DREIZEHNTES KAPITEL
2. Mai 1763
Haus der Frosts, Port Maßvoll
Mäßigungsbucht, Mystria
Owen stand schon vor Sonnenaufgang auf und machte sich bei Kerzenschein reisefertig. Er zog seine Uniform an, vom Dreispitz mit der blauen Kokarde bis hinab zu den Stiefeln mit polierten Sporen. Er packte seine Reservekleidung, die er Wald gegenüber erwähnt hatte, in den Tornister, rollte seine Decke zusammen und schnürte sie obenauf. Dann legte er den Tornister um, anschließend die Munitionstaschen. Die Pistole schob er in das Holster an seiner rechten Hüfte und schulterte die Muskete, deren Bajonett an der linken Hüfte von einem Gurt hing.
Sein Morgenritual hatte in der Hauptsache darin bestanden, seine Waffen zu säubern. Die Muskete ragte drei Zoll über seinen Kopf hinaus, wenn er sie mit dem Schaft auf den Boden stellte. Mit dem Bajonett kamen noch einmal anderthalb Fuß hinzu. Der stählerne Lauf allein war zweiundvierzig Zoll lang. Er endete in einer gebogenen Messingmanschette aus zwei Teilen. Der mittlere Teil ließ sich abschrauben und gab dann eine enge Öffnung im Fuß des Laufs und eine Höhlung im größeren Messingteil frei. In diese Höhlung wurde der Feuerstein gelegt und mit dem aufgeschraubten Mittelteil festgeklemmt. Eine Öffnung im Haltekragen gestattete dem Feuerstein, leicht ins Freie zu ragen, so dass er den Daumen darauf legen und den Schwefel auf magische Weise entzünden konnte.
Die Flinte, die er vom Quartiermeister erhalten hatte, hatte schon bessere Tage gesehen. Er hatte sie gesäubert und den Lauf ausgewaschen, geputzt und innen wie außen eingefettet; auch den Schaft hatte er geputzt und geölt. Anschließend hatte er alle Schrauben nachgezogen, die er finden konnte, und die fehlenden ersetzt. Und er hatte sich vergewissert, dass der Ladestock auf der Reise sicher an Ort und Stelle blieb, denn ohne ihn konnte er die Waffe nicht laden und sie höchstens als Keule verwenden.
Die Frosts waren, mit Ausnahme Calebs, früh genug aufgestanden, um ihn zu verabschieden. Madame Frost überreichte ihm einen Laib Brot und etwas Käse, in ein Tuch eingeschlagen. Bethany hatte einen Umschlag mit zwei Federkielen für ihn, für den Fall, dass die Metallfedern brachen oder er sie verlor. Er bedankte sich bei beiden Damen und fühlte, wie es ihm dabei ein wenig den Hals zuzog.
Die Reaktion überraschte ihn, und er benötigte einen Moment, den Grund zu erkennen. Obwohl sie ihn nicht kannten, hatten sie ihn aufgenommen, ihm zu Essen gegeben, seine Kleidung genäht, seine Wunden versorgt und sich um sein Wohlergehen gesorgt. All das hatten sie aus Pflichtgefühl der Krone gegenüber geleistet. Und weil sie einfach nette Menschen sind.
Letztendlich hatten sie ihn besser behandelt, als es seine Familie jemals getan hatte, und als sie ihm eine sichere Reise wünschten, wusste er, dass sie es ernst meinten.
Dr. Frost begleitete ihn bis zum Tor. »Ich habe Eure bedauernswert kurze Gesellschaft genossen, Kapteyn Radband, und ich freue mich bereits auf Eure Rückkehr.«
»Ihr und Eure Familie wart wunderbare Gastgeber. Ich hoffe nur, ich stellte keine Belastung dar.«
»Unsinn, Sire, es war uns ein Vergnügen.« Frost zog ein schmales Büchlein aus der Jackentasche. »Ich weiß, Ihr wollt Euch für die Reise nicht unnötig belasten, doch glaube ich, Ihr werdet dies interessant finden.«
Der winzige Band war in schwarzem Leder eingebunden und trug in goldenen Lettern den Titel ›DIE BERUFUNG EINES KON-TINENTS‹. Dr. Frost lächelte zurückhaltend. »Es wurde von Samuel Hast verfasst und war die Inspiration für unsere Debatte, ob Mystria als eigene Nation eine bessere Zukunft hätte. Manche Eurer Landsleute würden es als ein verräterisches Werk betrachten, doch ich hoffe, Ihr werdet diesen Eindruck nicht teilen. Meister Hast liebt dieses Land von Herzen, und er träumt davon, was einmal aus ihm werden könnte. Das solltet Ihr verstehen, und ebenso, dass viele Menschen diesen Traum mit ihm teilen.«
»Ich danke Euch, Meister Doktorus.« Owen ließ das Büchlein in seine Jackentasche gleiten. »Ich erwarte, vor September zurück zu sein. Dann werde ich euch erneut aufsuchen.«
»Wir bestehen darauf, dass Ihr nach Eurer Rückkehr bei uns Quartier nehmt, Kapteyn. Ich glaube auch, dass Major Forst um diese Zeit nach Norden aufbrechen sollte, daher werde ich arrangieren, dass Ihr Eure Bekanntschaft auffrischen könnt.«
»Das ist sehr freundlich von Euch.« Owen salutierte kurz. »Bis dahin.«
Er machte sich schnellen Schritts auf den Weg die Großzügigkeitsstraße hinab, um Wald bei Sonnenaufgang am Westtor zu treffen. Hier in den Außenbezirken der Stadt, wo die Wohlhabenden ihre prächtigen Häuser errichtet hatten, regte sich so früh auf den breiten Straßen nichts. Vom Hafen drangen die Geräusche der erwachenden Stadt herauf und hallten durch die Gassen.
Der Morgen war frisch, doch die Sonne würde die Kälte der Nacht schnell vertreiben. Noch jedoch erleichterte die Kühle das Marschieren, und unwillkürlich trat ein Lächeln auf Owens Züge. Sein kurzer Ausflug aus der Stadt hatte bereits eine Andeutung gegeben, wie viel es zu entdecken galt, und er hatte dicke Journale zur Hand, um alles niederzuschreiben, was er fand.
»Bei dem Tempo werdet Ihr Euch die Beine abwandern, Kapteyn. «
Owen wirbelte herum und brachte die Muskete in Anschlag. »Wald!«
»Habt Ihr gedacht, ich wär’ Rufus?«
»Ich habe Euch nicht erwartet … Ich dachte, wir treffen uns am Westtor.«
Wald löste sich aus den Schatten. »Da seid Ihr nicht der Einzige. Es hat die Runde gemacht.«
»Ich habe niemandem etwas gesagt.«
»Hab ich auch nicht angenommen.« Wald gähnte und deutete mit dem Daumen nach links. »Wir gehen rüber zur Gerechtigkeit und raus durch die Schweinekoben.«
Owen schulterte die Muskete wieder. »Befürchtet Ihr, Rufus beobachtet uns?«
»Ich befürchte nichts. Bin nur vorsichtig. Ein unbedachtes Wort hier, ein gekauftes da, könnte sein, dass wir Ärger bekommen, den wir nicht brauchen.«
Owen folgte ihm. »Wollt Ihr andeuten, dass die Tharyngen unsere Kolonien ausspionieren?«
»Glaubt Ihr, Sie tun es nicht?«
»Nein, Meister Wald. Ich würde es sicher vermuten. Was ich eigentlich wissen wollte, um es präziser auszudrücken: Habt Ihr Kenntnis von tharyngischen Spionen an der Mäßigungsbucht?«
»Schätze nicht.« Wald schaute Owen über die Schulter an. »Wüsste auch nicht, dass es mich interessiert. Ryngische und norillische Querelen sind mir egal.«
»Wie kann das sein?« Owens Augen wurden schmal. »Was die Ryngen mit uns vorhaben, sollte jedermann beunruhigen.«
»Schätze, da haben wir unterschiedliche Ansichten, Kapteyn. « Wald ging zwischen zwei Scheunen hindurch und um ein Schweinegehege herum. »Aber wir werden reichlich Zeit haben, das zu Tode zu quasseln.«
»Ich will doch meinen, dies ist ein Punkt, der schneller geklärt werden sollte.«
»Erst mal haben wir Dringenderes zu klären, Kapteyn.«
Owens Führer wurde schneller, überquerte die Straße und lief quer über eine grüne Wiese auf den dunklen Waldrand zu. Seine fransenbesetzte Lederkleidung machte ihn unübersehbar, doch bewegte er sich so schnell, dass er kaum mehr als ein Geist schien. Er erreichte die Bäume wenige Schritte vor Owen und war verschwunden.
Owen sprang zwischen die Bäume, dann ließ er sich in die Hocke fallen und schaute durchs Gebüsch zurück zur Stadt. In ein paar Fenstern brannten Laternen, und dunkler Rauch stieg aus den Schornsteinen, doch gab es keinen Hinweis, dass ihnen jemand folgte. Das betrachtete Owen als gutes Zeichen, und er ärgerte sich über das leise Gefühl der Angst in seiner Magengrube.
Rechts von ihm knackte ein Zweig. Owen warf sich herum und versuchte, die Muskete hochzureißen, doch der Lauf schlug gegen einen kleinen Baum, hart genug, ihn aus dem Gleichgewicht zu werfen. Er landete überrascht auf seinem Hintern.
Vom Boden schaute er hoch zu der dunkelhäutigen Gestalt, die zwei Fuß hinter ihm gestanden hatte und eindeutig nicht für das Geräusch verantwortlich gewesen war, das ihn alarmiert hatte. Der Mann trug einen Lendenschurz und Beinlinge. Bis auf ein Perlenarmband, von dem zwei Federn hingen, war er von der Hüfte aufwärts nackt. Das lange, dunkle Haar hatte er zu einem langen, mit Lederriemen umwickelten Zopf geflochten. Seine gelben Augen waren schmal und erinnerten an die einer Katze.
Der dunkle Mann grinste. Weiße Zahnreihen leuchteten in dem dunklen Gesicht.
Nathaniel hockte sich neben Owen. »Kapteyn Owen Radband, das ist mein Bruder Kamiskwa. Er ist ein Altashie.«
Owen zog die Füße unter sich und klopfte sich das Laub von der Jacke. »Er gehört zu den Zwielichtvölkern.«
»Gut gesehen.« Nathaniel stand auf und zupfte ein Blatt von Owens Uniform. »Wenn’s hell wird, werdet Ihr mehr Grün als Grau in seiner Haut erkennen.«
»Redet er nicht?«
»Nur, wenn er etwas zu sagen hat.« Wald lachte. »Kommt noch früh genug, Kapteyn. Kamiskwa hält nicht mit seiner Meinung hinterm Berg.«
Owen reichte dem Altashie die Hand. »Erfreut, Euch kennenzulernen. «
Wald schüttelte den Kopf. »Die Zwielichtvölker benehmen sich nicht wie wir. Sie sind vorsichtig.«
»Wegen Major Hopkins.«
»Nicht nur deswegen, Kapteyn.« Wald hob die Muskete auf und reichte sie Owen. »Magie wirkt mit Kontakt. Sie sind ein bisschen besser darin als wir. Wenn man jemanden nicht kennt, lässt man sich nicht von ihm berühren. Gibt ihm die Gelegenheit, einen zu verletzen, wenn man es doch tut.«
Owen nickte. »Natürlich. Ich entschuldige mich.«
Kamiskwa kicherte und machte eine Bemerkung. Wald lachte ebenfalls, dann hob er die Hand. »Ist nichts Schlimmes. Er hat nur gesagt, alle, die glauben, Ihr wärt spätestens nach einer Woche zurück in Port Maßvoll, irren sich.«
Owen lächelte. »Vielen Dank, Kamiskwa.«
»Verkneift euch den Dank.« Wald klopfte dem Altashie auf die Schulter. »Er gibt Euch zehn Tage.«
Sie machten sich schnellen Schritts zu dritt auf den Weg und kamen trotz der frühmorgendlichen Dunkelheit gut voran. Kamiskwa ging voraus und war kaum mehr als ein Schatten. Er führte sie auf Wildwechsel, die Anhöhen eher umgingen, als darüber zu führen. Häufig bewegten sie sich in den für Tierpfade typischen Schleifen, und trotzdem kamen sie schneller voran, als es möglich gewesen wäre, hätten sie sich einen geradlinigen Weg freizuschlagen versucht.
Wald übernahm die Nachhut und hielt häufiger an, um nach Verfolgern Ausschau zu halten. Dann trottete er wieder heran, das Gewehr in der perlenbestickten Rehlederhülle und ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Owens fragende Blicke beantwortete er mit einem Kopfschütteln und forderte ihn mit einem Nicken auf, weiterzugehen.
Sie legten ordentliche Geschwindigkeit vor, und obwohl er doppelt so viel Ausrüstung trug als die anderen, kam Owen gut mit. Wald hatte sein Gewehr, den Munitionsbeutel, ein Messer und ein Beil. Kamiskwa trug eine Muskete, allerdings zu einem Karabiner verkürzt, wie es bei der Kavallerie üblich war. Außerdem hatte er ein Messer und trug über die Schulter geschlungen eine mit Perlmutt eingelegte Holzkeule mit einer dreieckigen Klinge auf der Rückseite des Kopfes.
Als die Sonne aufging, knöpfte Owen die wollene Uniformjacke auf, nicht jedoch die Weste, die er darunter trug. Außerdem wechselte er die Muskete in die freie Hand. Die schmerzenden Schultern vom Gewicht der elf Pfund schweren Waffe und die Blasen, wo das Stiefelleder an seinen Fersen scheuerte, erinnerten ihn an den Marsch durch die Tiefen Lande.
Der Gedanke rief ihm seinen Auftrag zurück ins Gedächtnis. Seine Begleiter und er kamen gut voran, doch kein noch so gut geführtes Heer hätte ihnen durch diese Wälder folgen können. Von einer Einheit Soldaten, selbst seinen Schärlern, zu verlangen, dass sie auf einem derart gewundenen Pfad durch den Wald zogen, war ein angekündigtes Debakel. Viel zu viele von ihnen würden sich verirren, und die übrigen wären weit über den Weg verteilt und leichte Beute für einen Hinterhalt. Das dichte Unterholz in den mystrianischen Wäldern konnte den Feind verbergen, bis er praktisch auf Griffweite heran war.
Kamiskwas Vorsicht wirkte plötzlich sehr verständlich.
Wald holte Owen ein, als sie einen sandigen Bachlauf erreichten. »Bekommt Ihr nicht langsam Lust, was in den Magen zu kriegen, Kapteyn Radband?«
Owen nickte und ließ den Tornister von der Schulter gleiten. »Mir ist aufgefallen, dass weder Ihr noch Kamiskwa Essen bei Euch tragt. Ich teile gern.«
»Wir auch.«
Kamiskwa durchquerte den Bach und kletterte schnell eine alte Tanne hinauf. Er verschwand im Wipfel, kletterte bis auf halbe Höhe – zumindest schloss Owen das aus den sich bewegenden Ästen –, dann ließ er zwei perlenbestickte Ledertaschen und zwei lose zusammengerollte Decken, deren Enden mit Lederriemen gesichert waren, auf den Boden herab.
Während der Altashie das Gepäck holte, schleuderte Wald einige auf der Sandbank angehäufte Steine beiseite und hob an der so frei geräumten Stelle eine Grube aus. Dann griff er hinab in das Loch und zog vorsichtig drei in Maisblätter gewickelte Päckchen an die Oberfläche. Owen stieg der Geruch von Lachs in die Nase, und sein Magen machte sich mit einem hörbaren Knurren bemerkbar.
Er runzelte die Stirn. »Ihr wart letzte Nacht schon hier, habt Eure Taschen dort im Baum verstaut und die Restglut des Feuers dazu benutzt, die Fische zu kochen, während Ihr mich geholt habt.«
Kamiskwa grunzte, was Owen als Bestätigung ansah.
»Ziemlich genau getroffen, Kapteyn.«
Owen setzte sich und löste seine Beutel. »Ihr habt keine Spuren Eurer Anwesenheit zurückgelassen, also seid Ihr vorsichtig. Das bedeutet, Ihr geht davon aus, überall und jederzeit in Gefahr sein zu können.«
Kamiskwa lächelte und nahm sich einen Fisch. »Nahaste.«
Owen zog eine Augenbraue in die Höhe, während er das Brot in drei Portionen teilte. »Das bedeutet?«
Wald nahm das Brot an. »Er gibt Euch drei Wochen.«
»Wie das?«
»Ihr könnt gut beobachten und macht Euch Gedanken.« Wald streckte sich aus und lutschte an den verbrannten Fingern. »Hier draußen wird eine Menge verstaut. Da drüben unter dem Felsvorsprung haben wir Feuerholz abgelegt. Als Ersatz für das, was wir gestern Nacht gebraucht haben. Wenn wir noch anderes Zeug gehabt hätten, das wir nicht brauchen, hätten wir es auch da abgelegt. So was werdet Ihr öfter sehen. Wenn kein Zeichen auf dem Lager ist, könnt Ihr Euch nehmen, so viel Ihr mögt, aber Ihr solltet es um mindestens genauso viel auch wieder auffüllen. Ein markiertes Lager fasst man nicht an.«
Vorsichtig zupfte Owen eines der Fischpakete auf. Dampf quoll auf und stieg ihm in die Nase. Er zog das Fleisch von den Gräten und probierte. Der samtweiche Fisch zerging im Mund. »Schmeckt gut.«
»Kamiskwa hat sie aus dem Wasser gekitzelt.« Wald nagte am Brot. »Das ist noch so’n Punkt. Hier draußen reist man so leicht es geht. Außerdem, wo Geopahren und Bären unterwegs sind, sollte man nichts bei sich tragen, das wie Futter aussieht.«
Owen blickte sich um. Sonnenlicht fiel durch die Baumwipfel. Der Bach plätscherte, und eine leichte Brise ließ das Laub rascheln. In den Bäumen zwitscherten Vögel, und ein Krähenschwarm krächzte. Jenseits ihrer kleinen Lichtung konnte er nichts erkennen, und es fiel ihm nicht schwer, sich einen Geopahren vorzustellen, der sie aus dem Dunkel beobachtete.
»Wir werden keine Proviantprobleme bekommen?«
»Für eine Armee reicht es nicht, Kapteyn, aber wir sind keine Armee.« Wald deutete nach Nordwesten. »Wir haben ein gutes Stück Weg vor uns. Kamiskwa und ich jagen hier ständig und stellen unsere Fallen auf. Solange Ihr keine Ansprüche stellt, habt Ihr zu essen. Und selbst wenn, werdet Ihr nicht verhungern. «
Owen griff sich die Muskete. »Ich kann Euch bei der Jagd helfen.«
Der Altashie lachte.
Wald schüttelte den Kopf. »Kaum.«
»Ich versichere Euch, ich treffe, worauf ich ziele.«
»Glaub ich Euch gern, aber Ihr seid verteufelt laut zu Fuß.«
»Es war dunkel.«
»Schon wahr, aber Ihr dürft nicht lauter als ein Flüstern sein. Und dann die Jacke. Damit könntet Ihr genauso gut in Flammen stehen.«
Owens Miene verdüsterte sich. »Das haben wir bereits debattiert. Ich bin ein Offizier im Heer Ihrer Majestät. Ich befinde mich auf einer Mission, und ich werde nicht riskieren, als Spion erschossen zu werden.«
»Nun, ich hab weniger Sorgen, dass Ihr als Spion erschossen werdet.« Wald grinste. »Wenn ein Rynge Euren Rotrock sieht und feuert, erwischt die Kugel vermutlich eher mich oder Kamiskwa.«
Owen lachte. »Ja, Zielsicherheit war noch nie eine tharyngische Stärke.«
»Gut, dass Ihr so ein toller Schütze seid.« Wald deutete auf die Muskete. »Ihr solltet das Ding laden und auch geladen behalten. Durch Euer unermüdliches Üben schafft Ihr vermutlich vier Schuss in der Minute?«
»Ich habe schon fünf geschafft.«
»Hier draußen kann es schnell nötig werden. Wahrscheinlich, weil schon ein anderer auf Euch schießt.«
Owen nickte. »Ich werde daran denken.« Er stand auf, zog eine Patrone aus der Tasche und lud die Waffe. »Der Prinz sagte, Euer Gewehr sei etwas Besonderes.«
Nathaniel lächelte stolz und zog die fransenbesetzte Hülle ab. »Ist eines von etwa zwei Dutzend Gewehren, die Koronel Apostat Hügel oben in Sommerland gebaut hat. Ist ein Hinterlader. Brauch keine Kugel in den Lauf zu stopfen, bloß um sie vorn wieder rauszufeuern. Benutzt eine Kaliber .71-Kugel – selbes Gewicht wie bei Eurer Muskete, nur ein bisschen gequetscht. Mehr ein Ei als ’ne Kugel. Zielsicher auf hundert Schritt und tödlich dabei.«
»Der Prinz hat erwähnt, Ihr hättet einen Geopahren erlegt. Er zeigte mir das präparierte Tier. Das war eine grandiose Leistung auf solche Entfernung.«
»Mehr ein Glückstreffer als eine Leistung.« Er deutete mit einer schnellen Kopfbewegung zu Kamiskwa. »Wäre wahrscheinlicher gewesen, dass ich ihn nur wütend gemacht hätte damit. Kamiskwa war da, um ihn zu erlegen, wenn er zu nahe rangekommen wäre.«
»Und falls er ihn verfehlt hätte?«
»Hätte ich den nächsten Schuss im Lauf gehabt. Und wenn der danebengegangen wäre, hätte ich verdient gehabt, gefressen zu werden.«
»Ich freue mich darauf, Eure Treffsicherheit mit eigenen Augen zu sehen. Vielleicht könnt Ihr uns etwas zum Mittag schießen. «
»Schätze, das könnt’ ich, Kapteyn Radband, aber heute ist das nicht nötig.«
»Habt Ihr voraus schon Essen verstaut?«
»Sozusagen.« Der Waldläufer griente. »Heut’ Mittag essen wir mit dem Prinzen.«