13.
Der Schrei des Schwab rief Cilli auf den Plan. Während Leibert vor Schreck erstarrt in seinem Lehnstuhl hockte, lehnte der Knecht bleich wie ein frisches Leintuch an der Wand und murmelte Gebete zum Herrn Jesus und seinen bevorzugten Heiligen.
Die resolute Köchin packte ihn und schob ihn auf die Treppe zu. »Glaubst du, dass du zu deiner Kammer hochkommst, oder soll ich den Sepp rufen?«
Bei dem Gedanken an seinen Kollegen, der sich immer wieder vor der Arbeit drückte und ihm alles Unangenehme überließ, schüttelte der Schwab den Kopf. »Nicht den Sepp! Wenn du mir ein bisserl hilfst, geht’s schon.«
»Bring ihn hoch, Cilli, und sag dann dem Sepp, er soll sofort den Wundarzt holen. Heiliger Josef, hilf, dass die Verletzung nicht schwer ist! Schwab, es tut mir leid. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass der Kerl Gewalt anwenden würde!« Leibert schüttelte sich und fasste nach der blutverschmierten Hand des Knechts. »Das werde ich dir nie vergessen!«
»Schon gut, Herr. Aber jetzt wär’s mir lieb, wenn ich mich hinlegen könnte. Mir wird nämlich ganz wirr im Kopf.«
Leibert ließ ihn los und rief laut nach seinem zweiten Knecht. Doch bis dieser kam, hatte Cilli den Verletzten schon die halbe Treppe hochgeschafft.
»Wo bleibst du denn?«, fuhr Leibert Sepp an. »Sieh zu, dass du der Cilli hilfst. Wenn der Schwab auf seinem Strohsack liegt, sputest du dich und holst den Chirurgen.«
»Schickt lieber einen von den Gassenburschen, Herr. Bis der Schlafwandler da mit einem Arzt zurückkommt, bin ich dreimal verblutet«, sagte der Schwab mit einem schmerzerfüllten Stöhnen.
»Du, beleidigen lass ich mich von dir aber nicht«, polterte Sepp los.
Da packte sein Herr ihn am Kragen. »Tust du jetzt, was ich dir angeschafft habe? Sonst kannst du dein Bündel packen und gehen!«
So zornig hatten weder Cilli noch die beiden Knechte ihren Herrn je gesehen. Sepp, der den bequemen Dienst bei Leibert nicht verlieren wollte, eilte jetzt die Treppe hoch und fasste den Schwab unter. Da erst sah er das Blut, das sich auf dessen Kittel ausbreitete. »Ja sag, was ist denn mit dir passiert?«
»Bis wir dir das erzählt haben, ist der Schwab wirklich verblutet. Also halt’s Maul und pack mit an! Alles andere erfährst du früh genug«, wies Cilli ihn zurecht.
Während die beiden den Verletzten in die Knechtstube schafften und Cilli begann, die Wunde zu versorgen, kehrte Leibert in sein Kontor zurück und setzte sich. Zuerst betete er so flehentlich, wie er es vermochte, dass sein Knecht nicht an der Wunde starb. Dann überlegte er, was er tun sollte. Natürlich erwog er als Erstes, die Gewalttat anzuzeigen. Doch das hätte nur unnötigen Wirbel verursacht. Wie er Haselegner kannte, würde es dem Mann gelingen, sich herauszureden und die Sache mit einer Handvoll Gulden abzugelten. Wichtiger schien es ihm, dafür zu sorgen, dass Veva rasch genug unter die Haube kam. Sollte sie noch nicht verheiratet sein, bevor er starb, war sie einem Mann wie Haselegner hilflos ausgeliefert. Dieser würde sie bedrängen und notfalls sogar mit Gewalt dazu zwingen, ihn zu heiraten.
»Niemals!« Er musste seine Tochter so rasch wie möglich mit Ernst Rickinger verheiraten. Der Pfarrer würde zwar protestieren, weil sie die Trauerzeit um den Bruder nicht einhielt, aber für eine gewisse Spende dennoch den Dispens erteilen.
Entschlossen, das Seine zu tun, um seine Tochter vor Haselegners Nachstellungen zu schützen, wollte Leibert schon nach dem Schwab rufen, um diesen zu Rickinger zu schicken. Er erinnerte sich jedoch rechtzeitig an dessen Verletzung und sandte Haselegner einen Fluch nach, für den er von seinem Beichtvater einige Gebete aufgetragen bekommen würde. Da Sepp noch unterwegs war und ihm die Sache unter den Fingernägeln brannte, machte er sich selbst auf den Weg in die Schmalzgasse.