DREIUNDVIERZIGSTES KAPITEL

23. November 1763
Des Prinzen Zuflucht
Mäßigungsbucht, Mystria

 

 

 

Vladimir konnte nur ungläubig starren, eine Hand ausgestreckt, als Magwamp den Mann aus der Luft schnappte. Der Körper des Lindwurms drehte sich langsam in der Luft. Sein Schwanz war jetzt ebenfalls außerhalb des Wassers. Magwamp schlug mit dem Rücken auf, in einer Gischtwolke und einer Welle, die beinahe das andere Kanu zum Kentern gebracht hätte. Aber trotz des Aufschlags war deutlich zu sehen, wie er ein zweites Mal die riesigen Kiefer öffnete und schloss, und wie sich ein großer Klumpen seinen Hals hinabbewegte.

Es war schon früher vorgekommen, dass Lindwürmer ihre Reiter fraßen, wenn man den Berichten glauben durfte. Die betreffenden Reiter waren allesamt böse, widerwärtige Gestalten gewesen, jedenfalls stand es so in den Erzählungen. Es entstand immer der Eindruck, dass sie den Lindwurm zu seiner Tat provoziert und ihr Schicksal dementsprechend verdient hatten.

Dann kam Magwamp wieder an die Oberfläche, einen würgenden Menschen über der Schnauze liegend. Jeden Augenblick erwartete der Prinz die schnelle Kopfbewegung, die den Mann hoch in die Luft schleuderte, gefolgt von einem schnellen Biss. Der Schwanz des Lindwurms schlug aus, und Magwamp jagte ans Ufer. Eine hohe Welle schlug empor, als er aus dem Wasser stieg und geradewegs auf den verschneiten Rasen flog.

Vladimir lief aufgeregt hinüber, schob Gisella hinter sich, beschützte sie mit seinem Körper. »Lauft nicht davon. Er könnte Euch als Beute betrachten.«

Sie klammerte sich an seine Schultern und bebte. »Ja, mein Lhord.«

Magwamp senkte den Kopf und ließ den Mann auf den Boden rollen. Der Lindwurm starrte den Prinzen an. In den großen goldenen Augen stand Neugier. Er stieß den Mann am Boden noch einmal an und drehte ihn auf den Bauch, wo er sich übergab und einen Psalm murmelte.

Vladimir hob eine Hand, war sich nicht sicher, was er jetzt tun sollte, fühlte aber keine Bedrohung. »Was geht hier vor? Was übersehe ich?«

Die Augen des Lindwurms schlossen sich halb, dann drehte er sich um und spazierte zurück zum Wurmstand, den Kopf hoch erhoben. Stolz.

Ist das so, oder will ich es nur so deuten?

Nathaniel und Kamiskwa kamen herbeigerannt, die Waffen in der Hand. Der Altashie kniete neben dem Mann, den Magwamp gerettet hatte. Der übergab sich erneut, dann richtete er sich auf Hände und Knie auf. »Bin nicht dafür gemacht, Flüssiges zu atmen. Wird schon wieder.«

Vladimir schaute zu Nathaniel. »Wen hat Magwamp getötet? «

»Is’ nicht so, dass er ihn getötet hätte. Das hab ich schon erledigt. Zwei Mal.« Der Waldläufer schüttelte den Kopf. »Etienne Ilsavont. Er war ein Pasmorte wie sein Vater. Eure Kugel hat wunderbar funktioniert.«

»Ihr müsst mir alles genau berichten. Doch zunächst sollten wir hineingehen und Eurem Begleiter trockene Kleidung beschaffen. «

Mit dem nassen Bart und den triefenden Kleidern erinnerte der riesige Mann an eine halbertrunkene Katze, doch sein Grinsen zeugte von guter Laune. »Schätze, Ihr werdet kaum mehr als ein Laken haben, das mir passt, aber ich wär’ Euch dankbar, wenn ich eines ausleihen könnte, bis meine Sachen trocken sind.«

»Unsinn. Mein Vater war von großer Statur. Es steht ein Koffer mit seiner Kleidung auf dem Dachspeicher. Ich bin Prinz Vladimir, um die Gelegenheit zur Vorstellung zu nutzen, und dies hier ist Prinzessin Gisella von Kesse-Saxenburg.«

Die Augen des Hünen wurden weit, dann erhob er sich auf ein Knie und senkte den Kopf. »Erfreut und geehrt, Eure Hoheiten. «

Nathaniel schlug ihm auf die nasse Schulter. »Das hier ist Friedensreich Bein.«

»Ah, der Mann, der am Amboss-See verletzt wurde.«

Friedensreich stand wieder auf. »War nicht der Rede wert, Hoheit. Nur eine Fleischwunde, kein Knochen verletzt.«

Nathaniels Lächeln verblasste langsam. »Am Amboss-See haben wir auch den Pasmorte gefangen.«

»Habt Ihr etwas über Kapteyn Radband in Erfahrung bringen können? Ich habe Jean ausgesandt, um seinen Austausch zu arrangieren.«

»Dafür wird er ein wenig spät kommen, Hoheit.« Wald schluckte hart. »Kapteyn Radband kommt nicht mehr zurück.«

 

Der Prinz brachte sie ins Haupthaus und ließ Kamiskwa, Nathaniel und Friedensreich allein, um ein großes Feuer im Kamin des Esszimmers anzufachen. Gisella übernahm es, für Speis und Trank zu sorgen. Vladimir schickte Bäcker los, um Magwamp im Wurmstand einzuschließen und zu bewachen. Und Feuer unter dem Heiztank zu machen, da der Abend sich näherte.

Dann stieg er persönlich hoch auf den Dachspeicher, um die versprochene Kleidung zu holen. Er fand die Holztruhe ohne Probleme und öffnete sie. Als Erstes entfaltete er ein Hemd und hielt es empor. Es konnte dem Neuankömmling unter Umständen knapp passen. Er fand auch eine Hose, die sich vermutlich nicht würde schließen lassen, aber das musste genügen. Unter den Sachen fand er noch eine gefaltete Decke, die er ebenfalls herauszog.

Ein kleines Bündel Briefe fiel auf den Boden. Sie wurden von einem Band zusammengehalten, das mit Wachs versiegelt war. Das Siegel trug das Wappen seiner Mutter, und der oberste Brief war in ihrer Handschrift an seinen Vater adressiert. Doch als er das Bündel seitlich durchblätterte, bemerkte er auch Briefe in der Handschrift seines Vaters. Das Papier wirkte alt, und das Datum des obersten Briefes lag vor seiner Geburt.

Er fühlte, wie er rot wurde, ohne zu verstehen, warum, und versteckte die Briefe wieder in der Truhe, bevor er zu seinen Gästen zurückkehrte. Friedensreich Beins nasse Kleidung wurde in die Küche gebracht, um sie zum Trocknen aufzuhängen, während ihr hünenhafter Besitzer in eine Decke gehüllt vor dem Kamin saß, die Füße gefährlich nahe am Feuer.

Gisella und ein Küchenmädchen kamen mit gewürztem Apfelwein und Eintopf, Brot und Käse. Vladimir bot Whiskey an, den Nathaniel dankbar annahm, Kamiskwa und Friedensreich jedoch ablehnten. Sie plauderten, während die Männer aßen, und Gisella erwies sich als hervorragende Gastgeberin. Sobald sie den Eintopf gegessen hatten, brachte sie die Schalen in die Küche und setzte sich dann schweigend neben Vladimir.

Nathaniel berichtete von der Expedition und beschränkte sich ganz auf die wichtigen Fakten – oder zumindest auf die Fakten, von denen er glaunte, dass sie dem Prinz wichtig waren. Er beschrieb den Kampf mit den Pasmortes etwas weniger blutrünstig, als er es bei früheren Gelegenheiten getan hätte, und warf dabei immer wieder einen Blick hinüber zu Prinzessin Gisella, aber Vladimir verstand, warum er das tat, und fand die Informationen faszinierend.

»Ihr sagt, Ilsavont verhielt sich wie das Opfer einer Schüttellähmung? Seine Gliedmaßen zitterten und waren kraftlos?«

»Bis auf sein Mundwerk, das hat bestens funktioniert.«

Vladimir rieb sich das Kinn. »Ich hatte gehofft, das Eisen würde sie töten, aber es genügt auch, wenn es sie nur außer Gefecht setzt. Ich wünschte, ich hätte Gelegenheit gehabt, ihn oder diesen Zischer zu untersuchen.«

Friedensreich schüttelte den Kopf. »Armer kleiner Bursche. Hatte die ganze Zeit nur Angst. Hat ihm aber nichts ausgemacht, eine Weile das Travois zu ziehen.«

»Das ist interessant. Ihr sagt, der Pasmorte hat Eure Befehle befolgt?«

»Ich hab ihn einfach eingespannt und ihm gesagt, er soll mitkommen. «

»Habt Ihr es ihm gesagt, oder habt Ihr es ihm befohlen?«

Bein zupfte sich am Bart. »Wenn ich so nachdenke, hab ich wohl die Stimme ein wenig gehoben.«

»Sehr gut.«

Nathaniel runzelte die Stirn. »Aber Ilsavont jetzt, der hat sich gar nichts befehlen lassen.«

»Nein, das habe ich Eurem Bericht entnommen, und genau das finde ich besonders interessant. Wir wissen, dass diese Pasmortes, oder zumindest einige von ihnen, Magie wirken können. Ilsavont und sein Vater haben beide etwas von ihrer Persönlichkeit behalten und konnten Feuerwaffen benutzen. Ich würde vermuten, dass Euer Zischer dazu nicht in der Lage war. Für komplexe Aufgaben sind Logik und Verstand vonnöten. Befehle zu befolgen aber erfordert allein Gehorsam. Sagt mir, Sires, auf Ehre und Gewissen, hat Zischer irgendein Verhalten gezeigt, aus dem sich hätte schließen lassen, dass sein Verstand über dem, sagen wir, eines Hundes lag?«

»Kann ich nicht behaupten.«

Friedensreich grinste. »Ich würde sagen, wenn er ein Fell gehabt hätte, hätt’ ich ihn vielleicht sogar gekrault.«

»Und es gab einen deutlichen Unterschied zwischen ihm und Ilsavont, was den Verfall anging?«

Kamiskwa nickte. »Keiner der niederen Pasmortes war frisch verstorben. Ilsavont fiel, als sie Aodaga gefangen nahmen.«

Vladimirs Augenbrauen näherten sich einander. »Hättet Ihr Ilsavont als Pasmorte erkannt, hätte er es nicht erwähnt?«

Nathaniel blickte nachdenklich. »Schätze nicht, dass ich es gemerkt hätte. Er war rosig und warm und hat nichts verloren – Hautfetzen oder Fingerglieder oder so.«

»Sehr seltsam, und doch frage ich mich …«

Gisella drückte seine Schulter. »Was fragt Ihr Euch, mein Lhord?«

»Nur ein Gedanke. Ich werde darüber nachlesen müssen.« Er hob die Linke und legte sie auf ihre Hand. »Eure Vermutung, die Entfernung von du Malphias könnte einen Einfluss auf die Stärke der Magie haben, ist ebenfalls interessant. Es ist bekannt, dass manche Verzauberungen mit der Zeit nachlassen. Also würde auch die Entfernung als begrenzender Faktor einen Sinn ergeben – obwohl mich die Implikation, dass er Zauber über Distanz wirken kann, beunruhigt.«

Vladimir seufzte. »Und was den anderen Punkt betrifft: Es steht außer Zweifel, dass wir Kapteyn Radband verloren haben?«

»Ihn, jemand, der mit ihm geflohen ist, und sieben Ryngen, soweit wir das erkennen konnten.« Nathaniel senkte den Blick, um dem Prinz nicht in die Augen schauen zu müssen. »Kamiskwa und ich hätten ihm folgen sollen. Ich hatte einfach Angst. Wir haben ihn an den sich windenden Weg verloren.«

Gisella lehnte sich vor. »Bitte, was ist dieser ›sich windende Weg‹?«

»Das ist eine Stelle im Wald. Oder eine Menge Stellen, eigentlich. Man sieht einen Weg, der kein Ende nimmt, und wenn man ihn einmal betreten hat, findet man nicht mehr herunter.«

Sie nickte. »Wir kennen diese Orte. Es gibt sie auch in den kessischen Wäldern. Orte der Dunkelheit. Kinder verschwinden dort. Es heißt, an diesen Orten hausen Teufel. Es gibt Erzählungen über Kinder, die später zurückkehren. Generationen später, ohne sich bewusst zu sein, dass überhaupt irgendwelche Zeit verstrichen ist.«

»Es gibt kein Zurück vom sich windenden Weg.« Nathaniel schaute zu Kamiskwa. »Außer man ist Häuptling Msitazi.«

Kamiskwas Augen wurden schmal. »Mein Freund sagt, er habe Angst gehabt. Dem ist nicht so. Ich sagte ihm, wir können Kapteyn Radband nicht folgen. Er war mutig. Ich war es nicht.«

»Das stimmt doch nicht, Kamiskwa.«

»Du weißt, dass es so war.«

Vladimir hob die Hände. »Sires, niemand zieht Euer beider Mut in Zweifel. Ihr drei habt das Vierfache an Pasmortes und mindestens drei Ryngen getötet. Hätte der Weg an einer tiefen Schlucht geendet, Ihr wärt hinabgesprungen. Der Tod auf dem sich windenden Pfad wäre Euch ebenso gewiss gewesen. Die Geister hier sind nicht so gnädig wie in Kesse-Saxenburg. Und es war nicht Eure Mission, Kapteyn Radband zu retten, sondern Informationen zu sammeln, was Ihr auf bewunderungswürdige Art geleistet habt.«

Er stand auf. »Meister Bein, ich möchte von Euch eine vollständige Aufstellung all dessen, was Ihr bei der Zerstörung Eures Kanus verloren habt. Ich werde alles ersetzen. Ich werde sogar den besten Waffenschmied von Port Maßvoll eine neue Waffe nach Euren Wünschen fertigen lassen.«

Friedensreich schmunzelte. »Nun, Hoheit, ich hab mir schon immer die Art Waffe gewünscht, wie sie Nathaniel mit sich rumschleppt – bloß gewünscht, versteht Ihr, nicht begehrt.«

»Einverstanden. Bis sie fertig ist, dürft Ihr Euch jede Waffe aus meinem Besitz ausleihen.« Vladimir lachte. »Obwohl ich weiß, dass es viel verlangt ist, würde ich Euch drei bitten, so lange Ihr woll, als meine Gäste hierzubleiben. Mindestens für eine Woche. Ich bin sicher, ich werde Fragen an Euch haben und manche Einzelheit bestätigt wünschen.«

Nathaniel nickte. »Schätze, das lässt sich einrichten, bloß sind meine feinen Sachen in Sankt Fortunas.«

»Ich versichere Euch, Sires, Ihr werdet sie nicht benötigen. Wir erwarten in der nächsten Zeit keine weiteren Gäste.«

»Ich werd’ den Frosts die Nachricht bringen müssen.« Nathaniel seufzte. »Hab ihnen versprochen, Owen heimzubringen. Ist jetzt auch meine Aufgabe, Ihnen die Wahrheit zu sagen.«

»Einverstanden, doch diese Reise kann warten. Ich benötige Euch hier, und die Informationen, die wir sammeln werden, lassen sein Opfer nicht umsonst sein.«

 

Am folgenden Tag befragte der Prinz jeden der drei Männer getrennt. Er entlockte ihnen zusätzliche Einzelheiten über die Pasmortes, die er alle in einem Notizbuch festhielt. Die Erklärung, dass sie zu töten waren, indem man ihren Schädel einschlug oder mit einer Kugel zertrümmerte, deutete darauf hin, dass du Malphias etwas im Gehirn dieser Kreaturen anregte, um sie zu reanimieren. Er entschied sich bewusst für diesen Begriff, um sich daran zu erinnern, dass sie nicht lebten.

Er hatte seine Bibliothek durchkämmt und eine interessante Sammlung von Artikeln eines tharyngischen Chirurgen gefunden, der zwei Jahrzehnte zuvor die Armee in den tharyngischalandalusischen Krieg begleitet hatte. Er beschrieb in klinischer Genauigkeit die Kopfverletzungen verschiedener Patienten und die Symptome, die damit einhergingen. Das Ganze verband er mit sehr detaillierten Beschreibungen des Sezierens von Gehirnen, in denen er behauptete, die Strukturen entdeckt zu haben, die bestimmte Funktionen steuerten.

Eine, die tief im Innern des Gehirns lag, über dem Hirnstamm, jedoch nicht im höheren Gehirn, identifizierte er als Mirakeldrüse. Er behauptete, diese tief unten gelegene Drüse sei der Teil des Hirns, der den Einsatz von Magie ermöglichte. Sein Buch enthielt eine Reihe von Tabellen, mit denen er zeigen wollte, dass Magienutzer eine größere Mirakeldrüse besaßen als andere, doch die Probe, auf der seine Statistik beruhte, war lächerlich klein. Trotzdem war er von seiner These so überzeugt gewesen, dass er offen dafür plädierte, Verbrechern eine Nadel durch das Ohr zu stechen und diese Drüse zu zerstören. Er versicherte seinen Lesern, dies sei möglich, ohne andere Funktionen mehr als minimal zu beeinträchtigen.

Vladimirs Studien ließen ihn die Pasmortes in zwei Klassen einteilen. Die eine bestand aus solchen mit geringen Fähigkeiten, die erst längere Zeit nach dem Ableben reanimiert wurden. Ihr äußeres Gehirn hatte sich zu diesem Zeitpunkt so weit zersetzt, dass sie über das Befolgen einfacher Befehle hinaus kaum noch zu etwas fähig waren. Falls die Mirakeldrüse aufgrund ihrer Lage zu den letzten Teilen des Gehirns gehörte, die verwesten, ermöglichte das Pasmortes dieser Art.

Die anderen Pasmortes waren offensichtlich zurückgeholt worden, bevor ein über das Oberflächliche hinausgehender Zerfall hatte einsetzen können. Der Prinz ertappte sich dabei, dass er sie als lebend statt nur reanimiert betrachtete. Tatsächlich starben nur die wenigsten Menschen augenblicklich. Der Tod war ein Prozess, der einige Zeit in Anspruch nahm, und es gab reichlich Fälle, in denen man jemanden für tot erachtet hatte, der später bereits im Sarg oder sogar auf seiner eigenen Beerdigung wieder erwachte.

Was, wenn du Malphias diese Personen nicht reanimiert, sondern sie stattdessen von der Schwelle des Todes zurückgeholt hat? Gewisse Einschränkungen ihren Verletzungen gemäß waren zu erwarten. Der Laureat mochte sie für Anzeichen einer Gehirnschädigung gehalten haben und daraus fälschlicherweise den Schluss gezogen haben, sie seien tatsächlich tot. Es konnte nichtsdestoweniger sein, dass sie durch magische Heilung zurück ins Leben gerufen worden waren. Das war keineswegs undenkbar, auch wenn es äußerst selten geschah und noch niemand jemals eine entsprechende Methode mit einer solchen Gründlichkeit angewendet hatte.

Aber das kann es nicht sein. Ilsavonts Schüttellähmung passte zu einer Verletzung des Rückenmarks, doch keiner der drei Gefährten hatte erwähnt, dass er Schmerzen gehabt oder geblutet hätte. In Verbindung mit den trägen Bewegungen der niederen Pasmortes in der Kälte ließ das auf einen reduzierten Metabolismus schließen. Diese Kreaturen waren also doch nur reanimierte Leichen.

Oder zumindest war Ilsavont eine.

Ein heftiger, von Osten hereinbrechender Schneesturm hinderte Nathaniel daran, nach Port Maßvoll aufzubrechen. Vladimir beneidete ihn nicht darum, die schlechte Nachricht überbringen zu müssen, und nahm sich vor, ihn zu den Frosts zu begleiten. Angesicht der Natur dieses Besuches wartete keiner der beiden voll Ungeduld auf ein Ende des Unwetters.

Der Sturm machte es notwendig, den Heizkessel im Wurmstand rund um die Uhr zu befeuern, und Friedensreich meldete sich freiwillig, dabei zu helfen. »Es ist so. Ich hab gebetet und nachgedacht. Scheint mir, wollte Magwamp mich verspeisen, dann hätte er das schon längst getan. Ich denke, der Herr hat noch was mit ihm und mir vor, also leiste ich Gottes Werk, wenn ich das tue.«

Magwamp seinerseits äußerte sich nicht in theologischen Fragen, nahm Beins Gegenwart aber sehr gelassen. Er spritzte ihn nicht ein einziges Mal voll und schaute jedes Mal auf, wenn der Hüne erschien, um den Prinzen abzulösen. Bäcker berichtete, dass der Lindwurm schmollte, wenn Friedensreich wieder ging, und soweit Vladimir es sich erklären konnte, hoffte er wohl, der große Mann würde ihm noch einen Pasmorte als Appetithappen bringen.

Warum genau der Lindwurm sich auf den reanimierten Leichnam gestürzt hatte, blieb ein Rätsel. Keines der Bücher im Bestand des Prinzen bot eine Erklärung für dieses Verhalten. Im Übrigen hatte Magwamp seine normale Diät wieder aufgenommen und zeigte keinerlei ungewohnte Zurückhaltung beim Verzehr.

Drei Tage nach Ausbruch des Sturms riss der Himmel wieder auf. Als die Stallburschen die Pferde vor die Kutsche des Prinzen spannten, galoppierte ein einzelner Reiter mit dampfendem Ross auf den Gutshof. Er sprang vom Sattel, warf Nathaniel die Zügel zu und fiel auf ein Knie. »Verzeiht mir, Hoheit. Ich komme direkt aus Port Maßvoll.«

Vladimir schnippte mit dem Finger. »Steht auf, bitte. Ihr seid Caleb Frost.«

»Der bin ich, Sire.« Caleb rang nach Atem. »Bitte, Sire, ich habe eine Nachricht. Es geht um Kapteyn Radband, Sire.«

Der Prinz nickte. »Wir wissen es schon.«

Caleb blinzelte überrascht. »Ihr wisst es?«

»Meister Wald brachte uns die Nachricht. Eine furchtbare Entwicklung. Tragisch.« Der Prinz schüttelte den Kopf. »Wir waren gerade auf dem Weg nach Port Maßvoll, um Eure Familie von seinem Tod zu unterrichten.«

»Nein, Sire, das ist es nicht.« Caleb lachte laut. »Kapteyn Radband ist wieder da. Er lebt!«

Krieg der Drachen - Roman
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