EINUNDVIERZIGSTES KAPITEL
15. Oktober 1763
Amboss-See, Neu-Tharyngia
Es ist so weit.« Owen warf die Bettdecken zurück. »Quarante-neuf, heute fliehen wir.«
Der Pasmorte schüttelte den Kopf. »Es ist zu gefährlich. Es ist zu kalt.«
Owen stand auf und löste die Ledermanschetten über seinen Fesseln. »Der Wind wird Schnee über unsere Spuren wehen. Das ist unsere einzige Chance. Ich brauche Eure Hilfe.«
»Ihr könnt Euch kaum bewegen.«
»Deswegen brauche ich Eure Hilfe.« Während der vergangenen sechs Wochen hatte du Malphias großes Vergnügen daran gehabt, Pasmortes auf Owen zu hetzen. Da Quarante-neuf sie daran hinderte, ihn zu verletzen, erfüllte das Spiel keinen wirklichen Zweck, doch Owen spielte trotzdem mit. Seine schwerfälligen Anstrengungen lieferten dem Laureaten Informationen über die Zauberfesseln.
Auch Quarante-neuf hatte durch diese Übungen dazugelernt. Er zerbrach die anderen Pasmortes nur, statt ihre Bekanntschaft mit dem Jenseits zu erneuern. Ihre Reparatur war mehr Arbeit für du Malphias. Der seinerseits lehrte Quarante-neuf genug Magie für grundlegende Reparaturen wie das Heilen von Brüchen und Fleischwunden.
Er zog die angespitzten Nägel unter den Fesseln hervor. »Zieht Euren Handschuh an. Jetzt kneift die Haut an der Rückseite meines Oberschenkels ein. Nehmt eine gute Handvoll. Gut. Nun stoßt einen der Nägel durch die Falte, bis auf die andere Seite.«
»Das kann ich nicht. Es würde Euch verletzen.«
»Nein, damit verhindert Ihr eine Verletzung.« Owen streckte ihm die Nägel hin. »Bitte, Ihr müsst es tun. Ich kann es nicht.«
Der Pasmorte ging hinter ihm auf ein Knie hinab. Er packte die Haut und zog sie fort vom Muskel. Der Nagel bohrte sich hinein und trat wieder aus, mehr ein Brennen als ein Schmerz, aber nichts im Vergleich zu der magischen Fessel. Quarante-neuf wiederholte die Prozedur am anderen Bein.
»Wie fühlt sich das an?«
Owen tat einen Schritt. Er fühlte das Zerren an der Rückseite des Beins, und etwas von den magischen Schmerzen, aber weniger als zuvor. Noch ein Schritt, und noch einer, jeder länger als der vorige. »Das Eisen dämpft den Zauber. Ich benötige weitere Nägel. Einen über dem Knie, einen darunter. Einen unter der Wade und vielleicht im Rücken. Bitte, mein Freund, beeilt Euch.«
»Ja, lasst sie mich vorbereiten.« Der Pasmorte bog die Nägel schnell in eine leichte Bogenform. Er zerriss die Ledermanschetten in Streifen und durchstach diese zuerst mit den Nägeln. Dann benutzte er die Streifen, um Owens Haut zu fassen, und bohrte die Nägel durch Leder und Haut. Die Wunden brannten, und Blut verfärbte das Leder.
Nachdem alle Nägel an Ort und Stelle waren, umkreiste Owen mehrmals die Zelle. Er bewegte sich leichter, konnte aber nicht laufen. Andererseits, wer konnte in tiefem Schnee schon laufen? Es muss genügen.
Er zog sich an und achtete sorgfältig darauf, nicht mit den Sachen an den Nägeln hängen zu bleiben. Dann hüllte er sich in eine dünne Decke und behielt eine Ecke als Kapuze, zog auch das Lederhemd über, das Msitazi ihm geschenkt hatte. Sie rissen die zweite Decke in Streifen und legten sie in mehreren Lagen um seine Füße, bevor sie das Ganze mit Leinenstreifen festbanden. Das restliche Leinentuch warf er sich als Mantel über, den er mit den letzten zwei Nägeln schloss.
Quarante-neuf nickte. »Bereit?«
»Wartet. Ich brauche Agaskans Puppe.«
Der Pasmorte holte sie aus einer Schublade, und Owen stopfte sie in sein Hemd. »Jetzt kann mir nichts passieren.«
Er folgte dem Pasmorte aus seinem Kerker, tief vornüber gebeugt. Er bewegte sich stockend und ahmte die als Posten patrouillierenden Pasmortes nach, so gut er konnte. Er täuschte ihren unbeholfenen Gang vor und zog den Kopf ein, als er nach Norden abbog. Die volle Wucht des Schneesturms trommelte auf ihn ein. Er fletschte trotzig die Zähne und zwang sich vorwärts auf die Außenwand zu.
Schnee trieb gegen die Nordseiten der Festung. Owen kämpfte gegen den Wind an und erreichte die Steinmauer vor der Nordwand. Die offenen Seiten und die grob aufgetürmten Steinbrocken machten es ihm leicht, auf die Mauerkrone zu steigen. Oben angekommen, duckte er sich und suchte den Schneesturm nach Hinweisen auf Pasmorte-Wachen in der Nähe ab – ohne Erfolg.
Seine Sichtweite betrug in keine Richtung mehr als zehn Fuß, kein Grund also, sich deshalb sicherer zu fühlen. Er konnte sich gut vorstellen, dass du Malphias über magische Möglichkeiten verfügte, den Vorhang aus Schnee zu durchdringen. Oder vielleicht kann er meine oder Quarante-neufs Bewegungen verfolgen. Bei diesem Gedanken stieß es ihm sauer auf, doch er verdrängte ihn.
Zu wissen, wo ich bin, und mich zurückzuholen, sind in diesem Schneesturm zweierlei.
Er packte die Spitzen der hölzernen Palisadenwand und stieg hinüber. Auf der anderen Seite stürzte er einen Schritt, bevor er in einer Schneewehe einsank. Einen Moment saß er fest, dann brach neben ihm ein zweiter Körper knirschend durch die Schneedecke. Quarante-neuf packte seinen Arm und zog ihn aus der Wehe. Der Pasmorte trug keine schweren Kleider, aber er hatte einen Tornister auf dem Rücken. »Kommt.«
Owen stakste durch den Schnee. »Ihr müsst mich von hier fortbringen. Wenn ich bleibe, bringe ich du Malphias um.«
Quarante-neuf nickte. »Danke, mein Freund …« Seine Stimme erstarb für einen Moment. »Sind wir wirklich Freunde? Kann das sein?«
»Natürlich sind wir das.« Owen stützte sich schwer auf den Arm des Pasmorte. »Was lässt Euch daran zweifeln, wir könnten Freunde sein?«
»Ich bin tot, Kapteyn. Ich mag mich an vieles nicht erinnern, doch das kann ich nicht vergessen. Die Toten haben den Lebenden nichts zu bieten.«
»Ihr irrt Euch, Quarante-neuf, Ihr irrt euch.« Sie stiegen aus der größten Schneewehe, die den Graben völlig aufgefüllt hatte, und staksten über den windgepeitschten Vorbau. Sie wateten durch die nächste Verwehung, dann kämpften sie sich weiter nordwärts, auf den dunkel aufragenden Berg zu, von dem aus er du Malphias’ Reich zuerst beobachtet hatte.
An der Leeseite einer Schneewehe blieben sie stehen. Quarante-neuf ging mit dem Rücken zum Wind auf die Knie und bot Owen Deckung. Schnee lag über seiner Kleidung und dem Tornister, aber er schien es nicht zu bemerken. Er zitterte weder, noch wischte er den Schnee beiseite. Auch der Sturm berührte ihn nicht.
Dann fasste er Owen bei den Schultern und zerrte ihn auf die Füße. »Los, Kapteyn, wir müssen weiter.«
»Nur noch einen Moment.«
»Nein. Jeder Schritt fort von hier macht meinen Herrn sicherer. « Der Pasmorte nickte. »Und er bringt Bethany dem Glück einen Schritt näher.«
Owen lächelte, und Wärme stieg in ihm auf. »Sie ist eine gute Frau, nett und klug. Ihr würdet sie mögen. Doch ich bin gebunden an meine Gemahlin.«
»Was nicht bedeutet, dass Bethany sich nicht freuen wird, Euch zu sehen. Ich werde Euch zu ihr bringen.« Quarante-neuf zerrte ihn durch eine weitere Schneewehe, dann machten sie sich an den langen, mühsamen Weg einen halb abgetragenen Berghang empor. Auf halber Höhe bogen sie zum See hin ab und um den Berg in den Wald, bevor sie sich wieder an den Abstieg machten.
Owen zitterte. Er steckte die Hände unter die Achseln, um sie zu wärmen, und fühlte unter dem Stoff Agaskans Puppe. Ich habe noch mehr Freunde, die sich um meine Sicherheit sorgen.
Schon brannten seine Nase und Ohren. Im größten Teil der Wangen hatte er das Gefühl verloren. Der peitschende Wind wurde von den Bäumen etwas gebrochen, aber er fegte den Schnee aus den Wipfeln, so dass er herunter auf seine Haare fiel, schmolz und seine Wimpern mit Eis überzog.
Sie kamen über den Berg, und Owen sackte an einem Baum zusammen. »Nur eine kurze Pause.«
»Seid still, Kapteyn.« Quarante-neuf streifte den Tornister ab und sprang nach rechts. Owen war durch den Schnee halb geblendet, aber trotzdem sah er die drei Schatten, die aus dem Wald drangen. Quarante-neuf warf sich auf einen von ihnen, und Knochen krachten. Er hechtete auf einen anderen und verschwand im Schneegestöber.
Ein Pasmorte tauchte neben Owen auf, streckte die knochigen Finger nach ihm aus. Der Norillier stolperte nach vorn. Ein Ast schlug ihm ins Gesicht. Er drehte sich, die Knie gaben unter ihm nach. Er stürzte und rutschte über den gefrorenen Schnee den Hang entlang.
Owen hatte keine Möglichkeit, seine ungewollte Rutschpartie zu bremsen. Schnee stob ihm ins Gesicht, dann scheuerte er mit dem Schienbein an einem jungen Baum vorbei. Er wurde herumgerissen und knallte mit der Schulter an einen anderen Baum. Vor und zurück, sich hilflos überschlagend, prallte er von einem Baum nach dem anderen ab und rutschte schließlich, zerschlagen und voller Schmerzen, in eine tiefe Schneewehe am Fuße des Hanges.
Dort lag er, verkrümmt, die Arme an den Körper gezogen. Sein ganzer Körper schmerzte von den Prellungen, aber er verdrängte es. Er lauschte, wartete auf Geräusche, die einen sich nähernden Feind ankündigten. Er nahm einen der Nägel, die seinen Mantel hielten, in die rechte Hand. Ich muss entweder mit der Fessel seinen Schädel zertrümmern oder mit dem Nagel zustechen. Das muss funktionieren.
Der Schnee und der heulende Wind verhöhnten ihn. Durch diesen Wind hätte er keinen Reiterangriff kommen hören. Jeder, der ihn hangabwärts verfolgte, konnte darauf zählen, dass der Wind den Klang seiner Schritte davontrug. Aber falls er sich bewegte, verriet das seine Position. Er zitterte und rang mit steigender Verzweiflung.
Eine Hand packte seinen Knöchel.
Er trat danach, aber sie ließ nicht locker. »Kapteyn Radband. Ich habe Euch gefunden.«
»Quarante-neuf?«
Der Pasmorte zog in aus dem Schnee und drehte ihn auf den Rücken. »Seid Ihr verletzt?«
»Zerschlagen und zerkratzt. Es kann weitergehen.« Er schaute nach Norden. »Hier muss es irgendwo ein Kanu geben. Es muss einfach.«
Quarante-neuf lächelte. »Ganz sicher, mein Freund. Wir finden sie näher am See.«
Owen blickte zu ihm hoch. »Ihr klingt fröhlich.«
Der Blick des Pasmorte ging in die Weite. »Fröhlicher, vermute ich. Ich bin frei. Als ich die anderen zerstörte. Da tat ich es, weil ich es wollte, nicht aus Zwang.«
»Gut so, mein Freund.« Owen nickte, rang aber innerlich mit der Angst. Wie lange werdet Ihr frei bleiben? Owen konnte den ersten Pasmorte nicht vergessen, den sie gefunden hatten, eingerollt und angenagt, und sein Tagebuch mit den deutlichen Anzeichen des Verfalls. Quarante-neuf mochte jetzt frei sein, aber irgendwann würde er den Punkt erreichen, an dem die Magie sich erschöpfte, von der er abhängig war.
»Sagt mir, dass Ihr Vivalius dabeihabt.«
»Ich habe mich entschieden, nichts davon zu stehlen.«
»Was? Der Prinz hätte es an Hand der Probe herstellen können. Er könnte Euch am Leben erhalten.«
»Das ist nicht möglich, mein Freund, denn ich bin bereits tot.« Quarante-neuf half ihm über einen umgestürzten Baum. »Ich werde Euch nicht im Stich lassen. Aber ich möchte nicht, dass jemand anderer erfährt, was ich erfahren habe. Die Leere. Erinnerungen, die gerade außerhalb meiner Reichweite hängen. Ich habe das Gefühl zu warten, ständig zu warten, weiß jedoch nicht worauf.«
Owen packte ihn an der Schulter. »Aber …«
»Ich werde Euch zurück zu Eurem Prinzen und Eurer Bethany bringen.« Der Pasmorte lächelte. »Danach werde ich in Frieden ins Grab zurückkehren.«
Das Heulen des Windes und ein heftiger Schneestoß erstickten jedes Gegenargument, das Owen hätte vortragen können. Während sie sich weiter in Richtung Seeufer kämpften, wuchs in Owen ein Gefühl der Leere. Er wollte nicht, dass Quarante-neuf starb. Aber falls das nur ein Bruchteil dessen ist, was er empfindet, verstehe ich ihn.
Nach einer kurzen Weile lehnte sich Quarante-neuf an einen Baum, während der Sturm um sie herum tobte. Der Pasmorte rutschte hinab in eine kleine Senke und trieb die Hände in den Schnee. Er grunzte, dann richtete er sich auf und drehte ein Kanu um. In der Vertiefung darunter lagen zwei Paddel.
»Kommt, Kapteyn Radband, nehmen wir die Paddel.«
Sie setzten das Boot aufs Wasser. Owen stieg vorn ein. Er kniete und setzte sich zurück auf seine Waden, was die noch vorhandenen Schmerzen erstaunlicherweise vertrieb. Quarante-neuf stieß das Kanu ab, dann watete er hinterher und stieg ebenfalls ein.
Der Wind schlug augenblicklich auf sie ein, trieb sie nach Süden auf das Ufer und die Festung zu. Owen hatte vorgehabt, nach Norden zu fahren und derselben Route zu folgen, auf der er die Festung ursprünglich erreicht hatte, doch der Wind machte diesen Plan undurchführbar. Also drehten sie das Kanu nach Südosten und paddelten wie wild. Sie hörten nichts als den Wind. Dadurch schlug die erste Kanonenkugel völlig überraschend neben ihnen ein. Erst nach dem zweiten und dritten Einschlag, und als ein kurzes Verebben des Windes ihm gestattete, den verklingenden Donner eines Kanonenschusses aufzuschnappen, erkannte er, dass sie gefährlich nahe an die Festung getrieben waren.
Du Malphias besitzt eine Möglichkeit, meine Bewegungen zu verfolgen. Augenblicklich fiel ihm das Symbol ein, das der Laureat in die Bronzebolzen seiner Handfesseln geritzt hatte. Ihr Zweck hatte nicht darin bestanden, Owen als sein Eigentum zu markieren. Sie ließen du Malphias erkennen, wo er gerade war.
Owen warf einen Blick über die Schulter nach hinten. »Wir müssen hinaus und an der Flussmündung vorbei. Und wir müssen es augenblicklich. Er weiß, wo wir sind.«
Quarante-neuf stieß das Paddel tief in die Fluten. Das Kanu schoss vorwärts. Eine weitere Kanonenkugel schleuderte dicht neben dem Boot eine Wasserfontäne auf, doch der Pasmorte ignorierte die Gefahr. Owen konzentrierte sich ganz aufs Paddeln und versuchte, die Leistung seines Begleiters zu erreichen, aber es kostete seine ganze Kraft, das Kanu weiter hinaus auf den See zu steuern.
Während rings um sie herum die Kanonenkugeln einschlugen, ergab sich Owen ein wenig dem Wind und ließ das Boot etwas nach Südosten auf die Küste kurz hinter der Mündung des Tosenden Flusses zutreiben. Der Wind ließ etwas nach, und Owen lachte laut auf. »Gerade jetzt, wo wir seine Hilfe gebrauchen könnten!«
Quarante-neuf lachte ebenfalls, zum ersten Mal, seit Owen ihn kannte. Es war ein ersticktes Geräusch, wie das Rülpsen eines Kindes, das im selben Moment erkennt, dass in höflicher Gesellschaft Rülpsen nicht erlaubt ist. Der Pasmorte unterbrach das Paddeln, dann lachte er wieder, etwas länger diesmal. Owen schaute sich um und las Überraschung und die Andeutung von Freude im Gesicht seines Begleiters.
»Es ist ein gutes Lachen, mein Freund. Lasst es heraus.«
»Das werde ich. Ich erinnere mich an Lachen. Es hat mir gefallen. «
Plötzlich erstarb der Wind. Die Wolken brachen weit genug auf, um Mondlicht auf den See fallen zu lassen. Die Festung erhob sich drohend über ihnen. Owen hätte schwören können, auf der Mauer einen großen, schlanken Mann auf und ab gehen zu sehen, aber er sah noch etwas anderes, das ihn antrieb, mit frischer Energie das Paddel zu schwingen.
Hinter ihnen tauchten zwei Dutzend Soldaten in zwei großen, breiten Kähnen der Art auf, die die Tharyngen Batteaux nannten. Ein Mann im vorderen Kahn stand auf und rief etwas, dann hob er eine Muskete und feuerte. Er bewegte sich zu flüssig, um ein Pasmorte zu sein, aber die unermüdlichen Schläge der Ruderer ließen vermuten, dass sie welche waren.
»Wir müssen ans Ufer. Wir brauchen Deckung.«
Die beiden paddelten schneller und sehnten sich nach einem Auffrischen des Windes. Vergeblich. Die Verfolger wechselten sich dabei ab, auf sie zu schießen. Als die beiden Flüchtlinge das Ufer erreichten, prallte eine Kugel von der Wasseroberfläche ab und schlug ein Leck in ihr Kanu. Wasser drang ein, doch zum Glück spielte das keine Rolle mehr. Quarante-neufs kräftige Ruderschläge trieben das Boot mit solcher Gewalt ans Ufer, dass die Steine dort den Rindenboden aufrissen.
Eine weitere Kugel pfiff als Querschläger von einem Felsen durch die Luft, als Owen auf die Baumlinie zu rannte. Tharyngen brüllten Befehle und suchten nach einem Anlandeplatz für ihre Kähne. Quarante-neuf sprintete an Owen vorbei, dann packte er ihn bei den Schultern und zerrte ihn tiefer in den Wald. Sie bahnten sich einen Weg zwischen den Bäumen hindurch, den See die ganze Zeit zur Linken haltend, und hielten Ausschau nach Senken, um sich absetzen zu können, ohne ein größeres Ziel als unvermeidbar abzugeben.
Sie mussten sich durch tiefe Schneewehen arbeiten, und schon bald hörten sie die Verfolger wieder. »Sie müssen Schneeschuhe haben.« Quarante-neuf stieß Owen auf die Kuppe eines kleinen Hügels hinauf. »Geht, ich werde sie eine Weile aufhalten. «
»Nein, ohne Euch schaffe ich es nicht.« Owen stand auf und drehte sich um. Dann bellte eine Muskete. Eine Kugel erwischte ihn an der linken Seite und schleuderte ihn zurück. Er drehte sich, schlug gegen einen Baum, polterte den Hang hinab.
Als Owen unten ankam, durchzuckten ihn frische Schmerzen. Die Kugel hatte hur Haut und ein wenig Muskel zerrissen, aber die Wucht, mit der er gegen den Baumstamm geschlagen war, blieb nicht ohne Auswirkung. Die Sterne vor seinen Augen verschwanden wieder, doch der Wald durchlief eine seltsame Verwandlung. Der Schnee zeigte Andeutungen von Grün und dunklem Blau. Die Steine veränderten ihre Form, die Bäume teilten sich. Nach Süden öffnete sich lockend ein breiter Weg.
Zwei weitere Schüsse, und Quarante-neuf schlug neben ihm auf. »Wie schlimm ist es, Kapteyn?«
»Ich werde es überleben. Haben Sie Euch getroffen?«
»Einmal, in den Bauch.« Der Pasmorte krümmte sich, als müsse er sich übergeben, dann spuckte er die Kugel in die hohle Hand. »Nichts von Bedeutung.«
»Wir müssen weiter.« Owen versuchte aufzustehen. »Dort, im Süden, könnt Ihr es sehen?«
Der Pasmorte nickte. »Der sich windende Weg. Er wäre unser Tod.«
»Aber er wird uns nicht zurück zu du Malphias führen.«
Quarante-neuf zog ihn hoch. »Dann also der sich windende Weg.«