ZWEIUNDFÜNFZIGSTES KAPITEL
24. Mai 1764
Herzog Todeskamms Residenz, Port Maßvoll
Mäßigungsbucht, Mystria
Owen stieg langsam die Stufen zu den Räumen seines Oheims hinauf. Herzog Todeskamm hatte Räume von Zachariah Wildbau gemietet. Das Geschäft lag günstig in der Nähe des Hafens und der Waffenkammer der Garnison. Die Wahl war absolut vernünftig und gleichzeitig beleidigend für Lhord Rivendell, für den es undenkbar sein musste, dass ein Herzog Norisles Mieter eines Ladenbesitzers war.
Owen kam sich vor wie in seine Kindheit zurückversetzt. Sein Vater war kein gestrenger Erzieher gewesen, und so war diese Rolle an seinen Großvater oder Oheim gefallen. Großvater hatte ihn einfach vom Gesinde prügeln lassen, sein Oheim jedoch genoss die Rolle und hatte es mehr als einmal darauf angelegt, ihm das mystrianische Blut aus dem Leib zu bläuen.
Der Oheim hatte sich nie damit begnügt, ihm Schmerzen zuzufügen. Er hatte immer darauf geachtet, ihn zusätzlich zu erniedrigen. Owens Gesicht brannte bei der Erinnerung daran, wie oft Richard Ventnor in der Schule erschienen war und ihn gezwungen hatte, auf dem Hof die Hosen herunterzulassen, bevor er ihm für irgendeine imaginäre Verfehlung die Reitpeitsche über Hintern und Oberschenkel zog. Wie sich herausstellte, hatte Richard selbst sich dessen dreißig Jahre zuvor schuldig gemacht, und sein Vater hatte ihn dafür so geprügelt, wie er es mit Owen tat.
Vermutlich würde die Einladung zum Abendessen keine Tracht Prügel beinhalten. Trotzdem war er bereit, darauf zu wetten, dass Erniedrigung und Beleidigungen auf dem Speiseplan standen. Als er an die Tür der Wohnung klopfte, fragte er sich, warum er überhaupt gekommen war.
Harlmont, ein verhärmter, faltiger Greis, dessen unterwürfige Haltung ihm eine dauerhafte Verkrümmung des Rückgrats beschert hatte, öffnete. Der Lakai sagte kein Wort der Begrüßung. Er nahm Owens Hut in Empfang und winkte ihn weiter in den Salon.
Richard Ventnor stand vor einem mittelgroßen Feuer und hielt ein Buch in der Hand. Er klappte es mit einem Knall zu und legte es auf den Kamin. Dann musterte er Owen von Kopf bis Fuß. »Ich fürchte, ich habe Euch gänzlich falsch eingeschätzt.«
Owen zögerte. »Verzeiht?«
»Harlmont, zwei Whiskey. Von meinem Besten. Schenkt großzügig ein und beeilt Euch.« Todeskamm ging zu einem Lehnstuhl vor dem Kamin und bot Owen mit einer Kopfbewegung dessen Gegenstück auf der anderen Seite an. »Ich habe den Bericht des Prinzen gelesen – zwei Mal gelesen sogar. Der Detailreichtum und die Informationen, die Ihr über diese Pasmortes in Erfahrung gebracht habt, haben mich beeindruckt.«
Owen setzte sich. »Lhord Rivendell hält sie für Spukgeschichten, um Kindern Angst einzujagen.«
»Rivendell ist zu dumm, bei Sonnenaufgang Osten zu finden. «
»Er wird Männer in den Tod schicken.«
Der Herzog nahm das ihm angebotene Whiskeyglas und hob es in Richtung seines Neffen. »Auf Männer, die der Wirklichkeit ins Auge sehen.«
Owen nahm sein Glas ebenfalls entgegen und trank. »Ich danke Euch.«
»Ich muss mich bei Euch bedanken. Und entschuldigen.« Todeskamm stellte den Whiskey auf einem Glastisch neben dem Stuhl ab. »Hätte Eure Gemahlin sich nicht so wortgewandt für Euch eingesetzt, ich hätte Euch niemals für diese Aufgabe in Erwägung gezogen. Ich habe absolut nicht mit einem Erfolg gerechnet. Schon gar nicht einem dieser Güte. Ihr habt ihr Vertrauen in Euch gerechtfertigt und meine Augen geöffnet.«
Owen runzelte die Stirn. »Wusstet Ihr, dass du Malphias hierher unterwegs war, als Ihr mir den Auftrag gabt?«
»Es gingen Gerüchte, aber er ist erst nach Euch aufgebrochen. Hätte ich geahnt, zu welchen Abscheulichkeiten er fähig ist, ich hätte …« Sein Oheim hob den Kopf. »Nein. Ich wollte sagen, ich hätte es Euch wissen lassen, aber die Wahrheit ist, ich hätte eine andere Wahl getroffen. Ich habe Euch nie als so schlau angesehen, wie Ihr jetzt zu sein bewiesen habt.«
Owen schauderte. »Geht es Euch gut, Oheim?«
Der Mann lachte herzhaft. Es war ganz sicher das erste Mal, dass Owen es vernahm. »Das habe ich verdient. Ich habe Euch schlecht behandelt, Owen, aus Gründen, die Euch bekannt sein dürften. Mein Bruder, Euer Stiefvater, ist ein Trinker und notorischer Glücksspieler. Euer Großvater auf mütterlicher Seite, der Earl Federstein, hat Francis eine Menge Geld geliehen. Mehr, als Euer Vater bereit war zurückzuzahlen. Als Euer Vater starb, erwarb Euer Großvater Francis’ Ehe mit Eurer Mutter zur Begleichung seiner Schulden. Ich und mein Vater hatten gehofft, Francis für eine andere, der Familie nutzbringendere Allianz einsetzen zu können. Ich habe meine Verärgerung darüber, dass dies nicht gelungen ist, an Euch ausgelassen. Ich habe mir eingeredet, dass Ihr ein Dummkopf seid und Euer Tod das Beste für alle Beteiligten wäre. Allerdings wäre ein Mord unter meiner Würde.«
Owen nahm einen kräftigen Schluck Whiskey, damit das Feuer des Alkohols in seiner Kehle ihn daran hinderte, laut zu schreien. Meine Existenz hat seine Pläne durchkreuzt, und das rechtfertigt, wie er mich behandelt hat?
Todeskamm legte die Fingerspitzen aneinander. »Also habe ich Euch mehrere Dinge zu sagen. Zum Ersten, und das wird bei Eurer Rückkehr nach Norisle verkündet werden, wird die Königin Euch zum Ritter des Norillischen Imperiums schlagen. Damit verbunden ist ein bescheidenes Landgut hier in Mystria. Ihr habt das Land erkundet und werdet am besten wissen, wo es Euch gefällt. Sucht Euch einen Ort aus. Tausend Arpent. Ihr könntet es nach dem Familienbesitz benennen.«
»Ein Rittertitel? Treibt kein Spiel mit mir.«
»Nein, es entspricht der Wahrheit. Ihre Majestät ist sich der Gefahr, die diese Pasmortes darstellen, sehr bewusst. Schon zu Zeiten Villerupts gab es Gerüchte, dass du Malphias Leichen sammelte und Gräber plünderte. Wir fanden jedoch keine Beweise für bösartige Absichten, also wurden Behauptungen, er könnte nekromantische Absichten verfolgen, verworfen.«
Owen hob eine Augenbraue. »Was ist mit seiner Fähigkeit, Magie über den Bereich der direkten Berührung hinaus zu wirken? «
Todeskamm füllte sein Glas nach und trank. »Das finde ich die beunruhigendste Entwicklung von allen. Es gab schon immer Gerüchte über derart mächtige Zauberei.«
»Die Shedashie sind auf gewisse Weise dazu befähigt.«
»Das macht diese Gerüchte sicherlich glaubhafter.« Er stellte das Glas wieder ab. »Und das bringt mich zu einem Auftrag, den ich für Euch habe, einen Auftrag, über den Ihr zu niemandem auch nur ein Wort sagen dürft.«
»Und der wäre?«
Ventnor schloss einen Moment die Augen. »Wenn Ihr die Festung einnehmt, wird du Malphias versuchen, seine Aufzeichnungen zu verbrennen. Das müsst Ihr unter allen Umständen verhindern. Wir benötigen seine Dokumente, um sie durchsehen und feststellen zu können, welche Entdeckungen er gemacht hat. Davon hängt die Zukunft Norisles ab.«
»Das ist eine äußerst wichtige Aufgabe, Oheim. Ihr solltet sie selbst übernehmen.«
»Das würde ich, doch ich werde nicht an Eurer Expedition teilnehmen.«
Owen verzog das Gesicht. »Ihr sagtet doch, Ihr wäret als Berater hier … Ihr werdet doch nicht Forsts Einheiten begleiten?«
»So gerne ich das auch täte, nein.« Sein Oheim seufzte und schien in sich zusammenzusinken. »Das Postschiff hatte die Information über die tharyngischen Truppen an Bord, die ich dem Prinzen gegenüber erwähnte. Es beförderte auch einen Brief, der mich anweist, unverzüglich nach Launston zurückzukehren. Einer meiner politischen Verbündeten und Rivendells Gegner ist Opfer eines öffentlichen Skandals geworden. Ich werde lange genug hier verbleiben, um den Nachschub für die Expedition zu organisieren, aber danach werde ich zurück nach Launston aufbrechen, um zu retten, was in meiner Macht steht.«
Todeskamm verbarg das Gesicht in den Händen, dann schaute er auf. »Wie schlau ist Prinz Vladimir? Ist er bei Verstand? Er machte den Eindruck, aber es geht die Angst um, er könnte vom tharyngischen Wesen angesteckt sein.«
»Er ist sehr schlau und bei sehr klarem Verstand.«
»Ehrgeizig?«
»In keiner Weise, die Ihr erkennen würdet.« Owen lächelte. »Sein Ehrgeiz gilt allein seinen Studien. Er hat mir eine Liste der Pflanzen und Tiere mitgegeben, die ich ihm von der Erkundung zurückbringen sollte. Er versteht sich auf die Politik, benutzt dieses Wissen aber nur dazu, die Wünsche der Krone umzusetzen. «
Sein Oheim nickte nachdenklich. »Gut. Und er steht nicht zu sehr unter dem Einfluss des Kessen?«
»Von Metternins? Er bedient sich des Grafen als Ratgeber, aber selbst der Graf ist voller Bewunderung für den Prinzen.«
»Das ist wichtig, Owen.« Die Miene seines Oheims wurde ernst. »Wie hat er auf du Malphias’ Plan reagiert, eine eigene Nation zu gründen?«
»Der Prinz hat gelacht, als ich ihm davon erzählte. Er erklärte es für unmöglich. Abgesehen davon, dass Tharyngia die notwendigen Menschenmengen fehlen, ist Mystria zu groß und enthält zu viele Regionen und Interessen. Eher wird sich der Kontinent zu einer Nation vereinen als Mystria.«
»Sehr gut.« Ein kurzes Lächeln zuckte über Ventnors Gesicht. »Und was denkt der Kesse?«
»Soweit ich es weiß, ist er derselben Ansicht.«
»Gut.« Todeskamm stand auf und nahm das Buch vom Kaminsims. Er reichte es Owen. »Kennt Ihr dieses Buch?«
Owen fuhr mit der Hand über den Einband. »›DIE BERUFUNG EINES KONTINENTS‹. Ja, ich habe es als Schlüssel für kodierte Nachrichten an Prinz Vladimir verwendet.«
Der Herzog hob das Glas vom Beistelltisch und nippte daran, ohne sich wieder zu setzen. »Wusstet Ihr, dass der Autor, Samuel Hast, nicht existiert? Es ist ein Pseudonym.«
»Das war mir nicht bekannt.«
»Wüsstet Ihr, wer es geschrieben hat, würdet Ihr es mir doch wohl mitteilen?«
Owen nickte, obwohl sich eine Gänsehaut auf seinem Körper ausbreitete. Blitzartig kam ihm der Gedanke, Dr. Frost könnte der Autor sein. Ich würde ihn niemals verraten. »Das versteht sich. Gibt es ein Problem?«
»Das Dokument ist hochverräterisch. Seid vorsichtig. Lasst Rivendell nicht wissen, dass Ihr es gelesen habt.«
»Das werde ich nicht.«
»Noch ein letzter Punkt.«
Owen hob den Kopf. »Ja?«
»Falls Lhord Rivendell das wenige an Verstand, was er besitzt, auch noch verliert und die Expedition in den Untergang führt, glaubt Ihr, Prinz Vladimir wäre befähigt, seine Position zu übernehmen? Wobei ich zugestehe, dass er den Grafen von Metternin als Adjutant benutzen würde. Wärt Ihr in der Lage, in seinem Namen Truppen in der Schlacht zu befehligen?«
»Ja, was den ersten Punkt angeht. Ein eingeschränktes Ja zum zweiten, da die Regimenter von Koronels kommandiert werden. «
Todeskamm setzte ein kaltes Lächeln auf. »Noch besitze ich die Macht, gewisse Dinge zu tun. Bevor ich aufbreche, werde ich eine versiegelte Order aufsetzen und dem Prinzen übergeben, die Euch provisorisch zum General befördert, sollte es notwendig sein, Rivendell das Kommando zu entziehen. Ich werde den Prinzen in diese Richtung informieren.«
Owen blinzelte. »Seid Ihr Euch sicher, Oheim?«
»Das bin ich. Ihr müsst hier als mein Stellvertreter fungieren, Owen. Ihr müsst Norisle hier vertreten. Falls es uns nicht gelingt, du Malphias aus dem Weg zu räumen, ist unsere Stellung in der Welt in Gefahr. Meine Feinde erkennen das nicht, doch ich sehe es klar und deutlich. Ich weiß, dass es so ist, und ich weiß, wenn es zu einem Rückschlag kommt, werden sie sich feige verkriechen und den Untergang noch beschleunigen, den es zu verhindern gilt. Ihr, Owen Radband, habt mit eigenen Augen das Böse gesehen, das sich Guy du Malphias nennt. Es obliegt Euch, es auszulöschen. Es ist die Pflicht unserer Familie, der Krone damit zu dienen.«
Owen schüttelte den Kopf, um klar denken zu können. Ist das wirklich mein Oheim?
Er wusste, dass hier mehr vorgehen musste, als sichtbar war. Doch bevor er auch nur damit anfangen konnte, es zu enträtseln, setzte der Herzog das Whiskeyglas ab und streckte die Hand aus. »Ich muss gehen.«
Owen erhob sich und schüttelte ihm die Hand. »Aber ich dachte … Abendessen?«
»Eine letzte Täuschung, die Ihr mir verzeihen werdet.« Todeskamm lächelte auf eine seltsame Weise. »Ihr werdet ein Diner haben, und das in sehr angenehmer Gesellschaft.«
Er verließ den Salon in Richtung Flur. Owen wollte folgen, doch eine Stimme aus seinem Rücken, aus dem Esszimmer, hielt ihn auf. »Owen?«
Er drehte sich um. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Da stand sie, vollkommen und lächelnd, in einem weißen Kleid, das ihn an den Tag erinnerte, als sie geheiratet hatten. »Katherine!«
Sie flog in seine Arme, und er drückte sie an sich. Sie klammerte sich an ihn, vergrub das Gesicht an seiner Brust, ihr Leib von Schluchzen geschüttelt. Sie fasste seine Jacke mit beiden Händen. Sie wirkte so klein und zerbrechlich. Er konnte nichts tun, als sie zu halten und ihr übers Haar zu streichen.
»Schsch, Liebste, alles wird gut.«
Sie legte sich in seinen Armen zurück und schaute zu ihm hoch, die Wangen nass vor Tränen. »Ich dachte, ich hätte dich verloren.«
»Aber nein, mein Schatz, nein.«
»Owen, ich habe dich fortgeschickt, und als du verletzt wurdest, als du fast gestorben bist, war es meine Schuld. Ich hatte meinen Gatten, meinen Liebsten verletzt!«
»Still. Es geht mir gut.«
»Du weißt es nicht, Owen. Ohne die Freundlichkeit deines Oheims Richard hätte ich es nicht überlebt.« Sie streichelte sein Gesicht, nahm es in beide Hände. »Das bist wirklich du, nicht wahr?«
Er lächelte und gab ihr einen Kuss auf die Handflächen, erst rechts, dann links. »Du hast mich nicht verloren. Du warst niemals auch nur in Gefahr, mich zu verlieren.«
»Oh, du bist so ein furchtbarer Lügner.« Sie schloss die Augen und legte die Stirn auf seine Brust. »Dein Oheim ist genauso. Für die längste Zeit weigerte er sich, mir zu sagen, wie nahe du dem Tode warst. Aber ich war untröstlich. Owen, ich liebe dich so sehr.«
Er hob ihren Kopf, dann küsste er sie. Sie zerfloss in seinen Armen. Ihre Hände glitten unter seine Jacke und hielten ihn ganz fest. Sie löste den Kuss, dann küsste sie seine Brust. »Ich fand, es sei an der Zeit, dich wieder in meinen Armen zu halten.«
»Jetzt bin ich hier, Katherine.«
»Ja, das bist du.« Sie trat einen Schritt zurück und nahm seine beiden Hände in die ihren. Sie führte ihn auf den Flur hinaus und tiefer in die Wohnung. Im hinteren Bereich zog sie ihn nach links in ein Schlafzimmer und ließ ihn sich auf das Bett setzen. Sie kniete sich vor ihn und zog ihm die Stiefel aus, dann die Strümpfe.
»Dein Oheim hat mich mit nach Mystria genommen, weil ich es nicht ertragen habe, von dir getrennt zu sein. Er hat nicht erwähnt, dass ich mit auf das Postschiff umgestiegen bin, um dich zu überraschen. Ich musste ihn natürlich begleiten, da ich unmöglich allein auf einem Truppentransporter hätte bleiben können. Eure Soldaten können ein so lüsterner Haufen sein.«
Owen starrte sie an. »Falls einer von ihnen dich angefasst hat …«
»Beruhige dich, Owen. Keiner von ihnen hat es getan. Keiner von ihnen hat mich so berührt, wie du es getan hast, wie du es tun wirst.« Sie schälte ihn aus dem Uniformrock und knöpfte langsam seine Weste auf. Beides hängte sie über einen zerbrechlich wirkenden Stuhl, und unterbrach sich dabei nur, um ihn noch einmal zu küssen und an sich zu drücken. Lächelnd knöpfte sie sein Hemd auf, streichelte und küsste die langsam sichtbar werdende Haut seiner Brust.
Seine Hände hoben sich zu ihren und hielten sie auf halbem Wege auf.
»Ich habe neue Narben, Katherine.«
»Sie sind ein Teil von dir, mein Gemahl, und ich liebe sie.« Sie öffnete sein Hemd und schauderte, aber nur für einen Augenblick. Dann strahlte ihr Lächeln wieder. Sie beugte sich vor und küsste die Schusswunde an seiner linken Seite.
Owen keuchte. Bis die Wärme ihrer Küsse in seine Haut drang, war ihm überhaupt nicht bewusst gewesen, wie einsam er war. Ein Teil seiner Gefangenschaft war in ihm zurückgeblieben, aus den Träumen heraus erwachsen, in dem Katherine ihn zurückgewiesen hatte. Sie hatte Angst gehabt, ihn zu verlieren, und tief in seinem Innersten hatte er Angst gehabt, sie zu verlieren. Ein Kuss, ein Kuss, der nur ein Vorbote dessen war, was noch kommen sollte, genügte, diese Angst zu vertreiben.
In einem verlockenden Rauschen von Stoff sank Katherine auf die Knie, knöpfte seine Hosen auf und zog ihm auch den letzten Stoff vom Körper. Sie fuhr mit den Händen von seiner Taille bis zu den Schenkeln. Ihre Daumen strichen über die Einschusswunden, ihre Finger fuhren die Splitternarben auf seiner Hüfte nach. Ihr Atem wärmte seine Haut, als sie die Narben auf seinen Beinen küsste.
Sie schaute ihm in die Augen. »Ich habe dich so vermisst, Owen. Du ahnst mein Leiden nicht, meine Angst.« Wieder setzte sie einen Kuss auf seine Haut. »Doch nun sind alle meine Ängste verschwunden.«
Er zog sie empor, machte sich an den Knoten ihres Kleides zu schaffen, aber sie zog seine Hände fort. Sie legte die Kissen des Betts zusammen und ließ ihn sich darauflegen, küsste ihn noch einmal, dann legte sie ihm den Finger auf die Lippen.
Sie löste die Bänder, die ihr Kleid hielten, und ließ es zu Boden gleiten. Sie war noch genau so, wie er sie in Erinnerung hatte, schlank, mit diesen vollen Brüsten. Er musste lächeln, und sie löschte die Kerze auf dem Nachttisch. Dann stieg sie zu ihm aufs Bett und kletterte auf ihn.
Katherine löste ihr Haar. Es fiel voll und prächtig über ihre Schultern. Sie beugte sich vor und küsste ihn noch einmal. Dann flüsterte sie: »Ich hatte Angst, dich verloren zu haben, Owen. Nun will ich dich wieder neu entdecken, jeden Zoll von dir, und dir zeigen, wie sehr ich dich vermisst habe.«