ACHTUNDSECHZIGSTES KAPITEL

17. September 1764
Des Prinzen Zuflucht
Mäßigungsbucht, Mystria

 

 

 

Owen, du darfst mich jetzt nicht im Stich lassen.«

Er schaute seine Frau an. »Das werde ich keineswegs.«

»Du bist soeben aus dem Krieg heimgekehrt.« Katherines Augen füllten sich mit Tränen. »Ich brauche dich.«

Prinz Vladimir hob die Hände. »Vergebt mir meine unangemessene Bitte.«

Owen schüttelte den Kopf. »Nein, Hoheit, das ist Euer Ersuchen keineswegs. Ich stehe Euch gegenüber in der Pflicht, und ich empfinde den Wunsch, Magwamp beizustehen.« Er drehte sich zu seiner Gattin um. »Und ich lasse dich dafür nicht im Stich. Mit der freundlichen Erlaubnis des Prinzen werde ich Meister Dunsby eine Kutsche holen und dich zum Gut seiner Hoheit bringen lassen. Dort kannst du etwas Ruhe finden, und wir werden Zeit füreinander haben.«

Vladimir war sichtlich erleichtert. »Aber ja, selbstredend. Madame Radband, es wäre mir ein Vergnügen, würdet Ihr Eure Bekanntschaft mit der Prinzessin Gisella auffrischen, und eine ganz besondere Freude, dürfte ich Euch als meinen Gast willkommen heißen. Ich wäre geehrt.«

Katherine schniefte. »Wirklich?«

»Ihr habt mein Wort.«

Owen küsste sie. »Ich möchte dich bei mir wissen, Katherine. Wir waren zu lange getrennt, und nun, da wir eine Familie sind, möchte ich nicht mehr von deiner Seite weichen. Wäre dies nicht ein Notfall …«

Sie wischte sich die Tränen ab. »Geh. Ich bin so töricht. Bitte denk nicht so von mir. Ich werde so schnell wie möglich wieder an deiner Seite sein, geliebter Gemahl.«

Owen winkte Dunsby und erklärte ihm, was nötig war. Der Soldat nahm den Befehl mit einem Lächeln entgegen und geleitete Katherine davon, um sich um alles zu kümmern. Owen folgte dem Prinzen zum Stall der Garnison, wo Nathaniel Wald schon drei Pferde gesattelt hatte. Die drei Männer saßen auf und galoppierten zum Landgut.

Keiner der drei redete während des Ritts, und das gab Owen Zeit zum Nachdenken. Auf dem Marsch war er bereit gewesen, nach Norisle zurückzukehren, aber das Gespräch mit Katherine hatte einigen Druck abgebaut, der sich in ihm aufgestaut hatte. Er wollte Mystria nicht verlassen. In Norisle wartete nichts auf ihn. Aber hier, im Land seines Vaters, hatte er eine Zukunft.

Er erinnerte sich, wie Meister Wattling ihn als Mystrianer angeklagt hatte. Damals hatte er es als schwere Beleidigung empfunden, doch inzwischen erschien es ihm als großes Lob. Auch wenn kein echter Mystrianer ihn so sah, würden sie ihn irgendwann als einen der Ihren akzeptieren. Ganz im Gegenteil zu Norisle, wo man ihn niemals annehmen würde, ganz gleich, wie sehr er sich um die Krone verdient machte.

Was ich Katherine sagte, kam von Herzen. Owen lächelte, als sie durch die unberührte Landschaft jagten. Kann man leben, wenn das Herz auf der anderen Seite eines Ozeans schlägt?

Mit schweißnassen, schäumenden Pferden ritten sie über den Hof geradewegs zum Wurmstand. Owen sprang aus dem Sattel und schaute zu Bäcker hinüber, der lustlos an der Tür des Gebäudes saß. Er schaute auf, als Owen näher trat. Er hatte dunkle Ringe unter den roten Augen, und sein Gesicht war bleich.

Owen sank auf ein Knie. »Was ist geschehen, Meister Bäcker? «

Der Wurmwart zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Es ging ihm gut gestern Abend, alles war in Ordnung. Er hat gefressen. Er ist geschwommen, er ist zurückgekommen. Alles ganz normal, und dann …« Bäcker öffnete den Wurmstand. »Er stirbt.«

Owen ging voraus. Der Gestank ließ ihn wanken. Es stank nicht nur nach Lindwurm – ein widerwärtiger, moschusartiger Geruch, der sich in den Stirnhöhlen festsetzte und die Augen tränen ließ –, es schlug ihm auch eine gewaltige Hitze entgegen. Die Hitze ging von dem Lindwurm aus, und sie war so intensiv, dass jeder Schritt tiefer in den Stall wie ein Schritt geradewegs ins Feuer war.

Der Lindwurm, oder zumindest das, was Owen angesichts einer fehlenden Alternative dafür hielt, lag in einem dicken, zwanzig Fuß langen Kokon aus schwarz-roter Seide mit Spuren von Gold gehüllt, der die Farben der Kreatur in seinem Innern widerspiegelte. Die Seide allein war ein Vermögen wert, doch sie hatte einen hohen Preis. Der Kokon würde den Lindwurm umbringen, auch wenn leichte Bewegungen im Innern zeigten, dass Magwamp derzeit noch lebte. Owen betrachtete das als gutes Zeichen.

Er lehnte sich an das Geländer. »Ich habe nie eine Häutung wie diese gesehen. Die Schuppen liegen außerhalb des Kokons, als sei er unter der Haut des Lindwurms gewachsen und habe sie abgestoßen.«

Der Prinz nickte. »Normalerweise wachsen die Fasern des Kokons über die Schuppen?«

»So ist es. Man schneidet den Lindwurm aus dem Kokon und hilft ihm dann, sich zu häuten.« Owen deutete ans andere Ende des Wurmstands. »Meister Bäcker, was ist das dort hinten?«

»Sein Schwanz, Sire. Er hat ihn sich abgebissen.« Der Schwanz, so lang wie der Kokon, war bereits in Verwesung übergegangen und trug seinen Teil zu dem bestialischen Gestank bei. »Ich wollte ihn rauszerren, aber es ist so heiß hier, dass ich ihn nicht erreiche.«

Owen fühlte einen Kloß im Hals. Er packte den Mann bei den Schultern und schluckte mühsam. »Ich weiß nicht, Hoheit. Ich habe noch niemals farbige Wurmseide gesehen. Ich habe niemals zuvor abgeworfene Schuppen gesehen, noch einen abgenagten Schwanz. Ich habe niemals von einem Lindwurm gehört, der Fieber hatte. Tatsächlich atmet er. Würden wir eingreifen …«

Vladimir schaute hinunter auf den Lindwurm, dann nickte er. »Ja, ja, natürlich. Fieber bedeutet Leben. Ebenso die Atmung. Teil eines natürlichen Vorgangs. Es muss eine natürliche Ursache haben. Ich sollte mir Notizen machen.«

»Eine gute Idee.« Owen deutete auf den Lindwurmschwanz. »Ich will sehen, ob wir ihn ins Freie ziehen können.«

»Seile und ein Flaschenzug dürften eine Hilfe sein.«

»Ich bin sicher, ich finde sie, Hoheit.«

Vladimir lächelte ihm verlegen zu. »Ich bedaure zutiefst, das Wiedersehen mit Eurer Gemahlin gestört zu haben, Kapteyn. Aber ich bin auch sehr glücklich, dass Ihr jetzt hier seid.«

»Ich bin es ebenfalls.«

»Und meine Glückwünsche zu Eurem Kind.«

Owen strahlte. »Ich danke Euch. In jüngster Zeit kam ich sehr viel mit dem Tod in Berührung. Es wird gut sein, Leben in die Welt zu setzen. Und da ich meinem Kind wünsche, mit einem Lindwurm schwimmen zu können, lasst uns sicherstellen, dass auch Magwamp überlebt.«

Das Lächeln des Prinzen wurde breiter. »Eure Kinder werden auf ihm reiten, Kapteyn, darauf mein Versprechen.«

 

Zu dritt gelang es Owen, Nathaniel und Bäcker, ein Seil um den abgebissenen Schwanz zu legen und ihn aus dem Wurmstand zu zerren. Owens Vermutung, dass er die Ursache für den Gestank gewesen war, erwies sich als richtig. Nathaniel wollte ihn verbrennen. Bäcker schlug vor, ihn zu vergraben. Der Prinz bestand darauf, ihn zu sezieren, und machte sich wenig später dann auch mit dem Häutungshaken an die Arbeit, wobei er zum Schutz vor dem Gestank ein in Eukalyptusöl getränktes und über Mund und Nase gewickeltes Tuch benutzte.

Das Sezieren des Lindwurmschwanzes behagte Owen gar nicht, aber zumindest beschäftigte es Prinz Vladimir. Er schnitt jeweils einen Teil des Schwanzes ab, fertigte Zeichnungen davon an und wog Fleisch und Knochen, bevor er sie voneinander trennte. Er stellte fest, dass Fische das Lindwurmfleisch als Köder verschmähten und Vögel nur widerwillig daran pickten. Spuren nach zu urteilen, die sie morgens entdeckten, hatten jedoch weder ein Vielfraß noch ein Bär Bedenken, das Fleisch zu fressen, und am zweiten Tag wartete bereits eine Familie Waschbären im Wald auf das Ende der Sezierarbeiten.

Vladimir machte eine Reihe interessanter Entdeckungen. In einem der Knochen fand er eine alte, völlig von Knochen überwucherte Pfeilspitze. »Ich habe Magwamps Vorgeschichte studiert, und 1160, bei der Schlacht von Verindan, drang ein Pfeil in seinen Schwanz. Es gelang nicht, ihn herauszuziehen, und so brach man nur den Schaft ab.«

Nathaniel und Bäcker zogen die Lindwurmhaut ab und gerbten sie. Dass Vladimir an Hand der sezierten Sektionen des Schwanzes sein Wissen erweitern konnte, dämpfte seine Besorgnis, und das machte das Warten erträglicher.

Prinzessin Gisella tat ihr Möglichstes, alle bei Laune zu halten, besonders Katherine. Owens Gattin hatte sich nach der harten Kutschfahrt aus Port Maßvoll für zwei Tage ins Bett legen müssen. Gisella kümmerte sich wie eine Zofe um ihr Wohlergehen. Owen entschuldigte sich bei ihrer Hoheit nach Kräften, aber Gisella lächelte nur und versprach ihm, sich um Katherine ebenso gut zu kümmern wie Owen um Magwamp.

Am dritten Tag löste der Prinz ihn ab. »Ich glaube zu wissen, Kapteyn, warum diese Häutung gar so anders als üblich verläuft. «

»Wirklich, Hoheit?«

»Magwamp spann diesen Kokon überaus schnell – in weniger als fünf Stunden. Das erfordert eine gewaltige Energie. Magwamps Verhalten unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von dem anderer Lindwürmer in Norisle oder Auropa. Er verzehrt verschiedene Tiere und Pflanzen, die auf der anderen Seite des Wassers unbekannt sind. Ich bin sicher, das hat zu seiner Gesundheit und den leuchtenden Farben seiner Haut beigetragen. Doch tut er all das schon seit fünfzig Jahren, ohne eine solche Häutung zu vollziehen. Ich suchte also nach etwas anderem, einem Weg, auf dem er an derartige Energie hätte gelangen können. «

Die Miene des Prinzen wurde ernst. »Alles läuft darauf hinaus, dass er Pasmortes verschlungen hat.«

Owen kniff die Augen zusammen. »Ihr wollt andeuten, er habe die magische Energie aus ihren Körpern gesaugt?«

»Es ist nur eine Theorie, doch als du Malphias die Magie aufhob, hat Magwamp geschwärzte Leichen erbrochen und keinerlei Interesse mehr an Pasmortes gezeigt. Er hat diese Energie gespeichert, und dann, als er zurück hier in seinem Wurmstand und in Sicherheit war, begann er sich zu häuten.«

Die nächsten anderthalb Wochen verliefen ohne größere Veränderung. Owen, der Prinz und Bäcker lösten sich in drei Schichten im Wurmstand ab. Einer der drei war in jedem Moment bei Magwamp. Dunsby und von Metternin halfen aus, wenn es nötig war. Nathaniel ging auf die Jagd und angelte. Außerdem kümmerte er sich weiter um die Bearbeitung des Wurmleders und der Knochen, sichtlich zufrieden über die Distanz zu dem Kokon, die mit diesen Aufgaben verbunden war.

Am fünfundzwanzigsten September erschienen unerwartete Besucher auf dem Fluss. Msitazi, immer noch in Owens Uniformrock, Kamiskwa und Nathaniels Ältester, William, zogen das Kanu an Land. Die Shedashie wurden erfreut begrüßt, und bei der darauf folgenden gegenseitigen Vorstellung erwies Msitazi Owen die große Ehre, ein Kaufangebot für Katherine zu machen – eine Ehre, die diese allerdings weder verstand, noch behagte sie ihr. Nach Abschluss der Förmlichkeiten holte William ein Paket aus dem Kanu. Er öffnete es und präsentierte stolz eine der Lindwurmschuppen, die mit einem kleinen Vermögen an mit Bärenfett zu einer dicken Paste vermischtem Salz gefüllt war.

Der Prinz nahm das Geschenk entgegen. »Gestattet mir die Frage, worum es sich handelt.«

Msitazi gluckste. »Es ist für Magwamp. Ein Geschenk zur Feier seiner Geburt.«

»Ich fürchte, Großer Häuptling Msitazi, ich verstehe nicht.«

Der alte Mann schickte William los, eine der Schuppen vom Schwanz des Lindwurms zu holen. Der Häuptling hockte sich hin und legte die Schuppe umgekehrt auf den Boden. An der Innenseite, die ähnlich wie Perlmutt glänzte, leuchtete ein welliger Regenbogen. Der Altashie richtete die Stelle, an der die Schuppe mit dem Körper verbunden gewesen war, nach Norden aus.

Dann deutete er auf einen dunklen Punkt beim südlichen Rand der Schuppe. »Diese Stelle markiert seine Geburt.« Sein Finger glitt hinüber zur westlichen Seite der Schuppe und tippte auf eine kleine, hornähnliche Erhebung. »Diese Stelle ist sein Geburtsknoten. Wenn die Sonne versinkt und ihr Schatten diesen Punkt berührt, ist der Tag seiner Geburt gekommen.«

»Euer Gedanke fasziniert mich, Sire, doch Magwamp schlüpfte im April vor vielen Hundert Jahren.«

Der Altashie lachte. »Ihr werdet von Eurer Mutter geboren, und ein zweites Mal, wenn Ihr zum Mann werdet. Hat ein Mann großes Glück, wird er ein drittes Mal in Weisheit geboren. Warum soll, was für Menschen gilt, nicht auch auf Magwamp zutreffen? «

Vladimir strich sich übers Kinn. »Wann?«

»Bald. Sehr bald schon.«

»Dann sollten wir uns darauf vorbereiten.« Der Prinz schaute zu Owen. »Ich habe allerdings nicht die geringste Vorstellung, wie man sich auf die Geburt eines Lindwurms angemessen vorbereitet. «

 

Nach dem Abendessen fand Owen Katherine auf dem Balkon über dem Rasen. Unter ihnen hatten die Altashie eine Kuppelhütte errichtet und saßen vor dem Eingang um ein kleines Lagerfeuer. Nathaniel saß bei ihnen, und alle vier lachten.

Er legte die Arme um sie und küsste ihren Nacken. »Du solltest nach unten kommen, Katherine. Sie erzählen höchst interessante Geschichten.«

»Ich möchte nicht. Doch du kannst gehen.«

»Nicht ohne dich.«

»Ich weiß, dass du zu ihnen gehen willst, Owen. Ich weiß, du wärest lieber dort unten bei ihnen.«

Er richtete sich auf und drehte sie um. Tränenspuren glänzten im Mondlicht auf ihrer Haut. »Ich möchte in deiner Gesellschaft sein, Katherine. Ich mag diese Männer. Sie retteten mein Leben.«

»Sie überließen dich du Malphias.«

»Sie handelten, wie ich es ihnen befahl, und sie kamen zurück, um mich zu befreien. Wären sie nicht gewesen, die Flucht wäre mir nicht gelungen.« Er legte einen Finger unter ihr Kinn und hob ihren Kopf an. »Was hast du?«

»Du hast dich verändert, Owen. Manchmal frage ich mich, ob ich dich noch kenne. Ich frage mich, ob du mich noch liebst und mit mir nach Hause zurückkehren willst.«

Er küsste sie auf die Stirn. »Ich liebe dich, und wo immer wir zusammen sind, ist unser Zuhause. Sei es in Norisle oder hier.«

»Hier?«

»Wäre das so entsetzlich?«

Bevor sie antworten konnte, drang ein fauchendes Kreischen aus dem Wurmstand. Bäcker stürzte aus dem Tor. »Es beginnt. Kommt schnell!«

Ohne einen weiteren Gedanken schwang sich Owen über das Balkongeländer und rannte zum Wurmstand. Auch die anderen kamen, selbst Nathaniel. Msitazi ging stolz in die Dunkelheit, sein Geschenk in den Händen.

Die Temperatur im Innern des Schuppens war drastisch gesunken. Hätten sich die Bewegungen im Innern des Kokons nicht verstärkt, Owen wäre beunruhigt gewesen. Doch auch wenn die Seide Magwamp noch verbarg, war er unübersehbar lebendig.

Ein weiteres Kreischen zerriss die Nacht, und es lag genug Ähnlichkeit mit Magwamps Kampfgebrüll darin, um alle, die es hörten, lächeln zu lassen.

Owen nahm einen Häutungshaken von der Wand. »Soll ich ihn herausschneiden?«

Der Prinz überlegte kurz, dann warf er einen Blick auf Msitazi. »Nein. Falls Magwamp in Weisheit übertritt, wird er sich selbst befreien.«

Msitazi ging ein Stück den Laufsteg entlang und setzte sich, das Geschenk auf dem Schoß. Er wiegte sich vor und zurück und begann mit einem breiten Lachen auf dem Gesicht leise zu singen. Es war offensichtlich, dass er sich keinerlei Sorgen um die Gesundheit des Lindwurms machte, und das beruhigte alle, bis auf Bäcker, der sowohl Magwamp als auch den Altashie misstrauisch beäugte.

Nathaniel nickte. »Schätze, ich wüsste zu gerne, woher Msitazi so viel über Lindwürmer weiß.«

Kamiskwa tippte sich ans linke Auge. »Ich nehme es einfach hin, dass er es weiß.«

Das Rumoren im Innern des Kokons wurde lauter und anhaltender. Die durch die Seide erkennbaren Bewegungen wurden überlegter. Bisher hatte man Magwamp für ein träumendes Kleinkind halten können, doch nun hatten die Bewegungen ein Ziel, eine Richtung. Die geschmeidige Ziellosigkeit des Schlafs war verschwunden.

Und dann, gerade als Prinzessin Gisella den Wurmstand betrat, geschah es.

Magwamps peitschender Schwanz zerriss die Seide. Er war schlank und sehnig, aber kräftig, und endete in einer Pfeilspitze. Er rollte aus und wand sich wie eine Schlange, die kurz davor war, zuzuschlagen. Dann zuckte sie hinab auf die Hüfte des Lindwurms und öffnete einen weiteren breiten Riss.

Magwamps Kopf schob sich am Ende eines langen, schlanken Halses durch die Öffnung. Er war immer noch keilförmig, aber kleiner als zuvor. Kleine Hörner setzten an der Nasenspitze an und zogen sich bis hinauf zwischen die Augen, bevor sie sich in drei Ausläufer teilten, die der Schädelform folgten. Die großen goldenen Augen hatten sich nach vorn verschoben und blickten über die Schnauze. Das verlieh ihm ein pferdeähnlicheres Aussehen, auch wenn noch niemand ein Pferd mit Schuppen und Hörnern gesehen hatte. Zwei spitze Ohren mit winzigen goldenen Haarbüscheln zuckten und drehten sich vor und zurück.

Krallen bohrten sich vorn und hinten durch den Kokon, zerrten an der Seide und rissen die Löcher weiter auf. Sie legten ihn ganz frei. Seine Haut glänzte, Muskeln spielten unter ihr, und insgesamt hatte sein Körper eine neue, schlangenartige Schlankheit.

»Sieht aus, als bräuchtet Ihr ein neues Geschirr, Hoheit.« Nathaniel kratzte sich am Nacken. »Er is’ gehörig geschrumpft.«

»Entweder das, oder wir warten, dass er in das alte Geschirr hineinwächst, Meister Wald.«

Der Lindwurm biss in den Kokon und zerrte ihn weg, aber bevor er sich ganz von der rot-schwarzen Hülle befreit hatte, blähte er die Nüstern. Er streckte den Kopf zu Msitazi aus. Der Altashie hob die Schuppe. Eine gespaltene Zunge zuckte hervor und zog sie ihm aus den Händen und zurück ins Maul der Echse. Magwamp hob den Kopf zur Decke, und das Geschenk glitt seinen Hals hinab.

Der Prinz lachte. »Großartig.«

Magwamp drehte sich um und schaute sie an. Dann stand er auf. Die letzten Reste des Kokons fielen ab.

»O je«, stellte der Prinz fest. »Er hat Flügel.«

Owen nickte lächelnd. »Hoheit, Ihr seid im Besitz eines Drachen. «

»Es hat durchaus den Eindruck, Kapteyn Radband, dass Ihr Recht habt.« Vladimir schmunzelte, dann legte Gisella die Arme um ihn und gab ihm einem Kuss.

Owen schaute sich um, wollte sehen, wie Katherine auf Magwamps Wiedergeburt reagierte, aber sie war nicht hereingekommen. Er wollte zum Tor des Wurmstands, doch dann zögerte er. Er brauchte nicht hinauszuschauen. Der sich windende Weg hatte ihm ihr Gesicht bereits gezeigt, den Hass, mit dem sie dort draußen auf dem Rasen stand und herüber zum Wurmstand starrte.

Er schaute zurück zu Magwamp, und einen kurzen Moment begegneten sich ihre Blicke. Owen verstand.

Genau wie der Drache, so war auch er wirklich wieder daheim.

Krieg der Drachen - Roman
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