1.

Veva trat in die Knechtkammer, in der der Schwab auf einem Schemel saß und einen Korb reparierte. Der Schweiß lief ihm in Strömen über das Gesicht, und seine Miene verriet, dass er immer noch Schmerzen hatte. Zornig kam sie auf ihn zu und nahm ihm den Korb ab.

»Bist du närrisch? Wenn deine Wunde noch einmal aufbricht, kann es dein Tod sein!«

»Aber ich kann doch nicht hier herumliegen wie ein morsches Stück Holz!«

»Du wirst so lange hier liegen und nichts arbeiten, bis ich dir sage, dass du aufstehen darfst. Und jetzt ab ins Bett! Oder willst du, dass es dir wieder so geht wie letzte Woche?«, wies Veva ihn scharf zurecht.

Der Schwab zog den Kopf ein. Vor ein paar Tagen hatte er versucht, für Cilli einen neuen Kochlöffel zu schnitzen, und dabei hatte sich seine Wunde wieder geöffnet.

»Dem Herrn ist’s sicher nicht recht, wenn ich nichts tue«, antwortete er schwächlich, legte sich aber hin.

»So ist’s brav! Mein Vater hat nichts davon, wenn du in deinem Zustand arbeitest und dadurch längere Zeit ausfällst. Hast du mich verstanden? Wir brauchen einen gesunden Knecht, aber keinen, der aus eigener Dummheit heraus zu Schaden kommt.«

Mit einem hilflosen Grinsen blickte der Schwab zu Veva auf. »Es ist weniger der Ehrgeiz als die Langeweile. Ich habe mein Lebtag die Hände gerührt. Jetzt lieg ich da und bin zu nichts nütze.«

Veva verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte streng auszusehen. »Du nützt uns mehr, wenn du dich bemühst, bald wieder gesund zu werden. Außerdem kann der Sepp auch einmal was tun!«

Sie wusste wohl, dass Sepp, der zweite Hausknecht, alle unangenehmen Arbeiten auf den Schwab abgeschoben hatte und dies nun auch bei den Mägden versuchte. Diese husteten ihm jedoch etwas, und daher blieb so manches ungetan.

Der Schwab musste lachen. »Dem Sepp gefällt nicht, dass ich hier herumliege. Er schimpft immer wieder und hat mich einen faulen Hund genannt.«

»Wenn er das noch einmal sagt, kriegt er es mit mir zu tun!« Vevas Stimme klang so energisch, dass der Schwab seinen Kollegen beinahe bedauerte. Die junge Herrin würde schon dafür sorgen, dass der Knecht die ihm übertragenen Arbeiten erledigte. In der Hinsicht war der Schwab froh, dass Leibert Veva nicht, wie ursprünglich geplant, wieder nach Pewing geschickt hatte.

»Ich sehe mir jetzt deine Verletzung an. Wehe, es ist dir durch deine Dummheit etwas passiert!«

Vevas Drohung schreckte den Knecht nicht, denn mehr, als ihn ins Bett zu schicken, konnte sie derzeit nicht tun. Er ließ es zu, dass sie die Binde um seinen Leib löste und die geschwollenen Ränder seiner Wunde mit kühlen Fingern betastete.

»Zum Glück ist nichts geschehen. Ich wasche die Stelle noch einmal mit Arnika- und Kamillensud und lege ein neues Kohlblatt drauf. Aber das hilft nur, wenn du tust, was ich dir sage!«

Veva tauchte ein sauberes Tuch in das kleine Töpfchen mit dem noch warmen Aufguss und wusch die Verletzung des Knechts aus. Obwohl sie so sanft wie möglich vorging, biss der Schwab die Zähne zusammen.

Als ihm vor Schmerz die Tränen in die Augen stiegen, wiegte Veva den Kopf. »Du siehst selbst, dass es noch nicht gut ist. Also bleib gefälligst liegen! Sag mir lieber, wer dich niedergestochen hat!«

Der Schwab schüttelte den Kopf, wagte aber nicht, sie anzublicken. »Ich hab doch schon gesagt, dass der Herr das nicht will.«

»Nun gut, wenn ihr beide ein Geheimnis daraus machen müsst, werde ich nicht weiter in dich dringen.« Veva zuckte leichthin mit den Achseln.

Der Knecht sah ihr jedoch an, dass sie sich nicht so einfach abspeisen lassen würde. Aber ihr Vater wollte nicht, dass sie von Haselegners Auftritt erfuhr, um ihr Gemüt nicht zu belasten. Allerdings war der Schwab der Ansicht, Veva würde die Nachricht weitaus ruhiger aufnehmen, als ihr Vater glaubte.

Da für ihn der Wille seines Herrn zählte, suchte er sein Heil in einer Ausrede. »Ein Dieb war’s! Ich habe ihn überrascht, als er ins Haus schleichen wollte. Aber wie er ausgesehen hat oder wer es war, kann ich nicht sagen. Es geschah alles viel zu schnell.«

Veva ahnte, dass er nicht die Wahrheit sagte, ließ ihn jedoch in Ruhe. Immerhin war der Mann verletzt, und ihr Vater hatte ihr aufgetragen, ihn gut zu versorgen. Das hätte er gewiss nicht getan, wenn der Schwab sich seine Wunde bei einer Rauferei zugezogen hätte. Irgendwann, so sagte sie sich, würde sie hinter das Geheimnis kommen. Nun aber schüttete sie dem Schwab mit Wasser vermischten Wein in einen Becher und deckte diesen mit einem hölzernen Deckel ab, um die Fliegen von dem Getränk fernzuhalten.

»Bleib jetzt liegen und tu nichts Unbesonnenes!«, schärfte sie dem Knecht noch einmal ein. Dann verließ sie die Kammer, stieg ein Stockwerk tiefer und betrat die Schlafkammer ihres Vaters.

Die Ketzerbraut. Roman
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