8.

Kaum hatte Haselegner das Anwesen verlassen, kehrte der Schwab zu Veva zurück. Diese saß wieder an ihrem Tisch im Kontor, las Briefe und machte sich Notizen.

Als der Knecht eintrat, hob sie den Kopf. »Ist Haselegner endlich fort?«

»Das ist er – nicht ohne mich vorher aufzufordern, Euch eine Heirat mit ihm schmackhaft zu machen.«

Veva schüttelte den Kopf. »Bei der Heiligen Jungfrau! Sein Weib ist noch nicht richtig unter der Erde, da denkt er bereits an eine weitere Ehe.«

»Haselegner ist es schon immer um Euch gegangen. Er hatte damals sogar Euren Bruder dazu aufgefordert, bei Eurem Vater gut Wetter für ihn zu machen. Doch Herr Leibert hat es barsch abgelehnt, Euch mit Haselegner zu verheiraten. Als er nach Bartls Tod beschloss, Euch Ernst Rickinger zu geben, ist Haselegner vor Wut so gewalttätig geworden, dass ich Euren Vater vor ihm schützen musste.«

»Bist du so zu deiner Verletzung gekommen?«, fragte Veva ihn. »Etwas in dieser Art habe ich mir schon gedacht. Es wäre besser gewesen, Vater oder du hättet mir reinen Wein eingeschenkt.«

»Das hat Euer Vater nicht gewollt, und da habe ich eben den Mund gehalten. Ihr solltet den Willen Eures Vaters beherzigen und Euch vor Haselegner in Acht nehmen. Er ist ein Mann, der ein Nein nicht gelten lässt. Ich traue ihm zu, Euch Gewalt anzutun, um Euch zur Ehe mit ihm zu zwingen.« Der Schwab klang besorgt, denn er konnte nicht andauernd um Veva herum sein, um sie zu beschützen.

»Ich werde mich vorsehen. Kannst du mir ein scharfes Messer oder noch besser einen Dolch beschaffen, damit ich nicht ganz wehrlos bin?«

Der Schwab überlegte kurz. »Das werde ich. Aber auch damit seid Ihr einem zu allem entschlossenen Mann nicht gewachsen.«

»Das wird sich herausstellen! Doch nun muss ich noch etwas schaffen.« Mit diesen Worten verabschiedete Veva den Knecht und wandte sich wieder ihren Geschäften zu. Die Arbeit half ihr, die Trauer um Ernst zu ertragen. Könnte sie sich nur mit Hausarbeiten beschäftigen, würde sie wahrscheinlich verrückt werden.

Noch während sie nach dem nächsten Brief griff, klopfte es erneut an die Tür, und der Schwab steckte den Kopf herein. »Ihr habt schon wieder Besuch, Herrin!«

»Ich will niemanden mehr sehen!«

Doch der Knecht machte eine beschwichtigende Geste. »Ihr solltet es vielleicht doch tun, denn es handelt sich um den Ratsherrn Arsacius Bart. Er kommt im Namen des Rates.«

»Also gut! Führe ihn in die gute Stube und sag einer der Mägde, sie soll einen Krug des besten Weines bringen.« Veva stand auf und trat in das größte Zimmer des Hauses, das mit seiner Vertäfelung und den Deckenmalereien keinen Vergleich mit den anderen guten Stuben in den Kaufherrenhäusern scheuen musste.

Kurz darauf trat Bart ein und blieb vor Veva stehen. »Mein Beileid, Rickingerin. Dem Herrgott sei’s geklagt, dass es so gekommen ist!«

»Ich danke Euch, Ratsherr, besonders dafür, dass Euer Beileid echt ist. Das kann ich leider nicht von jedem sagen.«

»Euer Knecht hat mir schon berichtet, wer bei Euch gewesen ist«, antwortete der Ratsherr mit einem harten Auflachen, für das er sich sofort entschuldigte. »Nichts für ungut, Rickingerin, aber sowohl Euer Schwiegervater wie auch der Haselegner haben keine Zeit versäumt und sind schon heute früh bei mir und anderen Ratsmitgliedern gewesen. Sie haben vehement gefordert, zu Eurem Vormund bestimmt zu werden.«

»Zu meinem Vormund?« Veva erschrak, an diese Gefahr hatte sie noch gar nicht gedacht.

»Ihr braucht Euch keine Sorge zu machen. Die Absichten der beiden waren zu offensichtlich, als dass der Rat ihnen dieses Amt anvertrauen würde. Daher hat man mich dazu bestimmt. Ich hoffe, Ihr habt nichts dagegen.«

Veva musterte den Ratsherrn einige Augenblicke lang und dachte daran, dass dieser Ernst und ihr bereits mehrfach geholfen hatte. »Nein, Herr Bart, dagegen habe ich gar nichts. Ich will nur meinen Handel so führen können, wie ich es mir vorstelle.«

»Ich werde Euch nicht dreinreden. Wenn Ihr jedoch Hilfe braucht, weil einer Eurer Geschäftspartner denkt, mit einer Wittib kann er es machen, dann wendet Euch an mich!« Arsacius Bart streckte Veva die Hand hin, und sie schlug ein.

»Ich werde Euren Rat suchen. Habt Dank für Euer Eingreifen. Ich hätte nicht gewusst, wie ich mir sonst meinen Schwiegervater und auch den Haselegner vom Leib hätte halten können.« Da sie nun gegen jeden Zugriff gefeit war, fühlte Veva sich zutiefst erleichtert.

Sie schenkte dem Ratsherrn eigenhändig Wein ein, füllte auch sich einen Becher und hielt ihm Bart entgegen. »Auf Euer Wohl und auf das Eurer Familie!«

»Auf Euer Wohl – das wollen wir nicht vergessen. Gebe Gott, dass wir in zehn Jahren ebenso anstoßen können!« Der Ratsherr berührte mit seinem Becher kurz den Rand von Vevas Trinkgefäß und leerte dann den Pokal.

Als er ihn abstellte, schnalzte er anerkennend mit der Zunge. »Das ist ein guter Tropfen. Den könntet Ihr auch an den herzoglichen Hof verkaufen.«

»Und dann jahrelang auf die Bezahlung meiner Rechnung warten? Nein, Herr Bart, das kann ich mir in meiner Lage nicht leisten.«

»Ihr seid eine kluge Frau.« Der Ratsherr lächelte zufrieden, denn er zählte zu jenen, die den herzoglichen Hof mit Wein versorgten, und hätte Veva ungern als Konkurrentin gesehen. Um sie zu unterstützen, bot er ihr ein paar Handelsbeteiligungen an, die sie nach kurzem Überlegen annahm. Der Gewinn war zwar im Erfolgsfall nicht so hoch wie bei ihren Geschäften mit Fugger, halfen ihr aber, Arsacius Bart als Verbündeten zu erhalten. Das war in dieser schwierigen Zeit wertvoller als Gold.

Die Ketzerbraut. Roman
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