16.

Unterdessen bemerkte einer der Armbrustschützen, dass die in die Berge geflohenen Räuber die rückwärtige Pforte der Burg hatten offen stehen lassen, und meldete es Prielmayr. Dieser schickte drei Dutzend Kriegsknechte los, die ungesehen die Burg betreten konnten. Während einige von ihnen das Haupttor für ihre Kameraden öffneten, drangen die übrigen, angelockt von dem Gebrüll der streitenden Räuber, in den Palas ein und fanden die Schurken allesamt in Giggings Schatzkammer versammelt. Bevor die Kerle begriffen, wie ihnen geschah, schlug einer der Bayern die Tür zu und schob die schweren Riegel vor.

»Ich glaub, jetzt haben wir sie im Sack!«, meinte er grinsend zu seinen Kameraden.

»Das kannst du laut sagen«, lobte ihn sein Unteroffizier und schüttelte dann den Kopf. »Was für ein Gesindel! Wollten die doch glatt ihren Raub einpacken und damit verschwinden, anstatt auf ehrliche Weise die Klingen mit uns zu kreuzen!«

»Mir ist es so lieber. Sonst hätte es vielleicht doch den einen oder anderen von uns erwischt.«

Der Unteroffizier klopfte ihm auf die Schulter. »Mir auch!«

Er machte kehrt, um seinem Kommandeur die Einnahme der Burg zu melden.

Trotz seiner Verletzung ließ Prielmayr es sich nicht nehmen, als Sieger in die Burg einzureiten. Er brauchte allerdings zwei Männer, die ihm aus dem Sattel halfen. Als er erfuhr, dass die verbliebenen Räuber in der Schatzkammer eingesperrt worden waren, wollte er seinen Unteranführer tadeln.

Der winkte jedoch ab. »Die werden bald merken, dass man Gold nicht essen und Silber nicht trinken kann, und freiwillig herauskommen. Die Hauptsache ist doch, dass uns keiner von den Vögeln entwischt ist.«

Er brachte es so drollig vor, dass Prielmayr lachen musste. »Da hast du auch wieder recht. Auf alle Fälle haben wir das Räubernest ausgehoben. Der Herzog wird mit uns zufrieden sein.«

»Wir sind schon auch zufrieden, Herr Rat. Die Oberländer waren eine elende Bande. Die haben meinen Schwager umgebracht, der Fuhrknecht beim Impler war. Es freut mich, meiner Schwester jetzt sagen zu können, dass ich dabei war, als seine Mörder gefangen genommen wurden!«

Prielmayr sagte sich, dass nicht nur sein Unteranführer, sondern auch der Herzog und die gesamte Münchner Kaufmannschaft über das Ende dieser Bande erleichtert sein würden. Vielleicht waren die Pfeffersäcke sogar bereit, ihm eine entsprechende Belohnung dafür zu geben, oder wenigstens einen Kredit zu guten Bedingungen. Bei dem Gedanken erinnerte er sich an Veva. Er wandte sich suchend zu ihr um und sah, wie sie gerade die Burg betrat.

Zwischen fiebriger Erwartung und der Angst schwankend, im letzten Augenblick enttäuscht zu werden, sah Veva sich um. Aus dem Eingang des Hauptgebäudes hörte sie die fröhlichen Stimmen der Waffenknechte, die ihren Sieg feierten. Ihr Blick blieb an einer kleinen Pforte haften, die ebenfalls weit geöffnet war. Dahinter führte eine Treppe in die Tiefe. Wie von einer inneren Stimme getrieben ging sie darauf zu und sah oben auf der Treppenkante eine Laterne stehen, deren Unschlittkerze noch brannte. Also war erst vor kurzem jemand von unten heraufgekommen und hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Laterne wegzuräumen.

Kurz entschlossen legte Veva ihre Kleine in die Arme des Schwab, nahm die Laterne an sich und stieg die Stufen hinab. Unten kam sie in einen Raum, in dem in einer Ecke ein Tisch, ein paar Stühle und ein schlichtes Bett standen. Von hier aus führten mehrere Türen in angrenzende Kammern. Bis auf eine waren sie unverschlossen. Diese aber hatte man mit einem doppelten Riegel gesichert. In die Tür waren zwei Klappen eingelassen, eine etwa in Augenhöhe und eine unten in der Ecke.

Veva öffnete die obere, sah aber dahinter nur Dunkelheit. Leise Geräusche zeigten ihr jedoch an, dass sich jemand in dem Raum befinden musste. Mit zitternden Fingern griff sie zum ersten Riegel und zerrte daran. Doch erst als sie die Laterne auf den Boden gestellt hatte und mit beiden Händen zog, glitt der Riegel zurück. Sie löste auch den zweiten, hob die Laterne auf und öffnete die Tür.

In dem nach vorne fallenden Lichtschein sah sie einen Mann in schmutzverkrusteter Kleidung, der die rechte Hand schützend vor die geblendeten Augen hielt. Trotz seines wuchernden Vollbarts erkannte sie Ernst auf Anhieb. Die Laterne fiel ihr aus der Hand, zerbrach aber nicht. Dann eilte sie auf ihren Mann zu und schlang die Arme um ihn.

»Ernst! Ich wusste, dass du noch lebst!«

Die Ketzerbraut. Roman
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