22.
Als Benedikt Haselegner von einem Gefolgsmann Giggings erfuhr, dass Ernst Rickinger tot sei, hätte er am liebsten die ganze Welt umarmt. Bevor der Weg zu Veva und deren Erbe endgültig frei für ihn war, galt es jedoch, noch ein letztes Hindernis aus der Welt zu schaffen, und das war seine Frau.
Johanna saß auf ihrem Stuhl und bestickte ein Altartuch, das sie ihrer Pfarrkirche stiften wollte. Mit hämisch verzogenem Mund dachte er, dass dieses Altartuch wohl unvollendet bleiben würde. Ohne ein Wort mit ihr zu wechseln, verließ er die Räume, die ihr Schwiegervater ihnen in einem Anbau des Hauses zur Verfügung gestellt hatte, und suchte Antscheller auf.
Dieser beugte sich gerade über sein Rechnungsbuch und trug seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen erfreuliche Zahlen ein. Erst als er damit fertig war, bequemte er sich dazu, die Anwesenheit seines Schwiegersohns zur Kenntnis zu nehmen. »Nun, was gibt es?«
»Verzeiht, Herr Schwiegervater, aber ich habe Botschaft aus München erhalten. Meine Anwesenheit ist dort dringend erforderlich.«
»Du willst nach München reisen?«, fragte Antscheller verwundert nach, denn bisher hatte Haselegner sich sogar geweigert, die Stadt in seinem Auftrag aufzusuchen.
»Es geht um meinen Besitz. Wenn ich nicht rasch erscheine und meine überfälligen Steuern bezahle, wird das Haus beschlagnahmt.«
»Das wäre eine üble Sache«, gab Antscheller zu.
»Ihr werdet verstehen, dass ich so rasch wie möglich aufbrechen will. Wenn Ihr gestattet, reite ich morgen früh.«
»So bald schon?« Antscheller wollte es ihm schon untersagen, da fiel ihm ein, dass sein Schwiegersohn einige wichtige Geschäftsbriefe nach München bringen konnte, die er ungern einem Boten anvertrauen würde.
»Also gut! Wenn du morgen abreist, wirst du einige Schreiben, die ich noch verfassen werde, mitnehmen und den Empfängern übergeben.« Mit einer Handbewegung, die Haselegner anzeigte, dass er überflüssig war, verabschiedete Antscheller ihn und nahm einen frischen Bogen Papier zur Hand.
Haselegner kochte vor Wut über die Behandlung, die sein Schwiegervater ihm zuteilwerden ließ. Schließlich war er weder Antschellers Kommis noch sein Laufbursche. Nicht zuletzt deswegen begrüßte er es, dass ihm der Weg nach München wieder offenstand. Dort konnte er sich zuerst einmal um seine eigenen, arg vernachlässigten Geschäfte kümmern. In zwei bis drei Monaten würde er Veva heiraten und deren Vermögen mit dem seinen vereinen. Dann würde er nicht nur Antscheller, sondern auch die meisten Kaufherren Münchens an Reichtum übertreffen.
Ohne sich seine Überlegungen anmerken zu lassen, verließ er das Kontor und suchte die Sachen zusammen, die er für die Reise brauchte. Seine Frau bemerkte es, sagte aber nichts. Wahrscheinlich ist sie froh, wenn ich fort bin, weil sie nicht mehr die Beine für mich breit machen muss, fuhr es Haselegner durch den Kopf. Ihr Beichtvater hatte ihr weisgemacht, dass jede körperliche Vereinigung, auch die mit ihrem Ehemann, eine Sünde darstellte. Nun fragte Haselegner sich, ob der Priester ein ausgemachter Schwachkopf war oder selbst bei den Frauen zum Zuge kommen wollte.
Im Grunde war es ihm gleichgültig, denn das Problem würde sich bald lösen. Das Einzige, was im Leben wirklich zählte, sagte er sich, war Geld. Er musste nur an Jakob Fugger in Augsburg denken, der dem Kaiser auf einen einzigen Wechsel hin mehr Geld lieh, als er selbst in seinem ganzen Leben verdienen würde.
»Ich werde mir meinen eigenen Reichtum schaffen!«, schwor Haselegner sich, ballte die Rechte zur Faust und drohte damit allen, von denen er glaubte, sie würden sich ihm in den Weg stellen.
»Bist du böse auf meinen Vater?«, fragte seine Frau, die die Geste gesehen hatte.
»Nicht direkt böse. Aber ich werde froh sein, wenn ich wieder in München wohnen kann. Dein Vater behandelt mich wie einen Knecht! Dabei habe ich mein Handelsgeschäft in München durchaus mit Erfolg geführt. Dir wird es dort gefallen, meine Liebe. Es ist eine große Stadt und zudem die Residenz unseres allergnädigsten Herzogs, an dessen Luxus und Prachtentfaltung ich sehr gut verdienen werde.«
Er rang sich ein Lächeln ab und gab sich alle Mühe, so zu tun, als würde er sein Weib bald nachholen. Damit wollte er verhindern, dass später der Verdacht aufkam, er habe sich ihrer entledigen wollen. Im Stillen aber verglich er seine Frau mit Veva, was Johanna zum Nachteil gereichte. Mit ihrem schmalen Gesicht, der messerscharfen, gebogenen Nase und den blassen, leicht vorstehenden Augen war sie eher unansehnlich.
»Da ich morgen reise, sollten wir etwas eher zu Bett gehen. Vielleicht segnet Christus, unser Herr, uns diese Nacht, und du wirst schwanger.« Immer so tun, als gäbe es für sie ein Morgen, sagte er sich, während die Frau seufzend den Kopf senkte. Natürlich sehnte sie sich nach Kindern, aber sie ekelte sich vor der Art, wie sie gezeugt wurden. Da weder ihr Mann noch ihr Vater für ihren Widerwillen Verständnis aufbrachten, nickte sie ergeben, zögerte aber ihre weiteren Verrichtungen an diesem Tag so hinaus, dass es draußen bereits dunkel wurde, als sie sich endlich vom Abendbrottisch erhoben. Bis zuletzt hatte sie gehofft, ihr Mann würde die Geduld verlieren und seine Absichten auf sie fallenlassen.
Haselegner aber packte sie am Arm. »Komm endlich zu Bett, Weib! Ich muss früh hinaus.«
»Ich werde morgen in der heiligen Messe für deine glückliche Rückkehr beten.«
»Ja, ja, tu das!« Ohne sie loszulassen, schritt Haselegner den Flur entlang und stieß Johanna ins Schlafgemach. »Mache dich für die Nacht fertig! Ich komme gleich nach!«
»Bitte, Mann, lass mir ein wenig Zeit!«, flehte sie.
»Von mir aus!« Haselegner kehrte in die Wohnstube zurück und schenkte sich einen Becher Welschwein ein. Erst nachdem er ihn genussvoll geleert hatte, wandte er sich wieder der Schlafkammer zu. »Bist du so weit?«
Ein unglücklich klingendes »Ja!« antwortete ihm. Er lachte hämisch auf und trat ein. Auf der kleinen Anrichte am Kopfende des Bettes seiner Frau brannte eine dünne, einsame Kerze, die nicht einmal den halben Raum zu erhellen vermochte, und auf seinem Bett lag ein fein säuberlich zusammengefaltetes Hemd.
»Was soll das?«, wollte er wissen.
»Das ist ein neues Hemd für die Nacht, mein Herr. Unser hochwürdiger Herr Pfarrer hat es für Eheleute empfohlen, damit ihnen die Sünde fernbleibe!«
»Bis jetzt war mir mein eigenes Hemd gut genug«, sagte Haselegner mürrisch.
»Trag es mir zuliebe!« Die Stimme der Frau klang flehend.
Da ein Streit das Letzte war, was Haselegner brauchen konnte, zog er sich bis auf die Haut aus. Um ihn nicht nackt sehen zu müssen, drehte Johanna das Gesicht zur Wand.
Er zuckte verächtlich mit den Schultern, packte das neue Hemd und streifte es über. Als er den Grund erkannte, aus dem heraus der Priester dieses Ding den Eheleuten aufschwatzte, musste er schallend lachen. Das Hemd hatte vorne im Schritt einen Schlitz, durch den er bequem seinen Penis stecken konnte. Wahrscheinlich gab es im Hemd seiner Frau einen ähnlichen Schlitz.
Um des lieben Friedens war er bereit, auch das hinzunehmen. Er ließ sein bestes Stück ins Freie schauen, legte sich ins Bett und schob sich über seine Frau. Diese löschte noch rasch das Licht und drehte sich mit einem tiefen Seufzer so hin, dass er sie benutzen konnte.
Haselegner wusste aus Erfahrung, dass sie es verabscheute, berührt zu werden. Daher griff er ihr mit hämischer Freude zwischen die Beine, ertastete den Schlitz in ihrem Hemd und das, was dahinterlag. Dann drang er in sie ein, ohne besondere Rücksicht auf sie zu nehmen. Während er keuchend das Becken vor und zurück bewegte, glaubte er zu hören, wie sie leise den Rosenkranz betete.