ACHTUNDDREISSIGSTES KAPITEL
1. September 1763
Amboss-See, Neu-Tharyngia
Owen schreckte auf und krallte sich in die Decken. Er zitterte. Die Kälte drang durch beide Decken. Ein eisiger Luftzug drang unter der Holztür in die dunkle Zelle.
Er wälzte sich auf die Seite und zog die Beine an. Sie protestierten, weniger als Folge der Verletzungen denn der anderen Dinge, derer du Malphias sich fähig erwiesen hatte. Der Mann hatte genug Anatomiekenntnisse, um die Pfade der Nervenbahnen durch den Körper zu kennen. Eine Berührung hier, ein Streicheln dort, und es war, als würde er Owen die Haut abziehen. Sein Körper reagierte, obwohl die Haut heil blieb und er nicht einmal blaue Flecken bekam.
Und es braucht keine Berührung. So wie er es getan hatte, um die Krücke aufzuhalten, konnte du Malphias Magie auf Distanz einsetzen. Owen wusste nicht, wie er das schaffte, und die heftigen Schmerzen hatten ihn daran gehindert, irgendwelche ernsthaften Beobachtungen anzustellen, aber du Malphias konnte ihn aus mindestens einem Schritt Entfernung beeinflussen. Vielleicht sogar mehr.
Er stöhnte. Sein Brustbein schmerzte immer noch.
Quarante-neuf trat aus den Schatten. Er legte ein schweres Tuch über Owen. »Das könnte helfen.«
Owen schüttelte den Kopf. »Ich muss mich bewegen. Wenn ich hier liegen bleibe, sterbe ich.«
Er schlug die Decken zurück und setzte sich auf. Dann wickelte er sich in eine der Decken. Er streckte die Hand aus, und Quarante-neuf half ihm auf. Owen kicherte.
Der Pasmorte neigte den Kopf. »Was belustigt euch, Sire?«
»Ihr seid tot, und trotzdem ist Eure Haut wärmer als meine. Wie ist das möglich?«
»Das weiß ich nicht, Sire.«
Owen richtete sich langsam auf und spürte, wie seine Rückenwirbel knackten. »Hat er Euch kürzlich Vivalius verabreicht?«
»Ich benötige es nicht so häufig wie die anderen.«
Das ergab einen Sinn. Soweit Owen das feststellen konnte, brauchten die Pasmortes im weitest fortgeschrittenen Stadium der Verwesung das Mittel am meisten. Um Owens Wunden zu heilen, hatte du Malphias nur ein paar Tropfen benutzt. Gestalten, die wenig mehr waren als in Hautfetzen gehüllte Skelette, hatte er im wörtlichen Sinne darin baden sehen. Er hatte keine Ahnung, ob es ihre Haut erwärmte, aber es belebte sie.
Owen tat einen Schritt, dann noch einen. In einer weiteren Demonstration seiner Zauberkräfte hatte du Malphias ihm magische Fußfesseln angelegt. Versuchte Owen, voll auszuschreiten, schossen Schmerzen seine Achillessehne empor, durch die Hüfte bis in den Rücken. Die Schmerzen waren schlimmer, als hätte ihn eine Musketenkugel getroffen. Manchmal raubten sie ihm den Atem.
Er zwang sich, den Schmerz zu ignorieren.
Als sein linkes Bein einknickte, klammerte Owen sich an Quarante-neufs Schulter. Der Pasmorte fing ihn auf. »Seht Euch vor, Sire.«
»Es ist meine Pflicht, die Flucht zu wagen.«
»Aber Kapteyn Radband, wenn Ihr Euch dem Laureaten widersetzt, wird er Euch erschießen lassen.«
»Wenn ich schon sterben muss, mein Freund, sollte ich wie ein Mann sterben.«
Der Pasmorte ging mit ihm durch die Zelle und stützte ihn. »Ihr habt mich ›Freund‹ genannt.«
»Ihr haltet mich am Leben.« Owen schaute zu ihm hoch. »Ihr dient dem Laureaten nicht aus freien Stücken. Ihr seid nicht mein Feind.«
»Nein.«
Owen lächelte. »An Eurer Stimme erkenne ich, dass Ihr Mystrianer seid.«
Der Pasmorte schüttelte den Kopf. »Ich erinnere mich nicht.«
Owen hätte diese Antwort als generelle Verneinung hinnehmen können, doch die Worte verklangen mit einem Ton des Bedauerns. Im Verlauf der Zeit, die er in Quarante-neufs Obhut verbracht hatte, hatte er subtile Veränderungen bemerkt. Seinem Sohn zufolge hatte Pierre Ilsavont Erinnerungen an sein früheres Leben behalten. Möglicherweise besaß auch Quarante-neuf noch einzelne Erinnerungen. Er mochte dies aus verschiedenen Gründen verbergen. Haben die Toten so etwas wie ein Privatleben?
»Dann erinnert Euch bitte daran, dass Ihr mein Freund seid. Ich kann Euch nicht genug für Eure Hilfe danken, ganz gleich, was noch geschieht.«
»Nichts zu danken, Sire.«
Sie wanderten weiter durch die Zelle. Wenn die Schmerzen zu stark wurden, sog Owen zischend die Luft durch die Zähne. Quarante-neuf hielt an, bereit, ihn aufzufangen. Wenn seine Beine so zitterten, dass er nicht wusste, ob er noch einen einzigen Schritt zustande bringen konnte, lehnte Owen sich auf ihn und ruhte aus, bevor er seinen Marsch fortsetzte.
Quarante-neuf nickte aufmunternd. »Ihr müsst durchhalten. Sie wartet auf Euch. Eure Gattin.«
Owen zog eine Augenbraue hoch. »Woher wisst Ihr …?«
»Ihr habt im Schlaf ihren Namen gesagt.«
Owen zögerte. Er erinnerte sich an den Traum. Er hatte furchtbar gefroren. Sie war mit einer dicken Decke gekommen, hatte sie über ihm ausgebreitet. Dann war sie zu ihm daruntergekrochen. Sie hatte ihn gehalten und geflüstert, dass alles gut werden würde.
Bethany.
»Das war nicht meine Gattin.« Owen quälte sich durch mehrere Schritte. »Das war eine Frau, die ich in Mystria kennengelernt habe. Eine Freundin.«
»Ich verstehe, Sire.«
»Nicht die Sorte Freundin. Bethany ist eine wunderbare junge Frau.«
Der Pasmorte nickte. »Es ist ein wunderschöner Name.«
»Das stimmt, aber wir dürfen ihn niemals wieder aussprechen.« Owen warf einen Blick zur Tür. »Euer Herr ist ein böser Mensch. Wenn er Verdacht schöpft, wird er einen Weg finden, ihr Leid anzutun. Das werde ich nicht zulassen. Auf keinen Fall.«
»So gut ich dazu in der Lage bin, Kapteyn.« Der Tote schüttelte den Kopf. »Ich möchte nicht, dass Eurer Freundin etwas zustößt.«
Wieder schauderte Owen. Er machte sich etwas vor, falls er ernsthaft glaubte, du Malphias wüsste noch nichts von Bethany. Owen konnte sich nicht erinnern, was er unter der Folter gesagt hatte, aber es gab nichts, was er nicht geopfert hätte, um sie zu beenden. Er hatte versucht zu lügen, mehrmals, und eine Lüge hatte er sogar über drei Befragungen durchgehalten, aber schließlich war er doch zusammengebrochen und hatte gebeichtet, dass es gelogen war. Das Einzige, was er damit erreicht hatte, war Zeit zu gewinnen und sich die thaumaturgische Fußfessel zu verdienen.
Ich muss fliehen. Er gab sich keinerlei Illusionen hin, seine Flucht könnte seine Freunde oder sein Land vor du Malphias beschützen. Der Mann war auf eine Art und Weise bösartig, die über die Möglichkeiten des menschlichen Begriffsvermögens hinausging, und dazu besaß er unglaubliche Macht. Die Art, wie er Owen angegriffen hatte, wie er ihn gefoltert hatte, deutete auf magische Kräfte hin, deren Existenz Owen sich niemals hatte vorstellen können.
»Ich werde Eure Hilfe brauchen, um zu entkommen, Quarante-neuf. «
»Ich weiß nicht, was ich tun kann.«
»Ich werde Nahrung und Kleidung benötigen. Und ich brauche Nägel. Vier Nägel. Nein, sechs. Vielleicht sogar ein Dutzend. Eisennägel.« Mühsam drehte er sich, um Quarante-neuf anzuschauen. »Könnt Ihr mir das beschaffen?«
Der Pasmorte überlegte kurz, dann nickte er. »Der Laureat hat mich mit dem Zwang belegt, für Eure Sicherheit Sorge zu tragen.«
»Wie könnt Ihr dann dastehen und zusehen, wenn er mich foltert?«
»Ich stehe auch unter dem Zwang, ihm keinen Schaden zuzufügen. « Quarante-neuf schüttelte den Kopf. »Es heißt nicht, dass ich ihn nicht hassen kann. Ich kann ihm nur keinen Schaden zufügen.«
Owen nickte. »Indem Ihr diese Dinge für mich sammelt, sorgt Ihr für meine Sicherheit. Indem Ihr mich aus du Malphias’ Umgebung entfernt, beschützt Ihr ihn.«
»Danke, Sire.« Der Pasmorte lächelte. »Es wird mir Vergnügen bereiten, Euch beiden zu dienen.«
Quarante-neuf stand zu seinem Wort. Er sammelte alles, worum Owen gebeten hatte, und versteckte es in der Festung. Wo er es versteckt hatte, teilte er Owen nicht mit, damit der es nicht unter der Folter ausplappern konnte.
Mit der Zeit benötigte Owen weitere Vorräte, und er achtete darauf, seine Bitten sorgfältig zu formulieren. Sie alle begannen mit: »Ich würde mich viel sicherer fühlen, wenn …« Sobald Quarante-neuf ihm Vollzug meldete, bedankte er sich mit: »Jetzt fühle ich mich viel sicherer.«
Nach und nach erhielt er die Nägel. Owen versteckte sie unter den Ledermanschetten, zwischen den Fesseln und der Haut. Es gefiel ihm, dass er die Schlüssel zu seiner Flucht ständig bei sich trug, ohne dass es du Malphias bemerkte. Wenn er allein war, zog Owen einen der Nägel hervor und schliff ihn auf dem Steinboden der Zelle scharf. Sobald er spitz wie eine Nadel war, nahm er sich den nächsten vor.
Du Malphias verzichtete darauf, ihn noch einmal zu foltern, auch wenn man kaum behaupten konnte, er wäre freundlicher geworden. Er gestattete Quarante-neuf, Owen an die frische Luft zu bringen, und amüsierte sich prächtig über die Schmerzen, die seine magische Fessel verursachte. Wohin Owen ging, schien ihn nicht im mindesten zu interessieren, aber der Soldat war sich sicher, dass der Rynge jeden seiner Schritte genau festhielt.
Der Laureat hatte sich entschieden, die Festung erneut umzubauen, aber seine Pasmortes arbeiteten nur mit einem Bruchteil der Leistung, die sie vorher erbracht hatten. Du Malphias ließ auf der Innenseite der nördlichen Palisadenwand eine Steinmauer errichten. Sie lag vier Schritt hinter der Holzwand, und der Hohlraum zwischen den beiden Wänden wurde mit kleineren Steinen und Schutt gefüllt. Es würde zwar kein Problem darstellen, die äußere Wand mit Kanonen zu zertrümmern, doch der nachrutschende Schutt würde jede Bresche sofort schließen. Anstürmende Truppen, die das geschlagene Loch in der Palisade ausnutzen wollten, würden sich am Fuß eines Geröllhangs wiederfinden und zu einer Garnison auf der Krone einer Steinmauer hochschauen.
Und es konnte kaum ein Zweifel bestehen, dass du Malphias, sofern er die Zeit dazu bekam, auch die äußeren Palisaden durch eine Steinmauer ersetzen würde, die zu durchbrechen Angreifer noch mehr Anstrengung und Schwefel kosten würde.
Owen humpelte hinüber zu dem Laureaten. »Wisst Ihr, warum sie langsamer geworden sind?«
Du Malphias schloss halb die Augen. »Ich habe meine Theorien. «
»Werdet Ihr sie überprüfen?«
»Vielleicht.« Er wedelte mit einer Hand in Richtung eines zerfledderten Trupps, der einen großen Felsen zog. »Es ist ihr Metabolismus. Zu Beginn meines Experiments entschied ich mich, den Vampyr als Vorlage zu benutzen, eine Kreatur, die sich von Blut ernährt. Leider hat das nicht funktioniert. Abgesehen von einer irritierenden Neigung, in Tageslicht zu funkeln, war der Vampyr ein logistischer Alptraum. In der Natur herrscht ein Verhältnis von Räuber und Beute von eins zu vierzig. Ein Raubtier muss das Vierzigfache seines eigenen Gewichts verzehren, um sich am Leben zu halten. Das bedeutet, es bräuchte eine ganze Stadt voller Opfer, um eine Armee Vampyre zu unterstützen. Der Metabolismus der Pasmortes hingegen ist stark reduziert. Sie benötigen kaum Nahrung, aber sie benötigen sehr lange, um das, was sie zu sich nehmen, umzusetzen. Es verbraucht den überwiegenden Teil ihrer Energie, die Muskeln warm genug zu halten, um funktionstüchtig zu sein. Dadurch sind sie nicht mehr in der Lage, Abnutzungsschäden zu heilen. Dementsprechend bewegen sie sich zunehmend langsamer, verfügen über immer weniger Energie und brechen schließlich zusammen.«
»Verstehe.«
»Wirklich? Was versteht Ihr, Kapteyn Radband?« Der Laureat lächelte. »Macht das diesen Ort zu einem weniger gefährlichen Ziel für einen Angriff? Kaum. Und nur um zu verhindern, dass Ihr einen furchtbaren Fehler begeht, denkt daran, dass meine Pasmortes, wie der kaum betrauerte Sieur Ilsavont, in der Lage sind, Musketen und Kanonen zu bedienen. Würde Norisle mit einem Heer aufmarschieren, ich könnte es selbst jetzt vernichten. Und im kommenden Frühling, wenn ich Verstärkung durch konventionellere Einheiten erhalte, werden Eure Leute diese Festung nicht mehr einnehmen können.«
Er musterte Owen eine Weile. »Ihr glaubt mir nicht.«
»Ich glaube Euch, dass dies eine bemerkenswerte Festung ist.« Owen zuckte zusammen, als er sich gerade aufrichtete. »Aber keine Festung ist uneinnehmbar. Davon bin ich überzeugt.«
»Glaubt Ihr, Euer Gott wird diese Festung zerschmettern? Oder wird ER nur einen Eurer Generäle als sein Werkzeug für diesen Zweck einsetzen?« Der Tharynge lachte. »Ah, der süße Anblick des Entsetzens auf Euren Zügen. Gäbe es Euren Gott, würde er mich nicht für meine Frechheit niederstrecken?«
»Die Wege des Herrn sind unergründlich.«
»Ja, das ist die gängige Ausrede, sobald er Euch enttäuscht.« Du Malphias verschränkte die Hände auf dem Rücken. »Das ist es, was mich an Euch Norilliern so erstaunt. Ihr klammert Euch an einen Aberglauben, wenn er offenkundig keinen Nutzen mehr erfüllt. Sagt mir, Kapteyn, hat Euch im Krieg die Angst vor der Verdammnis zu besonderen Leistungen angespornt?«
»Nein.«
»Unsere Soldaten auch nicht. Abgesehen von hoffnungsvollen Bittgebeten vor dem Angriff und dem Flehen der tödlich Verletzten spielt Gott auf dem Schlachtfeld keine wirkliche Rolle. Für jeden Mann, der behauptet, durch ein Wunder überlebt zu haben, kann ich Euch Hunderte zeigen, für die ein Wunder ausblieb. Kugeln und Granaten sind erstaunlich willkürlich, wenn es darum geht, wen sie umbringen.«
»Vielleicht verfolgt Gott ein größeres Ziel, das wir nicht erfassen können.«
»Noch eine Ausrede. Ich hätte mehr von Euch erwartet, Kapteyn. Ihr plappert Worthülsen nach, von denen ich mir sicher bin, dass Ihr sie selbst nicht glaubt.« Du Malphias schmunzelte grausam. »Also schlage ich Euch vor, IHN auf die Probe zu stellen.«
Owen bekam eine Gänsehaut. »Ich bin kein Theologe.«
»Ich ebenfalls nicht. Wir sind also ebenbürtig. Seht Ihr den Pfosten dort?«
Vierzig Schritt hangaufwärts war ein Pfosten in den Boden gerammt. »Ich sehe ihn.«
»Lauft hinüber. Falls Euer Gott Euch die Geschwindigkeit verleiht, ihn zu erreichen, bevor zwei meiner Pasmortes Euch einholen, seid Ihr frei. Das schwöre ich bei Eurem Gott.« Der Tharynge zuckte die Schultern. »Falls nicht, ist das das Ende Eurer lächerlichen Gottgläubigkeit.«
Du Malphias wirkt beinahe gelangweilt. »Das ist nicht Euer Ernst.«
»Es ist sehr wohl mein Ernst.« Du Malphias hielt sich den Handrücken vor den Mund, als er gähnen musste. Dann deutete er mit einer Kopfbewegung auf zwei Pasmortes, die einen Stein schleppten. »Du und du, tötet ihn.«
Die beiden Pasmortes ließen das Seil fallen und schlurften auf Owen zu. Einer der beiden ließ sich auf alle viere fallen und rannte. Die Mäuler der beiden klafften auf und schnappten mit lautem Knall zu.
Angst durchzuckte Owen. Er drehte sich um und rannte los. Schmerzen schlugen durch seine Waden. Er schrie auf, stolperte, fiel auf ein Knie. Er kämpfte sich wieder hoch. Erneut durchzuckte ihn der Schmerz.
Du Malphias lachte.
Diese Genugtuung gebe ich ihm nicht! Owen stemmte sich hoch und krallte sich in den Boden. Ich darf nicht aufgeben. Ich darf nicht verlieren!
Die Pasmorte kamen näher und näher. Während sie an dem Seil gezerrt hatten, hatten sie einen ausgesprochen schwerfälligen Eindruck gemacht, aber nun wurden sie immer schneller. Einem der beiden hing ein Auge am Nervenstrang aus der Höhle und schlug gegen eine kaum noch von Haut bedeckte Wange. Im Mund des anderen wackelten die Überreste einer Zunge.
Owen drehte sich, um sie im Auge zu behalten. Er schob sich seitwärts den Hang hinauf. Mit jedem Schritt durchzuckte ihn neuer Schmerz, aber solange er die Knie nicht beugte, war es auszuhalten. Wankend und schwankend arbeitete er sich aufwärts. Immer wieder grub er die Hände in den Boden, fühlte den Dreck unter den Nägeln. Dann rutschte ihm der Fuß weg. Fast wäre er gestürzt, doch er blieb in Bewegung, stieß sich mit dem anderen Fuß ab, peitschte den Körper herum, zerrte das störrische Bein mit.
Noch zwanzig Schritt. Noch zehn. Owen kämpfte sich weiter, bewegte sich mehr mit Hilfe der Arme als der Beine vorwärts. Die angespitzten Eisennägel gruben sich in seine Unterarme. Er ignorierte die Schmerzen und zerrte sich weiter aufwärts. Ich kann es schaffen.
Die Pasmortes waren jetzt nicht mehr weit entfernt. Der eine kaute sich die halbe Zunge ab, während der andere mit weiten Sätzen heranjagte. Er holte schnell auf. Sammelte sich für den Angriff. Owen schwang sich zur Seite, als der Pasmorte ihn ansprang, deshalb schlug dieser auf den Boden, und seine Unterarme gaben nach. Er krachte Gesicht voraus auf den Grund und brach sich das Genick. Der Schädel flog in die Höhe, das heraushängende Auge riss sich los, beides kullerte den Hang wieder hinab.
Owen wirbelte herum und warf sich nach vorn. Er drehte sich in der Luft, die Finger weit ausgestreckt, berührte Holz. Griff zu. Schlug hart auf. »Gewonnen!«
Dann landete der zweite Pasmorte auf seiner Brust. Der Tote hob beide zu Krallen gekrümmte Hände. Ein Stück Zunge traf Owen ins Gesicht.
Aber bevor er die knochigen Finger in die Haut des Norilliers schlagen konnte, packte Quarante-neuf den Pasmorte an der Taille und riss ihn weg. Er hob ihn über den Kopf und ließ trotz der wütenden Knurrgeräusche der Kreatur nicht locker. Quarante-neuf schob die Hände aufwärts an den Hals und ein Bein des Geschöpfes, dann rammte er es abwärts. Rippen splitterten, als der Holzpfosten sich durch die Brust des Pasmorte bohrte.
Quarante-neuf half Owen auf. Der norillische Soldat nickte du Malphias zu. »Ich habe den Pfosten erreicht, mon Sieur. Haltet Ihr Euer Wort?«
»Wäre ich ein Mann Gottes, könntet Ihr jetzt Eures Weges ziehen.« Der Laureat zuckte die Achseln. »Ich bin ein Mann der Wissenschaft, und die Wissenschaft verlangt Wiederholbarkeit. Wir werden Euch in den kommenden Tagen weiter prüfen. Falls Ihr erneut gewinnt, seid Ihr frei.«
Owens Augen verengten sich. Für Euch ist es eine Prüfung. Für mich ist es ein Training für die bevorstehende Flucht. »Ich bin sicher, das werde ich, mon Sieur. Das werde ich.«