denn er hatte einen Platz auf einem Hausdach ergattert und von dort aus mitgefilmt, wie die Ermordete in den Transporter des Leichenbeschauers verladen wurde. Es gab sogar ein paar Bilder von Lena, während sie den Fundort verließ, unterlegt mit einem Kurzabriss ihrer Rolle in den Romeo-Morden.

Lena interessierte sich weder für die undichte Stelle noch dafür, dass man sie auf diese Weise ins Rampenlicht stellte. Wichtig war nur, dass die Meldung volle fünf Minuten dauerte und mit zwei nebeneinandergestellten Fotos endete – das Opfer und sein Mörder –, was Lenas kühnste Erwartungen übertraf.

Im nächsten Moment läutete das Telefon. Lena lief zum Tresen, knipste die kleine Tischlampe an und warf einen Blick auf die Rufnummernerkennung. Es war Rhodes.

»Das hat Barrera gut gemacht«, begann er. »Heute Abend war der richtige Zeitpunkt, damit an die Presse zu gehen.«

»Hast du schon was Neues gehört?«

»Nur dass ich noch mit dir zusammenarbeite. Zumindest morgen.«

»Und Tito?«

»Eigentlich hatte er was anderes vor, ist also nicht sehr begeistert. Aber er wird da sein.«

»Ihr fangt doch mit Fontaine an, oder?«

»Ich gleiche seinen Namen mit der Datenbank ab«, erwiderte er. »Tito will die Nachbarn des Herrn Doktor abklappern. Und du?«

Lena dachte an ihre morgige Verabredung mit Steve Avadar. Vielleicht würden die Kontoauszüge des Opfers ja Hinweise darauf liefern, ob Fontaine in die Sache verwickelt war. Da es sich jedoch nur um eine vage Vermutung handelte, erwähnte sie ihren Verdacht nicht, auch wenn sie Avadar einzig und allein deshalb an einem Freitagabend angerufen hatte. Sie hatte einfach nicht die Geduld, bis Montag auf die Kontoauszüge zu warten.

»Ich komme später rein«, antwortete sie. »Sobald ich in der Bank fertig bin, melde ich mich.«

»Klingt gut. Was trinkst du gerade?«

Sie schmunzelte. »Woher weißt du, dass ich etwas trinke?«

»Ich erkenne es an deiner Stimme«, sagte er. »Sie wird dann dunkler und brüchiger.«

Lena stellte ihr Glas weg. »Eiswasser«, entgegnete sie.

Rhodes lachte auf. »Muss ja ein tolles Eiswasser sein. Versuch, ein bisschen zu schlafen. Wir müssen bei Kräften bleiben. Ich habe bei diesem Fall ein komisches Gefühl.«

»Ich auch«, meinte sie.

Nachdem Rhodes eingehängt hatte, starrte Lena auf das Telefon, dachte einen Moment über seine Worte nach und ließ sie auf sich wirken. Dann schaltete sie den Fernseher ab und öffnete die Schiebetür. Obwohl das Thermometer an der Wand fünf Grad plus anzeigte, fühlte es sich viel kälter an. Während sie hinaus ins Freie trat und die Stufe zum Pool hinunterging, spürte sie durch ihre Socken den eisigen Beton.

Sie setzte sich an den Tisch, legte die Füße hoch und betrachtete über den Rand des Pools hinweg die Stadt, die sich unter ihr erstreckte. Sie konnte zwar sehen, wie die Welt sich bewegte, hörte aber nichts.

Lena trank noch einen Schluck. Inzwischen begann der Wein, ihr zu Kopf zu steigen. Ihr Atem floss regelmäßig. Als ihr Verstand sich beruhigte, fragte sie sich, ob Rhodes heute Nacht wohl allein war. Sie merkte ihm an, dass er noch etwas für sie empfand. Allerdings wagte sie nicht, seine Gefühle zu erwidern, denn sie mochte ihn auch als Kollegen und wollte ihre Zusammenarbeit nicht gefährden.

Eine Weile verstrich, als sie ihre Gedanken, Träume und Phantasien schweifen ließ. Der Geruch seiner Haut. Im nächsten Moment hörte sie eine Autotür ins Schloss fallen.

Und zwar ganz nah. Zu nah. Das Geräusch kam von der rechten vorderen Seite des Hauses her. Da ihr nächster Nachbar jenseits eines Waldstücks hinter dem Hügel wohnte, hatte niemand einen Grund, hier seinen Wagen abzustellen. Außerdem war die Straße zum Parken viel zu schmal, steil und kurvig.

Lena stand auf, warf einen Blick auf ihre Socken und wünschte, sie hätte Schuhe angezogen. Sie spähte die Auffahrt entlang, duckte sich dann in den Schatten und pirschte sich den Pfad entlang zur anderen Seite des Hauses. Während sie sich langsam und auf Zehenspitzen weiterbewegte, brannten ihre Füße vor Kälte. An der Lichtung angekommen, hielt sie kurz inne und lugte um die Ecke. Obwohl sie sicher war, allein auf ihrem Grundstück zu sein, versteckte sie sich weiter in der Dunkelheit und schlich durchs Unterholz. Zwischen ihrem Haus und der Straße erhob sich ein etwa sieben Meter hoher Felsbrocken. Inzwischen drangen Stimmen an ihr Ohr. Lena warf sich auf den Bauch, robbte an den Rand des Felsens und schaute hinab.

Unter den Bäumen parkte ein Caprice am Straßenrand.

Ein Mann im Anzug lehnte an der Tür, rauchte eine Zigarette und unterhielt sich im Flüsterton mit jemandem im Wageninneren. Die beiden lachten über etwas. Lena bemerkte, dass er noch ziemlich jung war, markante Züge und kurzes braunes Haar hatte und ein Schulterhalfter trug. Außerdem war der Mann ein Kollege. Sie hatte seinen Namen zwar vergessen, kannte ihn aber vom Sehen und wusste, in welcher Abteilung er arbeitete. Er gehörte zu Klingers Clique und war einer der Leute, die er aus der Abteilung für Interne Ermittlungen mitgebracht hatte. Wie der Mann hieß, hatte sie sich deshalb nicht merken können, weil sich sein Büro nicht im Parker Center, sondern einige Häuserblocks weiter am Broadway befand.

Offenbar beabsichtigten Klinger und Polizeichef Logan, sie keinen Moment aus den Augen zu lassen. Lena hatte zwar die Besprechung nach der Autopsie ausfallen lassen und die beiden auch nicht angerufen, aber Barrera hatte ihr doch versichert, er habe heute Nachmittag mit ihnen geredet, und alles sei bester Ordnung.

Um Beherrschung bemüht, kletterte Lena rückwärts den Felsvorsprung hinunter und versuchte, die Situation sachlich zu analysieren.

Wenn die zwei sie wirklich beschatten wollten, was völlig unsinnig war, gab es keinen Grund, an einer Stelle zu parken, von der aus sie ihr Haus nicht im Blick hatten. Warum also hinter dem Felsvorsprung? Der Mann mit der Zigarette machte zwar einen unerfahrenen und nicht sehr aufgeweckten Eindruck. Doch so dumm konnte man gar nicht sein.

Lena hob den Kopf und blickte die Telefonleitung entlang. Die Drähte verliefen quer über den Vorgarten und dann an der Seite des Hauses entlang, woher sie auf ihrem Weg vom Pool gerade gekommen war. Lena pirschte sich den Pfad entlang zur Steuerungsanlage und öffnete die Plastiktür. Trotz der Dunkelheit brauchte sie keine Taschenlampe, um die Wanze und den drahtlosen Sender zu entdecken.

Die Männer wollten sie gar nicht beobachten, sondern abhören. Sie belauschten ohne richterliche Anordnung ihre Telefonate.

Lena schloss die Tür, ohne den Sender anzurühren. Das Weinglas in der Hand, kehrte sie zum Haus zurück und verriegelte die Tür hinter sich. Sie war froh, dass sie das Abendessen heute hatte ausfallen lassen. Allerdings befürchtete sie, dass sie heute Nacht kein Auge würde zutun können.

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