11.

Kurz darauf saßen die beiden in der Schankstube vor vollen Krügen und stießen miteinander an. Da Haselegner keine Zeit verlieren wollte, stellte er gleich die Frage, die ihm unter den Nägeln brannte. »Stimmt es, dass dein Vater noch einmal heiraten will?«

»Ja!« Ernst sagte nur dieses eine Wort, aber man konnte hören, dass darin all seine Gefühle mitschwangen.

»Das gefällt dir wohl nicht?«, bohrte Haselegner weiter.

Ernst zuckte mit den Achseln. »Dagegen, dass mein Vater noch einmal heiratet, habe ich nichts. Ich finde bloß, er hätte sich eine bessere Partie suchen können.«

»Eine Witwe mit Geld, meinst du wohl!«

»Mir geht’s nicht ums Geld. Aber musste es ein Dachauer Bäckerweib sein? Es gibt auch bei uns in München manch angesehene Wittib, die von ihrer Herkunft her besser ins Rickinger-Haus gepasst hätte. Aber das muss der Vater selbst wissen. Mich geht das nichts an.«

»Ich finde doch«, wandte Haselegner ein. »Immerhin geht es um dein Erbe. Eine Frau, die nichts mitbringt, aber einen Haufen Kinder wirft, schmälert den Anteil, der dir einmal bleiben wird. Du hättest deinem Vater ruhig den Kopf zurechtsetzen dürfen.«

»Glaubst du vielleicht, ich hätte nichts gesagt? Aber es ist nun einmal sein Wille, die Striegler Susanne zu heiraten.« Ernst griff nach seinem Krug und trank ihn in einem Zug leer.

»Resi, nachfüllen!«, rief er der drallen Schankmaid zu und machte dann eine wegwerfende Handbewegung. »Mein Vater geht seinen Weg und ich den meinen. Ich werde ebenfalls heiraten und für eine Weile nach Augsburg gehen.«

Haselegner hob die Augenbrauen. »Du heiratest? Wen?«

»Der Vater hat die Ehe gestiftet, um mich loszuwerden. Zuerst war ich schockiert, aber mittlerweile sehe ich selber ein, dass es das Beste ist. Wenigstens bin ich dann mein eigener Herr und habe mit meinem Vater und seiner neuen Familie nicht mehr viel zu tun.«

»Sag endlich, wer es ist!« Haselegner packte Ernst und zog ihn zu sich heran. Da er die Verhältnisse in München kannte, wusste er, dass es nur wenige Väter gab, die ihre Töchter einem Mann mit Ernsts Ruf überlassen würden, umso mehr, wenn dessen Erbe durch Kinder seines Vaters aus zweiter Ehe geschmälert werden konnte.

»Die Veva! Sie ist nach Bartls Tod die einzige Erbin vom Leibert und damit in den Augen meines Vaters genau die richtige Schwiegertochter, um mich versorgt zu sehen.« Ernst war zu sehr mit sich und seinen Gefühlen beschäftigt, um auf das Mienenspiel seines Gegenübers zu achten.

Haselegner erschrak bis ins Mark und ballte die Fäuste, als wolle er Ernst auf der Stelle niederschlagen. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich zu beherrschen. »Deinem Vater muss ja sehr daran gelegen sein, dich loszuwerden, wenn er Veva als deine Frau in Betracht zieht.«

»Warum? Was ist mit ihr?«

Haselegner zog ihn näher zu sich heran. Gleichzeitig dämpfte er seine Stimme, so dass Ernst Mühe hatte, ihn zu verstehen. »Du weißt, dass ich die Veva aufgefunden habe, nachdem das mit Bartl und den Räubern passiert ist. Ich habe es bislang noch niemandem erzählt, am wenigsten ihrem Vater, der durch den Verlust des Sohnes wahrlich genug gestraft ist. Aber stell dir vor, sie hatte keinen einzigen Kratzer am Leib, und das, obwohl sie mehr als einem Dutzend rauher Kerle als Matratze hat dienen müssen, und sie trug ein Gewand, das einer Herzogin würdig gewesen wäre, und sogar Schmuck. Du weißt, was das heißt!«

Ernst hatte sich in den letzten Tagen oft gewünscht, er wäre damals an Haselegners Stelle gewesen. Er hätte sich nicht damit begnügt, Veva zu befreien, sondern wäre ihren Entführern gefolgt, um sie für den Mord an seinem Freund und für das, was sie dessen Zwillingsschwester angetan hatten, bezahlen zu lassen. Doch selbst wenn Veva sich den Räubern nicht gezwungenermaßen, sondern aus Angst freiwillig hingegeben hatte, war dies kein Grund, sie zu verdammen. Dies sagte er Benedikt auch.

Diesen drängte es, noch deutlicher zu werden, um Ernst von einer Heirat mit Veva abzubringen. Gleichzeitig aber begriff er, dass er die junge Frau nicht zu sehr in Verruf bringen durfte, wenn er seine eigenen Pläne verfolgen wollte. Daher schob er seinen noch halb gefüllten Bierkrug zurück und stand auf. »Ich muss jetzt weiter. Lass es dir derweil schmecken!« Er klopfte kurz auf den Tisch und ging, ohne seine Zeche zu begleichen. Die Schankmaid sah ihm kurz nach, sagte sich, dass der junge Rickinger gewiss für seinen Begleiter zahlen würde, und brachte Ernst den nächsten Krug.

Die Ketzerbraut. Roman
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